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Demosthenes staunte über die Macht der Beredsamkeit, die hier alles überwältigte und mit sich fortriß; und wie er nun am Schlusse den Sturm des Beifalls vernahm und sah den Redner, von der Volksmenge umringt, von Lobsprüchen überhäuft und im Triumph aus dem Gerichtshofe nach Hause begleitet, da brannte sein Herz wie von Eifersucht, und der Entschluß stand in ihm fest, nach derselben Palme zu ringen.

Seitdem widmete er alle Zeit und Kraft der Erlernung der Beredsamkeit. Er wurde ein fleißiger Zuhörer Platons, und die Einwirkung dieses Philosophen__läßt sich an der Gedankentiefe, dem sittlichen Ernst und der Größe des Ausdrucks in 10 den nachmaligen Reden des Demosthenes unschwer erkennen. In den Regeln der Redekunst ließ er sich von Isäos unterweisen, denn dieser schien ihm seiner Kraft und Einfachheit wegen zur Ausbildung eines Volksredners und Staatsmannes bei weitem geeigneter, als der damals nicht minder berühmte Isokrates, der unter einer weichen, geglätteten Form nicht selten Schwäche der Gedanken und Kälte des Ge= 15 fühle verbarg. Als Muster des Stils galt ihm Thukydides, und sein Eifer, sich denselben anzueignen, war so groß, daß er nicht weniger als achtmal das Geschichtswerk jenes Meisters abschrieb.

Kaum hatte er seine Volljährigkeit erreicht, so zog er seine Vormünder wegen Veruntreuung seines Vermögens vor Gericht. Dieser Prozeß währte drei bis vier 20 Jahre und wurde zuletzt zugunsten des Demosthenes entschieden. Zwar hatte er nur noch einen geringen Teil des väterlichen Erbes retten können; aber der größere Gewinn dieses entschlossenen Unternehmens lag für ihn darin, daß es ihn in beständiger, angestrengter Übung des erwählten Berufes erhielt und durch den endlichen, schwer errungenen Erfolg in dem Vertrauen auf ein glückliches Gelingen seines 25 höheren Strebens stärkte.

Zunächst widmete er sich nur, wie in dem vorgenannten Falle, der gerichtlichen Beredsamkeit, d. h. die von ihm ausgearbeiteten Reden waren bestimmt, von anderen oder für andere in ihren Rechtsangelegenheiten gehalten zu werden. Später wagte er es, sich auch der öffentlichen Angelegenheiten anzunehmen und mit einer Staats80 rede vor der Volksversammlung aufzutreten. Dieser Versuch mißlang aber vollständig. Lange, mühsam gedrechselte Satgefüge, übereinandergehäufte Gedanken, vorgetragen mit schwacher Stimme, undeutlicher Aussprache und kurzem Atem, der, mitten in Säßen abbrechend und von neuem ansegend, Sinn und Zusammenhang ganz verwischte: - unter Lärmen und Zischen mußte Demosthenes die Rednerbühne 38 verlassen. Der tiefen Niedergeschlagenheit, in welche ihn dieser Unfall gestürzt hatte, entriß ihn die tröstende Versicherung des alten Eunomos, dem er einst im Piräus begegnete: er habe etwas von Perikleischer Manier, er müsse darum nicht aus Feigheit und Weichlichkeit an sich selber zum Verräter werden, sondern den Mut sich aneignen, ein in der Versammlung entstehendes Geräusch gelassen anzuhören, 40 und nicht aus Trägheit den in ihm liegenden Schatz von Fähigkeiten ungeübt verkommen zu lassen.

Hierdurch zu einem zweiten Versuch ermutigt, erging es ihm kaum besser als das erste Mal. Bestürzt, mit verhülltem Angesicht eilte er nach Hause, um seine Schande zu verbergen. Mit inniger Teilnahme ging sein Freund, der Schau48 spieler Sathros, ihm nach. Demosthenes beklagte sich bitter über die Laune des Publikums, welches rohe und unwissende Menschen, Schiffer und Trunkenbolde mit Vergnügen anhöre, während es ihm, der unter allen Rednern den meisten Fleiß aufwende und beinahe schon seine Gesundheit dabei aufgeopfert habe, seinen Beifall hartnäckig versage. Du hast recht", erwiderte Satyros, aber ich will der UrÜrso sache deines Mißgeschicks bald abhelfen, wenn du mir eine Stelle aus dem Sophokles oder Euripides hersagen willst." Demosthenes tat dies, und nun wiederholte Sa tyros dieselbe Stelle mit soviel Kraft und Angemessenheit des Ausdruckes, mit

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solcher Lebendigkeit körperlicher Darstellung in Haltung und Mienen, daß Demosthenes ganz andere Verse zu hören glaubte. Er erkannte hieraus, wieviel eine Rede an Schönheit, Leben und Anmut durch die Aussprache, Stellung und Gebärdung des Redners gewinnen könne, und wie durch diese der Erfolg eines rednerischen Vortrags wesentlich bedingt sei.

So begann er denn von neuem seine Übungen. Sein Eifer, den ein glänzender Erfolg bei dem ersten Auftreten vielleicht gedämpft hätte, war durch das anfängliche Mißlingen gesteigert, und sein Entschluß war gefaßt, die zu seinem Zwecke nötigen Anstrengungen bis zur äußersten Grenze seiner Kräfte zu treiben. Um vor allem seiner undeutlichen Aussprache abzuhelfen, so versuchte er öfter, mit 10 Kieselsteinen im Munde deutlich und ohne Anstoß zu sprechen. Seinen kurzen Atem gewöhnte er dadurch zu längerer Ausdauer, daß er, während er lange Säße laut hersagte, mit schnellen Schritten steile Bergeshöhen hinanstieg. Dann wandelte er am Ufer des stürmischen Meeres auf und ab und suchte das Getöse der Wellen mit seiner Stimme zu übertönen, damit sie hinlängliche Kraft gewinne, auch unter dem 18 Toben einer leidenschaftlich bewegten Volksversammlung sich verständlich zu machen. In seinem Hause ließ er sich ein unterirdisches Gemach anlegen, wo er die für seine Arbeiten und Übungen nötige Ruhe und Stille fand. Hier verweilte er tage-, ja monatelang, ohne ein einziges Mal auszugehen. Von der Decke des Gemachs hing ein entblößtes Schwert herab, unter welches er sich während seines Vortrags zu 20 stellen pflegte, damit es ihn jedesmal verwunde, so oft er, einer üblen Gewohnheit zufolge, mit den Schultern eine zuckende Bewegung mache. Alles, was vorging, alles, was er hörte, alle Begebenheiten, die ihm besuchende Freunde erzählten, machte er zum Gegenstande seines Fleißes; er begab sich, sobald er wieder allein war, in seine unterirdische Schule und erzählte alles, was man dafür und dagegen gesprochen, den 28 stummen Wänden wieder. Unter so unglaublichen Änstrengungen, so strenger Entjagung und unermüdlichem Fleiße reifte in der Stille und Abgeschiedenheit die goldene Frucht Demosthenischer Beredsamkeit: allen Strebenden zur Lehre, zur Mahnung und zum Troste, daß dem beharrlich Wollenden der Preis der Tüchtigkeit sich nicht entziehen könne.

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Aber auch als vollendeter Redner hat er nie die ehrfürchtige Vorstellung von der Höhe der Kunst, in deren Dienst er sich gestellt hatte, aufgegeben. Nie gab er dem Gedanken Raum, daß man in diesem Fache aus Übung und Gewohnheit unter Eingebung und Gunst des Augenblickes etwas Gutes und Gedeihliches leisten könne. Gleich dem Perikles sprach er fast niemals öffentlich ohne Vorbereitung. Seine 38 leichtfertigen Gegner und Nebenbuhler machten ihm daher öfter den Vorwurf, seine Reden röchen nach der Lampe. Er stellte den nächtlichen Fleiß, den er auf seine Reden verwende, feineswegs in Abrede, sondern rechnete sich denselben zum Verdienst an. „Ich glaube", sagte er, derjenige erweise sich als echter Bürgerfreund, welcher vorher überdenkt, was er öffentlich reden will, und durch solche Vor- 40 bereitung seine Achtung gegen das Volk zu erkennen gibt; dahingegen diejenigen, welche auf ihre Reden nicht die geringste Mühe verwenden, sich als oligarchisch gefinnt zeigen, indem sie einen Hochmut beweisen, der sich über das verständige Urteil der Bürger hinwegsett und den Beifall mehr zu erzwingen, als mit Gründen zu erlangen sucht."

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Wenn er aber mit weiser Besonnenheit weder die Sache, für welche er sprechen wollte, noch sein eigenes Ansehen dem Glücke und Zufall anheimgab, so versagte sich ihm doch in besonderen Fällen keineswegs das Vermögen, auch aus dem Stegreife mit Nachdruck und Erfolg zu sprechen. Als Lamachos seine auf die beiden makedonischen Könige Philipp und Alexander verfaßte Lobrede, worin er den Thebäern 50 und Chalkidiern viel Böses schuld gab, bei den olympischen Spielen öffentlich vorlas, trat Demosthenes unvorbereitet, wie er war, gegen ihn auf, wies aus der Geschichte

und mit schlagenden Gründen nach, wieviel Verdienste sich die von jenem Be= schuldigten um Hellas erworben, und wieviel Unheil dagegen die Schmeichler der Makedonier angerichtet hätten, und verwandelte den Eindruck, welchen die Rede des Lamachos auf die Zuhörer gemacht hatte, dergestalt in sein Gegenteil, s daß der Sophist aus Furcht vor einem Aufstande sich still aus der Versammlung entfernte.

Wie seine Denkart in vielem der des großen Perikles verwandt, so war auch der Vortrag des Demosthenes jederzeit ernst und nach einem Ausdrucke der Alten weniger der Anmut, als den furchtbaren Grazien" geweiht. Aber dem Ernste ver10 mählte sich die Milde zu einer wunderbaren Harmonie. Er war streng ohne Härte, feierlich ohne Gravität, mächtig ohne Übertreibung, natürlich ohne Gemeinheit". Mit der nüchternsten Klarbeit und der sorgfältigsten, in die Tiefe gehenden Behandlung seines Gegenstandes verbindet er die innigste Wärme der Empfindung, oder, mit einem Neueren zu reden: „die fest verbundene Kette von Gedanken ist bei ihm von 16 dem lebendigsten Feuer des Affekts durchglüht". Indem er den Verstand überzeugt, weiß er zugleich alle Gefühle des Herzens, welche er will, zu entzünden; und hierin liegt das Geheimnis der hinreißenden überwältigenden Macht seiner Reden, die sich selbst an dem Leser einer späten Nachwelt noch geltend macht. Nehme ich eine Rede des Demosthenes zur Hand" sagt der feinsinnige Kunstrichter Dionysius von 20 Halikarnaß-,,,so werde ich begeistert und fühle mich hierhin und dorthin getrieben. Ein Affekt nach dem andern bemächtigt sich der Seele; Mißtrauen, Teilnahme, Furcht, Verachtung, Haß, Mitleid, Wohlwollen, Zorn, Scheelsucht, alle Affekte insgesamt, welche das Gemüt bestürmen, erwachen in mir. 3ch unterscheide mich in nichts von den Priestern der Kybele, die korybantische und ähnliche Feste feiern und, 25 sei es durch Dämpfe, oder Töne, oder durch der Dämonen Einwirkung, sich dermaßen angeregt fühlen, daß sie viele und fremdartige Gefühle äußern.... Wenn nun der so lange Zeit hindurch in diesen Schriften lebende Geist noch jezt einen so ausgezeichneten Eindruck macht und noch gegenwärtig bei ihrer Lesung uns in Leidenschaft verseßt, wahrlich, so müssen damals seine Reden als etwas Übernatürliches und 30 Furchtbares betrachtet werden sein."

In der Tat genoß Demosthenes schon bei seinen Zeitgenossen ein Ansehen, welches auch seine erbittertsten Gegner nicht in Abrede stellen konnten. Philipp von Makedonien fürchtete die Reden des Demosthenes mehr, als die Heere und Flotten der Athener. Selbst bis zu den Barbaren drang sein Ruhm, und der König der 85 Perser ehrte ihn als einen seiner mächtigsten Bundesgenossen gegen jenen gemeinsamen Feind der Perser und Hellenen.

Doch hieße es die eigentliche Größe des Demosthenes geradehin verkennen, wollte man seinen Ruhm ausschließlich, oder auch nur größtenteils, seinen rednerischen Leistungen beimessen. Die Erfolge seiner Kunst beruhen auf der Größe seines sitt40 lichen Charakters. Er selber segte den Wert eines Redners in die Reinheit und Zuverlässigkeit seiner patriotischen Gesinnung. „Nicht das Wort des Redners", sprach er, ist ehrenwert, auch nicht der Klang seiner Stimme, sondern daß er gleiche Bestrebungen hat, wie das Volk, und dieselben Gegenstände des Hasses und der Liebe, wie das Vaterland." Der goldene Strom seiner Rede, wie die Fülle seiner 45 Staatsweisheit, entsprang aus der Tiefe seines edelwollenden und hochgesinnten Gemütes. Was er als das Rechte und Gute erkannt hatte, sprach er mit rücksichtsloser Entschiedenheit und kühnem Freimut aus, und blieb unter allem Wechsel der äußeren Verhältnisse immer sich selbst getreu. Panätios, einer der geachtetsten Moralpbiloforben des Altertums, gibt ihm das schöne Zeugnis: „Die meisten Demosthe so nischen Reden gründen sich auf den Grundsaß, daß nur das Eittliche um seiner selbst willen zu wählen sei, wie z. B. die Von der Krone',,Gegen Aristokrates', Von den Freiheiten und die, Philippischen Reden', in welchen allen er seinen Mits

bürgern nicht sowohl das Angenehmste, das Leichteste und Vorteilhafteste empfiehlt, sondern sie vielmehr darauf hinweist, daß selbst die Sicherheit und gemeine Wohl fahrt gegen das, was schön und geziemend sei, zurückstehen müsse."

Solch ein Mann war von der Vorsehung berufen, Griechenland vor seinem nahenden Sturze zu warnen und ihm den einzigen Weg zu seiner Rettung, oder doch zu einem ehrenvollen Untergange zu zeigen. Die Stüße eines sinkenden Staates zu sein, war sein schwerer Beruf. Dreißig Jahre blieb er ihm treu und wich nicht, bis er unter seinen Trümmern erschlagen ward."

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59. Alexander der Große bei den Malliern. 326 v. Chr. 10 Bon G. Pfizer.

Geschichte Aleranders des Großen. Gütersloh 1861. S. 275.

Auf seinem Zuge durch Indien kam Alexander auch zu den Malliern, welche sich ihm widerseßten und in ihrer Hauptstadt kräftigen Widerstand leisteten. Doch wurde dieselbe genommen, während die Indier sich in die Burg zurückzogen. Ungestüm eilte 15 jezt Alexander, auch die Burg zu gewinnen, riß einem eine Leiter tragenden Makebonier diese aus den Händen, weil es ihm zu langsam ging, legte sie an die Mauer und stieg selbst, mit seinem Schilde sich deckend, hinauf; hinter ihm kam auf derselben Leiter Beukestes hinauf mit dem heiligen Schilde, welchen Alexander aus dem Tempel ber troischen Pallas mitgenommen hatte und den er in den Schlachten vorantragen 20 ließ; auf der Leiter Alexanders stieg auch noch der Leibwächter Leonnatus hinauf und auf einer anderen in der Nähe Abreas. Schon war der König an der Brustwehr der Mauer, und mit dem Schild an derselben sich haltend, stürzte er einige Indier nach innen über die Mauer hinab; andere stach er mit dem Schwerte auf dem Playe nieder und hatte so die Mauer an diesem Punkte von Feinden gesäubert. Seine 25 Rundschildner, in größter Besorgnis für ihren König, drängten sich hißig alle nach den Leitern, so daß sie von der Wucht der vielen Hinaufklimmenden brachen, einige, die schon weit oben waren, herabstürzten, und den übrigen das Hinaufsteigen unmöglich wurde. Dem Alexander auf der Mauer wagte zwar kein Indier mehr nahe. zukommen, aber von allen Seiten her flogen Geschosse gegen ihn, der sich ebenso so durch seine Kühnheit, wie durch den Glanz seiner Waffen auszeichnete. Er erkannte nun zwar, daß er sich hier großer Gefahr aussetze, ohne etwas Bedeutendes ausrichten zu können, bedachte aber auch, daß, wenn er von der Mauer in die Stadt hinabspränge, dies vielleicht die Indier einschüchtern würde; oder, wenn_er sich einmal ber Gefahr bloßstellte, wollte er doch zugleich eine große und fühne Tat verrichten 35 und nicht ohne Möglichkeit der Gegenwehr sich zum Ziel der Geschosse machen, und so sprang er entschlossen hinab in das Innere der Burg. Hier lehnte er sich an die Mauer, um sich den Rücken zu decken, und streckte einige Indier, die sich ihm näherten, namentlich einen Häuptling, der keck auf ihn eindrang, mit dem Schwerte und mit Steinwürfen nieder, so daß die Feinde sich nicht mehr in seine Nähe 10 wagten, sondern ihn nur umstellten und von allen Seiten Geschosse und Steine auf ihn warfen.

Beukestes, Abreas und Leonnatus, die einzigen, die vor dem Zerbrechen der Leitern die Mauer erstiegen hatten, waren inzwischen auch herabgesprungen und bildeten eine Schußwehr für den König. Abreas ward von einem Pfeil 45 ins Gesicht getroffen und sank; Alexander erhielt ebenfalls durch den Panzer hindurch einen Pfeilschuß in die obere rechte Brust, so daß neben dem Blut auch Luft durch die Wunde ausströmte. Solange sein Blut noch warm war, fuhr er fort, fich zu verteidigen; aber bei dem starken Blutverluste befiel ihn bald Schwindel und Ohnmacht, und er sank, auf den Schild gelehnt, zu Boden. Peukestes stellte sich 50 über den Gefallenen und hielt den heiligen Schild von Troja vor; ebenso schirmte ihn Leonnatus von der anderen Seite; beide aber erhielten Schußwunden, und Rebr. Rriebizsch, Deutsches Lesebuch. II. 16. Aufl.

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Alexander war infolge des Blutverlustes dem Tode nahe. Einige Makedonier hatten jedoch, durch die Angst um ihren König zu den verzweifeltsten Anstrengungen angespornt, auf verschiedene Weise die Mauern erklommen und waren herabgesprungen unter Wehtlagen und Geschrei, als sie ihren König am Boden liegen sahen. Einer • um den andern stellte sich vor den Gefallenen, und ein hißiger Kampf entspann sich. Endlich wurde ein Tor aufgesprengt, die Soldaten stürzten herein, und die über das Schicksal ihres Königs Wütenden machten jetzt alles in der Stadt, Männer, Weiber und Kinder, nieder. Alexander aber wurde auf seinem Schilde weggetragen, noch in so schlimmem Zustande, daß man zweifelte, ob er gerettet werden würde. 10 Man mußte ihm auf sein eigenes Verlangen sofort den Pfeil aus der Wunde schneiden, nachdem er selbst mit dem Schwerte an der Oberfläche des Harnisches den Pfeil abzuschneiden vergebens versucht hatte; er befahl, ohne Furcht anzugreifen und die nötigen Einschnitte zu machen; er schalt diejenigen Verräter, welche nicht wagten, ihm beizustehen, sprach, der Verwundete, den Unverwundeten Mut ein und rief : 15,,Niemand soll um meinetwillen sich schwach und feig zeigen; man glaubt nicht, daß ich vor dem Tode keine Furcht habe, wenn ihr euch so vor dem meinigen fürchtet". Er verlor bei dieser Behandlung soviel Blut, daß er wieder ohnmächtig wurde; doch wurde durch diese Ohnmacht auch das Blut gestillt. Die Heilung der Wunde aber erforderte längere Zeit.

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Während der König hier liegen bleiben mußte, kam zu dem Heere, das er zurückgelassen, die Nachricht, er sei an seiner Wunde gestorben. Zuerst brach allgemeine, unbeschreibliche Wehklage aus. Dann aber, als sie verstummte, trat an ihre Stelle große Mut- und Ratlosigkeit, und alle fühlten jest recht, wie Alexander die Seele und das Haupt des Heeres, wie unerseßlich er ihnen war. Wer sollte sich 25 jezt von mehreren, welche ungefähr gleiche Ansprüche machen könnten, an die Spite des Heeres stellen? fragten die Soldaten. Wie würden sie sich jetzt nach Hause durchschlagen, rings umschlossen von so vielen streitbaren Völkern, von welchen die einen, noch nicht unterworfen, sich mannhaft für ihre Freiheit wehren, andere, befreit von der Furcht vor Alexander, sich bald wieder erheben würden? Sie glaubten auch 30 damals mitten zwischen unüberschreitbaren Flüssen zu stehen; und ohne Alexander sahen sie von allen Seiten unüberwindliche Hindernisse sich ihnen entgegentürmen. Als endlich die Kunde kam, daß er lebe, und sogar die schriftliche Nachricht von ihm selbst eintraf, daß er bald wieder im Lager erscheinen werde, wollten sie es noch lange nicht glauben, weil die Furcht und Betrübnis sie ganz zaghaft gemacht hatte, 85 und hielten es für eine Täuschung von seiten der ihn umgebenden Leibwächter und Feldherren. Deswegen ließ sich Alexander, besorgend, es möchte bei dem Heere zu Unruhen kommen, sobald es nur möglich war, an das Ufer des Hydraotes und auf ein dort bereit liegendes Schiff tragen, um sich so in das Lager zu begeben, welches fich beim Zusammenfluß des Akesines und Hydraotes befand. Als das Schiff sich dem 40 Lager näherte, befahl der König, die Zeltdecke vom Hinterteile des Schiffes wegzunehmen, damit alle ihn sehen könnten. Die Makedonier waren immer noch ungläubig, als wäre es nur der Leichnam Alexanders, den man bringe, bis dieser beim Anlanden des Schiffes die Hand der Menge entgegenstreckte. Jezt schrieen sie vor Freuden laut auf und erhoben die Hände teils gegen den Himmel, teils gegen 45 den Alexander, und viele vergossen vor Freude und Überraschung über die unerwartete Erscheinung Tränen. Einige Rundschildner näherten sich, als er aus dem Schiffe gehoben wurde, mit einer Sänfte. Er aber befahl, sein Pferd vorzuführen, und sobald man ihn hoch zu Rosse sah, brach das ganze Heer in betäubenden Jubel aus, von welchem die Ufer und die nahen Wälder widerhallten. In der to Nähe seines Zeltes stieg er vom Pferde, und nun drängten sich alle von allen Seiten herzu; man suchte seine Hände, seine Kniee, seine Kleider zu berühren; andere wollten ihn nur in der Nähe sehen; viele streuten Bänder und Blumen auf seinen

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