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[S. 340.] Und so sehe ich in jeder Hinsicht ohne Furcht der Zukunft entgegen. Sterben? Nun, wahrlich dafür fürchte ich mich nicht. Das Einpacken (vasa colligere nennt's der Lateiner) mag kein angenehmes Geschäft sein. Aber Reisen ist wahrlich nichts Unangenehmes, zumal Reisen ins Vaterland, zum Vater. Ein Gott, der mir's hier so wohl gehen ließ, macht alle guten Geister in seinem Himmel glückselig; mich auch. Und wenn er s mich droben wieder zum Schulmeister macht und mir ein Heer Geisterchen für seinen Himmel zu bilden anvertraut, so erfüllt er den heißesten meiner Wünsche, macht mich so selig, daß ich selbst Gabriel und Raphael um ihre Herrlichkeit nicht beneide!

72. Wie kann und muß der Lehrer seine Schüler dazu anführen, daß sie beobachten, was eine gute Schulzucht erfordert?

Von B. Overberg.

Anweisung zum zweɗmäßigen Schulunterricht für die Schullehrer im Fürstentum Münster. Münfter 1844. S. 104. Erste Regel: Suchet euch vor allen Dingen Ansehen, Liebe und Butrauen bei euren Schülern zu erwerben.

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Ohne in Ansehen bei euren Schülern zu sein, werdet ihr wenig oder gar nichts bei ihnen ausrichten; euer Unterricht, eure Ermahnungen, Verweise, Drohungen 16 und Strafen, alles wird vergebens sein, wenn sie keine Ehrfurcht gegen euch haben, euch geringschäßen oder gar verachten. Euch in Ansehen bei euren Schülern zu jezen oder zu erhalten, ist also eine wichtige Pflicht für euch.

a) Untaugliche Mittel dazu. Mancher Lehrer sucht sich durch ein finsteres, mürrisches, verdrießliches Gesicht, mancher durch beständiges Schelten und 20 Boltern, mancher sogar durch den fleißigen Gebrauch des Stockes und der Rute in Ansehen zu seßen. Dies ist freilich ein sehr bewährtes Mittel, Kindern Furcht und Schrecken vor ihren Lehrern einzujagen; aber sich bei ihnen Achtung und Änsehen zu erwerben, dazu ist es ein sehr untaugliches Mittel. Die Kinder werden einen so harten Lehrer als ihren ärgsten Feind hassen, Erbitterung und Rache wird ihr 25 Herz erfüllen, und mit Abscheu gegen ihn, gegen das Lernen und gegen die Lehren selbst, die er ihnen beibringen will, werden sie zur Schule kommen. Solche Lehrer sind eine Best der Schulen und wahre Verderber der Jugend. Ebenso verkehrt, wie diese harten Lehrer, handeln auch auf der andern Seite diejenigen, welche, um fich die Liebe der Kinder und ihrer Eltern zu erwerben, gar kein Ansehen behaupten, 30 ihren Schülern allen Willen laffen, immer durch die Finger sehen und die Bosheiten derselben kaum mit einem ernsten Verweise bestrafen. Wenn diese auch nicht so vielen gleich auffallenden Schaden anzurichten scheinen, als jene strengen und menschenfeindlichen Zuchtmeister, so verderben sie doch die Jugend nicht weniger. Die anfängliche Liebe derselben gegen ihren Lehrer wird bald in eine gar zu große 36 Bertraulichkeit und in einen daraus entstehenden Mangel der Achtung ausarten, und fie werden zuletzt allen ihren Mutwillen ohne Scheu ausüben, da sie wissen, daß fie keine Strafen zu befürchten haben. Und ist es erst einmal soweit gekommen, so ist alle Frucht seiner Arbeiten und Bemühungen unwiederbringlich verloren. Auch bringen sich diejenigen Lehrer um alle Achtung bei ihren Schülern, die sich in 40 ihrer Gegenwart oft blöde und verlegen zeigen, oder viel über den Mutwillen, die Trägheit und Achtlosigkeit in einem klinselnden Tone keifen und klagen.

b) Taugliche Mittel, sich Ansehen bei den Kindern zu verschaffen. - Um euch in den gehörigen Respekt bei den Kindern zu setzen, haltet die Mittelstraße zwischen zu großer Strenge und zu großer Gelindigkeit: seid väterlich ernsthaft; 45 euer ganzes Betragen sei männlich, gesetzt, bescheiden-dreist und anständig; vermeidet alles, was den Kindern Anlaß geben kann, euch zu verachten, über euch zu lachen oder zu spotten; sehet besonders dahin, daß eure Schüler einen würdigen Begriff von eurer Geschicklichkeit und Tugend bekommen und euch als ein Muster betrachten, welches sie schwerlich erreichen werden. Dies seßt in Ansehen und ist von Kindern 50

nicht so zar schwer zu erlangen, wenn ihr euch nur ernstlich bestrebet, recht geschickt und tugendsam zu werden, und euch überall so betraget, daß die Leute nichts anderes als Gutes mit Wahrheit von euch sagen können. Dabei müsset ihr auch die notwendige Klugheit haben, eure Schwäche nicht zu sehr merken zu lassen. Wenn ihr s etwas unrecht machet oder saget, und fein Kind es merkt, so suchet es heimlich zu verbessern; hat es aber schon einer oder der andere bemerkt, so ist es am besten, es sogleich, ohne bestürzt oder verlegen zu tun, offenherzig zu gestehen: „Ich verredete, ich versah mich, es ist so und so" c. Dentet nicht, daß diese Klugheitsregel bei Kindern, besonders bei den kleineren, unnötig sei. Sie sind in der Tat nicht 10 so einfältig, als sie manchmal scheinen; sie sehen schärfer, als man denken sollte, besonders in solchen Dingen, die eine Beziehung auf sie haben. Sie spüren gemeiniglich bei aller ihrer Unerfahrenheit und Unwissenheit die Beschaffenheit ihres Lehrers, seine schwache oder starke Seite weit eher aus, als dieser ihre Fähigkeiten, Neigungen und Gemütsart kennen lernt; sie wissen oftmalen von ihren Entdeckungen 16 einen solchen Gebrauch zu machen und so viele eingebildete Vorteile für sich daraus zu ziehen, als man ihnen nicht zutrauen sollte. Behutsamkeit in Gegenwart der Kinder ist euch also sehr notwendig, wenn ihr euer Ansehen unter ihnen behaupten wollt. 3st dies einmal verloren, so ist es nicht leicht wiederherzustellen, und der Schaden, der daraus entsteht, ist oftmals nicht wieder gutzumachen.

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Zu den angeführten Mitteln, euch in Ansehen zu sehen, gehört auch besonders, daß ihr euch eine wahre Liebe und ein herzliches Zutrauen bei euren Kindern zu erwerben suchet. Diese Liebe und dies Zutrauen erhalten und schüßen euer Ansehen mehr als alles übrige und bahnen euch den Weg zu den Herzen eurer Schüler, um sie desto leichter zum Guten zu lenken. Bei den meisten Kindern ist es nicht 25 schwer, Liebe und Vertrauen zu erlangen; aber freilich müsset ihr, um sie zu erlangen, selbst eine herzliche Liebe zu euren Schülern haben und ihnen dieselbe bei jeder Gelegenheit zu erkennen geben. Ihr müsset sie durch euer ganzes Betragen zu überzeugen suchen, daß ihr sie liebet und für ihr wahres Beste forget. Deswegen müsset ihr das Beispiel eines recht verständigen und gütigen Vaters stets vor so Augen haben, und demselben, soviel euch möglich ist, in dem Verhalten gegen eure Schüler nachahmen. Ihr könnet es ihnen auch wohl bei einer schicklichen Gelegenheit sagen, daß ihr sie lieb habet, und daß ihr wünschet, sie möchten euch wieder lieben, und ein herzliches Zutrauen zu euch haben; aber euer Herz muß auch mit dem übereinkommen, was ihr mit dem Munde faget, und eure Werke müssen és zeigen.

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Zur Erweckung der Liebe und des Zutrauens bei den Kindern müsset ihr auch immer (nur die Fälle ausgenommen, wo das schlechte Betragen der Kinder das Gegenteil nötig macht) mit einem heiteren und fröhlichen Gesichte in die Schule femmen. Dies ermuntert die Kinder und erwirbt euch bei denselben schon gleich bei eurer Ankunft Liebe und Zutrauen. Und das ist sehr natürlich: sehen die 40 Schüler euch mit einem finsteren und verdrießlichen Gesichte zu ihnen kommen, so befürchten sie für sich manches Unangenehme; sie werden niedergeschlagen, mürrisch und verlieren alle Lust zum Lernen; erblicken sie euch aber mit einem heiteren, offenen Gesichte, seid ihr selbst munter, so teilet ihr ihnen gleichsam eure Heiterkeit und Lust zur Arbeit mit und flößet ihnen Leben und Munterfeit ein. Es ver45 steht sich von selbst, daß diese Munterkeit bei euch keine leichtsinnige Lustigkeit sein und nichts Läppisches an sich haben, sondern mit einer väterlichen Ernsthaftigkeit und einem geseßten Wesen verbunden sein muß. Mit einer solchen, eurer Würde anständigen Heiterkeit und Munterfeit begebet euch also jedesmal zu euren Schülern; lasset sie gleich anfangs, wie auch die ganze Schulzeit über auf eurem Gesichte so lesen, daß ihr euch freuet, sie zu sehen und zu unterrichten. Selbst alsdann, wann ihr verdrießlich und mißvergnügt seid, „müsset ihr euch Mühe geben, eure üble Laune zu verbergen. Durch fortgesette Übung könnet ihr es wirklich dahin bringen.

Und dies, daß ihr euch Mühe gebet, mit einer heitern Miene vor euren Schülern zu erscheinen auch selbst dann, wenn euch nicht wohl zumute ist, hat allemal eine doppelt gute Wirkung: denn eure Heiterfeit erweckt in euren Schülern Frohsinn, Aufmerksamkeit, Lust zum Lernen und Liebe gegen euch; dies alles wird wieder auf euch zurückwirken, euren Trübsinn zerstreuen, euren Verdruß vermindern und Freude, e eder doch mehr Zufriedenheit in euer Herz zurückbringen.

73. Pestalozzis Persönlichkeit.

Von K. J. Blochmann.

Pestalozzi. Züge aus dem Bilde seines Lebens und Wirkens. Leipzig 1846. S. 69.

Wie die herrlichen Alpenländer mit ihren Riesenfelsen, Seeen, Gletschern und 10 Matten, über welche ich zu Pestalozzi wanderte, eine neue Welt für mich waren, die mich mit Wonne und Entzücken erfüllte, so öffnete sich mir auch in den Räumen des von Karl dem Kühnen einst erbauten Schlosses zu verdun eine neue Welt herrlicher Ansichten aus dem geistigen Lebensgebiete, die meine Seele befruchteten und schlummernde Keime zu frischer, lebensfräftiger Entwickelung brachten; und ich lege gern 15 mit so vielen das dankbare Geständnis ab, daß die Jahre, die ich in ihnen verweilte, zu den schönsten und gewinnreichsten meines Lebens gehörten....

Die Züge der im Vordergrunde stehenden großartigsten Persönlichkeit Pestalozzis selbst nur einigermaßen befriedigend zu zeichnen, wird mir jezt ebensoschwer, als mir's einst in seiner Nähe ward, sie aufzufassen, da sie soviel Gegenfäße und 20 mannigfache Zerrissenheit darbieten. Sein Antlig selbst spiegelte den Abdruck derjelben. Das Ganze seiner Gesichtszüge war vielartig gewoben und verändert, durch die verschiedensten Gemütsaffekte bewegt. Bald lag darauf die zarteste Weichheit und Milde, bald herzzerreißender Schmerz und Traurigkeit, bald furchtbarer Ernst und bald ein Hinimel voll Liebe und Wonne. Seine tiefliegenden Augen quellen 95 eft wie Sterne hervor, ringsum Strahlen werfend; oft wieder traten sie zurück, als blickten sie in eine innere Ünermeßlichkeit. Seine Stirn war abgerundet, hinter des Alters Furchen die Glut der Jugend verbergend; der Ton seiner Stimme vielfach moduliert, dem sanften, lieblichen Worte und dem Donner des Zornes gleich dienstbar. Sein Gang war ungleich, bald hastig, bald bedächtig und wie im Sinnen verloren, 30bald fühn und imponierend, seine Brust breit gewölbt, sein Nacken dick und gebogen, und stark und straff die Muskeln seiner Glieder. Von kaum mittlerer Größe und von schmächtiger Gestalt, trat doch in Haltung und Bewegung eine Fülle von Dauer und eine Kraft hervor, mit der er unsäglichen Stürmen Troß bot. Alles in seiner äußeren Erscheinung kündigte eine Persönlichkeit an, in der alle Saiten der mensch- 35 lichen Natur tönten, und die zum Träger tiefgreifender Ideen bestimmt war.

Ich habe wenige Menschen kennen gelernt, aus deren Lebensmitte ein so reicher Strom der Liebe floß, als aus seinem Herzen. Die Liebe war recht eigentlich sein Lebenselement, der unversiegbare göttliche Trieb, der von Jugend auf all seinem Streben und Wirken Richtung und Ziel gab. Wie es aber in der Natur 40 der Liebe liegt, sich den Bedürfenden zuzuwenden, die Mangel Leidenden und Gebrückten zunächst zu erfassen, so zog ihn der Drang seiner Liebe mit einer nie gestillten Glut zu den Hütten der Armen im Volke, zu den Bedrängten und Unterbrückten. Diesen wollte er alles, was er an äußeren und inneren Gütern empfangen batte, zu freudigem Opfer bringen; dafür war ihm nichts zu schwer und nichts zu 45 teuer, denn er suchte nie das Seinige...

Mit der Aufopferungskraft seiner Liebe verband er die höchste Uneigennüßigkeit. Hatte er doch schon früher sein und seiner Frau Vermögen für seine menschenbeglückenden Bestrebungen eingesetzt und selbst in Kummer und Sorgen gelebt, um anderen zu helfen. In verdun war wohl der fünfte Teil seiner Zöglinge uns 50entgeltlich aufgenommen. Ich war oft Zeuge, daß, wenn ein Vater mit dem vollen

Kebru. Kriebigsch, Deutsches Lesebuch. II. 16. Aufl.

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Vertrauen und sehnsuchtsvollen Wunsche, sein Kind ihm zu übergeben, zu ihm kam, ihm aber seine Mittellosigkeit gestand, er ihn teilnehmend fragte: „Was könnet Ihr tun?" Und ward dann vielleicht nur der vierte Teil der an sich nicht beträchtlichen Pension als das Mögliche bezeichnet, Pestalozzi wies ihn gewiß nie von sich. Geben, 5 helfen, erfreuen, den letzten Gulden mit jemandem teilen, war ihm so natürlich, wie dem Menschen das Atmen. Vor den Toren Basels gab er einmal einem Bettler, den er im elendesten Zustande traf, seine filbernen Schnallen von den Schuhen und band lettere mit Stroh zusammen, um in die Stadt gehen zu können. Die große Liebe machte es ihm nicht allein möglich, zeitliche Schäße und Bequemlichkeiten 10 aufzuopfern, fie gab ihm auch eine Kraft der Selbstbeherrschung und der Beharrlichkeit, die um so größer und bewunderungswürdiger erschien, je größer die Stürme waren, durch welche er sich durchkämpfen mußte.

Der Kraft der Liebe schreibt er selbst in einem Briefe an Stapfer die Überwindung aller Schwierigkeiten zu, welche ihm die Umstände und seine eigenen Gebrechen 15 in den Weg legten: Wenn ich mein Werk, wie es wirklich ist, ansehe, so war kein Mensch auf Erden unfähiger dazu, als ich. Es forderte ungeheures Geld, ich hatte nicht einmal geheures. Es forderte kalte, ruhige Ansichten, ich war der unruhigste Tropf; mein Kopf war so warm, daß ihn die Welt meiner Umgebung schon für verbrannt ansah; aber ich fand Männer der höchsten Ruhe zum Dienste meines Werkes. 20 Es forderte tiefe, mathematische Kenntnisse; wenn eine unmathematische Seele gedacht werden kann, so bin ich fie. Mein Werk forderte Sprach- und Schulkenntnisse und ökonomische Ordnung, ich hatte keine und setzte es doch durch. Das tät die Liebe; sie hat eine göttliche Kraft, wenn sie wahrhaftig ist und das Kreuz nicht scheut."

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Mit dieser Liebe war in ihm ein hoher Grad von Anspruchslosigkeit, Bes scheidenheit und Demut innigst verbunden. Von letterer insbesondere zeugen alle seine Schriften, am meisten die, welche er seinen Schwanengesang" nannte, in welcher er im Anfange seiner achtziger Jahre auf sein mühseliges und kampfreiches Leben mit Wehmut und Dank zurückblickt und voll rührender Demut nur sich anso klagt, nur seine Schwächen, seine Regierungsunfähigkeit als Ursache der Zerrüttungen bezeichnet, denen seine Anstalt, wie fast jede seiner früheren Unternehmungen, unterlag. Unvergeßlich durch mein ganzes Leben wird mir der Eindruck bleiben, den wenige Monate nach meinem Eintritte in die Anstalt eine Rede Pestalozzis auf mich machte, die er an einem Bußtage vor allen Gliedern seines Hauses hielt. Sie war von 35 Anfang bis zu Ende ein prüfender, tiefer Blick in sich selbst, ein Bekenntnis seiner Schwachheit, seiner Ungenügsamkeit und Untüchtigkeit für das große, schwere Werk seines Lebens und eine Demütigung vor Gott, der jenes Zöllners ähnlich, der an seine Brust schlug und rief: „Gott sei mir Sünder gnädig!" Was sind doch alle Bußpredigten der gepriesensten Kanzelredner, welche die Sünde derer, zu denen sie sprechen, 40 mit aller Stärke der Beredsamkeit darstelleu, gegen die Macht der Worte einer so tief gedemütigten Seele, die nur von ihrer Schuld redet. Wir alle, Große und Kleine, waren so mächtig erschüttert, daß gewiß jeder im stillen zu sich sprach: „Wenn der, den du hoch verehrst und liebst, also vor Gott sich demütigt, was sollst du tun?"

Dieser Demut stand in jenem Gemüte ein Mut, ein Heldenmut zur Seite, 45 wie solcher in gleicher Kraft in keines Menschen Seele, die nicht demütig ist, zur Erscheinung kommt... Er hatte durch die Demut allein jenen Helbenmut, mit dem er bei immer neuer Verkennung, immer neuer Zerstörung seiner Hoffnungen beharrlich festhielt an dem Werke seines Lebens bis zur Stunde seines Todes..... Auch bei einzelnen Ereignissen seines Lebens, namentlich bei eintretenden Gefahren, beso wies Pestalozzi besonnene und mutige Entschlossenheit.... Dabei war er doch harinlos und hingebend wie ein Kind, mild und gefällig, zartsinnig und gefühlvoll. Seine Gemütlichkeit war oft zum Entzücken, und seine Kindlichkeit

machte ihm, so oft fie frei und ungetrübt waltete, alle Gemüter untertänig. Nie habe ich von ihm ein feindseliges Wort über irgend einen Menschen gehört.

Sein immer reger Geist übte auf seinen Körper eine seltene Kraft aus, die ihn selbst unter den heftigsten Schmerzen oft tätig erhielt. Seine Tätigkeit, sein Fleiß war außerordentlich; mit seltenen Ausnahmen war er jeden Morgen um zwei s Uhr wach und begann seine schriftstellerischen Arbeiten; den Tag über war er viel mit Fremden beschäftigt, die seine Anstalt besuchten. Seine Unterhaltung war geistreich, anregend, originell, seine Sprache bilderreich, die Anwendungen oft überraschend wie der Blitz. Die Rastlosigkeit seines Strebens zeugte von der seltenen Kühnheit seines Geistes, das gewaltige Emporstreben einer ungebundenen Kraft, welche mehr 10 mächtig anzuregen, als unmittelbar auf Menschen zu wirken vermochte: es fehlte ihm die ruhige Besonnenheit, Klarheit, der sichere Takt im Handeln, die ges sellige Gewandtheit. Aber Großes und Unvergänglichkeit ist unserem Geschlecht durch ihn geworden und wird als ein segensreiches Vermächtnis ihm bleiben. Die Gebrechen und Unvollkommenheiten hat der Tod hinweggenommen. So oft, wenn 15 ich den Unvergeßlichen anschaute, da ich ihm noch nahestand, erschien er wie ein großgewordenes Kind mit aller Herrlichkeit der kindlichen Natur, aber auch mit den Schwächen und Unvollkommenheiten derselben. Die Reinheit und Unschuld, der Glaube und die Liebe, die Milde und Hingebung des Kindes schmückten und adelten seine Seele bis ins Greisenalter; aber die Ruhe und Besonnenheit, die Umsicht und Vor- 20 ficht, die klare Herrschaft über Zustände und Personen, die den Mann zieren, mangelten ihm in hohem Grade. Aber wer will gegen den liebenswürdigen, begeisterten Greis einen Stein aufheben? Wie rührend waren diesfalls seine Selbstgeständnisse: "Zum Gewöhnlichen zu schwach, unruhig und unvorsichtig fast bei jedem Vorfalle, unüberlegt fast bei jedem Entschluffe, ungeschickt, unbehilflich und ungewandt fast in 25 allem, was ich anfangen und leiten soll, sehe ich mich in einer Lebenslage, welche die höchste Ruhe, die größte Vorsicht, die tiefste Überlegung, Geschicklichkeit und Gewandtheit anspricht. Mein Werk forderte Heldenkraft, ich blieb untätig; es forderte Weisheit des Lebens, ich hatte sie nicht; es forderte Kenntnisse, ich suchte sie nicht; es forderte Wirtschaft, ich war unwirtschaftlich; es forderte Regelmäßigkeit und Ord- 30 nung, ich war unordentlich und zerstreut, und doch gelang mein Werk, Gott hob mich Elenden aus dem Staube, wie er wenig Elende aus dem Staube hob.“

Er war die belebende Seele seines ganzen Hauses, alle durchdringend mit der Tiefe seines Geistes, mit der Reinheit seines Willens und der Stärke seiner Liebe.... Uber alle Schwächen und Fehler dieser großartigen Natur breiten sich die Strahlen 35 seines hohen Geistes und seines liebekräftigen Gemütes so siegreich aus, daß die starken Schatten seines Lebens zwar nicht zu verkennen sind, aber das Gesamtbild desselben und seine erhabenen Gestaltungen von jedem Betrachtenden stets mit Bewunderung und Liebe werden angeschaut und gewürdigt werden.

74. Winke für Lehrer.

Bon A. Diesterweg.

Wegweiser zur Bildung für Lehrer. Essen 1835.

a. Ratschläge für das Studieren. (S. 25.)

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1. Halte dich an die Hauptschriften eines jeden Lehrfaches, welches du lennen lernen willst, d. h. an solche, welche von Männern herrühren, die anerkannter 45 weise in demselben etwas geleistet haben! Suche also nicht zuerst Belehrung in encyklopädischen Schriften, nicht in Zeitschriften und fliegenden Blättern, sondern studiere ein Wert, das sich ausschließlich mit dem Gegenstande, den du fennen lernen willst, beschäftigt! Die Lektüre von Zeitschriften, die sich über unser Fach verbreiten, ist gut und nüglich zur Anregung und Erfrischung - versteht sich, wenn sie vom Leben, so von frischen Menschen, ausgehen, und um mit den Erscheinungen der Gegenwart,

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