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Der kleine dicke Doktor hatte sich beim Weggehen noch Gellerts Holzvorrat zeigen laffen und dazu den Kopf geschüttelt, dennoch aber befohlen, man solle dem kranken Herrn recht tüchtig einheizen. Jezt wollte er heim und seiner Frau das neue Lied Gellerts bringen; aber wie er um die Ecke biegt, redet ihn eine arme Frau an: "Herr Doktor, kommen Sie 6 doch zu meinem Mann. Der Herr Professor Gellert und der Herr Neidhardt haben es ge= sagt."—"Schon wieder Gellert", brummte der Doktor. Kennt Ihr den, Frau?" "Ja", antwortete die Frau, und Mund und Herz gingen ihr auf. Und der Doktor rief: "Aha, da ist das Geld hingekommen; darum friert er". Der Frau fällt's zentnerschwer aufs Herz, daß der liebe Herr um ihretwillen Mangel haben soll. Der Doktor aber sagte: „Ja, habt 10 nur keinen Kummer, so einen verläßt der liebe Gott nicht.“

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Der Doktor verschreibt etwas und eilt jest nach Hause. Da steht ein Bursche mit einem lebigen, gesattelten Pferde. Was gibt's?" fragte der Doktor.,,Der Schultheiß von Wachau läßt euch um Gottes willen bitten, gleich hinauszukommen. Seine Frau ist gefährlich erfrankt." Der Doktor schwingt sich auf das ledige Pferd und trabt davon. Es war fast 15 nicht durchzukommen. Preußisches Militär nahm die Straße ein. Endlich kommen sie vor des Schultheißen Haus an, und der Doktor geht an seine Pflicht. Als die Gefahr vorüber ist, muß er an der Tafel Plaz nehmen, wo eben preußische Offiziere bei der Mahlzeit sizen; denn der Schultheiß hatte auch eine Wirtschaft. Der Doktor hatte großen Hunger und hieb tapfer drein. Als der Grund ein wenig gelegt war, sagte der vornehmste der Offiziere: 20,, Herr Doktor, Sie sind wohl von Leipzig ?" "Zu dienen“, antwortete der Doktor

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und schnitt noch ein Stück Bratwurst ab. -,, Kennen Sie auch den Professor und Dichter Gellert?" Jest legte der Doktor Messer und Gabel hin und erwiderte: Ich bin sein Arzt und sein Freund". -,,So; man hat mir gesagt, er sei kränklich“ - „Das ist er leider, sollte eben mehr Bewegung haben; habe ihm diesen Morgen gesagt, er sollte sich 25 einen Klepper kaufen." - Und das wird er doch tun?" "Ja", sagte lächelnd der Doktor, „das Wollen wäre schon da, aber beim Vollbringen hapert's" und dabei rieb er den Zeigefinger am Daumen.-,,Ist Gellert arm?" fragte der Offizier teilnehmend. Arm wie eine Kirchenmaus“; und nun erzählte der Doktor alles, was er wußte, na= mentlich vom Neidhardt und vom armen Schuster. Der Offizier schlug die Hände zusam= 80 men, indem er rief: „, Und so ein herrlicher Mann kann kein Holz and kein Pferd kaufen! Aber, Herr Doktor, lassen Sie mich doch Gellerts Handschrift und fein neues Lied sehen, von dem Sie sprachen", und der Offizier las:

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Und Freuden ohne Zahl;
So will ich denn gelassen
Mich auch im Leiden fassen;

Welch Leben hat nicht seine Qual?

Ja, Herr, ich bin ein Sünder,
Und stets strafft du gelinder,
Als es der Mensch verdient.
Will ich, beschwert mit Schulden,
Kein zeitlich Weh erdulden,

Das doch zu meinem Besten dient?
Dir will ich mich ergeben,
Nicht meine Ruh', mein Leben
Mehr lieben als den Herrn;
Dir, Gott, will ich vertrauen
Und nicht auf Menschen bauen.

Du hilft, und du errettest gern!

Laß du mich Gnade finden,
Mich alle meine Sünden

Erkennen und bereu'n;

Jetzt hat mein Geist noch Kräfte,
Sein Heil laß mein Geschäfte,

Dein Wort mir Trost und Leben sein.

Wenn ich in Christo sterbe,
Bin ich des Himmels Erbe,
Was schreckt mich Grab und Tod?
Auch auf des Todes Pfade
Bertrau' ich deiner Gnade;

Du, Herr, bist bei mir in der Not.

Ich will dem Kummer wehren,

Gott durch Geduld verehren,
Im Glauben zu ihm flehn;

Ich will den Tod bedenken,

Der Herr wird alles lenken,

Und, was mir gut ist, wird geschehn.“

Alle Tischgenossen waren tief gerührt, und bei dem Schultheiß, der eben erst Schweres durchgemacht, schlug eine Träne die andere. Der Offizier aber bat den Doktor um die Erlaubnis, eine Abschrift von dem herrlichen Liede nehmen zu dürfen, und rief seinem Adjutanten zu: Schreiben Sie mir doch das Gedicht genau und hübsch ab!" Der Schultheiß aber,

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65 der unten am Tisch saß, rief: „Und ein Mann, der so köstliche Lieder macht, sollte sich in

diesem Winterwetter keine warme Stube machen können? Lieber wollte ich acht Tage frieren, wie ein Windhund. So wahr mir Gott heute aus der Not geholfen hat, das muß anders werden!" Er machte das Fenster auf: "He, Friz! — auf der Stelle belade den großen Güterwagen mit Buchenholz, was darauf geht; fahre mit vier Pferden nach Leipzig zum Professor Gellert, sage, ich lass' ihn freundlich grüßen, und das sei ein Geschenk für das schöne s Lieb:,Ich hab' in guten Stunden' und er sollte sich eine warme Stube machen." "Bravo!" riefen alle Anwesenden. Und gegen Abend lag vor Gellerts Hause ein Haufen Holz, daß es eine Art hatte. Der Doktor aber nahm einen der Offiziere auf die Seite und fragte, wer der hohe Offizier sei, der das Wort geführt, und erhielt zur Antwort: "Das ist Brinz Heinrich von Preußen".

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Gellert aber, der das Holz sah und hörte, das sei für das Lied, das er erst heute gemacht, schüttelte den Kopf, konnte sich's nicht erklären, wie das zugegangen sei, und wußte nichts Besseres zu tun, als mit herzlichem,,Gott Lob und Dank!" zur Ruhe zu gehen. —

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Unterdessen war ein ganzes preußisches Heer in Leipzig eingezogen, und am anderen Tage war alles voll Soldaten, und unser kleiner Doktor wußte fast gar nicht durchzukommen. Auf 15 der Straße begegnete ihm der alte Neidhardt und sagte: „Herr Doktor, wie geht's dem armen Schuster?" - „Ja, dem haben Sie die beste Mixtur verschrieben", rief lachend der Doktor. Aber wissen Sie auch, daß Gellert die dreißig Taler an seinem Munde abgespart nnd dafür jezt keinen Pfennig hat und keinen Rat weiß und doch noch ein Lied dabei machen kann?" — Und der Doktor las dem Neidhardt das Lied vor, und er strich sich eine Träne 20 aus den Augen, ging nach Hause, packte dreißig Taler zusammen, schrieb auf ein Papier: „Für das Lied: „Ich hab' in guten Stunden'", gab sie seiner Magd und sprach: „Da, lauf bin zum Professor Gellert und gib das Päcklein ab; sage aber beileibe nicht, woher es fommt".

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Gellert saß eben am Schreibpult. Als er das Päcklein öffnete und las, rief er aus: 25 „Das ist doch zu bunt! Haben denn die Leute das Lied schon gedruckt in den Händen? Der Doktor wird doch nicht...." Während er so grübelte, klopfte man. "Herein!" und es tritt ein preußischer Stabsoffizier herein und meldet, daß Se. Königliche Hoheit, Prinz Heinrich von Preußen, der seit gestern in Leipzig sei, anfrage, wann er den Herrn Professor besuchen könne. "Mich besuchen? Midh? Der Prinz von Preußen mich besuchen? Das so muß ein Irrtum sein. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich es mir zur hohen Ehre anrechnen werde, ihm meine Aufwartung zu machen. Bin ich auch krank, so bin ich doch nicht bettlägerig." Der Offizier erwiderte: Allerdings, Herr Professor, wollte Se. Königliche Hoheit Sie besuchen; denn er achtet Sie sehr hoch. Wollen Sie aber Sich zu ihm bemühen, so freue ich mich, Sie begleiten zu dürfen." Gellert zog schnell sein bestes Kleid an, und 35 nun ging's zum Prinzen. Der hohe Herr reichte dem Professor sehr freundlich die Hand und sagte: „Ich freue mich ungemein, den Dichter des Liedes:, Ich hab' in guten Stunden' u.f. w. vor mir zu sehen". Wieder wußte Gellert nicht, ob's mit rechten Dingen zugehe, daß der Brinz ebenfalls von diesem Liede sprach, getraute sich aber nicht, der Sache genauer nachzufragen.,, Man hat mir gesagt“, fuhr der Prinz fort,,, daß Sie unwohl seien. Sie sizen 10 wahrscheinlich zu viel, sehen auch nicht gesund aus." -Mein Beruf macht das Studieren und das Sißen notwendig", erwiderte Gellert. -,, Mag sein; aber Sie müssen Sich und dem deutschen Volke Ihr Leben zu erhalten suchen, Sich mehr Bewegung machen. Sollten ein Pferd halten und täglich ausreiten." „Wohl wahr, Königliche Hoheit, mein Arzt rät mir's auch an; aber nicht jeder hat die Mittel dazu." —,,Wohl wahr, Herr Professor, be= 45 sonders wenn man die letzten dreißig Taler auf einmal einer armen Haushaltung spendet."Gellert senkte die Augen und wurde schamrot. Der Prinz sah das, ergriff Gellerts Hand und sagte: „Edler Mann, es sei ferne von mir, das tadeln zu wollen, was Ihnen einen Gotteslohn bringen muß. Erlauben Sie mir, Ihnen ein Pferd zu verehren, dessen fromme Art es zu einem Reitpferde für einen Mann des Friedens geeignet macht." Gellert wollte 50 danken, aber die Worte stockten. Der Prinz selbst war tief bewegt und sagte: „Ein Geschäft ruft mich jezt ab. Leben Sie wohl, teurer Mann!"

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Gellert brauchte Zeit, sich zu sammeln. Als er zu seiner Haustür kam, hieben die Holzspalter darauf los, und es stand ein wunderschönes Roß mit prächtigem Sattel und stattlich gezäumt vor derselben, und seine Hauswirtin rief ihm zu: "Herr Profeffor, es geschehen Wunder und Zeichen!" Gellert aber dichtete aus dankerfülltem Herzen das Lied:

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Wie groß ist des Allmächt'gen Güte!

Ist der ein Mensch, den sie nicht rührt?

Der mit verhärtetem Gemüte

Den Dank erstickt, der ihm gebührt?
Nein, seine Liebe zu ermessen,
Sei ewig meine größte Pflicht!
Der Herr hat mein noch nie vergeffen;
Vergiß, mein Herz, auch seiner nicht!
Wer hat mich wunderbar bereitet?
Der Gott, der meiner nicht bedarf.
Wer hat mit Langmut mich geleitet?
Er, dessen Rat ich oft verwarf.

Wer stärkt den Frieden im Gewissen ?
Wer gibt dem Geiste neue Kraft?
Wer läßt mich soviel Glück genießen?
Ist's nicht sein Arm, der alles schafft?

Schau, o mein Geist! in jenes Leben,
Zu welchem du erschaffen bist,
Wo du, mit Herrlichkeit umgeben,
Gott ewig sehn wirst, wie er ist.
Du hast ein Recht zu diesen Freuden;
Durch Gottes Güte sind sie dein.
Sieh, darum mußte Christus leiden,
Damit du könntest selig sein.

Und diesen Gott sollt' ich nicht ehren?
Und seine Güte nicht verstehn?
Er sollte rufen, ich nicht hören?
Den Weg, den er mir zeigt, nicht gehn?
Sein Will' ist mir ins Herz geschrieben;
Sein Wort bestärkt ihn ewiglich.
Gott soll ich über alles lieben
Und meinen Nächsten gleich als mich.

Dies ist mein Dank, dies ist sein Wille:
Ich soll vollkommen sein, wie er.
Solang' ich dies Gebot erfülle,
Stell' ich sein Bildnis in mir her.
Lebt seine Lieb' in meiner Seele,
So treibt sie mich zu jeder Pflicht;
Und ob ich schon aus Schwachheit fehle,
Herrscht doch in mir die Sünde nicht.

O Gott! laß deine Güt' und Liebe
Mir immerdar vor Augen sein!
Sie stärk' in mir die guten Triebe,
Mein ganzes Leben dir zu weihn!
Sie tröste mich zur Zeit der Schmerzen;
Sie leite mich zur Zeit des Glücks;
Und sie besieg' in meinem Herzen
Die Furcht des letzten Augenblids!"

Am Abend kam der Doktor. Da gab nun ein Wort das andere, und der kleine, dice ao Mann wollte fast zerspringen vor Lachen und Herzensfreude, und endlich rief er, indem er Hut und Stock nahm: "Diesmal hat Gott der Herr selbst die rechten Rezepte verschrieben und gleich dafür gesorgt, daß die rechten Apotheker sie machen mußten".

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12. Das Glück durch die Gelbwurst. (1844.)
Von B. Auerbach.

Schaßfäftlein des Gevattersmanns. Stuttgart 1875. S. 17.

Der alte Tuchfabrikant Keller pflegte gerne folgende Geschichte zu erzählen: Ich war erst kurze Zeit aus der Fremde zurück und hatte mein eigenes, kleines Geschäft angefangen. Da war die Leipziger Ostermesse. Ich reise hin und nehme einen Kreditbrief von 1000 Speciestalern mit. Das war, wenn man alle Winkelchen 40 zusammenkehrt, mein ganzes Vermögen; ich war aber jung und gesund, und was glaubt man da nicht mit 1000 Speciestalern machen zu können! Ich reise also nach Leipzig und gebe meinen Kreditbrief im Hause Frege und Kompagnie" ab. Der alte Frege läßt meinen Namen in sein Buch einschreiben und wünscht mir gute Geschäfte. Ich sehe aber bald, daß sich mit 1000 Talern nicht viel machen läßt. 45 Was tut's? Geht nicht viel, so geht wenig; besser leiern, als feiern, sagt das Sprichwort. Ich suche mir also eine Partie Wolle aus und gehe hin, um mein Geld zu holen. Da sagt mir der alte Frege, es sei gut, daß ich komme, er habe nicht gewußt, wo ich logiere. Ich hatte das nicht gerne gesagt, da ich wieder, wie einst als Handwerksbursche, in der Herberge wohnte. Nun", sagte der Herr Frege, 60 essen Sie morgen mittag bei mir, Sie werden da noch große Gesellschaft finden." Ich konnte nichts darauf erwidern und gehe weg.

3ch erkundige mich nun, was man bei einer solchen Einladung zu tun hat, und was dabei herauskommt. Man sagt mir, wie es Sitte sei, daß jedes große Handlungshaus seine Empfohlenen durch eine Einladung, wie man sagt, abfüttert; 65 daß nicht viel dabei herauskommt, als daß man das Essen teuer bezahlen muß,

indem es mindestens 14 Taler Trinkgeld an die Bedienten kostet. Das war mir nun gar nicht lieb. Ich rechnete aus, daß mir von 1000 Talern nur noch 998 blieben, und für ein Mittagessen konnte ich nicht soviel aufwenden. Andern Mittags war ich kurz entschlossen. Ich kaufe mir für 2 Groschen Gelbwurst, für 6 Pfennige Brot, stecke es zu mir und gehe hinaus vor das Tor, in das sogenannte Rosental. Mein Tisch war schnell gedeckt. Ich sete mich auf eine Bank und wickele meine Sachen heraus, ich zerschneide die Gelbwurst in sechs Teile und lege sie neben mich hin: das", sage ich, ist meine Suppe, das mein Fleisch, das mein Gemüs' mit Beilage, das meine Fische und das mein Braten und Salat". Ich glaube nicht, daß sie drinnen in der Stadt bei Frege mehr hatten, und daß es ihnen besser schmeckte. Ich 10war eben an der süßen Schüssel, sie war sehr gut zubereitet, da seh' ich einen Mann auf einem schönen Braunen daherreiten; der, denke ich, macht sich noch ein bißchen Bewegung vor dem Essen, daß es ihm besser schmeckt. Ich wünschte ihm meinen gefunden Magen, ich brauchte kein Pferd müde zu reiten, um tüchtig einhauen zu fönnen. Schneller, als ich dies sage und denke, ist der Reiter bei mir, und zu 1s meinem Schrecken sehe ich, es ist der Herr Frege selber! In meiner Angst fällt mir der lezte Bissen von meiner süßen Speise aus der Hand, und der vorausspringende Hund schnuppert's gleich auf; ich wickele schnell mein Papier zusammen und weiß mir gar nicht zu helfen. Ei! Herr Keller!" sagt der Herr Frege, was machen Eie ba? Glauben Sie, Sie bekommen bei mir nicht genug zu effen?"

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Was soll ich darauf sagen? Ich denke: du bleibst bei der Wahrheit. Ich sag' ihm nun, daß es sich bei mir nicht austragen will, gegen zwei Taler Trinkgeld für ein einzig Mittagessen zu geben, und so und so, und daß ich mir vorgenommen habe, mich heute abend oder morgen früh zu entschuldigen, weil ich nicht kommen kann. Da lacht er ganz laut auf und sagt: „Ja, das müffen Sie ja tun, sonst werd' ich 25 bös: ich erwarte Sie um fünf Uhr, fehlen Sie ja nicht. Wünsche gesegnete Mahlzeit." Und fort war er mit seinem Braunen. Ich weiß nun gar nicht, was ich machen soll; ich denk' aber: nun, fressen wird er dich nicht, er muß um fünf Uhr noch genug haben von Mittag her.

Wie's also fünf Uhr gebembert hat, gehe ich hin, man weist mich in sein Comptoir, 30und da kommt er mir entgegen, nimmt mich bei der Hand und führt mich in das Kabinettchen und sagt zu mir: ,,Lieber Herr Keller, Sie haben für 10000 Taler Stredit bei mir; wenn Sie aber das Doppelte brauchen und auch noch mehr, sagen Sie mir's nur offen". — Ich sage: „Sie irren sich, ich habe nur für 1000 Taler". Da sagt er mir: „Es bleibt dabei, wie ich schon gesagt habe; Sie sind ein Mann, 35» der zu sparen weiß, und heute abend essen Sie ganz allein bei mir in meiner Familie". Und so ist's auch geschehen, und das hat mir noch besonders gefallen, daß er die Geschichte seiner Frau und seinen Kindern nicht erzählt hat, bis ich von Leipzig fort gewesen bin. Er hat wohl gemerkt, daß es mir leid täte, wenn man auch in aller Güte darüber lachen würde. So ist's mir durch die Gelbwurst möglich ge- 10 worden, eine der größten Tuchfabriken anzulegen, und solange der alte Frege gelebt hat, habe ich jede Messe bei ihm allein zu Nacht gegessen, und da ist immer zuletzt noch Gelbwurst aufgetragen worden.

13. Schiller in Lorch.

Bon G. Schwab.

Echillers Leben. Etuttgart 1840. 6. 17.

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Im Jahre 1765 wurde Schillers Vater von seinem Herzog als Werbeoffizier nach der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd geschickt und durfte seinen Aufenthalt im Dorf und Kloster Lorch, als nächstem württembergischen Grenzorte, nehmen. Dadurch wurde der Knabe im sechsten Jahre aus dem lachenden Neckartale in die ernste 50 Stille eines von Nadelhölzern umstellten Wiesengrundes versezt. Das Dorf Lorch Kehru. Kriebißsch, Deutsches Lesebuch. II. 16. Aufl.

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liegt am Fuße des Hügels, den, schon auf der Staffel eines Tannengebirges, die Klostergebäude frönen, vor deren Mauern auf einem Vorsprung eine uralte Linde Wache hält. Der Hohenstaufen mit einem Gefolge von Bergen blickt nach dem Kloster herüber, das zahlreiche Gräber jenes erlauchten Geschlechtes umschließt; in 6 der Tiefe schlängelt sich der Remsfluß freundlicheren Gegenden und segensreichen Rebenpflanzungen zu.

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In dieser Einsamkeit, an der das Herz des Dichters noch in späten Jahren hing, wurde jest Schillers Erziehung in Gemeinschaft mit einem Freunde des Hauses, dem Ortsdiakon Moser, einem wackeren Manne, besorgt, der nur wenig. Jahre älter 10 war, als Schiller der Vater. Von ihm erhielt der kleine Fritz den ersten Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache, und Schiller hat seinem Lehrer durch den Charakter des Pastors Moser in den Räubern“ ein dankbares Denkmal gesezt. Mit dem Sohne dieses würdigen Geistlichen, Karl Moser, schloß der Knabe die erste Jugendfreundschaft, deren Spuren sich noch im reifen Alter des Dichters vor15 finden. Auch seine lang in der Seele fortglimmende Neigung zum Studium der Theologie scheint aus den Eindrücken zu stammen, die er im Pfarrhause zu Lorch aufgenommen hatte. Oft sah man ihn, mit einer schwarzen Schürze statt des Kirchenrockes umbunden, ein Käppchen auf dem Kopfe, von einem Stuhle herab der Mutter und der Schwester sehr ernsthaft predigen, und seine kindischen, aus Bibelsprüchen 20 zusammengereihten Vorträge zeigten schon eine Spur logischen Zusammenhanges.

Von der Entwickelung seines sittlichen Charakters wird schon aus dieser frühesten Periode nur Gutes gemeldet. Er ging gern in Kirche und Schule, und nur die Natur konnte ihn zuweilen zu kleinen Diebstählen an der Schulzeit verführen, die dem strengen Vater verborgen bleiben mußten; aber auch auf die Spaziergänge be25 gleitete ihn sein gutes Gemüt und seine Menschenliebe, und mit grenzenloser Freigebigkeit verschenkte er an Arme, was er besaß. Versunken in Naturgenuß stand einst der achtjährige Knabe mit seinem Jugendfreunde im Walde und rief: „O Karl, wie schön ist es hier! Alles, was ich habe, könnte ich hingeben, nur diese Freude möchte ich nicht missen!" Er wurde beim Wort genommen: unter der Last eines so Reisigbündels schlich ein Kind in Lumpen durch den Wald. „Das arme Kind!“ rief der kleine Schiller voll Mitleiden, kehrte seine Taschen um und gab, was er hatte: zehn Kreuzer und eine alte silberne Schaumünze, ein Geburtstagsgeschenk seines Vaters, von der er sich recht ungern trennen mochte. Ein andermal stellte er sich dem Vater ohne Schnallen an den Schuhen dar und gestand, daß er die35 selben einem armen Jungen zum Sonntagsschmucke gegeben, weil er sich selbst mit seinen Sonntagsschnallen begnügen könne. Und an Kameraden verschenkte er nicht nur Dinge, über die er frei verfügen konnte, sondern, wenn ihre Arinut sein Mitleid rege machte, Bücher, ja Kleidungsstücke und Bettlaken, so daß selbst der Vater mit fühlbaren Züchtigungen einschreiten mußte, deren Vollziehung jedoch zuweilen 40 die sanftere Mutter sich erbat. Im übrigen waren Gehorsam und Folgsamkeit Grundzüge seines Charakters.

Die Natur war der Lieblingsaufenthalt des Knaben; oft wünschte er in der schönen Gegend der Sonne mit lautem Gesange, der überhaupt seine jugendlichen Schritte im Freien fast immer melodisch begleitete, eine gute Nacht, und wenn er 45 sich der herrlichen Farbenmischung an den Wolken erfreute, rief er wohl gar Stuttgarts Maler laut auf, es zu versuchen und diese Farben auch so aufzutragen. Einer seiner Lieblingsspaziergänge war der Kalvarienberg der katholischen Nachbarstadt Gmünd, und nicht selten weilte er in den dunklen Hallen der uralten, schmucklösen, düsteren Kirche Lorchs bei den Gräbern der Hohenstaufen. Diese religiösen und so geschichtlichen Eindrücke, in des Kindes Gemüt aufgenommen, waren vielleicht die ersten Fäden des magischen Gewebes der tragischen Darstellung, die der Genius in seiner Seele anlegte." Der Vater erklärte ihm dazu die Geschichtsdenkmale der Gegend;

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