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Aufenthalte in Ostende und in dem Seebade Blankenberghe bei Brügge selbst vornahm. Das erste Experiment, wodurch die aufgestellte Behauptung zur Wahrheit erhoben wird, besteht darin, daß man von dem leuchtenden Meerwasser schöpft und dasselbe durch ein Filtrum von doppeltem Leinen schüttet. Das Wasser, welches vor dem Filtrieren, wenn geschüttelt, noch stark im Dunkeln leuchtet, verliert sein Feuer, sobald es filtriert ist. Man mag es rütteln, soviel man will, kein Funke entfährt ihm. Dagegen bleiben auf dem Filtrum leuchtende Pünktchen zurück. Untersucht man diese leuchtenden Pünktchen mit einem Mikroskope von nur mäßiger Vergrößerung, so erkennt man deutlich die leuchtenden Tierchen. Tilesius stellte dieses Experiment bei seiner Forschungsreise mit Krusenstern auf den entlegensten Meeren an; 10 das Resultat war stets dasselbe: das filtrierte Wasser verlor seinen Lichtschein, während das Residuum der Filtra seine Leuchtkraft bewahrte und unter dem Mikroskope leuchtende Tierchen als Lichtträger nachwies.

Schöpft man dagegen Meerwasser, welches auch in der tiefsten Dunkelheit nicht leuchtet, so sucht man mit dem kräftigsten Mikroskope nach den vorhin erwähnten Animalkulen ver15 gebens. Ist das Meerleuchten sehr stark und schön, so findet man auf dem Filtrum eine viel größere Anzahl von Leuchttieren, als man darauf bemerken kann, wenn das Wasser aus schwach leuchtender See geschöpft ist.

Gießt man von stark leuchtendem Meerwasser einige Tropfen in ein kleines Uhrglas und bringt dieses unter ein Mikroskop von nur mäßiger Vergrößerung, so sieht man die kuge20 figen Tierchen deutlich an der Oberfläche umherschwimmen. Die Leuchttierchen halten sich gern an der Oberfläche des Wassers auf. Nur durch Erschütterung gelangen sie unter die Oberfläche hinab. Füllt man z. B. eine Flasche mit Seewasser, das aus dem leuchtenden Meere geschöpft ist, läßt dieselbe einige Zeit ruhig stehen und zieht dann mittels einer Röhre Wasser von dem Boden der Flasche in ein Glas, so bemerkt man selbst beim Schütteln kein 25 Leuchten dieses Wassers, obwohl das Wasser in der Flasche beim leisesten Rütteln funkelt, obwohl jenes mit diesem ganz dieselbe chemische Zusammensetzung, ganz dieselben mechanisch darin schwebenden Organismen hat, aber man findet auch keine Noktiluken darin. Dieses Experiment läßt sich noch deutlicher machen, wenn man zwei Gläser mit gleich leuchtendem Wasser nimmt, den Inhalt des einen filtriert und das auf dem Filtrum bleibende Residuum 30 dem andern zumischt. Im Dunkeln zeigt dann das filtrierte Wasser keine Spur von Leuchtkraft, während in dem andern die Glut sich verdoppelt hat. Dr. Verhaeghe hat sich die Mühe gegeben, alle Noktiluken mit einer feinen Pincette aus dem einen Glase aufzufangen und in das audere zu setzen. Das Resultat war dasselbe, obwohl durch diese Manipulation auch kein Pflanzenfäserchen aus dem einen in das andere Glas gebracht war.

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Diese Experimente, die ebenso leicht anzustellen als durch anderweite zu vermehren sind, legen das unwiderlegliche Zeugnis dafür ab, daß kleine Tierchen die direkte Ursache des Meerleuchtens sind. Millionen und Millionen dieser kleinen Infusorien, die im Meere umherschwimmen und einen hellen Schein von sich geben, bringen das brillante Phänomen des Meerleuchtens hervor. Wie in der Milchstraße unzählige Firsterne sich zu dem weißen 40 Schimmer vereinigen, der sich über das Himmelsgewölbe hinzieht, so versammeln sich noch zahlreichere Scharen winziger Leuchttierchen zu den glühenden Blißen, welche über die Meeresoberfläche dahinfahren. Wir tun hier einen Einblick in die geheime Werkstatt der Natur, die unter der Leitung einer höheren Weisheit mit den kleinsten Mitteln die größten Resultate schafft.

45 Mit dem Nachweis, daß das Meerleuchten von animalischen Lichtträgern herrührt, ist das Rätsel jedoch keineswegs gelöst; wir stehen vielmehr vor einem neuen Geheimnisse. Denn nun erhebt sich die Frage: "Ist es ein eigenes Licht, welches von diesen Tieren ausgeht, in ihnen erzeugt wird, so daß sie an sich leuchten, oder ist es nur ein äußeres Licht, das sie reflektieren? Und müssen wir nach allem, was wir über die leuchtenden Festlandstiere wie über Bo die leuchtenden Seetiere erfahren haben, schon ahnen, daß es ein Licht ist, welches in dazu ge= eigneten, besonderen Organen dieser Wesen produziert wird, welcher Art ist dann dieses Licht, welches von jenen kleinen animalischen Organismen ausstrahlt?" Zur Beantwortung dieser

noch nicht in allweg endgültig gelösten Fragen bemerken wir kurz folgendes: Die Lichterscheinung ist an den lebendigen Organismus gebunden; im toten Zustand ist kein Funken sichtbar. Diese Effulguration ist von einem äußeren Reiz abhängig. Schöpft man Wasser aus dem leuchtenden Meere in eine Flasche, so sieht man kein Aufleuchten, wenn und solange das Waffer im Zustande der Ruhe ist. Das Funkeln zeigt sich aber bei jedem Rütteln, wodurch das Wasser erschüttert wird; leuchtende Kügelchen steigen in dem Wasser auf und ab. Der äußere Reiz braucht jedoch nicht durch Stoß bewirkt zu werden; scharfe Flüssigkeiten, als Säuren, Alkohol 2c., reagieren in gleicher Weise.

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Unter dem Mikroskope erscheint dem aufmerksamen Auge das Leuchten als eine Reihe rasch hintereinanderfolgender Funken, die von einzelnen Punkten des Lichtträgers ausgehen; 10 doch ich lasse hierüber besser den genauen Forscher Quatrefages reden. „Bei einer Vergrößerung von 10-12 Durchmessern", sagt er, sieht man, daß das Licht sich oft abwechselnd auf verschiedenen Stellen des Körpers zeigt. Bei einer Vergrößerung von 60 Diametern erscheinen die lichten Stellen als sehr kleine glänzende Punkte, die, sich auf einem weißen Grunde da und dort ablösend, erscheinen und verschwinden. Bei einer Vergrößerung von 150 Durch= 15 messern sieht man die Aufeinanderfolge der Funken, welche von einzelnen Punkten des Körpers hervorblizen, ganz deutlich." Ehrenberg will sogar das Organ des Leuchtens in den Wärzchen erkannt haben, die ein sehr starkes Mikroskop über den ganzen Körper der Photocharis cyrrigera verbreitet nachwies.

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Demgemäß ist das Leuchten des einzelnen Tierchens ein elektrisches Funkenspiel, 20 welches dem animalischen Kondensator entlockt wird, und keineswegs Folge des langsamen Verbrennens einer schleimigen Flüssigkeit, wie Spalanzani meinte und Leukart noch vor kurzem aussprach, oder des von Tieren ausgeatmeten Phosphorwasserstoffes, wie Tilesius behauptete. Alexander v. Humboldt ahnte mit richtigem Gefühle den eigentlichen Kausa= litätsnerus dieser Erscheinung, wenn er in den Ansichten der Natur" sagt: "Die hier ent- 25 widelten Betrachtungen machen es wahrscheinlich, daß in den kleinsten lebendigen Organismen, die dem bloßen Auge entgehen, in dem Kampfe schlangenartiger Gymnoten, in den aufbligenden Leuchtiufusorien, welche die Phosphoreszenz des Meeres verherrlichen, wie in der donnernden Wolfe und in dem Erd- und Polarlichte (dem stillen magnetischen Wetterleuchten), das als Folge einer verstärkten Spannung des inneren Erdkörpers der plöglich 30 veränderte Gang der Magnetnadel viele Stunden lang vorher ankündigt, ein und derselbe Brozeß vorgeht."

87. Geschichte eines Wassertropfens.

Bon A. Grube.

Biographieen aus der Naturkunde. Stuttgart 1869. 1. Reihe, S. 11.

Tröpflein muß zur Erde fallen,
Muß das arte Blümchen negen,
Mus mit Quellen weiterwallen,
Muß das Auchlein auch ergogen,
Mus im Bach die Mühle schlagen,
Muß im Strom die Schiffe tragen,
Und wo wåren denn rie Meere,
Wenn nicht erst das Tröpflein wåre?"

Mancher arme Tropf unter den Menschenkindern hat nicht soviel erlebt, als der kleine, winzige Wassertropfen, von welchem ich dir jezt eine Geschichte erzählen will.

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Im Schoße des großen, weiten Meeres sprangen im hellen Sonnenscheine tausend und aber tausend fleine Tropfen wie lustige Kinder auf dem Schoße ihrer Mutter und ließen sid vom Winde hin und her schaukeln. Ein Söhnchen in der zahlreichen Tropfenfamilie war besonders mutwillig und wollte immer am höchsten springen, aber er fiel, so wie seine anderen Brüder, immer wieder in den Schoß der Mutter zurück. Zuweilen hing er sich an die Flossen 50 eines Delphins, ließ sich von diesem eine Strede weit forttragen und sprang mit ihm tanzend empor; aber höher vermochte er nie zu springen, als der Fisch selber, und wie dieser niederfiel und untertauchte, so mußte er folgen. Als wäre er an einen Faden gebunden, so zog es ihn immer zur Wasserfläche zurück. Wenn er dann cufschaute zum klaren, blauen Himmel,

der wie ein zweiter Ozean hoch über dem Meere sich wölbte, und an welchem die strahlende Sonne spazieren ging, so erfaßte ihn die Reiselust, eine gewaltige Sehnsucht, sich bis in die Luft zu den Wolken emporzuschwingen, mit diesen durch das blaue Luftmeer zu schiffen und von oben herab die Erde zu beschauen. Da bat und flehete denn der kleine Tropf die Sonne san, daß sie ihn doch einmal zu sich emporziehen und mitnehmen möchte auf ihre große Reise um die Erde herum. Der lieben Sonne gefiel der kühne Mut des Wichtleins, und sie gewährte seine Bitte. Sogleich schichte sie einige von ihren Strahlen ab, und im Nu waren diese unten im Meere angelangt, um das Tröpfchen mit sich zu nehmen hoch in die Luft. Damit es aber dem armen Tropfe nicht an Reisegefährten gebreche, nahmen die Sonnen10 strahlen noch eine große Schar anderer Tröpflein mit, wovon jedoch unser Wandersmann gar nichts gewahrte, denn die ganze Reisegesellschaft war schon von der Sonne in unsichtbare Luft verwandelt worden. Darum merkte es auch die Frau Mutter See nicht, daß der kleine Sohn samt seinen Brüderchen ihr von der Frau Base Sonne jezt entführt ward. Im schnellsten Laufe eilten alle Tropfen der Sonne zu; sie stiegen immer höher und höher, bis es ihnen 15 ganz schwindelig wurde. Als sie hoch genug gestiegen waren, kamen sie an einen Luftstrom denn da oben gibt es auch Flüsse und Bäche, wie unten auf der Erde, nur ist kein Wasser darin, sondern Luft —; in diesen Luftstrom sprangen sie hinein und ließen sich von demselben fortführen weit über das Meer hinweg dem Lande zu. Als geübte Schwimmer brauchten sie nicht viel Zeit; in einer Stunde hatten sie hundert Meilen gemacht. Das war eine Lust, so 20 schnell durch den Luftozean hinzusegeln, viel schneller, als Fische schwimmen und Vögel fliegen können! Und wie erstaunten sie, als tief unter ihnen eine ganze neue Welt sich zeigte! Sie schauten hernieder auf grüne Wiesen und wallende Kornfelder, auf Bäume und Büsche und Städte und Dörfer. Hier pflügte ein Bauer mit seinem Ochsengespann einen Acker, dort sprengte ein Reiter auf mutigem Rosse einher; hier schwanz sich ein Adler zu der unsicht25 baren Tropfenfamilie hinauf, als wolle er sie begrüßen, und schoß dann wieder herab gleic einem Pfeile; dort hüpften in dichtbelaubten Wäldern allerlei bunte Vögel und sangen. Wie die Sonne alles schaut, was sich auf Erden begibt, so hatten auch die Tropfen helle Auglein bekommen und ließen's am Schauen nicht fehlen. Alles war ihnen neu, und als sie im Schoße ihrer Meeresmutter verborgen ruhten, da hätten sie es nimmer sich träumen lassen, so etwas so wie eine Stadt, ein Pferd oder einen Acker zu sehen. In ihrer großen Bewunderung und Freude hatten sie gar nicht darauf geachtet, daß die Sonne immer tiefer am Himmel niedergesunken war. Jezt tauchte sie an eben der Stelle in das Meer hinab, von wo sie ihre Reise begonnen hatte. Da dünkte es unserem Tröpflein, das anfangs am mutwilligsten gewesen war, gar nicht mehr so lustig in den hohen Luftschichten, zumal es hier mit jeder Minute 35 kälter und dunkler ward. Der arme Tropf schaute sich nach einem Obdach um; aber von einer Herberge für die Nacht war auf diesen luftigen, öden Gefilden nichts zu entdecken. So faßte er denn den Entschluß, lieber auf der Erde zu übernachten, die ihn mit ihren Wiesen und Bäumen und Blüten so freundlich angelacht hatte. Gedacht, getan! Leise und ungesehen schwebte er in die Tiefe hinab. Je tiefer er kam, desto schwerer ward er; er fühlte, 40 wie er aus dem unsichtbaren Dunst sich in einen sichtbaren Wassertropfen verwandelte; er fiel immer schneller und schneller und langte endlich auf einem Rosenbusche an. Eine halb erblühte Knospe öffnete ihm gastfreundlich die Tür, und hurtig schlüpfte das Tröpflein hinein; denn in dem grünen Häuschen war ihm ein duftiges Bette zubereitet zur Ruhe für die Nacht. Als der Morgen graute, und im Osten der Himmel sich rötete, war auch das 45 Tröpflein schon munter und fah nun mit freudigem Erstaunen, wie es seine Nachtruhe ge= halten in den zarten Rosenblättchen, die gleich den Strahlen des Morgenrotes glänzten. Frisch und wohlgemut kam es aus seinem duftigen Bette hervor und setzte sich auf den Rand eines Blumenblattes. Hier erwartete es die liebe Sonne, und als sie prächtig und majestätisch, gleich einer Königin, am Himmel aufstieg, wünschte es ihr einen freundlichen guten 50 Morgen. Die Sonne freute sich des kleinen, hellen Tropfens und spiegelte ihr Antlig in ihm ab, daß er schöner leuchtete, als der Diamant. Nimm mich wieder auf zu dir, o liebe Sonne, und laß mich wiederum mit dir reisen, weit über die Erde hinweg!" so rief der

fleine Tropf der Morgensonne entgegen, und diese erhörte abermals seine Bitte. Ihre Strahlen zogen ihn schnell zum Himmel empor, und lustig schwebte er wieder fort über Städte und Länder, über Berg und Tal. Doch als der Tag immer heißer und schwüler ward, gingen dem übermütigen Gesellen die Kräfte aus; er wollte stillhalten und ausruhen. Aber auf seinem Wege stand kein Grashalm, blühete keine Rose, war kein Schatten für den 5 müden Wanderer zu finden. Er hätte weinen mögen vor lauter Müdigkeit und schrie in seiner Not zur guten Sonne: Laß mich wieder hinab auf die Erde oder zu meiner Mutter, dem Meere!" Als er dies gesprochen, hörte er tausend und aber tausend Stimmchen über und neben sich, die riefen alle dasselbe und stimmten in seine Bitte ein; denn es waren seine Brüderchen, die unsichtbar neben ihm schwammen und welche getreulich dem fühnen 10 Springinsfeld nachgefolgt waren. Da erbarmte sich die liebe Sonne und schickte einen fühlen Wind, der alle die kleinen Tröpfe zusammentrieb in eine graue Wolke, die je größer wurde, je mehr Tropfen zusammenkamen. In dem dichten Nebel konnten sich die Brüderchen anfangs gar nicht erkennen, fie drängten und drückten sich einander und wußten nicht, wie ihnen geschah, bis sie auf einmal in sichtbare, runde Wassertröpflein sich verwandelt sahen, 15 sich alle bei der Hand faßten und in schnellem Laufe der Erde zueilten. Das rauschte und plätscherte, als das kleine Heer auf der Erde unten ankam! Die Menschen aber sprachen: Es regnet!" Ein Teil der Tropfen fiel auf einen hohen Berg und unser kleiner Held gleichfalls. Doch der hohe Fall tat ihm gar nicht wehe; munter und guter Dinge sprang er an dem steilen Felsabhange hinunter, und seine Brüderchen hinter ihm drein, wie die 20 Soldaten hinter ihrem General. Bald war wieder ein ganzes Heer beisammen, und jeder hielt so eng und fest an dem andern, daß sie anwuchsen zu einem schäumenden Waldbache, der fed im frohen Übermute der Jugend vorwärtsströmte. Kamen sie an einen spißen und edigen Stein, der sich ihnen trozig in den Weg stellte, so versuchten sie, wer zuerst hinüberspringen konnte, und der kleine General brachte es immer am höchsten. Zuweilen hüpfte 25 er auf einen Erdbeerstrauch, der am Rande des Baches gewachsen war, und schlüpfte dann neugierig in die weißen Blüten oder setzte sich auf die roten Beeren, als wollte er versuchen, wie sie schmeckten; oder er kletterte auch wohl auf die Blätter einer überhängenden Erle und schaukelte da so lange, bis er auf seine Gefährten im Bache herunterfiel und mit diesen dann lustig weiterrannte. Als sie so zusammen eine Strecke fortgehüpft waren, immer 30 bergab, hörten sie im Tale drunten etwas klappern, und wie sie näher kamen, erblickten fie ein Haus, vor dem lagen zwei große rund zugehauene Steine und standen ein paar Esel, die von einem weißbestäubten Manne mit Säcken beladen wurden. An der Hinterseite des Hauses drehte sich ohne Aufhören ein Rad, über welches der Bach hinwegbrauste. Es war eine Mühle. Im Innern derselben wurden durch das drehende Rad solche große Steine 35 gleich jenen, die vor der Tür lagen, schnell wie im Fluge herumgewirbelt, viel schneller, als der Kreisel, welchen der Knabe peitscht, sich zu drehen vermag. Das waren die Mühlsteine, welche fleißig arbeiteten, das Korn zu weißem Mehl zu zerreiben. Welcher Riese war es aber, der die Kraft besaß, das Mühlrad samt den schweren Steinen so hurtig zu drehen und zu schwingen? Niemand anders, als unsere kleinen Tröpfe, die zu Tausenden über das 40 Rab hinabsprangen und so kräftig auftraten, daß es sich vor ihnen beugte. Wie klein und winzig ist ein Wassertröpflein allein, in Wahrheit ein armer Tropf; aber wenn die Kleinen fich verbinden, fest wie Brüder aneinanderhalten, dann gewinnen sie Riesenkraft und find groß! Das Tröpflein mit seinen Brüdern hinterdrein machte mutig den halsbrechenden Sprung, und als es hinabstürzte, war es, als müßte es im schäumenden Wasserstrudel unter 1s dem Rade sein Grab finden. Aber bald arbeitete es sich mutig empor und schwamm weiter so ruhig und wohlgemut, als sei ihm nichts geschehen. Sein Weg führte zu einem Teiche, worin der Bach mündete. Auf dem Teiche schwammen Enten und Gänse, am Rande hatten die Frösche ihre Wohnung aufgeschlagen, ließen sich's wohl sein in der warmen Sonne und stimmten lustig ihren quakenden Rundgefang an. Aus dem Schlammboden erhoben sich se Karpfen und Schleien, plätscherten und sprangen über den Wasserspiegel empor, so übermütig, als wären sie Delphine des Meeres. Das machte unserem kleinen Tropf viel Spaß,

und er beschloß, eine Zeitlang in dieser kleinen Welt zu verbleiben. Die Enten erfor er zu feinen Schiffchen, mit denen er rechts und links, den Bach aufwärts und abwärts zum Teiche zurückschiffte; die Frösche waren seine Pferdchen, die er keck bestieg, um mit ihnen über die Grashalme zu springen und auf der Wiese spazieren zu reiten. Doch endlich war es dem 5 Kleinen, der aus dem großen, unendlichen Meere stammte, im winzigen Müllerteiche doch zu eng und zu klein, und er wäre gern wieder zur Sonne aufgestiegen, um mit ihr durch die Lüfte zu segeln nach dem Weltmeere zurück, aus welchem er mit so viel Kühnheit entwischt war. Schon wollte er der Sonne seinen Wunsch wieder vortragen, siehe, da kam eine Frar mit der Gießkanne in der Hand, beugte sich zu dem Teiche herab, erhaschte das Tröpflein in 10 ihrem Gefäß und sprigte es auf die niße Leinwand, welche neben dem Teiche zum Bleichen aufgespannt war. Da saß nun der arme Tropf auf dem Trockenen, und er wäre schier verschmachtet, hätte nicht die gute Sonne mit ihren helblinkenden Augen zu rechter Zeit seine Not bemerkt. Rasch zog sie ihn mit seinen Brüderchen aufwärts, so daß keine Spur von ihnen auf der Leinwand zurückblieb, und wohlgemut schwamm er wieder im blauen Luft15 meere dahin. Die Sonne wollte aber nicht fortwährend von kleinen Tröpfchen belästigt werden, und um eine Zeitlang Ruhe zu haben, auch dem wanderlustigen Gesellen etwas die Reiseluft zu vertreiben, schickte sie ihn jezt über die Ostsee in das weite Flachland der russischen Ebene, wo es sehr kalt und wenig Merkwürdiges zu sehen ist. Die Reise war lang, und als der Tropfen müde und matt am russischen Himmel anlangte, war es ihm nicht mehr zu heiß. 20 Ein scharfer Wind wehte vom Nordpol her, der machte die Luft sehr frostig, und es tamen wieder Tausende von Wassertröpfchen zusammen, als wollten sie aneinander sich wärmen. Doch mit dem Erwärmen war es jetzt schlecht bestellt, denn die Sonne ɲand tief am Horizont, und ihre schrägen Strahlen vermochten kaum den trüben Nebel zu durchdringen. Die Tropfen wollten sich ihre Not klagen und Rat halten, was nun zu tun sei, da, o Wunder, 2: geschah plößlich eine Verwandelung. Jedes Wassertröpflein ward zu einem weißen, silberhellen Sterne, geziert mit feinen Nadeln und Härchen, so zart und fein, wie die Härchen auf dem Flügel des Schmetterlings, und wie weiße Schmetterlinge schwebten nun die Eissterns chen, im bunten Tanze durcheinanderhüpfend, zur Erde herab. Da sagten die Menschen: "Es schneit!"

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Unser kleiner, nun zu Schnee gefrorener Held war aber auf einem Acker niedergefallen, und Tausende seiner Brüder mit ihm. Gleich einer warmen Winterdecke, aus weichen, weißen Eiderdunen zusammengenähet, legten sie sich über das Feld hin und schüßten die im Schoße der Erde keimenden Körner und Würzelchen vor dem strengen Winterfroste. Sie selber fühlten weder die erstarrende Winterkälte, noch den rauhen Nordwind, der über die weiße Schnee85 fläche dahinsauste; sie sahen und hörten nichts, denn sie schliefen den langen Winterschlaf Die Sonne war weit, weit von ihnen fortgereist, blickte aber doch aus fernem Lande oft gütig auf die eingeschlafenen kleinen Tröpfe hernieder, und diese wurden dann schön wie funkelnde Edelsteine und strahlten, als wären sie selber leuchtende Sonnen und blinkende Sternlein geworden. Wohl ein halbes Jahr lang mochten sie so ihren Schlaf der Erstarrung durchge•. schlummert haben, da stieg die liebe Sonne wieder höher am Himmel auf, kam immer näher heran und ließ durch warme Frühlingslüfte ihre Ankunft dem ganzen Heere der Wassertropfen melden, die alle in weißer Uniform unbeweglich auf dem Felde in Reih' und Glied lagerten. Stehet auf, ihr Schläfer, und rüstet euch zum Marsche!"— so erscholl der laute Weckruf, und diese Stimme ward von allen gehört. Munter regten und hurtig bewegten sich 45 alle, sie warfen das Schneekleid ab, um schneller marschieren zu können, und nun konnte man wieder die fließenden, nackten Wassertröpflein schauen. Eine Abteilung von ihnen senkte fich in die Erde hinab, um den keimenden Körnlein einen Labetrunk zu bringen, denn diese hatten lange gedurftet, und wie sie tranken, wurden sie zusehends größer und stärker und streckten die grünen Köpfchen aus der Erde hervor. Eine zweite Abteilung stieg gerade zum Himmel so an, sezte sich in die großen Wolkenschiffe und segelte mit diesen nach Süden in die heißen Länder, die sehnlichst nach Regen verlangten. Aber unser kleiner Held war weder in der ersten Abteilung, denn er hatte nicht Lust, sich in der Erde zu verbergen, noch in der zweiten,

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