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an, nichtsdestoweniger wollte es mit dem Teufelsspaß, den er fich von den Lectionen des Herrn Tusky versprochen hatte, nicht so recht von der Stelle. In Herrn Tusky's Mienen und Benehmen lag ein Etwas, das Achtung heischte. Leo sprach dies oft aus; Henri bestritt es, er werde demnächst den Beweis führen, daß er sich nicht im Mindesten vor einem solchen trockenen Pedanten fürchte, er sei schon mit ganz anderen Leuten fertig geworden.

Die Gelegenheit zur Ausführung dieser dunkeln Drohungen kam nur zu bald. Henri fing in der Stunde erst an zu gähnen, dann sich zu recken, dann mit den Fingern auf dem Tisch zu trommeln, zuletzt leise vor sich hin zu pfeifen. Herr Tusky verbot ihm Eines nach dem Andern in derselben ruhigen Weise. Vielleicht würde Henri von seinem Vorhaben abgestanden sein, wenn Herr Tusky in einem erregteren Ton gesprochen oder sonst irgendwie zu erkennen gegeben hätte, daß er sich ärgere; aber die gleichmäßige Ruhe reizte ihn nur noch mehr. Er fuhr fort zu pfeifen und sich behaglich auf seinem Stuhle zu schaukeln, wobei er Herrn Tusky mit einer Miene herausfordernder Unverschämtheit anblickte. Plötzlich mit dem Saße eines Tigers sprang Tusky auf den Herausforderer zu, riß ihn aus dem Stuhl auf die Erde, packte ihn dann mit beiden Händen am Genic und an den Beinen, hob ihn hoch in die Höhe, als ob er es mit einem Kinde zu thun hätte, und schien ihn im nächsten Moment gegen die Erde schmettern zu wollen. Sein Gesicht war leichenblaß, seine blauen Lippen bebten, feine blutunterlaufenen Augen stierten wie wahnsinnig Το stand er einen Moment. Dann ließ er den an allen Gliedern Zitternden aus den Händen gleiten und verließ, ohne ein Wort zu sprechen, das Zimmer.

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Henri, der vor Angst und Wuth weinte, rieb sich die Stellen, wo die Eisenfinger Tusky's ihn gepackt hatten, worüber denn Walter, troßdem ihm gar nicht lächerlich zu Muthe war, laut lachen mußte. Als sie sich nach Leo umsahen, war dieser verschwunden.

Einundzwanzigstes Capitel.

Leo hatte Tusky noch auf der Dorfstraße eingeholt. Darf ich Sie begleiten? hatte er gefragt. Warum nicht? hatte jener geantwortet. Dann waren sie schweigend neben einander hergegangen, aus dem Dorf über die Felder in den Wald hinein, bis sie zu den Wasserfällen gelangten, die schon einigemal das Ziel ihrer botanischen Excursionen gewesen waren. Hier ist gut sein, sagte Tusky, indem er um sich schaute und tief aufathmete; hier ist es schattig und kühl – hier kann man vielleicht auf ein paar Augenblicke das Elend des Daseins vergessen.

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Er ließ sich in das weiche Moos sinken, und Leo folgte seinem Beispiele. Vor ihnen lag das dunkelklare Wasser des Bassins, in welchem sich die mächtigen Stämme hoher Tannen spiegelten, deren Wipfel der rothe Abendschein küßte; würziger Harzduft erfüllte die Luft; von den Katarakten her plätscherte und rauschte es ununterbrochen. Es schien ein seliger Friede über diesem Ort und über dieser Stunde zu schweben, aber die beiden jungen Leute empfanden nichts von diesem

Frieden.

So lagen sie geraume Zeit. Der rothe Schein verschwand von den Wipfeln, der Abendwind begann sein melancholisches Lied.

Wenn ich den Buben getödtet hätte, begann Tusky plöglich, würde man mich zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurtheilt haben, und doch - was wäre mein Verbrechen gewesen? Ich hätte eine junge Natter zertreten, die sich von Eitelkeit und Selbstsucht nährt, und nur darum groß wird, um ihre Giftzähne in das gesunde Leben zu schlagen.

Tusky köpfte mit seinem Stocke einige allzu lang aufgeschossene Gräser. Leo legte ihm die Hand auf den Arm und blickte ihn an, als wollte er sagen: Sprich weiter!

Nicht als ob ich mich vor dem Zuchthaus gefürchtet hätte,

fuhr Tusky fort, wer denkt in solchen Augenblicken an der= gleichen? wenn ich ihn leben ließ, so war es, weil mir der Gedanke durch den Kopf fuhr, daß dieser Bube ja schließ= lich nichts für seine Büberei könne, daß er nur der Repräsentant einer Raffe ist, und daß wir es mit der Rasse, nicht mit dem Peter oder dem Paul zu thun haben.

Tusky köpfte noch immer die Gräser.

Wer war denn eigentlich Ihr Vater, Leo? fragte er.
Ein sehr unglücklicher Mann, erwiederte der Knabe.
Tusky lächelte.

Das heißt: er war Einer von Millionen, sagte er; aber erzählen Sie mir mehr. Wer war er? Wo lebte er? Leo berichtete, was er von seinem Vater wußte. Tusky hörte aufmerksam zu.

Nun ja, sagte er, als Leo zu Ende war; er war eben Einer von den Bielen, die fröhlich hätten gedeihen und Früchte bringen können, hundert- und tausendfältig, wenn die Disteln nicht gewesen wären, die den fruchtbaren Boden, welcher für Alle bestimmt ist, für sich allein haben wollen. Fluch den Disteln! Ich weiß auch davon ein Lied zu singen. Mein Vater war Kuhhirt da oben auf dem Walde. Er war so arm, daß seine Kinder, so wie sie zur Welt kamen, geborene Bettler waren, und vom Bettler zum Vagabunden, vom Vagabunden zum Dieb das ist kein langer Weg. Einer von meinen Brüdern wurde als Wilderer erschossen, ein anderer sitt im Zuchthaus, ein dritter ist in die Welt hinausgelaufen, Keiner weiß wohin; die einzige Schwester, die ich habe, ist zu Hause, das heißt in einer elenden Hütte bei der Mutter, die blind und gelähmt ist und nicht leben und nicht sterben kann. Mein Vater hatte sich aus Kummer und Gram über all' dies Leid dem Trunk ergeben und starb im Frrsinn; die Commune hat sich meiner angenommen; so bin ich aus dem Sumpf gerettet, in welchem ich sonst, wie die Meinen, hätte umkommen müssen. Sehen Sie, Leo, das ist auch ein Menschenleben, und so wie dies sind heutzutage unzählige. Fluch den Disteln!

Sie sagen: heutzutage! Ist das nicht immer so gewesen? fragte Leo.

Nein! antwortete Tusky, es ist nicht immer so gewesen. Unsere Vorfahren in der Urväter Zeiten waren so frei wie der Wind auf den Bergen. Ihnen gehörte das Wild im Walde und die Frucht auf dem Felde; für ihren Genuß kelterten sie die Trauben. Aber in wilden und unbändigen Zeiten, die über unser armes Vaterland hereinbrachen, wurde die Kriegerkaste die oberste im Volke und unterdrückte zuletzt das ganze Volk. Da wurden aus den Freien Knechte, aus Unabhängigen Hörige, und dieser Zustand befestigte sich im Laufe der Jahrhunderte und schändete so den Leib und die Seele der Nation, daß sie beinahe bis auf die letzte Spur die Erinnerung ihrer einstigen Freiheit verloren hat und die Last der Knechtschaft auf sich nimmt, geduldig und demüthig, wie der Stier sein Joch. Wie Viele unter uns giebt es denn, die sich das Bewußtsein bewahrt haben, daß sie von demselben Stoff find, wie der Edelmann, dessen Livrée fie tragen!

Leo dachte an seinen Onkel, mit welchem Stolz der sich einen Diener der freiherrlichen Familie nannte; er dachte an die Ehrfurcht, mit welcher Walter beständig von allen Mitgliedern dieser Familie sprach und es fiel ihm auf, wie Recht Tusky mit seiner Behauptung hatte. Ja, er mußte fich gestehen, daß er bis vor kurzem dies Verhältniß kaum in einem andern Lichte gesehen habe.

Sie haben viel für unsere Familie gethan, sagte er nachdenklich, wenigstens behauptet es der Onkel, während mein Vater anders darüber sprach. Ich glaube, den Rock selbst, den ich trage, verdanke ich ihrer Güte.

Tusky hatte vollkommen verstanden, was Leo meinte. Und was wäre nun das, sagte er, wenn sie wirklich den Sclaven, der ihnen dient, genährt und gekleidet haben? Es waren vielleicht die Zinsen vom Capital, das sie Euch gestohlen haben, und vielleicht noch nicht einmal so viel. Aber die Zeit wird kommen, wo sie Euch und uns Allen

das Capital selbst zurückerstatten sollen; die Zeit wird kommen, ja sie ist vielleicht näher, als selbst die Kühnsten unter uns sich träumen lassen.

Aber wer einmal im Besize ist, wird sich nicht von seinem Eigenthum trennen wollen, sagte Leo; und dann wären wir die Reichen, und sie würden die Armen sein, der Reichthum hätte nur seinen Herrn gewechselt.

Auch das könnten wir uns zur Veränderung einmal gefallen lassen, sagte Tusky; aber in Wirklichkeit wird sich die Sache doch anders stellen. Jetzt sind die Wenigen im Besit, hernach werden es die Vielen sein. Je größer der Divisor, desto kleiner der Quotient. Wenn es geschieht, wie ich wünsche und hoffe, wird die Armuth zugleich mit dem Reichthum aufhören, oder, um es anders auszudrücken, es wird Niemand arm und Niemand reich sein; Alle werden haben, was sie bedürfen, und das scheint mir das einzig richtige Verhältniß.

Ich glaubte früher, sagte Leo, so Großes könne nur die Religion bewirken; ich glaubte, diese Gleichheit müsse ein Werk der Liebe sein.

Das habe auch ich einst geglaubt, sagte Tusky; und mit welcher Inbrunst habe ich an diesem Glauben gehangen! Und schließlich will ich ja auch nichts Anderes, als was Christus selbst gewollt hat; ich bin nur überzeugt, daß wir mit frommen Wünschen nicht zu unserm Ziel gelangen, sondern daß, was auf Erden geschehen soll, auch mit irdischen Mitteln in's Werk gerichtet werden muß. Vielleicht würde Christus zu derselben Einsicht gekommen sein, wenn er länger gelebt hätte.

Die Dämmerung war während dieser Unterredung stark hereingebrochen; in der Tiefe der Schlucht, in der sich die Beiden befanden, dunkelte es bereits. Lauter schienen die Wasser zu brausen, vernehmlicher rauschte der Abendwind in den schwankenden Wipfeln. Die beiden jungen Leute erhoben sich und gingen auf dem Wege, den sie gekommen waren, zurück durch den Wald. Leo war von Allem, was

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