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Seines Vaters Häuschen lag an der ihm zugekehrten Seite des Dorfes; eine Wiese und ein paar Gärten waren nur zu durchschreiten. Sein Vater würde ihn mürrisch aufnehmen, aber er würde ihn aufnehmen.

Seine Kniee wankten unter ihm, als er mit Aufbietung aller seiner Kräfte das Häuschen erreicht hatte. Aus dem Dorfe her, das starke Einquartierung hatte, flangen die wüsten Lieder zechender Soldaten, klang Musik und das rohe Jauchzen der Tanzenden. Leo hörte das Alles nur noch im Traum. Er trat in die Hütte; durch die Rißen der Thür, die in seines Vaters kleines Zimmer zu ebener Erde führte, dämmerte ein schwaches Licht. Er tastete nach der Klinke; öffnete; auf dem wackligen Tisch, an welchem der Vater zu schreiben pflegte, stand das Lämpchen, dem Erlöschen nahe. Der Vater hatte sich wohl, wie er es oft that, wenn Müdigkeit ihn überwältigte, angekleidet auf das Bett gelegt. Aber er, den sonst das leiseste Geräusch erweckte, erhob sich bei Leo's Eintreten nicht; und als er näher trat, sah der Knabe, daß der Vater bleichen Gesichtes, die Hände über der Brust gefaltet, dalag, gerade als ob er todt wäre.

Vater, sagte der Knabe, seine zitternde Hand leise auf die Hände des Schläfers legend. Keine Antwort, die Hände waren kalt; das Licht des Lämpchens flackerte noch einmal auf und erlosch.

Von namenlosem Entseßen erfaßt, taumelt der Knabe empor und wankt nach der Thür. Aber ehe er sie erreicht, vergehen ihm die Sinne, und er stürzt zur Erde, in demselben Augenblicke, wo der Wagen des Försters, der dem Flüchtling auf gut Glück hierher gefolgt ist, vor dem Häuschen vorfährt.

Vierzehntes Capitel.

Das Kriegsgewitter, welches so plötzlich über den Bergen und Thälern in der Umgegend von Tuchheim losgebrochen war, hatte sich ebenso plößlich wieder verzogen. In dem Bublifum circulirten darüber die verschiedensten Gerüchte. Die Einen behaupteten, von Schnabelsdorf habe die Prophezeiung seines Gegners, des Generals von der Hasenburg, wahr gemacht und sein Pulver bereits bei der Ankunft des Königs bis auf die lezte Patrone verschoffen gehabt; Andere, die Erbitterung der beiden kämpfenden Parteien sei so groß geworden, daß die Soldaten ihre Gewehre zuletzt mit kleinen Steinen und anderen gefährlichen Projectilen geladen hätten, was denn natürlich auf beiden Seiten viele und schwere Verwundungen, besonders von mißliebigen Officieren, zur Folge gehabt habe. Noch Andere munkelten von offenen Meutereien der durch den unaufhörlichen Wacht- und Vorpostendienst bis auf's Höchste erbitterten Soldaten.

Wie dem nun auch sein mochte, man ließ es nicht bis zu der großen Parade, mit welcher die kriegerischen Spiele auf das Würdigste hatten geschlossen werden sollen, kommen. Eines Morgens ertönten in den Dörfern und Höfen überall in der Runde die Signale zum Sammeln, und bevor noch die Herbstsonne für den Tag ihren höchsten Punkt erreicht hatte, waren die Musketiere und die Jäger, die Husaren und die Ulanen Kanonen und Train, war Alles von dannen gezogen.

Von Schloß Tuchheim hatten sich die Gäste ebenfalls entfernt, und als ob in so schlimmer Zeit die Verleumdung selbst die höchsten Regionen nicht mehr verschonen wollte, hieß es auch auf dem Schloffe sei die Stimmung beim Abschiede keineswegs ganz heiter gewesen. Man erzählte von einer geheimen Unterredung, die der König mit seinem edlen Wirthe kurz vor der Abreise gehabt habe. Der König sei

in dieser Zusammenkunft so heftig geworden, daß man seine Stimme durch zwei Zimmer hindurch gehört habe, und der Freiherr sei bald darauf in das Vorzimmer getreten mit vor innerer Erregung gerötheten Wangen und mit blißenden Augen. So viel stand fest, daß gleich nach diesem Ereigniß der Befehl zur Abreise gegeben wurde, die denn auch einige Stunden darauf mit einer gewissen Hast und Ueberstürzung stattfand zum größten Schmerz des Generals, der von allen Plänen, mit welchen sich sein diplomatisches Herz bei der Ankunft getragen hatte, auch nicht einen hatte in's Werk segen können.

So war er voll Groll gegen seinen Bruder und nicht minder gegen seine Schwester, in der er — nicht mit Unrecht - eine entschiedene Gegnerin seiner hochfliegenden Pläne sah, mit seinem königlichen Gebieter von dem Schlosse abgereist, und der Bruder und die Schwester athmeten hoch auf. In dem Bewußtsein, dem größeren Uebel des Hofdienstes glücklich entgangen zu sein, trug der Freiherr das kleinere Uebel der enormen Kosten der fürstlichen Bewirthung noch leichter, als er es sonst gethan hätte; und Fräulein Charlotte war herzlich froh, daß Henri keinen ernstlichen Versuch gemacht hatte, die gefährliche Gelegenheit zur Ausführung seines Lieblingswunsches zu benußen. Wahrscheinlich war dem Knaben der Abmarsch der Truppen zu schnell gekommen. Wenigstens hatte er sehr bestürzt ausgesehen, als nun ganz plößlich der Aufbruch erfolgte und der General viel zu beschäftigt und viel zu verstimmt war, um bei dem Vater oder gar bei Sr. Majestät ein Wort zu seinen Gunsten zu sprechen. Fräulein Charlotte tröstete sich damit, daß bei Henri's Flatterhaftigkeit aus den Augen auch aus dem Sinn sein werde; und fie drang darauf, daß man mit seiner Uebersiedelung in das Pfarrhaus nnd mit dem Beginn des Unterrichts keinen Tag länger zögere. Am wenigsten, meinte sie, dürfe man diesen Termin von Leo's Genesung abhängig machen, da die Krankheit des armen Knaben sich in die Länge zu ziehen drohe.

Fünfzehntes Capitel.

Wenn wir ihn nur erst über den Berg haben, das Andere findet sich schon, pflegte der Förster Schwester Malchen mit bedeutsamer Miene zuzuflüstern, so oft er in das Krankenzimmer fam.

Und der Berg, der steile, in Nacht und Graus gehüllte Berg, über den die ängstlich flatternde Psyche sich so mühsam hatte schwingen müssen, war endlich überwunden; ein neues Leben breitete sich vor den Augen des Genesenden aus, ein neues Land, in welchem Alles auf den ersten Anblick neu erschien. Und doch war dies dasselbe Zimmer, aus welchem er in jener Nacht, wie ein Dieb, in seiner Verzweiflung kaum wissend, was er that, geflohen war. Doch war dies dasselbe Bett, in dessen Kissen er damals seinen Jammer gestöhnt hatte. Doch war dieser Schein der herbstlichen Sonne, welcher des Morgens durch die blanken Scheiben fiel und die schwankenden Schatten des vergilbenden Weinlaubs auf den Fußboden streute, derselbe Sonnenschein, der so oft schon gleichgiltig seinem Unmuth, seiner Sehnsucht geleuchtet hatte.

Die Tage vergingen; die Sonne schien oft nur matt durch wogende Nebel, und nicht selten war sie ganz hinter dunkeln Regenwolken verschwunden. Die lezten gelben Blätter tanzten in der Luft; die nasse schwarze Erde war ihres Schmuckes bar. Noch immer lag Leo mit halbgeschlossenen Augen regungslos in seinem Bette, halb träumend, halb wachend, fortwährend unterhalten von den Bildern seines allzeit geschäftigen Gehirns. Sein bleiches, durch die furchtbare Krankheit noch mehr vergeistigtes Gesicht sah dabei manchmal so verklärt aus, daß Tante Malchen ihrem Bruder mit Thränen in den Augen versicherte, der Leo könne nicht mehr lange leben. Es sei ein alter Erfahrungssaß, und ihre Karten, an die Bruder Frit leider nicht glauben wollte, hätten es noch immer bestätigt, daß das letzte Stünd

lein von Menschen, die ihre Natur so plößlich veränderten, mit unabweislicher Gewißheit bevorstehe. So erinnerte sie sich, daß der königliche Förster Hartwig, der sich vor fünfundzwanzig Jahren in dem Nesselbruche erschoß, acht Tage vor seinem Tode plötzlich angefangen habe, Branntwein in großen Quantitäten zu trinken, trotzdem er vorher als der nüchternste junge Mann in der Gegend bekannt war.

Friz Gutmann hatte gegen so schlagende Argumente nichts einzuwenden; desto aufmerksamer beobachtete er den Knaben, dessen Wesen auch ihm, freilich aus ganz anderen Gründen, ernstliche Sorge machte. Der Junge liebt uns nicht, brummte er oft vor sich hin; er blickt auf uns, als wären wir nicht Menschen von Fleisch und Blut - ge= schweige denn seine leiblichen Verwandten sondern Schattenspiele an der Wand.

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Der Förster sprach oft über Leo mit dem Freiherrn und Fräulein Charlotte, welche Beide das lebhafteste Interesse an ihrem neuen Schüßling nahmen, und obgleich sie die Besorgnisse des Försters nicht so ganz theilten, wenigstens darin mit ihm übereinstimmten, daß einem solchen Charakter eine energische Leitung, wie man sie sich von Doctor Urban versprechen zu dürfen glaubte, dringend noththue.

So kam endlich der Tag, an welchem Leo in das Pfarrhaus übersiedeln sollte, heran.

Walter und Henri waren in des Freiherrn kleiner Chaise gekommen, ihn abzuholen. Tante Malchen war, troßdem die Entfernung von dem Försterhause bis zu dem Pastorhause nicht ganz eine halbe Stunde betrug und sie die gegründete Aussicht hatte, Leo am nächsten Sonntage wieder zu sehen, in einer sehr feierlichen und thränenreichen Stimmung. Sie hatte den Knaben sechs oder sieben Wochen lang Tag und Nacht gepflegt, und betrachtete ihn demzufolge gewissermaßen als ihr Eigenthum, obgleich es schwer zu sagen gewesen wäre, was sie denn nun an ihm verlor.

Unterdessen war Leo mit dem Onkel in dem Zim

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