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in meinem eigenen Denken zurecht zu finden und mir über mich selbst und meine Beobachtungen klar zu werden. Deshalb sind diese Versuche völlig naive Monologe, in keiner Weise für ein fremdes Auge bestimmt, und somit auch nicht zur Veröffentlichung vor dem Forum moderner, kritischer Ansprüche geeignet. Auch die „Philosophie des Unbewussten" ist noch durchaus als Selbstgespräch geschrieben, um dem eigenen metaphysischen Bedürfniss Genüge zu thun; zwar schwebte mir bei fortschreitender Arbeit der Gedanke an eine mögliche spätere Veröffentlichung vor, aber ich hatte solche keineswegs in bestimmte oder baldige Aussicht genommen, und nachdem das vollständig druckfertige Manuscript ein reichliches Jahr nach seiner Vollendung unberührt in meinem Pulte gelegen hatte, war es nur die zufällige Bekanntschaft mit einem passenden und entgegenkommenden Verleger, welche den Anstoss zur Einleitung des Druckes gab, und das Horazische,,nonum prematur in annum" kürzte.

Durch diese völlige Freiheit von jedem Dienst zu äusseren persönlichen oder materiellen Zwecken unterscheidet sich die „Philosophie des Unbewussten" specifisch von den meisten Erzeugnissen des modernen philosophischen Büchermarktes, die entweder als Unterlage für beabsichtigte Habilitirung, oder als Bewerbungsmittel um eine Professur, oder zur Befestigung des im Lehramt erlangten persönlichen Ansehens, oder endlich dem schriftstellerischen Broderwerb dienen. Ich constatire hiemit nur eine meinen Bestrebungen zu gute gekommene Constellation äusserer Verhältnisse, an welcher ich weit entfernt bin, mir ein Verdienst zuzuschreiben. Ihr allein verdanke ich die Unbefangenheit gegenüber den massgebenden Meinungen des Tages, die Unbekümmertheit um die landläufigen Vorurtheile und conventionell geheiligten Irrthümer, die Missachtung gegen den werthlosen Plunder einer mumienhaften Gelehrsamkeit, die Gleichgültigkeit gegen Lob und Tadel, gleichviel von welcher Seite sie auch kommen mögen, und die Rücksichtslosigkeit gegen die Entrüstung, welche durch mein ungenirtes Nennen der Dinge beim rechten Namen unausbleiblich hervorgerufen werden musste, lauter Eigenschaften, die oft genug bald als höchstes Lob, bald als schärfster Tadel gegen mein Buch ausgesprochen worden sind. Wie ich gearbeitet habe, um meinem eigenen Drang nach Erkenntniss

v. Hartmann, Stud. u. Aufs.

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zu genügen, so ist auch mein eigenes Urtheil mir allezeit das einzige Richtmass für den Werth meiner Leistungen geblieben, wie es mir denn für den Begriff des Philosophen, als eines Selbstdenkers selbstverständlich erscheint, dass sein Denken ihm als die höchste inappellable Instanz gelten müsse, die für fremden Beifall oder Missfallen sich als schlechterdings unbestechlich zu bewähren habe. Ich kann selbst heute nach allen erfahrenen Angriffen mit gutem Gewissen sagen, dass keiner meiner Gegner die wirklichen Mängel meines Systems so klar und bestimmt erkannt hat, wie ich mir derselben, und zwar in den Hauptpunkten schon vor der Veröffentlichung, bewusst geworden bin, und dass ich über die Aporien meines Systems nicht nur ein deutlicheres Bewusstsein besitze als die meisten meiner Vorgänger über die ihrigen, sondern dass auch Niemand sich weniger bemüht hat, diese Aporien zu verschleiern und zu verbergen als ich. Man wird unter solchen Umständen meiner Versicherung glauben dürfen, wenn ich wiederhole, dass ich den Werth von äusserem Lob und Tadel lediglich danach abschätze, wie viel dieselben etwa zur Verbreitung meiner Schriften und dadurch zur Förderung der von mir vertretenen Ideen beitragen mögen. Ich weiss sehr wohl, dass der Zunftphilosophie der Begriff des Selbstdenkens so sehr abhanden gekommen ist, dass sie mir wie jedem wirklichen Selbstdenker seine Selbstständigkeit als frevelhafte und sträfliche Ueberhebung anrechnet; aber ich nehme ihr das nicht übel, weil ich ja einsehe, dass es eine blosse Bethätigung des Selbsterhaltungstriebes ist, wenn sie ihr Forum als das in philosophischen Fragen allein massgebende und für Jedermann objectiv entscheidende aufrecht zu erhalten sucht.

Für nichts habe ich mehr Ursache, meinem Schicksal dankbar zu sein, als dafür, dass es meine Jugend vor dieser Zunftphilosophie in Gnaden bewahrt hat. Die Hörsäle der Universität habe ich nur als neugieriger Gymnasiast mit meinen Vettern einigemal besucht, fand mich aber schon damals durch die daselbst gehaltenen philosophischen Vorlesungen wenig angesprochen. Ein glücklicher Instinct drängte mich, bei der Wasserleitung vorüber bis zu den Quellen zu gehen; denn was ich suchte, war das Grosse, Bedeutende im Reiche des Gedankens, und ich wusste, dass alles Grosse selten, aber in der Wissenschaft glücklicherweise im Original zugänglich sei. Da ich das Glück hatte, dass mir alle persönlichen Beziehungen

zu den Kreisen der Professorenphilosophie zufällig verschlossen blieben, so gab es keine Versuchung für mich, welche mich von den Wegen, die mein Instinct mir vorzeichnete, hätte ablenken können.

Die Zunftphilosophie besteht nämlich einestheils in einer Philologie der philosophischen Classiker, wo, wie in aller Philologie die Buchstabenklauberei den Geist verdrängt, anderntheils in einer ameisenartigen Geschäftigkeit behufs Ausprobirung aller möglichen Permutationen und Combinationen der von Anderen gedachten Gedanken. Dieselbe denkt mit einem Wort nicht über das unmittelbar Gegebene, sondern sie denkt über die Gedanken, welche die Selbstdenker über das Gegebene gedacht haben, kritisirt dieselben, und kritisirt die Kritiken, welche ihre Vorgänger über die Kritiken der Kritiken dieser Originalgedanken geschrieben haben. Um seinen Vortrag über irgend ein specielles Gebiet, z. B. über Ethik oder Aesthetik zu halten, nimmt sich ein Professor ein halbes Dutzend Ethiken und Aesthetiken seiner Collegen vor, stellt daraus sein Collegienheft zusammen, und lässt es endlich als das siebente desselben Genres drucken. So wird die Professorenphilosophie durch die Anforderungen ihres Berufs unvermeidlich zu einer forcirten Systemmacherei gedrängt, welche natürlich bei dem Mangel eines neuen bahnbrechenden Grundprincips hinter den systematischen Schulformen nur den äusserlichsten Eklekticismus verbergen kann; sie wiegt sich aber in der Selbsttäuschung, so den höchsten Anforderungen genügt zu haben, und durch ihr Wissen um die Gedanken wahrer Philosophen, sowie durch ihre kritische Reflexion über dieselben diesen originalen Selbstdenkern überlegen zu sein. Lichtenberg sagt: „Unter den Gelehrten sind gemeiniglich diejenigen die grössten Verächter aller übrigen, die aus einer mühsamen Vergleichung unzähliger Schriftsteller endlich eine gewisse Meinung über einen Punkt festgesetzt haben". Und an einer andern Stelle: „Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die grössten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen Gelehrten die, welche am wenigsten gelesen hatten".

Dazu kommt, dass die Zunftphilosophie ihren Ursprung aus der Schülerbelehrung nicht verleugnen und den ihr daraus anhaftenden schulmeisterlichen Anstrich nicht abstreifen kann. Wenn sich das Wesen des Schulmeisterlichen in einem pedantischen Unfehlbarkeits

dünkel der unantastbaren Superiorität des Meisters gegen die Schuller ausspricht, welche dann, zur Gewohnheit geworden, auf das Verhalten zur ganzen übrigen Welt übertragen wird, so trifft dieses Merkmal kaum irgendwo in höherem Grade zu, als bei der Professorenphilosophie, widerspricht aber keinem Gegenstande so sehr, als der Natur der Philosophie, welche in dem freien, d. h. von keiner Pietät gegen irgendwelche Autorität beengten Denken besteht.

So kann die Professorenphilosophie in jeder Beziehung auf einen angehenden Selbstdenker nur erdrückend, verwirrend und kopfverderbend wirken, und es muss eine ganz eminente Begabung sein, welche, durch diese Schule gegangen, sich doch noch zum originellen Denken durcharbeitet. Jedenfalls wird auch ein solches Talent eine unverhältnissmässige Menge Kraft vergeuden müssen, um nur die Schädigungen wieder zu überwinden, welche es durch den an die Flügel seines himmelanstrebenden Geistes gehängten Ballast von scholastischem Krimskrams erlitten, und um seine Seele nur dem unmittelbaren und intuitiven Denken neu zu erschliessen. Darum preise ich mein Geschick, welches mir vergönnte, in jenen Lebensjahren, wo ich andernfalls dieser Danaidenarbeit hätte obliegen müssen, mit frischem, von keinem System befangenen Blick in das reale Leben und in die ideale Welt der Schönheit zu schauen, und mich so durch objective Anschauung zum intuitiven Denken reiferer Jahre vorzubereiten.

Den literarischen Niederschlag der Professorenphilosophie bildet jene massenhafte philosophische Literatur der lebenden Generation, welche mit der nächsten für immer vergessen ist. Ausser dem kleinen Kreise der Philosophieprofessoren und Docenten selbst würde sich um diese Literatur Niemand bekümmern, wenn nicht anerkennende Besprechungen in kritischen und literarischen Blättern gelegentlich einen Draussenstehenden zur Kenntnissnahme verleiteten. Diese Verführung wäre auch mir schwerlich erspart geblieben, wenn ich nicht in einer so hermetischen Abgeschlossenheit von der wissenschaftlichen Welt gelebt hätte, dass ich in meiner literarischen Unschuld nicht einmal eine Ahnung von der Existenz solcher Blätter hatte. Wenn ich jetzt wieder einmal einige unwiederbringliche Stunden auf das Durchblättern eines angepriesenen neuen philosophischen Werkes verschwendet habe, so sehne ich mich manchmal

nach jener idyllischen Unkenntniss zurück, die mir so viele Zeitvergeudung und Langeweile ersparte.

Mein Philosophiren war in jeder Beziehung ein rein monologisirendes, d. h. ich hatte unter meinen Freunden keinen, mit dem ich ein irgendwie philosophisch gefärbtes Gespräch führen konnte. Mein Vater liess mir zwar meinen Willen, erklärte sich aber von seinem realistischen Standpunkte entschieden gegen solchen Zeitverderb, und sprach bei meinem Ausscheiden aus dem Dienst unverhohlen sein Bedauern über meine nebulose Richtung und seinen Wunsch aus, dass ich greifbareren Gegenständen meine Studien und meine Befähigung zuwenden möchte. Der einzige, der meinem Denken Nahrung und Anregung gab, war ein bei meinen Eltern verkehrender Privatgelehrter, der auf Hegel und Schelling fusste, und nur ein dialektisches Denken im Hegel'schen Sinne als philosophisches Denken gelten liess. Er gab mir Hegel, Schelling, Schopenhauer, Kuno Fischer und manches Andere zu lesen, und hatte von meiner Knabenzeit an erheblichen Einfluss auf meine geistige Entwickelung. Da ich aber gegen seine Dialektik mich stets oppositionell verhielt, und er mein inductives Vorgehen nicht für Philosophie gelten liess, so entfernten wir uns nur umsomehr von einander, je selbstständiger und entschiedener mein Denken sich entwickelte. Der bestrickende Reiz, in welchem ich durch ihn die dialektische Methode kennen lernte, wurde ein Hauptgrund, dass ich später im Sommer 1867 in Wiesbaden mit dieser formellen Seite des Hegelianismus eine gründliche Abrechnung in einer eigenen Schrift vornahm.

Bis zum Herbst 1864 war meine Lectüre wie meine Schriftstellerei planlos und ohne gegenseitigen Zusammenhang gewesen; von da an, wo ich nach Aufgeben der Künste meine ganze Zeit der Philosophie widmete, trat ich in ein systematisches Studium der philosophischen Classiker ein, und bewältigte ausserdem mit Rücksicht auf die begonnene Arbeit eine grosse Masse naturwissenschaftlicher und psychologischer Literatur. Hier dienten mir zum Theil befreundete Mediciner als Rathgeber; insbesondere verdanke ich der Güte des Nestors der deutschen Psychiatriker, Geh. Medicinalrath Flemming, den ich im Bade kennen zu lernen das Glück hatte, die werthvollsten Fingerzeige und Hülfen. Im Uebrigen war ich auf die literarischen Verweisungen beschränkt, welche ich in den ge

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