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denn er war schon zur Genüge in dem Luftmeer gesegelt: sondern er stellte sich an die Spite der dritten Truppe, die jezt von dem Acker weg zur Talrinne hinabzog und hier in langen Zügen in geschlossenen Gliedern talabwärts sich bewegte. Diese kriegslustigen Tropfen hatten sich zu einem mutig daherbraufenden, wildschäumenden Gießbache gebildet und sangen freudig: Frisch vorwärts zum Meer, frisch vorwärts zum Meer!" Da schallte ihnen, noch s viel lauter, als sie selber sangen, die Antwort von tausendmal tausend Stimmen entgegen aus einem größeren Bach, der auch des Weges zog und das gleiche Reiseziel verfolgte: „Glück auf, ihr Brüder, zur frohen Wanderschaft!" Beide Heere der Wassertropfen flossen jest in eins zusammen. Das war ein Plaudern, ein Murmeln und Lärmen, als immer mehr Tröpf= lein zusammenkamen und sich fragten und wiedererkannten und des Wiedersehens freuten! 10 Das Heer der kleinen Reisigen wuchs mit jeder Minute; immer mehr und mehr Begleiter fanden sich ein, und wie erstaunten sie, als es plößlich in ein breites Flußtal ging, und ein starker, breiter, voller Strom stolz seine Wellen ihnen entgegenwälzte. Unser kleiner Wagehals sprang vor Freude auf die Schultern seiner Kameraden und eilte über diese hinweg, um der erste zu sein, den prächtigen Strom zu begrüßen.

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Dieser war nicht wenig erfreut, zu sehen, wie soviel rüstiges, frisches Volk in allerlei Bächen ihm zuströmte und seine Macht vermehrte. Die Tröpflein aber waren nicht wenig stolz darauf, zu einem so großen Flusse zu gehören, durch den sie stark wurden, die schwersten Lastschiffe zu tragen! Bald fuhr ein Kahn, mit zentnerschweren Bausteinen beladen, auf ihrem Rücken dahin, und sie trugen ihn so leicht, als wäre er von Papier; bald peitschten 20 die Räder eines Dampfschiffes, vollgepackt mit Kisten und Warenballen und vollbesezt mit Menschen groß und klein, scharf in die glatte Fläche hinein, und dann brauste das Tropfenheer schäumend und wogend im heftigsten Zorne auf, als wollte es sich auflehnen gegen den unwillkommenen Zwang; bald stürzten die Tropfen in ihrem Übermut auf die steinernen Pfeiler einer Brücke los, die fest und kühn ihre Bogen über die ganze Breite des Stromes 25 geschlagen hatte, als wollten sie die Festigkeit des Baues erproben und das Menschenwerk wieder zerstören. Jeden Augenblick fab der gute Tropf etwas Neues, kleine und große Städte, Mühlen, die gleich schwimmenden Inseln mitten im Strome standen, Schleusen, in denen er fich gefangen fah, wenn er die große Heerstraße verließ, aber aus denen er immer glücklich entwischte. Doch das merkwürdigste Schauspiel erwartete ihn, als er an einer großen 30 Handelsstadt vorbeifuhr und in den Hafen derselben mündete. Da wimmelte es von Schiffen aller Art, breiten und schmalen, hoben und niedrigen; noch hie hatte er so viele schwimmende Häuser zusammen gesehen. Es war anzuschauen wie ein lebendiger Wald, aus dem Grunde des Meeres gewachsen, so viele Mastbäume ragten da empor. Und Fahnen und Wimpel, rot und blau und grün und weiß, flatterten lustig in der Luft. Matrosen aus allerlei Volk 35 und in verschiedenen Kleidungen sangen und tranken und arbeiteten auf dem Verdeck. Und rings in einem großen Halbkreise standen schöne Paläste, so hoch wie die Kirchtürme, dahinein wurden die Warenballen geschafft und an Rollen aufgewunden bis in die obersten Räume. Das alles betrachtete das Tröpflein, auf dem Steuerruder eines Kauffahrteischiffes fizend; es hätte wochenlang dasigen mögen und die Zeit wäre ihm nicht lang so geworden.

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Indessen, als eines Tages die Matrosen desselbigen Schiffes ihr Lied anstimmten: "Morgen da geht's in die wogende See!" da ward der kleine Meeressohn doch ergriffen von heftiger Sehnsucht, heimzukehren zu der lieben Mutter, von der er schon so lange getrennt war. Er hüpfte und sprang voll Freude und Ungeduld, als die Segel aufgespannt und die 45 Aufer gelichtet wurden; er fletterte auf den obersten Rand des Steuerruders und segelte mit dem Schiffe lustig dem Meere zu. Es dauerte gar nicht lange, da schwand zu beiden Seiten das Land; große und starke Wogen, vor denen die kleinen Flußwellen sich beugten, stürzten heran, als wollten fie legtere begrüßen und heimholen zu der Mutter, die längst auf ihre Anfunft barrte. Nun sprang unser Held von seinem Sige herab und stürzte sich in das 50 frobe Getümmel, um den erstaunten Brüdern. die im Meere zurückgeblieben waren, seine Rehru Kriebißsch, Deutsches Lesebuch. II. 16. Aufl.

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Wanderfahrten zu erzählen, wieweit er gereiset, wo er gewesen, was er gesehen. Das Meer aber, mit einem dunkelgrünen Festkleide angetan, freute sich der zurückkehrenden Kinder, öffnete die Arme, und alle sanken an die liebe Mutterbrust.

Wenn du einmal an einem heitern, stillen Sommerabende am Strande des Meeres 5 spazieren gehst, und gar kein Lüftchen sich rührt, so hörst du doch noch ein leises Murmeln und geheimnisvolles Rauschen und weißt nicht, von wannen das kommt. Siehe, das sind die Tröpflein, die sich wundersame Geschichten erzählen von den weiten Reisen, die sie gemacht. Und dann gedenke daran, daß der liebe Vater im Himmel, der alle Tropfen im Meere gezählet hat und sie behütet, daß keines sich verliert und verloren gehet, auch deine 10 Schritte lenkt und dich sicher geleitet durch die Irrgänge des Erdenlebens in das Meer der Ewigkeit.

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88. Der Seefturm.

Bon H. Steffens.

Die vier Norweger. Breslau 1837. 1. Novelle, S. 245.

Der Sturm brach wieder hervor, wütender als je. Häuserhoch erhoben fich die Wellen und trugen das Schiff auf den schäumenden Gipfel, um es wieder in den Abgrund zu versenken. Wie klein erschien das Schiff, wenn die mächtigen Wellen, ein kühnes Gewölbe bildend, sich weit über die Masten erhoben, auf den Spizen in Schaum zersplitterten, und Flinthough sich in ein nasses, wandelbares Tal versenkt 20 fah, während die Talwände das Schiff ergriffen und wieder wie tanzend auf den wildbewegten Gipfel hinaufschleuderten. Die Sonne schien hell, und so großartig erschien dem Erstaunten das Schauspiel, daß jedes Gefühl der Gefahr verschwand. Der Schiffer wußte nicht, wo sie waren. Aus seinen fortgeseßten Beobachtungen schloß Flinthough, daß sie sich vor der Mündung der Elbe befinden müßten. Der 25 Schiffer leugnete es, und es entspann sich ein heftiger Streit. Da entdeckten sie ein Schiff. Bald erschien es auf dem Gipfel der Wellen tanzend, wenn sie in der Tiefe schwebten; dann schauten sie von dem Gipfel hinab auf das hinuntergeschleuderte Schiff. Beide näherten sich einander absichtlich. Für einen Augenblick waren sie einander ganz nahe. Durch ein Sprachrohr fragte man, wo die Schiffe sich befänden. 30 Dicht vor der Mündung der Elbe!" tönte von dem Schiffe aus die Antwort. Aber der Augenblick der Annäherung der Schiffe war zu kurz, die heftigste Bewegung des Meeres schleuderte sie wie durch einen Zauber auseinander. Der Wind wütete heftig aus Westen. Vor ihnen lag die gefährliche Mündung des Fluffes, und es war unmöglich, sich vom Lande entfernt zu halten. Sie waren genötigt, in die 85 Elbe hineinzusegeln, so bedenklich, so gefährlich es auch schien. Bald entdeckten sie die großen, auf einer Seite schwarzen, auf der andern Seite weißen Tonnen, die, durch mächtige Anker festgehalten, zwischen sich den Weg bilden, den die Schiffe nehmen müssen. Flinthough hatte, als die Reise so langwierig ward, den Matrosen geholfen; er verstand es schon, die Taue zu handhaben, die Segel aufzuziehen, herab40 zulassen, einzureffen. Jeßt stand er im Mastkorbe, um die Tonnen zu entdecken, die wegen der hohen Wellen auf dem Verdecke nicht zu erkennen waren. Ein Matrose stand auf einer, er auf der andern Seite, mit den Blicken emsig die zweite Tonne suchend, wenn sie die erste aus den Augen verloren hatten. Eine schwarze Tonne rechts!" schrie der Matrose; eine weiße Tonne links, sechs Schiffslängen 45 entfernt!" rief Flinthough durch den heulenden Sturm nach dem Verdeď hinunter. Es war, was die holländischen und niederländischen Seeleute ein "Boje-Wedder" nennen. Bald schien die Sonne hell, dann verhüllte sie sich plötzlich; ein Regen, von dem Sturm gepeitscht, stürzte herunter; der Himmel verfinsterte sich, daß man kaum eine Schiffslänge weit sah. In einem Augenblicke war die Finsternis verschwunden, 50 und die hellscheinende Sonne trat wieder hervor. So wechselte es unaufhörlich. Vier Männer waren mit Stricken an das Ruder festgebunden, um es zu regieren. Eine

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dumpfe Stille herrschte auf dem Schiffe, nur durch die Befehle des Schiffers und des Steuermannes unterbrochen. Aufmerksam, mit steter Anstrengung, aber ohne einen Laut hören zu lassen, arbeiteten die Matrosen. Man entdeckte das hohe Helgoland, welches, einer seltsamen Festung ähnlich, schroff, aus verschiedenfarbigen Schichten bestehend, die wie Bastionen hier und da hervorsprangen, völlig flach dalag. Die Häuser und Kirchen erkannte man, man erblickte die Treppe, die von unten nach der oberen bewohnten Fläche führte. Lange kreuzte das Schiff, Notzeichen wurden gegeben, die Brigg zeigte sich wieder, noch ein drittes Schiff erschien. Alle Augenblicke erwartete man Menschen auf der Treppe zu erblicken, hoffte, daß Böte mit Lotsen von der flachen, sandigen Erdzunge, die unten an der Insel in die wütenden 10 Wellen hineintauchte, erscheinen würden. Man hoffte vergebens. Es war spät, es war augenscheinlich, daß niemand sich herauswagte. Man mußte es wagen, ohne Lotsen weiter zu segeln. Ein stummer Schrecken bemächtigte sich aller, als sie ohne schüßende Hilfe den Weg fortsetten. Die zwei Schiffe folgten. Immer tiefer ging es in die Mündung hinein. Man glaubte zu merken, daß der Wind nachließ; aber 15 der Abend näherte sich, die Finsternie nahm zu, die Tonnen waren nicht mehr zu erkennen. Das flache Land lag auf beiden Seiten in weiter Ferne, und als es dunkler war, trat etwa eine Meile rechts vom Schiffe das düstere Feuer aus dem Leuchtturm zu Neuwerk, bald wie in Wellen hineingehaucht, dann sich wieder erhebend über die wildbewegte Wasserfläche hervor. Man untersuchte den Grund; auf wenige 20 Klaftern fand man Sand und wagte es, die Anker auszuwerfen.

Es schien, als wollte der Anker haften, und plöglich fingen die Seeleute an, Hoffnung zu schöpfen. Flinthough hatte durch drei Tage und Nächte solange hatte der wütende Sturm gebauert- kein Auge zugetan. Er warf sich in unsäglicher Ermattung auf die Koje. Kaum lag er, als das Schiff furchtbar erschüttert wurde. 25 Die Erschütterung teilte sich allen Teilen mit, ein dumpfes Krachen begleitete den Stoß. Flinthough sprang erschrocken aus der Koje. Kaum stand er, als eine zweite Erschütterung ihn fast zu Boden warf. Gott, wir sind verloren!" schrieen die Seeleute; alles stürzte auf das Verdeck. Die erschrockenen Matrosen sezten die Pumpen in Bewegung, aber das helle Wasser strömte herein und benahm ihnen jede Hoff- so nung. Man schrie, betete, heulte, rang die Hände. Fünf englische Matrosen, die in Norwegen Schiffbruch gelitten hatten, waren als Passagiere am Bord. Man hatte sie bis jest kaum bemerkt. Die Gefahr machte sie tollkühn, und sie versuchten, sich des großen Bootes zu bemeistern, um sich zu retten. Zum Glück betrug die Zahl der übrigen Männer gerade das Doppelte. Die Gefahr schien vergessen; mitten in ss der Finsternis entspann sich ein kurzer Kampf. Die englischen Matrosen wurden überwältigt und gaben ihr Vorhaben auf. Aber das Schiff fog immer mehr Wasser, die Gefahr wurde immer dringender; da ergriffen die Matrosen die Arte, auf der linken Seite des Schiffes wurden alle Taue durchgehauen: die Hiebe trafen jetzt die Masten und klangen furchtbar in die Finsternis, in den heulenden Sturm hinein. Endlich 40 brachen sie und stürzten mit entsetzlichem Gekrach nach der rechten Seite, wo die Taue fte noch festhielten. Alle Mannschaft hatte sich auf die linke Seite gerettet. Das Schiff neigte sich tief nach der Seite, wo die Masten fielen, die Wellen schlugen hoch und schäumend auf und schienen es verschlingen zu wollen. Aber schnell wurden auch rechts die Taue gekappt: die Masten, von den Wellen ergriffen, verschwanden 45 in der finsteren Ferne, und das verstümmelte Schiff schwamm, immer tiefer sinkend, auf dem stürmenden Meere, während die Wellen sich schäumend an seinen Seiten brachen und die gefährlichen Stöße nach und nach sich erneuerten. Alles geschah in großer Unordnung, ohne Befehl, wie instinktmäßig, während man Gebete murmelte, seufzte, heulte. Nun wurden die Stöße immer schwächer. Die Ebbe hatte schon an- 60 gefangen, che man den Anker warf. Wie sie zunahm, sank das Schiff immer tiefer in den sandigen Grund; endlich stand es ruhig, fest, und die Wellen schlugen an,

ohne es zu bewegen. Die Seeleute schöpften Atem. Für diesen Augenblick schien jede Gefahr verschwunden. Jezt dachte man daran, zu retten, was einem jeden das Teuerste war. Man stieg in den unteren Raum mit Laternen hinunter. Da fiel es Flinthough ein, daß seine Brieftasche mit der Anweisung, sein einziger Reichs 5 tum, in dem Koffer lag, den man in den Raum gebracht hatte; er sah, wie man in Eile mit den Laternen hin und her rannte; vergebens versuchte er eine zu erhalten: in wildem Getümmel bewegten sich alle untereinander. Reiner achtete auf den andern; jeder Befehl hatte aufgehört, und bald verschwanden die Laternen; ein jeder suchte sie dem andern zu entreißen, und eine nach der andern wurde zerschlagen. 10 Schimpfend, sich wechselseitig mit Vorwürfen überhäufend, standen die Matrosen nun in der Finsternis da. Kaum vermochte man die einzig übrig gebliebene Laterne, die trübe in der Kajüte brannte, zu retten. Aber die Hoffnung wuchs immer mehr, denn das Schiff war völlig ruhig, das Wasser stieg nicht, der Leuchtturm brannte winkend in der Ferne. Wir bleiben hier sizen", sprach der Schiffer, „bis der 15 Tag grauet; der Sturm nimmt auch wohl bis dahin ab, und dann rudern wir ans Land und werden wohl noch das Glück haben, den größten Teil der Ladung zu retten." Alle fühlten sich ermuntert durch diese Rede; die Matrosen drängten sich in die Kajüte hinein, wo alle Schränke offen waren, Koffer geöffnet umherstanden, Kleider und Papiere, Segel und Geräte allerlei Art unordentlich zusammengehäuft 20 waren. Wein, Num, Genevre wurden preisgegeben, alle Reste der Lebensmittel rücksichtslos verzehrt, und ein jeder Unterschied zwischen Höheren und Niederen war völlig verschwunden. Alle schienen zufrieden, besonders machte die freudige Gesprächigkeit des 14 jährigen Kajütenjungen einen tiefen, rührenden Eindruck auf Flinthough. Jener drängte sich an ihn, dem er wohl die größte Teilnahme zutraute, heran und war 25 unerschöpflich in Erzählungen von früheren Unglücksfällen, die er oder seine Eltern und Bekannten überstanden hatten, in dem eigentümlichen bewegten Ton, den jedermann unter solchen Umständen annimmt.

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Wie seltsam!“ sagte Flinthough, der die Hoffnungen der übrigen keineswegs teilte, zu dem Alten gewandt und leise,,, es sind lauter erfahrene Seeleute, es ist 30 feiner unter ihnen, der nicht weiß, daß die Flut noch vor Mitternacht eintreten wird, daß dann die Gefahr wieder da ist, ja gesteigert wird. Und doch scheinen sie sich alle geslissentlich zu täuschen."

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Der Geistliche fing an, die Seeleute auf die bevorstehende Gefahr vorzubereiten, aber ein betäubendes Geschrei gebot ihm Stillschweigen.,,Der katholische Hund“ 85 schrie ein Matrose,,,will uns in Versuchung führen, will unsern Glauben erschüttern." Van der Nael zog sich stillschweigend zurück, und nur der Steuermann näherte sich den Freunden und teilte seine Besorgnisse wegen der nahe bevorstehenden Gefahr leise mit. „Wir sind kaum zu retten", sagte er,,,und diese törichte Ruhe wird bald verschwinden."

40 Es dauerte nicht lange, und das Unglück, was ein jeder voraussehen konnte, war da. Flinthough bemerkte zuerst, daß das Wasser in der Kajüte stieg. Man glaubte ihm nicht. Aber es war leider nur zu wahr. Es stieg mit jeder Minute; lese Stühle wurden durch das steigende Wasser gehoben, umgeworfen und schwammen in der Kajüte; das Schiff fing an zu schwanken; dann erneuten sich die Stöße 45 immer vernehmlicher, immer stärker, und an die Stelle der Zuversicht trat plößlich die blindeste Angst. Alle liefen wild durcheinander; ein betauvendes Angngeschrei erbeb sich. Zwei Böte waren hinabgelassen, aber durch den Sturm lesgerissen und fortgetrieben werden. Zum Glück war noch ein drittes Boot da. Es war ein norwegisches Lothenboot, welches für einen Hamburger Kaufmann mitgenommen 50 worden war und, an der Seite des Schiffs fest angebunden, noch unzerstört gefunden wurde. Die Gefahr steigert jedes Geschick, das Boot wurde mit Vorsicht losgebunden, hinabgelassen und sorgfältiger als die übrigen festgehalten. Doch keiner wagte sich

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hinein. Die fürchterlichen Stöße drohten mit augenblicklichem Untergang. Einige wollten den Bugspriet abhauen und, sich auf diesem ins Meer stürzend, schwimmend ihr Leben retten. Da sprang ein kühner Matrose in das Boot. Flinthough war der zweite. Eben war das Boot durch die Wellen vom Schiffe entfernt, und Flinthough im Begriff, zwischen beide in das Meer zu stürzen; der Geistliche sah es, 6ergriff den Fallenden bei den Haaren und schleuderte ihn in das Boot hinein. Magdalena, die den Geistlichen nie verließ, stand händeringend neben ihm. Er ergriff sie und warf sie hinab. Das Beispiel wirkte, alle übrigen folgten. Aber das Boot war stark belastet, kaum ragte der Rand über das Wasser, und die Nähe des Schiffes war höchst gefährlich. Mit großer Mühe, den Tod vor Augen, entfernte man das 10 Boot. Das verstümmelte Schiff lag wie eine dunkle Masse da; der Schaum der anschlagenden Wellen sprizte hoch hinauf und umhüllte es. Als man hinsah, erblickte man noch eine Gestalt. Der Kajütenjunge wurde vermißt, man sah ihn die Hände angstvoll ausstrecken; sein Geschrei vernahm man kaum, es ward von den Wellen, von der Brandung übertönt. Der arme Junge; aber wer fann ihm helfen! zurück 16. zugehen wäre zu gefährlich", sagten sie. Man wollte fortrudern. Da erhob sich der Geistliche wie eine drohende Gestalt und stand kühn aufgerichtet in dem schwankenden Boote.,,Das Grab gähnt zu euren Füßen", rief er,,,die strafende Gerechtigkeit ragt mit ihrem rächenden Arm aus einer jeden Welle. Könnt ihr Erbarmen erwarten, wenn ihr keins erweist? Zurück, ich gebiete es euch im Namen des Vaters, 20 des Sohnes und des heiligen Geistes." Unwillkürlich, als drohete ihnen der nahe Tod, wenn sie nicht gehorchten, führten die Rudernden das Boot zurück. Einzelne wagten ihre Stimme dagegen zu erheben, aber leise, faum vernehmlich. Mit Gefahr kamen sie in die Nähe des Schiffes, der kühne Steuermann sprang auf das Verdeck, jezte den Knaben herunter und stieg wieder ein. Zum zweiten Wale mußten sie 26 dieselbe Gefahr bekämpfen, und als sie aus der Brandung des Schiffes heraus waren, machten alle sich ein Verdienst aus einer Tat, die sie alle abgewiesen hatten. Aber die Gefahr war nicht verschwunden. Man hatte einen Kompaß und die einzige noch brennende Laterne gerettet. Die Laterne löschte aus, in der Finsternis fonnte niemand die Richtung bestimmen. Noch immer wütete der Sturm, jede Welle drehte das so überfüllte Boot zu verschlingen. Sie durchschnitten die Wellen. Zwei Matrosen ruderten; für eine größere Anzahl war kein Plat. Wechseln konnten sie nicht, eine jede Unterbrechung brachte Gefahr. Flinthough hatte sich auf den Boden hingestreckt, um die Rudernden nicht zu hindern. So lag er da und sah die brausenden Wellen hoch über sich ragen und hörte englische, dänische, plattdeutsche, holländische Gebete 38 murmeln, und wie die Ruderschläge so seltsam in den Sturm hineintönten. Ein dumpfes Bewußtsein des nahen Todes durchdrang ihn. Zuweilen, wenn ungeachtet aller Mühe der Rudernden eine Welle das Boot in einer halb schiefen Richtung traf, füllte sich dasselbe mit Wasser und drohte zu versinken. Dann hörte man einen Angstschrei, das Wasser bedeckte Flinthough, die Sinne vergingen ihm, und er 10 glaubte, in den Abgrund zu versinken. Wenn er dann nach einiger Zeit die Augen wieder öffnete und die murmelnden Gebete und die Ruderschläge hörte zu dem Sausen des Meeres, und die empörten Wellen sah und die ruhige Gestalt des Alten, dünfte er sich von einem seltsamen Traume befangen. Mehrere Stunden vergingen so in steter Gefahr; man bemerkte wohl, wie das Boot sich von dem festen Lande ent- 45 fernte und nach dem Meer zu geführt wurde. Der Morgen dämmerte; da sah man eine dunkle Masse vor sich und erkannte eine Brigg. Man kam näher. Es war das schon erwähnte Schiff, welches sie nun zum dritten Male sahen. Diese Erscheinung erfüllte alle mit Freude; es schien ihnen ein Zeichen, daß dieses Schiff zu ihrer Rettung bestimmt sei. Sie erreichten es glücklich, und nicht ohne Mühe und Gefahr 50 gelangten alle auf das Schiff.

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