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war. Ich sehe kein Glück für Leo darin, daß er jahrelang unter der Leitung eines kalten Egoisten, wie Doctor Urban, stehen soll; aber der möglicherweise sehr große Einfluß, den dieser Tusky auf ihn üben wird, scheint mir ein offenbares Unglück.

Du siehst zu schwarz, sagte der Freiherr; ich kann mich nicht entschließen, auf ein Vorurtheil hin einen unzweifelhaft tüchtigen Mann zu verdammen, oder ihn gar aus einer Stelle zu entfernen, für die er sonst in jeder Weise sich eignet und die nicht leicht so gut wieder zu beseßen sein würde.

Eine kleine Härte zur rechten Zeit hat schon oft ein großes Unglück verhütet, sagte Charlotte.

Aber Schwester, Schwester, ich kenne Dich heute nicht wieder! rief der Freiherr, aufspringend; wo ist Deine Milde, Deine Gerechtigkeit, Deine Heiterkeit? Wo der weiche Mantel der Liebe, mit dem Du sonst die Schäden und Gebrechen einer halben Welt gnädig verhüllst? Ich fürchte ernstlich, Du bist krank, liebe Charlotte.

So wird man auch wohl zu Kassandra gesagt haben, als sie in ihres Geistes Auge die Mauern der stolzen Troja bereits in Flammen sah.

Nun aber reite ich aus! rief der Freiherr halb lachend, halb ärgerlich; mir ist zu Muthe, als brennten alle meine Vorwerke in der Runde. Adieu, Kassandra! Adieu, liebe, geliebte Schwester!

Der Freiherr 30g Charlotte an sich und küßte sie auf die weiße Stirn. Dann eilte er hinaus.

Dreiundzwanzigstes Capitel.

So war die Sache, welche sich anfänglich so schlimm anließ, scheinbar ohne alle weiteren Folgen beigelegt. Am leichtesten schien Henri selbst darüber wegzukommen; er be nahm sich fortan in den Stunden mit großer Vorsicht. Im Vertrauen aber äußerte er gegen Walter: er werde es dem Tusky nicht vergessen. Walter konnte eine solche rachfüchtige Gesinnung nicht loben, wenn er sich auch jezt noch weniger als im Anfang zu dem starren, kalten Manne hingezogen fühlte; Leo verhielt sich vollkommen schweigend. Dafür benüßte er eifriger als je die Abendstunden zu einsamen Spaziergängen, auf denen er zufällig an dieser oder jener Waldecke, diesem oder jenem Kreuzwege mit dem Schulmeister zusammentraf. Sie begrüßten dann einander mit einem kurzen, energischen Händedruck und seßten ihren Spaziergang gemeinschaftlich fort, wobei sie geflissentlich die einsamsten Wege aufsuchten. Der alte Postbote, der ihnen öfter begegnete, hörte stets, so lange er noch entfernt war, unterdrückte, aber eifrige Stimmen sprechen, die jedesmal verstummten, sobald er in die Nähe kam. Manchmal erstreckten sich diese Spaziergänge bis zu den entfernteren Dörfern; selten, daß sie vor Einbruch der Dunkelheit nach Tuchheim zurückkehrten. Ein- oder das anderemal geschah es, daß Leo, wenn er des Abends spät auf sein Zimmer gekommen, ein Zeitungsblatt, eine Flugschrift, eine Broschüre, die unterwegs aus Tusky's Tasche in die seine gewandert war, hervorlangte und beim matten Licht einer der dünnen Kerzen, welche im Sommer in dem Pfarrhause für ausreichend erachtet wurden, in diesen Blättern eifrigst studirte.

Aber es gab zu dieser Zeit noch einen Bewohner des Pfarrhauses, der eine entschiedene Neigung für einsame

Spaziergänge in der Dämmerstunde nicht ganz verbergen fonnte.

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Walter hatte, wie es in einem seiner erhabensten Gedichte lautete, den Dämon wilder Leidenschaft mit Löwenmuth bekämpft“; aber der Erfolg hatte der Anstrengung nicht entsprochen, oder, wie es in einem andern Gedicht hieß, das sich durch seine thränenreiche Stimmung auszeichnete, die tiefe Wunde schloß sich nicht und wird sich nimmer schließen, bis einst aus meines Grabes Rand die treuen Veilchen sprießen". Wie dem aber auch sein mochte in dem sanften Schein des Abendlichts durch wogende Kornfelder zu schreiten, oder hügelauf in den Wald zu steigen bis zu einem der vielen Punkte, von welchem aus man freie, freundliche Blicke in die liebliche Ebene hatte das war dem armen Jungen in seiner weichen Stimmung ein anmuthiger Trost, umsomehr, als die leeren Blätter in seiner Brieftasche sich niemals schneller mit poetischen Hieroglyphen bedeckten, als wenn die Waldwiesenblumen zu seinen Füßen im Abendwinde nichten und aus dem dämmerigen Forst leise abgerissene Vogellaute ertönten.

Da sowohl Walter, als Leo die Einsamkeit suchten und ziemlich genau ihre gegenseitigen Lieblingspromenaden fannten, so hatten sie sich bis jetzt noch immer auszuweichen vers mocht; aber eines Abends geschah es, daß sie sich in der scharfen Biegung eines tiefen Waldweges, wo an ein Ausweichen nicht zu denken war, begegneten, der Eine mit einer offenen Brieftasche, der Andere mit einem bedruckten Blatte in den Händen. Bei der Plößlichkeit, mit welcher die Begegnung stattfand, war Walter außer Stande, die ziemlich umfangreiche Brieftasche zu verbergen. Er erröthete, sagte aber doch freundlich: Guten Abend, Leo! Leo, der mit seinem Blatte schneller in die Tasche gekommen war, erwiederte den Gruß, aber nichts weniger als freundlich. Die Begegnung war ihm störend und peinlich, da er eben an dieser Stelle Tusky erwartete, der jeden Augenblick wußte nicht, aus welcher Richtung kommen mußte.

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er

Wir sind lange nicht so draußen gewesen, sagte Walter.
Nein, sagte Leo.

Wollen wir nicht zusammen weiter gehen? fuhr Walter gutmüthig fort.

Ich fürchte, ich bin zu müde, sagte Leo, sich in der Hoffnung, so von Walter am besten loszukommen, am Fuße einer schönen alten Buche etwas abseits vom Wege auf den moosigen Grund werfend.

Nun, ich bin auch schon genug herumgelaufen, sagte Walter, indem er sich neben Leo auf den Boden gleiten ließ. Da hier kein Entrinnen möglich war, hielt Leo es für das Gerathenste, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und Tusky's Kommen ruhig abzuwarten. Unterdessen fragte er, um doch etwas zu fragen, was für Geheimnisse Walter denn da seiner Brieftasche anvertraue.

Walter erröthete noch tiefer als zuvor. Die Furcht, sein Geheimniß zu verrathen, kämpfte mit der Begierde, gerade Leo, der ihn gar nicht von dieser Seite kannte, etwas von den poetischen Früchten, welche ihm jezt so reichlich in den Schoß fielen, mitzutheilen. Zufällig befand sich unter den lezten Gedichten der Brieftasche eines, auf das der Verfasser ganz besonders stolz war, und glücklicherweise hatte sich auch in die Reime dieses Gedichtes der theure Name nicht schicken wollen, und es war in Folge dessen durchweg nur von „ihr“ die Rede.

Du wirst mich auslachen, sagte Walter, indem er die Brieftasche schon halb geöffnet hatte.

Das wird darauf ankommen, erwiederte Leo.

Es ist, sagte Walter entschuldigend, aus einem größeren Cyklus, den ich Spanische Lieder" betitelt habe.

Also ein Gedicht, sagte Leo, nicht ohne einige Verwunderung. Wie kommst Du denn dazu?

Darauf mag das Gedicht selbst die Antwort sein, sagte Walter, und mit vor innerer Aufregung bebender Stimme zählte er jezt seinem Gefährten eine nicht kleine Anzahl von Trochäen zu, in welchen irgend Jemand einen grauen

Fährmann auffordert, ihn über irgend ein Gewässer nach irgend einer Villa zu fahren, deren stattliche Façade man sich in der Mondesdämmerung weißlich schimmernd denken sollte, und schließlich, nachdem schneebedeckte Sierren, das goldene Ufer des Tajo und der gelbe Sand der Mancha wacker mitgewirkt hatten, eine gewisse dunkeläugige Schöne gebeten wurde, mit dem Sänger nach Deutschlands Gauen zu ziehen, wo sie als Aequivalent ihrer verlassenen spanischen Herrlichkeiten und Schlösser an den grünen Ufern des Rheins eine Hütte erwartete, deren einziger Schmuck das liebende Paar sein sollte.

Der Sänger machte seine Brieftasche zu, wobei er noch um ein gutes Theil verlegener aussah, als vorher. Leo verscheuchte ein ironisches Lächeln, das während der Lectüre ein paarmal seine Lippen umspielt hatte, und sagte:

Nicht übel, Walter! die Zahl der Versfüße scheint nicht immer zu stimmen; auch würde ich nicht den Reim FaçadeSerenade zweimal brauchen aber sonst recht schön. Wie kommst Du nur in aller Welt jezt auf das närrische Zeug? Aber Du hast doch früher auch Gedichte gemacht, meinte Walter etwas kleinlaut.

Früher! erwiederte Leo, früher - nun ja und darin liegt auch die ganze Entschuldigung.

Bedarf es zum Dichten einer Entschuldigung? rief Walter.

Wenn die Zeit ernstere Fragen zu lösen hat, ja erwiederte Leo.

Walter sah etwas erstaunt drein. Er konnte sich unter Leo's Worten nichts Bestimmtes denken; aber die Worte selbst und der Ton, in welchem sie gesprochen waren, imponirten ihm.

Was meinst Du? fragte er bescheiden.

Ich würde Dir das nicht so auf einmal beantworten fönnen, erwiederte Leo, selbst wenn Du den Sinn für diese Dinge hättest, den Du freilich nicht hast.

Und hast Du diesen Sinn? fragte Walter erstaunt.

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