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Wassern schwebt und dessen Athem das lauschende Ohr noch in dem Wehen des Windes vernimmt, der in feierlichen Tönen über die grenzenlose Dede rauscht!

Oder durch eines Klosters altersgraue Mauern abge= schlossen sein von der Welt und ihrem wirren Treiben, in Gemeinschaft gleichgesinnter Seelen ein der Beschauung, der Andacht, dem Studium guter Schriften geweihtes Leben zu führen! Des Morgens in dem thaufrischen Klostergarten der Blumen und Bäume zu pflegen, des Abends im trauten Gespräch mit den Brüdern in den dämmerigen Laubgängen zu wandeln, durch die Gitterpforte in das Thal hinabzusehen und auf den Fluß, dessen schöne Windungen das Rosalicht des Himmels wiederspiegeln!

Und war denn nicht ein Theil dieser Klosterträume schon in Erfüllung gegangen? War es nicht still, klösterlich still in dem Pfarrhaus von Tuchheim?

Mit einer unendlichen Lust versenkte er sich in diese Stille. Er hatte es durchgesezt, daß er sein Zimmer für sich allein hatte, während Henri, der ohne Gesellschaft nicht leben konnte, Walter's Stuben- und Schlafkamerad geworden war. Da war es nun seine Seligkeit, wenn Alles im Hause schlief, über seinen Büchern zu sizen, oder am Fenster zu träumen, wenn der Mondschein auf dem schneebedeckten Dache und den Fenstern der Kirche glißerte, die hohen, alten Bäume im Winde knarrten und die Käuzchen in den Mauerlöchern vor Kälte und Hunger schrieen. Welche Phantasien zogen dann durch des Knaben Hirn! Bilder ferner Wunderländer jenseits des rollenden Oceans; Inseln der Seligen, wo stille, fromme Menschen am Tage im Schatten wehender Palmen ruhen und des Nachts, umkost von lauen Lüften, hinaufschauen zu der Herrlichkeit der ewigen Sterne. Dazwischen Träume von einer unendlichen Macht, heiße Gebete um den Glauben, der Berge versett und zu jener Gewalt verhilft, die da bindet und löset im Himmel und auf Erden. Und warum sollten es nur Träume bleiben? Warum sollten diese Gebete nicht in Erfüllung

gehen? Hatte der Herr nicht alles dies den Seinigen versprochen? Kann des Herrn Wort Lüge sein? Nimmermehr! Wo Zwei versammelt sind in seinem Namen, da ist er mitten unter ihnen, und wo Einer ihn inbrünstig rufet, da will er ihn erhören!

Aber noch immer fehlte ein sichtbares Zeichen, das ihm selbst seine höhere Mission unwiderleglich bewiesen hätte; ein Wunder, wie sie so viele aus dem Leben der Propheten und Apostel berichtet werden.

Und eines Nachts erhob sich der Knabe von seinem Lager und schlich auf den Zehen durch den Gang, welcher das Pastorhaus mit der Sakristei verband, nach der Kirche.

Nun stand er in dem geheiligten Raum. Der Mond schien hell auf die Gegenstände, welche in dem Bereich der schmalen hohen Fenster lagen, während der weite Raum im Halbdunkel verdämmerte, oder in tiefe Finsterniß getaucht war. In der lautlosen Stille hörte man deutlich das langsam-gleichmäßige Tiktak des Pendels in der Thurmuhr und gelegentlich das Pfeifen des Windes durch die Schalllöcher und das Sprengewerk des Dachstuhls. Die Eisesluft der Winternacht erfüllte die Kirche, aber Leo spürte nichts davon. Jezt oder nie würde er die Losung empfangen, die ihm der Himmel erschloß! Wenn die Engel jetzt nicht herniederstiegen und ihm dienten, so war er nicht mehr als die anderen Menschen!

Auf dem Altar, zu den Füßen des großen Crucifixes kniet der Knabe in heißem Gebet, zuerst schweigend, dann im erhöhten Eifer abgebrochene Worte murmelnd; zuleßt mit lauter Stimme den Herrn anflehend, sich seiner zu erbarmen, ihn aus dem Staube zu erheben, aus der Grabesnacht der Erde, ihm wenigstens von ferne die Glorie zu zeigen, mit der seine Himmel gefüllt sind. Vergebens sein. Rufen, vergebens sein Bitten, vergebens auch seine Verzweiflung. Kein Gott will ihn erhören und ihm seine Himmel öffnen, wie spottend hallt das Echo den Ton seiner eigenen Stimme wieder.

In tiefster Entmuthigung lehnt er sein Haupt gegen das Holz des Crucifixes; er kann nicht mehr beten, er kann nichts mehr denken; wie früher von den Menschen, so fühlt, so weiß er sich auch von dem Gott verlassen, an den er geglaubt, auf den er seine ganze Hoffnung gesezt hat.

Die grimme Kälte erfaßt ihn und schüttelt seine Glieder. Gebrochen in seiner Kraft, gebrochen in seinem Muth, grenzenlos elend erhebt er sich und schleicht auf demselben Wege, auf welchem er gekommen, wieder zurück in seine Stube, wo er die Lampe erloschen findet. Beim Schein des Mondes tappt er nach seinem Lager und drückt die pochenden Schläfen in das Kissen, bis der Schlaf sich seiner erbarmt und ihn auf einige Stunden von seinen Qualen erlöst.

Siebenzehntes Capitel.

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Seit dieser Nacht ging mit Leo eine Veränderung vor, die Allen auffiel. Nicht blos, daß sein für gewöhnlich schon blasses Gesicht noch blasser geworden war in seiner ganzen Haltung, in seiner Stimme selbst zitterte eine Unficherheit, die man früher nicht an ihm bemerkt hatte. Sonst war er wohl scheu und zurückhaltend gewesen, aber durch diesen Schleie hatte immer der Stolz mit trogigen Augen hervorgeblickt; von diesem Stolz war jest wenig mehr zu spüren, die dunklen, flammenden Augen suchten den Boden. Auch in seinem Betragen gegen die Anderen vermißte man jezt die frühere Selbstständigkeit. Ja, manchmal hatte er die Miene eines bösen Schuldners, der jeden Augenblick fürchtet, man werde das geliehene Capital von ihm zurückfordern.

Nur in Einem Punkte war er derselbe geblieben, in seinem eisernen, durch nichts zu brechenden Fleiße. Die meisten Stunden des Tages, und vorzüglich die Abendstunden, verbrachte er in der Bibliothek unter seinen Büchern. Hier war er in der Nähe des Doctor Urban, der entweder in seinem Zimmer nebenan, oft auch in der Bibliothek arbeitete. Leo hatte die Nähe des Lehrers nie wie die beiden anderen Knaben möglichst gemieden; jezt schien er dieselbe mit Eifer zu suchen.

So saßen sie eines Abends Henri und Walter waren auf dem Schlosse, Frau Doctor Urban war schon zu Bett gegangen - an dem großen viereckigen Tisch mit der grünen Tuchdecke gegenüber. Zwischen ihnen brannte eine doppelarmige Lampe. Der Doctor, welcher an seiner Predigt für den nächsten Sonntag arbeitete, schrieb eifrig mit leichter, ja beinahe fliegender Feder; Leo, der in einem griechischen Classiker gelesen hatte, stüßte jezt den Kopf in die Hand und blickte lange und nachdenklich zu dem eifrigen Gelehrten hinüber.

Doctor Urban, der eben mit einer Seite zu Ende war, legte die Feder hin, um das Geschriebene mit den Augen noch einmal zu überlaufen. Er nickte wohlgefällig; was er da las, hatte augenscheinlich seinen vollständigen Beifall.

Wollen Sie es nicht laut lesen, Herr Doctor? fragte plötzlich Leo.

Der Doctor schaute auf, nicht eben verwundert; er war dergleichen bei seinem Zögling schon gewohnt.

Warum? fragte er.

Thun Sie's doch, wenn es Ihnen nicht unangenehm ist, bat Leo noch dringender.

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es ist

aber Sie

Sie sind ein wunderlicher Christ, sagte der Doctor mit einem eitlen Lächeln; was ich da eben geschrieben allerdings ganz aus dem Zusammenhange haben ein Ohr für stilistische Schönheiten; ich glaube, der Rhythmus in diesen Perioden ist mir gut gelungen. Also hier: Es ist ein eigen Ding um den Glauben, meine Ge

Spielhagen, In Reih' und Glied. L

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liebten im Herrn. Er ist nicht wie der Schaum des Meeres, der oben auf den Wellen schaukelt und den die Winde versprigen hierhin und dorthin, sondern wie die Perle, die in der purpurnen Tiefe ruht. Darum, so Ihr den Glauben gewinnen wollet, die kostbare, glänzende, unschäßbare Perle, müßt Ihr tauchen in die Tiefe, ja in den Abgrund! Müßt Euch nicht abschrecken lassen durch die Ungeheuer, von denen der Abgrund wimmelt den grinsenden Zweifel, den zähnefletschenden Hohn, den beißenden Spott. Tief und tiefer, liebe Brüder und Schwestern, tief und tiefer! Die Perle des Glaubens entgeht Euch nicht! Ihr habt sie, Ihr haltet sie, und der Abgrund verschwindet mit all' seinen Grauengestalten - auf dem sanften Grün himmlischer Wiesen wandelt fortan Euer heiliger Fuß; tröstend und dienend umschweben Euch die lichten Gestalten lieblicher Engel.

Der Pastor hatte seinen weichsten Kanzelton bei den legten Worten angeschlagen. Er schaute von seinem Blatte auf, den sicher erwarteten Beifall seines Schülers zu vernehmen.

Und haben Sie denn selbst diesen Glauben? fragte Leo.

Die Stimme des Knaben klang hart und rauh, wie die eines Kranken, dessen Geduld erschöpft ist. Doctor Urban hatte ein feines Ohr und hörte, daß jene Stimme aus einer Brust kam, die einst übervoll gewesen, jezt aber leer und durch bloße Phrasen nimmer wieder zu füllen war.

chend.

Sie sind ein wunderlicher Mensch, sagte er auswei=

Ich möchte eine offene Antwort, Herr Doctor, sagte Leo; ich frage nicht aus müßiger Neugier; es handelt sich um meine Seligkeit. Wenn das wahr ist, was Sie da ge= schrieben haben, so bin ich ein Elender, ein Verworfener; ist es aber nicht wahr, was ist denn das Wahre? Und warum sagt man es nicht, sondern leere Worte, an die man selbst nicht glaubt?

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