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Einleitung.

Mit vorliegendem ersten Theile von Goethe's Gedichten wird eine neue Ausgabe der in den Jahren 1867 bis 1879 im Hempel'schen Verlage in sechsunddreißig Bänden erschienenen Goethischen Werke eröffnet. Die zweite Ausgabe wird im Wesentlichen, was die innere Einrichtung betrifft, der ersten gleichen, dagegen im Äußern, im Format, Papier und Druck, vielfach geäußerten Wünschen entsprechend, dieselbe übertreffen und hierin der aus jenem Verlage 1879 hervorgegangenen zweiten Separat-Ausgabe des „Faust" folgen.

Wird die Anordnung der ersten Ausgabe in der Reihenfolge der Hauptrubriken, der lyrischen und epischen Gedichte, Dramen, Romane und Novellen, des Biographischen, der Kunst-, Litteratur- und NaturAbtheilungen, beibehalten, so haben innerhalb derselben mehrfache Abweichungen sich nöthig gemacht. Vorzugsweise aber wird auf eine größere Gleichmäßigkeit in der Art und dem Umfange der beigegebenen Anmerkungen hingewirkt werden.

Dies betrifft besonders die lyrischen Gedichte und zeigt sich bereits im nachfolgenden ersten Theile. Wie schon in mehreren Bänden der ersten Ausgabe (Bde. XX-XXVII und XXXIII-XXXVI), sind die Anmerkungen nicht unter, sondern nach dem Terte, wie J. Grimm für eine Ausgabe des Fischart vorschlug,*) zusammenhängend aneinandergereiht und dadurch die Antheile des Dichters und seines Herausgebers streng gesondert. Das Maß dieser Anmerkungen

*) Meusebach's Briefw. S. 45: „Anmerkungen auf einem modernen Beiwagen".

selbst ist erheblich erweitert, wie in der ersten Ausgabe nur bei den Gedichten des Divan geschehen war.")

Wichtiger ist die veränderte Anordnung der Gedichte selbst, wofür im Einzelnen stets ein „subjektives Ermessen“ (S. 4, Bd. I der 1. Ausg.) entscheiden wird.

Die große Masse der lyrischen Gedichte, wurzelnd in der in allen Lebensperioden des Dichters und bei den verschiedensten Anlässen sprudelnden Produktion, muß bei einer vollständigen Sammlung nothwendig ein etwas chaotisches Bild gewähren und, als ein großes Repertorium, kaum eine ästhetischen Anforderungen genügende Vertheilung gestatten. Solchen Charakter hatten Goethe's erste Sammlungen (von 1789 und 1800), nur Auszüge des Vorhandenen, welcher mit der Erweiterung derselben in den gesammten Werken jedoch sich immer mehr verlor. Um dem Dichter ganz ge= recht zu werden, müßte daher neben die Vereinigung aller vorhandenen Gedichte, wie sie hier bei der Herausgabe der sämmtlichen Werke versucht wird, eine nach künstlerischen Gesichtspunkten ausgewählte, mehr einheitliche und übersichtliche Gedichtsausgabe treten; während jene sich mehr an die gelehrten Kreise, den berufsmäßigen Litteraten und Litteraturforscher, den Sprachforscher, den Mann der Wissenschaft wendet, verdiente diese in die weitesten Kreise zu gelangen; bei jener könnten Anmerkungen, nach Fr. Schlegel „anatomische Vorlesungen über einen Braten“ (Minor II, 209), entweder ganz weg oder auf ein Geringes beschränkt bleiben, während bei dieser die ausführlichsten und eingehendsten Noten sich noch immer als unzureichend erweisen müssen.

Soll bei gegenwärtiger Ausgabe nun der Anspruch auf Vollständigkeit befriedigt werden, so sind, einschließlich des Divan, fünf, ohne denselben vier Theile zur Aufnahme der Gedichte erforderlich. Die ersten beiden werden im Wesentlichen mit den beiden ersten Bänden der Cotta'schen Ausgaben (seit 1840) übereinstimmen. Dieselben sind aus der ersten Gesammtausgabe der Gedichte von 1806, deren Gestalt wieder auf derjenigen in den Schriften von 1789 und den Neuen Schriften von 1800 beruht, durch fortwährende Erweiterungen der anfänglichen Rubriken organisch hervorgegangen. Die

*) Vergl. Jul. Schmidt in den Preuß. Jahrb., Okt. 1879 „daß die ersten Bände dieser Ausgabe, welche die Gedichte enthalten, genau nach der Methode des 4. Bandes bearbeitet werden möchten".

Zusammensetzung der Ausgabe letter Hand bildet somit die Grundlage; nur sind die in dem dritten Bande derselben als damalige Nova ausgeschiedenen Nummern (zwei Balladen, und Gedichte der Rubriken Lyrisches, Kunst, Epigrammatisch und Parabolisch) den entsprechenden Fächern der beiden ersten Bände, ganz im Sinne des früheren Verfahrens des Dichters selbst, überwiesen, auch die Rubrik Gott und Welt" in den zweiten neu aufgenommen.

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Für den dritten Theil find die reinen Spruchgedichte bestimmt. Ähnlich wie die Sprüche in Prosa erst seit Goethe's Tode zu einem Ganzen verbunden wurden (Bd. XIX, 1. Ausg.), empfiehlt es sich, jene zerstreute kleine Brut, nämlich die gereimten Distichen des zweiten Bandes der Ausgaben von 1815 und 1827 (Rubriken: „Gott, Ge= müth und Welt" und "Sprichwörtlich"), die sog. „Zahmen Xenien" der Bände III und IV der leztern Ausgabe, nebst ihren Nachläufern, den Invectiven und den Politicis in einem besonderen Bande zu vereinigen; denn alle Gesammtausgaben beherrscht die innere Nöthigung, alles Gleichartige auch äußerlich in übersichtlichen Massen gleichsam zu kodificiren. Für unsern vierten Theil bleiben dann alle Fest- und persönlichen Gedichte, die Übersetzungen, sowie alle sonst nicht unterzubringenden Paralipomena.

Unfre Ausgabe, nicht eine historisch-kritische nach dem Muster des Goedeke'schen Schiller, sondern eine neue Redaktion der Goethi= schen Werke für den allgemeinen Gebrauch, kann naturgemäß nicht umhin, das aufgestellte historische Prinzip, aus Rücksichten auf systematische Eintheilung des Stoffs, vielfach zu durchbrechen. Hierdurch erklärt sich die Aufnahme oder die Weglassung einzelner Gedichte der ersten Fächer (Lieder, Gesellige Gedichte und Balladen), zum Theil auch aus den von uns befolgten Grundsägen, ein Gedicht nur einmal zu bringen und bei der Aufnahme der in andern Werken Goethe's vorkommenden lyrischen Gedichte die von dem Dichter selbst beobachteten Grenzen einzuhalten. Fehlen hiernach „Dauer im Wechsel“ und „Weltseele" unter den Geselligen Liedern, sowie „Metamorphose der Pflanzen“ unter den Elegien: so ist doch der ursprünglich doppelte Standort dieser Gedichte im Inhaltsverzeichnisse kenntlich gemacht. Nur das in die erste Ausgabe (1, 51) noch aufgenom= mene apokryphe „Im Sommer" ist hier ganz ausgeschieden. Das Gedicht, auch der Sommertag" genannt, zeigt zwar den großen Einfluß Goethe's auf Jacobi (f. dessen Leben in der Allg. deutschen Biographie), so daß auch J. Grimm es noch als ein Goethisches

ansah (Wörterb. I, 598), J. G. Jacobi kann jedoch als Verfasser nicht zweifelhaft sein. Das Gedicht ging aus der Fris in die von Schlosser, Goethe's Schwager, veranstaltete Auswahl Jacobischer Lieder 1784 und dann in seine Werke über. Nachdem zuerst die Berliner Schnellpost für Litteratur 2c. 1826 (Nr. 136 S. 543) den wahren Sachverhalt aufgedeckt hatte, theilte A. Nicolovius, Goethe's Großneffe, ihn persönlich dem Dichter mit. Dieser erkannte Jacobi's Eigenthum an. Er schlug, wie mir Nicolovius am 1. Mai 1881 schrieb, das Gedicht in seinen Werken auf, ergriff ein Lineal und eine Feder und strich es mit einem beinahe feierlichen: Suum cuique aus."

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Die wesentlichste Abweichung von der Ausgabe I. H. betrifft die vierte Rubrik Antiker Form sich nähernd".

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Bei Festhaltung der ersten Anordnung von 1789 in der zweiten Abtheilung der Vermischten Gedichte" gab man den Epigrammen jener Rubrik zu des Dichters Lebzeiten ihre Stelle stets unter oder unmittelbar nach den Vermischten Gedichten, in den Ausgaben von 1815 und 1827 daher im Zweiten Bande. Erst die Folioausgabe von 1836 räumte ihnen den Plaz an der Spiße der Gedichte in antiken Versmaßen ein, welchen bis dahin die Römischen Elegien inne gehabt, und dabei ist es seitdem in den Cotta'schen Ausgaben verblieben. So gehören sie seit 1840 dem Ersten Bande an. Hieran haben wir nicht nur nicht gerüttelt, sondern uns auch die weitere Freiheit genommen, dieser von Goethe stets als flüssig behandelten Rubrik einige verwandte Gedichte einzuverleiben. Dieß sind die wegen der Zeit ihrer Entstehung und ihrer Form dahin gehörigen „Ferne“, „Süße Sorgen" und Physiognomische Reisen" (S. 163) und sämmtliche Epigramme Seite 166 und 167. Mit der neuen Aufnahme der vier Sprüche Genius andrer Welten" bis „Wasserbildung" (S. 167) wird nur Übersehenes nachgeholt, da der Dichter sie selbst schon 1804, wenn auch ohne sich zu nennen, in Druck gegeben hatte. In Folge deffen erstreckt sich jezt diese Rubrik beinahe über sein ganzes Leben.

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Auch die lezte Rubrik „Vier Jahreszeiten“ ist nach den Vorgange der Cotta'schen Ausgaben um einige Sprüche vermehrt, während die Römischen Elegien, die Venetianischen Epigramme und die Bakissprüche als in sich abgeschlossen gelten müssen. Äußerlich ist dies durch die innerhalb einer jeden dieser Fächer fortlaufende Verszählung kenntlich gemacht.

Mit den vorstehend angegebenen Modifikationen find wir daher,

in Gemäßheit der von W. Scherer neuerdings aufgestellten Grundfäße (Goethe-Jahrb. III, 159-173), der herkömmlichen, auf den Dichter selbst zurückzuführenden Anordnung seiner Gedichte gefolgt, und sowohl von der in der Folioausgabe 1836 von Riemer und Eckermann, als auch von der ähnlichen in unsrer ersten Ausgabe von Strehlke versuchten Eintheilung wieder abgewichen. Selbst die Vorzüge einer systematischen Ordnung scheinen uns zurückstehen zu müssen gegen den Vortheil möglichster Übereinstimmung verschiedener Ausgaben, welcher man z. B. bei den antiken Dichtern immer gewiß sein kann. Nur Eine neue Reihenfolge würden wir gutheißen, die chronologische, sobald deren Zeit gekommen sein wird.

Die Anmerkungen endlich, einen besonderen Anhang bildend, deshalb von dem Terte auch äußerlich ganz getrennt, wollen ihrer Natur nach nur Notizen über Zeit der Entstehung und äußere Anlässe geben, daneben auch über Handschriften, Drucke, Lesarten, Litteratur und Musik der Gedichte. Historisch ableiten ist erklären“ (K. Fischer). Wird auch gelegentlich einzelnes Sprachliche erörtert, werden auch Parallelstellen im Sinne einer vergleichenden Poetik angeführt, so ist doch von der Erörterung ästhetischer, sowie poetisch= technischer und namentlich metrischer Fragen ganz abgefehn. Die Anmerkungen machen daher wohl die Ermittlungen der vorzüglichen, ausführlich erklärenden Kommentare von Viehoff und Dünger für unsre Tertausgabe nußbar, keineswegs aber jene selbst entbehrlich, insbesondre nicht in den zuleht erwähnten Beziehungen.

Für die Anmerkungen haben sich seit dem Erscheinen unsrer ersten Ausgabe reiche Quellen erschlossen, handschriftliche und gedruckte. Die für Goethe's Gedichte aus der Zeit vor der italiänischen Reise so überaus wichtigen, von Suphan bearbeiteten Materialien aus Herder's Nachlaß, die Handschriften und Drucke der Hirzel'schen Bibliothek zu Leipzig, Eckermann's handschriftliche Kollektaneen über die Chronologie der Goethischen Werke, sowie Originalhandschriften des Dichters oder verbürgte Abschriften solcher in großer Anzahl find für die neue Ausgabe zum ersten Male benußt. Die drei bisher erschienenen Bände des Geiger'schen Goethe - Jahrbuches, die einschlägigen Artikel des Schnorr'schen Archivs für Litteraturgeschichte und die aus Goethe reichlich schöpfenden und im geistigen Kreisprozeß sein Verständniß wieder neu belebenden Artikel des Grimm'schen Wörterbuchs gewähren Hülfsmittel für die Interpretation der Gedichte, wie sie frühere Generationen nicht kannten. Fördernd wirkt

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