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Reiter, Ruhepläße für die Wanderer, Meilensteine fehlten an den Hauptstraßen fast nirgends, und herrliche Tempel, prächtige Familiengrabmäler und hier und da stolze Triumphbögen bildeten gleichsam den Vordergrund des umgebenden Landschaftsgemäldes.

Wie aber der Straßenbau durch politische Gründe gefördert wurde, so waren auch die unter Augustus entstehenden Posteinrichtungen, die schon lange vorher im Orient, besonders im persischen Reiche, bekannt gewesen waren, eine Folge des Zentralisationssystems. Sueton berichtet, daß der erste Kaiser, nur um schneller und leichter erfahren zu fönnen, was in den Provinzen vorfiele, auf den Militärstraßen zuerst in gleicher Entfernung rüftige Boten und dann Fuhrwerke aufgestellt habe. Später scheint vorzüglich Trajan die Bostanstalt erweitert und verbessert zu haben. Damals waren schon überall in der 10 Entfernung einer Tagereise Mansionen oder Stationen errichtet mit Baulichkeiten zum Nachtlager für die Reisenden, mit Scheunen, Stallungen, Bädern, sowie mit besonderen, für die kaiserliche Familie bestimmten Räumen. Zwischen diesen Hauptrastorten lagen je fünf bis acht Mutationen oder Posthaltereien, wo bloß Pferdewechsel stattfand. Auf jeder Mutation standen bis zu vierzig Pferde, Maulesel und Ochsen. Der Kurierdienst 16 wurde zu Pferde geleistet, und die Kuriere, deren jede Station nicht mehr als täglich fünf bis sechs befördern durfte, führten die Depeschen in einem Felleisen bei sich, dessen Gewicht zuerst auf dreißig, dann auf hundert Pfund bestimmt ward, und ließen sich gewöhnlich von einem Postillon begleiten.

Das Maß und die Tragkraft der Reisewagen war genau bestimmt, und die Stell- 20 macher verfielen in hohe Strafe, wenn sie dieses Gesetz nicht einhielten. Bierräderige Wagen sollten zehn Zentner Last tragen und im Sommer mit acht, im Winter mit zehn Pferden oder Laultieren bespannt werden; zweiräderige mit zwei Zentner Last dreispännig fahren. Die Mitte zwischen beiden hielt ein leichter, vierräderiger Wagen, der bis zu sechs Zentner halten sollte. Personen durften höchstens drei auf einem 25 Wagen fizen. Von der ersten Art wurde freilich täglich nur ein Wagen befördert, und es war dabei streng verpönt, weiter als 500 Schritte von der Heerstraße abzubiegen. Trozdem wäre diese Einrichtung schon recht bequem und zweckmäßig zu nennen, wenn nicht das ganze Institut nur von Staatsbeamten hätte benugt werden dürfen. Die regelmäßige Schnelligkeit der Extrapost kam der unserer Eilwagen ungefähr gleich. 30 Den Weg von Antiochia bis Konstantinopel (etwa 100 Meilen) legte man in nicht vollen sechs Tagen zurück.

91. Die Bodenwirtschaft bei den Römern.

Bon Th. Mommsen.

Römische Geschichte. Berlin 1874. Bd. I, S. 826. (Gefürzt.)

Die Bodenwirtschaft war entweder Guts- oder Weide- oder Kleinwirtschaft, wovon die erste in der von Cato entworfenen Schilderung uns mit großer Anschaulichkeit entgegentritt.

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Die römischen Landgüter waren, als größerer Grundbesig betrachtet, durchgängig von beschränktem Umfang. Das von Cato beschriebene hatte ein Areal von 240 40 Morgen; ein sehr gewöhnliches Maß war die sogenannte Centuria von 200 Morgen. Wo die mühsame Rebenzucht betrieben ward, wurde die Wirtschaftseinheit noch fleiner gemacht; Cato setzt für diesen Fall einen Flächeninhalt von 100 Morgen voraus. Wer mehr Kapital in die Landwirtschaft stecken wollte, vergrößerte nicht sein Gut, sondern erwarb mehrere Güter; wie denn wohl schon der Maximalsat 18 des Occupationsbesites von 500 Morgen als Inbegriff von zwei oder drei Landgütern gedacht worden ist. Vererbpachtung ist der italischen Privat- wie der römischen Gemeindewirtschaft fremd; nur bei den cbhängigen Gemeinden kam sie vor. Verpachtung auf kürzere Zeit, sowohl gegen eine feste Geldsumme als auch in der Art, daß der Pächter alle Betriebskosten trug und dafür einen Anteil, in der Regel 50 wohl die Hälfte der Früchte empfing, war nicht unbekannt, aber Ausnahme und

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Notbehelf: ein eigener Pächterstand hat sich deshalb in Italien nicht gebildet. Regelmäßig leitete also der Eigentümer selber den Betrieb seiner Güter; indes wirtschaftete er nicht eigentlich selbst, sondern erschien nur von Zeit zu Zeit auf dem Gute, um den Wirtschaftsplan festzustellen, die Ausführung zu beaufsichtigen und seinen Leuten die Rechnung abzunehmen, wodurch es ihm möglich ward, teils eine Anzahl Güter gleichzeitig zu nußen, teils sich nach Umständen den Staatsgeschäften zu widmen. Von Getreide wurden namentlich Spelt und Weizen, auch Gerste und Hirse gebaut; daneben Rüben, Rettiche, Knoblauch, Mohn und, besonders zum Viehfutter, Lupinen, Bohnen, Erbsen, Wicken und andere Futterkräuter. In der 10 Regel ward im Herbst, nur ausnahmsweise im Frühjahr, gesät. Für die Bewässe= rung und Entwässerung war man sehr tätig und z. B. die Drainage durch geblendete Gräben früh im Gebrauch. Auch Wiesen zur Heugewinnung fehlten nicht, und schon zu Catos Zeit wurden sie häufig künstlich berieselt. Von gleicher, wo nicht von größerer wirtschaftlicher Bedeutung als Korn und Kraut waren der Ol 15 baum und der Rebstock, von denen jener zwischen die Saaten, dieser für sich auf eigenen Weinbergen gepflanzt ward. Auch Feigen-, Apfel-, Birnens und andere Fruchtbäume wurden gezogen und ebenso teils zum Holzschlag, teils wegen des zur Streu und zum Viehfutter nüßlichen Laubes, Ulmen, Pappeln und andere Laubbäume und Büsche. Dagegen hat bei den Italikern, bei denen durchgängig Pflanzen20 speisen, Fleischspeisen nur ausnahmsweise und dann fast nur Schweines und Lamm, fleisch auf den Tisch kamen, die Viehzucht eine weit geringere Rolle gespielt als in der heutigen Ökonomie. Obwohl man den ökonomischen Zusammenhang des Ackerbaues und der Vichzucht und namentlich die Wichtigkeit der Düngerproduktion nicht verkannte, so war doch die heutige Verbindung von Acker- und Viehwirtschaft dem 25 Altertum fremd. An Großrich ward nur gehalten, was zur Bestellung des Ackers erforderlich war, und dasselbe nicht auf eigenem Weideland, sondern im Sommer durchaus und meistens auch im Winter im Stall gefüttert. Dagegen wurden auf die Stoppelweide Schafe aufgetrieben, von denen Cato 100 Stück auf 240 Morgen rechnet; häufig indes zog der Eigentümer es vor, die Winterweide an einen großen so Herdenbesiver in Pacht zu geben oder auch seine Schafherde einem Teilpächter gegen Ablieferung einer bestimmten Anzahl von Lämmern und eines gewissen Maßes ven Käse und Milch zu überlassen. Schweine -Cato rechnet auf das größere Landgut zehn Ställe -, Hühner, Tauben wurden auf dem Hofe gehalten und nach Bedürfnis gemästet, auch, wo Gelegenheit dazu war, eine kleine Hafenschonung und 35 ein Fischkasten eingerichtet, - die bescheidenen Anfänge der später so unermeßlich sich ausdehnenden Wild- und Fischhegung und -züchtung. Die Feldarbeit ward beschafft mit Ochsen, die zum Pflügen, und Eseln, die besonders zum Düngerschleppen und zum Treiben der Mühle verwandt wurden; auch ward wohl noch, wie es scheint, für den Herrn ein Pferd gehalten. Man zog diese Tiere nicht auf dem Gut, son 40 dern faufte sie; durchgängig waren wenigstens Ochsen und Pferde verschnitten. Auf das Gut von 100 Morgen rechnet Cato ein, auf das von 240 drei Joch Ochsen, ein jüngerer Landwirt Saferna auf 200 Morgen zwei Joch; Esel wurden nach Catos Anschlag für das kleinere Grundstück drei, für das größere vier erfordert. Die Menschenarbeit ward regelmäßig durch Eflaven beschafft. An der Epiße der Gutssklavenschaft (familia rustica) stand der Wirtschafter (vilicus, von villa), ber einnimmt und ansgibt, fauft und verkauft, die Instruktionen des Herrn entgegen. nimmt und in dessen Abwesenheit anordnet und straft. Unter ihm stehen die Wirtschafterin (vilica), die Haus, Küche und Speisekammer, Hühnerhof und Taubenschlag besorgt; eine Anzahl Pflüger (bubulci) und gemeiner Knechte, ein Eseltreiber, ein so Schweine und, wo es eine Schafherde gab, ein Schafhirt. Die Zahl schwankte natürlich je nach der Bewirtschaftungsweise. Auf ein Ackergut von 200 Morgen ohne Baumpflanzungen werden zwei Pflüger und sechs Knechte, auf ein gleiches mit

Baumpflanzungen zwei Pflüger und neun Knechte, auf ein Gut von 240 Morgen mit Olivenpflanzungen und Schafherde drei Pflüger, fünf Knechte und drei Hirten gerechnet. Für den Weinberg brauchte man natürlich mehr Arbeitskräfte: auf ein Gut von 100 Morgen mit Rebpflanzungen kommen ein Pflüger, elf Knechte und zwei Hirten. Der Wirtschafter stand natürlich freier als die übrigen Knechte: er s allein wird auch Aussicht gehabt haben, im Fall des Wohlverhaltens von dem Herrn die Freiheit zu erlangen. Im übrigen bildeten alle einen gemeinschaftlichen Hausstand. Die Knechte wurden eben wie das Großvieh nicht auf dem Gut gezogen, sondern in arbeitsfähigem Alter auf dem Sklavenmarkt gekauft, auch wohl, wenn sie durch Alter oder Krankheit arbeitsunfähig geworden waren, mit anderm 10 Ausschuß wieder auf den Markt geschickt. Das Wirtschaftsgebäude (villa rustica) war zugleich Stallung für das Vieh, Speicher für die Früchte und Wohnung des Wirtschafters wie der Knechte; wegegen für den Herrn häufig auf dem Gut ein abgesondertes Landhaus (villa urbana) eingerichtet war. Ein jeder Sllave, auch der Wirtschafter selbst, erhielt seine Bedürfnisse auf Rechnung des Herrn in gewissen 16 Fristen nach festen Säßen geliefert, womit er dann auszukommen hatte; so Kleider und Schuhzeug, die auf dem Markte gekauft wurden, und von denen die Empfänger nur die Instandhaltung selber beschafften: so monatlich eine Quantität Weizen, die jeder selbst zu mahlen hatte, ferner Salz, Zukost Oliven oder Salzfisch -, Wein und Ol. Die Quantität richtete sich nach der Arbeit, weshalb zum Beispiel ∞ der Wirtschafter, der leichtere Arbeit hat als die Knechte, knapperes Maß als diese empfing. Alles Backen und Kochen besorgte die Wirtschafterin, und alle aßen gemeinschaftlich dieselbe Kost. Es war nicht Regel, die Sklaven zu fesseln; wer aber Strafe verwirkt hatte oder einen Entweichungsversuch befürchten ließ, ward angeschlossen auf die Arbeit geschickt und des Nachts in den Sklavenkerker ein- 26 gesperrt. Regelmäßig reichten diese Gutssklaven hin; im Notfall halfen, wie sich von selbst versteht, die Nachbarn sich mit ihren Sklaven gegen Tagelohn einer dem andern aus. Fremde Arbeiter wurden sonst für gewöhnlich nicht verwandt, außer in besonders ungefunden Gegenden, wo man es vorteilhaft fand, den Sllavenstand zu beschränken und dafür gemietete Leute zu verwenden, und zur Einbringung der 80 Ernte, für welche die stehenden Arbeitskräfte nirgends genügten. Bei der Kornund Heuernte nahm man gedungene Schnitter hinzu, die oft an Lohnesstatt von ihrem Eingebrachten die sechste bis neunte Garbe oder, wenn sie auch draschen, das fünfte Korn empfingen: so z. B. gingen jährlich umbrische Arbeiter in großer Anzahl in das Tal von Rieti, um hier die Ernte einbringen zu helfen. Die 85 Trauben und Olivenernte ward in der Regel einem Unternehmer in Accord gegeben, welcher durch seine Mannschaften, gedungene Freie oder auch Fremde oder eigene Eflaven, unter Aufsicht einiger vom Gutsbesizer dazu angestellter Leute das Lesen und Pressen besorgte und den Ertrag an den Herrn ablieferte; sehr häufig verkaufte auch der Gutsbesizer die Ernte auf dem Stock oder Zweige und ließ den Käufer 40 die Einbringung besorgen.....

Die Bauernwirtschaft war von der des Gutsbesitzers hauptsächlich nur verschieden durch den kleineren Maßstab. Der Eigentümer selbst und seine Kinder arbeiteten hier mit den Eflaven oder auch an deren Statt. Der Viehstand zog sich zusammen, und wo das Gut nicht länger die Kosten des Pfluges und seiner Bes 45 spannung deckte, trat dafür die Hacke ein. Ol- und Weinbau traten zurück oder fielen ganz weg. In der Nähe Roms oder eines andern größeren Abjayplayes bestanden auch sorgfältig berieselte Blumen und Gemüsegärten, ähnlich etwa wie man sie jest um Neapel sieht, und gaben sehr reichlichen Ertrag.

Die Weidewirtschaft ward bei weitem mehr ins Große getrieben als der Feld- 50 bau. Das Weidelandgut (saltus) mußte auf jeden Fall beträchtlich mehr Flächenraum haben als das Ackergut -man rechnete mindestens 800 Morgen und

fonnte mit Vorteil für das Geschäft fast ins Unendliche ausgedehnt werden. Nach den klimatischen Verhältnissen Italiens ergänzen sich daselbst gegenseitig die Sommerweide in den Bergen und die Winterweide in den Ebenen: schon in jener Zeit wurden, eben wie jezt noch und großenteils wohl auf denselben Pfaden, die Herden * im Frühjahr von Apulien nach Samnium und im Herbst wieder zurück von da nach Apulien getrieben. Die Winterweide indes fand, wie schon bemerkt ist, nicht durchaus auf besonderem Weideland statt, sondern war zum Teil Stoppelweide. Man zog Pferde, Rinder, Esel, Maulesel, hauptsächlich um den Gutsbesitzern, Fracht führern, Soldaten u. s. w. die benötigten Tiere zu liefern; auch Schweine- und 10 Ziegenherden fehlten nicht. Weit selbständiger aber und weit höher entwickelt war infolge des fast durchgängigen Tragens von Wollstoffen die Schafzucht. Der Betrieb ward durch Sklaven beschafft und war im ganzen dem Gutsbetrieb ähnlich, so daß der Viehmeister (magister pecoris) an die Stelle des Wirtschafters trat. Den Sommer über famen die Hirtensflaven meistenteils nicht unter Dach, sondern hausten, 15 oft meilenweit von menschlichen Wohnungen entfernt, unter Schuppen und Hürden; es lag also in den Verhältnissen, daß man die kräftigsten Männer dazu auslas, ihnen Pferde und Waffen gab und ihnen eine bei weitem freiere Bewegung gestattete, als dies bei der Gutsmannschaft geschah.

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92. Deutsche Weihnachtsbräuche in der Familie.

Von A. Richter.

Originalbeitrag zur „, Cornelia" von Pilz Leipzig 1863. Bd. VI, S. 184.

Wollte man eine Kinderschar, und möchte sie auch aus vielen Tausenden bestehen, nach dem schönsten Feste des Jahres fragen, jubelnd würde von allen Seiten die Antwort:,,Das Weihnachtsfest!" erfolgen. Welcher Zauber liegt für ein Kind schon 25 in dem Worte Weihnachten! Es bedarf nur, dafs der Vater, der eben einen Brief gesiegelt, den Wachsstock ausbläst und jubelnd rufen die Kinder, indem der Duft des Wachses das Zimmer durchzieht: ,,Es riecht nach Weihnachten!" Kein Monat im Jahre vergeht, in dem die Kinder nicht des herrlichen Festes gedächten. Während der einen Hälfte des Jahres sprechen die Kinder von den Freuden des letztverflossenen, 30 während der andern Hälfte von den Hoffnungen des kommenden Weihnachtsfestes.

Und wenn dann die langersehnte Stunde schlägt, das Glöckchen, das Schellengeläute des heiligen Christes sich hören läfst, die Tür des grofsen Familienzimmers sich öffnet und strahlender Lichterglanz den staunenden Kindern entgegenströmt, dann gibt es etwas, das doch noch heller leuchtet und strahlt, als die Menge der Wachskerzen 35 auf dem grünen Tannenbaume, das sind die Augen des Kindes, die Liebe empfangen, die Augen der Eltern, die Liebe spenden. Sollten aber wirklich die Geschenke allein es sein, die den Kindern das Weihnachtsfest zum schönsten Feste des Jahres machen? Gewifs nicht. Ebenso grofsen oder gröfseren Anteil an der Freude der Kinder haben die lieblichen Gebräuche und Sitten, die sich im Laufe der Zeit an dieses Fest angesetzt 40 haben und die nicht allein christlichen Ursprungs sind, sondern zum grofsen Teil zurückweisen in die graue Vorzeit deutsch-heidnischen Altertums. Es kann der Lieblichkeit dieser Gebräuche keinen Eintrag tun, wenn wir es hier unternehmen, einige derselben wenigstens diejenigen, die in der Familie sich eingebürgert haben bis zu ihrem Ursprunge zu verfolgen und zu erklären. Sprechen wir dabei von denjenigen, die sich 45 aus dem deutschen Heidentume bis in unsere Zeit herübergerettet haben, zuerst.

Als das Christentum unseren Vorfahren gepredigt und mit ihm auch die Feier des Weihnachtsfestes ihnen gebracht wurde, feierten dieselben bereits ein Fest, das in dieselbe Zeit fiel wie das Weihnachtsfest und das auch, zwar nicht dieselbe, doch eine ähnliche Bedeutung hatte. War nämlich das christliche Weihnachtsfest ein Fest der so Erinnerung an das Licht, an das neue Leben, das mit dem Heiland der Welt anfing, so war jenes heidnische Fest ein Fest der Freude darüber, dass nun (mit dem 21. Dezember)

die Erde den schlimmsten Tag des Winters hinter sich hatte und einer Zeit entgegenging, in der die Sonne immer höher und höher stieg, einer Zeit, die den Frühling mit seinem wärmenden Strahle und mit seinem grünen Kleide wieder zurückbrachte. Man nannte dieses Fest das Fest der Winter-Sonnenwende, weil am 21. Dezember die Sonne sich zu wenden, ihre Bahn zu ändern scheint.

Den grünen Schmuck der Erde, das fröhliche Gedeihen von Blüten und Früchten, schrieben unsere Vorfahren dem Walten der seligen Götter zu. Während des Winters aber schlief die Erde und mit ihr Blüte und Frucht. Die Götter schienen tot oder in tiefen Schlaf versunken. Die kleinen, freundlichen Elfen in Bächen und Flüssen lagen gebunden und gefesselt von der Eisrinde, die böse Geister über ihnen ausgebreitet 10 hatten. Durch die Lüfte zogen im heulenden Sturme finstere, den Menschen feindliche Geister, und auch über die Erde schritten sie, Tod und Verderben bringend und besonders den Kindern auflauernd. Da kommt die Winter-Sonnenwende und mit ihr die Hoffnung besserer, freundlicherer Tage. Die Götter, Wodan, ihr oberster, an ihrer Spitze, kehren auf die Erde zurück und gewinnen nach und nach im Kampfe die Ober- 15 hand über die bösen Geister, und die Erde wird wieder des Göttersegens teilhaftig. Noch heute lebt die Erinnerung an diesen Einzug und an den Kampf mit den finsteren Gewalten in der Redensart: „Das wütende Heer (an manchen Orten: das Wodansheer) zieht durch die Lüfte“. Nur ist Wodan, der den Alten ein freundlicher, wohlwollender Gott war, später, nach der Einführung des Christentums, dem Volke zu einem Unholde und 20 bösen Geiste geworden, von dem es in seinen Sagen noch heute erzählt. Das deutsche Volk hat sich aber nicht damit begnügt, von dem Umzuge, den die Götter zur Weihnachtszeit auf der Erde halten, in seinen Sagen zu erzählen. Es hat vielmehr diesen Umzug auch nachgeahmt, und von diesen Nachahmungen hat sich ebenfalls manches bis auf unsere Zeit erhalten. In vielen Gegenden Norddeutschlands, z. B. in den Umgebungen 25 von Hannover, Brandenburg, Zerbst u. s. w., hält in der Zeit vor Weihnachten der sogenannte Schimmelreiter seinen Umzug. Das ist gewöhnlich ein Bauernbursche, der sich an der Brust ein Sieb befestigt hat, an dem vorn ein Pferdekopf angebracht ist und das dann mit einem weissen Betttuche behangen wird. So erhält der Bursche das Ansehen eines Reiters auf einem Schimmel, und in dieser Weise zieht er von Hof zu Hof, 30 von Haus zu Haus, fragt die Kinder, ob sie beten können, und lässt sie dann ihre Verslein und Liedchen hersagen. Diejenigen Kinder, welche in dieser Probe gut bestehen, beschenkt er mit Äpfeln, Nüssen und Pfefferkuchen, während er die, die nichts gelernt haben, oder über welche die Eltern Klage führen, mit einer Rute, die er in der Hand führt, straft. Dieser Schimmelreiter ist niemand anders, als Wodan, von dem die Vorfahren 35 erzählten, dafs er auf einem weifsen Rosse dem Zuge der Götter voranreite. Das wird auch klar aus dem Namen desselben. Er heifst nämlich in den meisten Gegenden, besonders in Norddeutschland, Ruprecht. Dieses Wort ist entstanden aus „Hruodperath“, einem früheren Beinamen Wodans, der so viel als „ruhmglänzend" bedeutete.

An anderen Orten erscheint jetzt der Ruprecht gewöhnlich am Weihnachtsheilig- 40 abend in der Gestalt eines alten, in Pelzwerk oder auch in Stroh eingehüllten, bärtigen Mannes, der an fleifsige und artige Kinder Äpfel und Nüsse, an faule und unartige dagegen Rutenhiebe austeilt. In Sachsen ist der Schimmelreiter ebenfalls nicht mehr üblich. Dafür erzählen die Kinder dort, dafs am Weihnachtsheiligabend, nachdem der Ruprecht vorher dagewesen ist, der heilige Christ auf einem mit Geschenken reich 15 beladenen und mit einem Schimmel bespannten Schlitten sich nahe, in den Häusern einkehre und da beschere. Damit nun der Schimmel des heiligen Christes vor dem Tore recht ruhig stehe und der heilige Christ recht viele Geschenke abladen könne, legen die Kinder, sobald es dunkel wird, ein Bund Heu vor das Tor als Futter für den Schimmel. Ich habe Kinder gekannt, deren Eltern keine Viehwirtschaft besafsen, und 50 die sich daher zu Weihnachten auch nicht ein Bund Heu für den Schimmel von ihren Eltern erbitten konnten. Dieselben sammelten und trockneten während des Sommers

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