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Ich hoffe es, sagte Leo nicht ohne Selbstgefühl; wenig ftens gebe ich mir redliche Mühe, den eigentlichen Grund der heillosen Schäden, an denen der Staatskörper krankt, zu erkennen und die Heilmittel zu entdecken, sollten sie auch aus Fener und Eisen bestehen.

Walter sah Leo erschrocken an; er hatte ihn dergleichen noch nie sprechen hören; er wußte nicht, daß Leo seine grimmigen Phrasen aus der Flugschrift, die er vorher in der Hand trug, so ziemlich wörtlich entlehnt hatte.

Was sind denn das für heillose Schäden, von denen Du sprichst? fragte er neugierig.

Schöne Frage, erwiederte Leo höhnisch, die sich selbst beantwortet, sobald man sich nur die Mühe nimmt, die Augen aufzumachen und mit offenen Augen in die Welt zu sehen. Oder hältst Du das für gesunde Zustände, wenn der Edelmann aus goldenen Schüsseln Lampreten speist und der Bauer froh ist, wenn er Salz zu seinem trockenen Brod hat? Hältst Du es für billig, daß das Wild in dem Forst und auf den Feldern, das Gott für alle Menschen erschaffen hat, dem Einen gehört, während die Anderen die Erlaubniß haben, es für den Tisch des gnädigen Herrn mit ihrem Schweiß zu mästen? Sind das keine heillosen Schäden? Und sollte man nicht wünschen, daß Feuer und Schwefel vom Himmel regne, um solche Greuel zu vertilgen, Schloß und Edelmann und ihre ganze Sippe?

Da der Artikel, aus dem Leo citirte, lang und sein Gedächtniß ausgezeichnet war, hätte er noch geraume Zeit so fortdeclamiren können, wenn Walter nicht plößlich aufgesprungen wäre und mit großer Energie gerufen hätte:

Und ich leide es nicht, daß Einer mit Feuer und Schwefel an das Schloß kommt! Ich leide es nicht, daß einem seiner Bewohner auch nur ein Haar auf dem Haupte gekrümmt wird! Ich wollte sehen, wer das wagen wollte ich wollte es nur einmal sehen!

Leo war ruhig geblieben. Er lächelte verächtlich, als er sagte: Ich wußte es ja, daß Du keinen Sinn für Politik Spielhagen, In Reih' und Glied. L

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habest, woher solltest Du auch? Wer im Besize ist, wohnt Dir im Recht, und was grau vor Alter ist, das ist Dir heilig.

Es ist möglich, rief Walter, der noch immer, wie Jemand, der einen lebhaften physischen Schmerz empfindet, auf und ab lief; ich sehe wenigstens nicht ein, daß etwas, weil es altersgrau ist, unheilig, oder Jemand, der etwas besitzt, deshalb schon im Unrecht ist. Und was Du von den goldenen Schüsseln erzählst, aus denen der Edelmann Lampreten speisen soll, so scheint mir das, mit Deiner Erlaubniß, aus der Luft gegriffen. Im Schlosse essen sie von Porzellan und nicht von Silber, geschweige denn von Gold. Und was die Lampreten betrifft, so weiß ich nicht, was das ist, ob Fisch oder Fleisch und ich glaube, Du weißt es auch nicht. Und übrigens, Leo, finde ich es gar nicht schön von Dir, daß Du für all' das Gute, das uns schon im Schloß ge= worden ist, keinen Dank haft. Der gnädige Herr und Fräulein Charlotte, und und

Hier gerieth Walter in's Stocken, da er doch unmöglich Amélie's heiligen Namen in einem so profanen Streit nennen konnte. Leo benügte die Verwirrung seines Gegners, um ihm zu beweisen, daß, wer so spreche, eine knechtische Gesinnung an den Tag lege, und daß Knechtsinn in Sachen der Freiheit nicht mitzureden habe.

Ich bin kein Knecht, erwiederte Walter erregt, und ich habe keinen knechtischen Sinn. Ich verachte den Doctor Urban, aber nicht, weil er Pfarrer, sondern weil er ein schlechter Mann ist, der seine arme Frau auf das Grausamste quält und anders handelt, als er redet; und ich verehre den Freiherrn, nicht weil er unser Herr, sondern weil er so gütig und edel ist. Und wenn Du das nicht mit mir empfindest und nicht alles Heil und allen Segen auf ihn und die Seinen herabwünschest, so hast Du kein Herz in der Brust, und nimmer, nimmer wird es Dir gut gehen.

Der arme Junge, dessen Stimmung jezt für gewöhnlich etwas hoch gespannt war, hatte sich so in Aufregung ge

sprochen, daß er in Thränen ausbrach, die er indessen schnell mit dem Rücken der Hand abwischte. Dann aber zog er seine Müge tiefer in die Augen, murmelte einige unverständliche Worte, sprang von der Böschung, auf der die Unterredung stattgefunden hatte, in den Hohlweg und entfernte sich eilends in der Richtung nach dem Dorfe.

Er war kaum verschwunden, als es in dem dichten Gebüsch zur Seite der Buche zu rascheln begann. Gleich darauf stand Tusky auf dem Plan.

Wie konntest Du dem Jungen von unsern Geheimnissen mittheilen? fragte er unwillig.

Du hast Alles gehört? erwiederte Leo.

Ja, jagte Tusty, er wird nun hingehen und dem Freiherrn und dem Pastor erzählen, was er gehört hat.

Nie, rief Leo mit Wärme, das würde Walter nie! Er würde nie zum Verräther werden!

Bist Du dessen so sicher? fragte Tusky mit finsterem Lächeln. Ich möchte Dir dennoch rathen, ein anderesmal vorsichtiger zu sein. Du weißt, daß wir uns über Alles, was zwischen uns verhandelt wird, unverbrüchliches Geheimniß gegen Jeden, er sei, wer er sei, gelobt haben.

Leo blickte trogig auf. Ich bin kein Kind, sagte er, und ich weiß, was ich thue.

Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, hätte ich mich Dir jemals anvertraut? erwiederte Tusky, indem er Leo die Hand auf die Schulter legte und ihn mit einer Zärtlichkeit, die man in seinen kalten grauen Augen nicht gesucht haben würde, anschaute. Nein, nein, mein Junge, fuhr er fort, Du bist kein Kind. In Dir steckt mehr Intelligenz und vor Allem mehr Energie und mehr Leidenschaft, als in den meisten Männern, die ich kenne. Ich habe unbedingtes Vertrauen zu Dir, und ich bin in der Absicht gekommen, Dir heute davon einen Beweis zu geben, der Dir hoffentlich genügen wird. Du hast doch heute Abend frei?

Ja. Die beiden Anderen sind auf dem Schlosse; da habe ich Doctor Urban, unter dem Vorwande, zum Onkel

gehen zu wollen, gebeten, mich vom Abendbrod zu dispenfiren.

Vortrefflich! erwiederte Tusky. Wir werden so schon Mühe haben, nicht allzu spät zurückzukommen.

Was hast Du vor?

Ich sag' es Dir unterwegs.

Und die Beiden begannen mit rüstigen Schritten die Bergschlucht hinauf zu steigen.

Bierundzwanzigstes Capitel.

Der anfänglich ziemlich steile Pfad begünstigte nicht eben eine lebhaftere Unterhaltung, auch waren die beiden jungen Leute zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. So gingen sie denn schweigend neben einander hin, bis sie aus dem Hohlwege und dem Walde heraus auf eine der vielen Stufen des in Terrassen abfallenden Gebirges gelangten. Hinter und unter ihnen lag der Wald, den sie soeben durchschritten hatten, jenseits des Waldes die fruchtbare Ebene, aus welcher hie und da die Bäche im Abendsonnenschein blinkten. Es war ein lachender, friedlicher Anblick, der auf eine sonderbare Weise mit der unmittelbaren Umgebung contrastirte; denn das allmälig aufsteigende Plateau, auf dem fie sich befanden, verdeckte mit seinem höchsten Rande die schönen waldbedeckten Höhen des eigentlichen Gebirges, und was man um sich her sah, war anzuschauen wie eine gewaltige Tafel, auf die eine Teufelsfaust mit grausigen Zitgen das Wort Vernichtung geschrieben hat. Kein Baum, kein Strauch, nur hie und da Büschel von gelbblühendem Ginster und hartem dürftigen Grase zwischen den zahllosen großen und kleinen Steinen. Der Wind, der keinen Widerstand

fand, wehte hier schärfer und kühler, als in der Ebene, und der Gesang einer einzelnen Lerche, welche die Wanderer aufgescheucht hatten, und die nun langsam in die Höhe stieg, flang in der lautlosen Stille rings umher einförmig und flagend.

Als die Beiden über die steinige Ebene weiter schritten, und Leo, der selten bis hierher gekommen war, mit lebhaftem Interesse die Wüste um sich her betrachtete, fragte Tusky plötzlich:

Hast Du das Buch, das ich Dir das lezte Mal gab, gelesen?

Ja.

Nun, was sagst Du? Habe ich übertrieben? Ist nicht Alles, wie ich es Dir geschildert habe?

Furchtbarer, noch viel furchtbarer ist es, rief Leo; ja es ist so furchtbar, daß es eigentlich Menschenworte gar nicht schildern können, und der Autor deshalb das Entsetzlichste so ruhig und wortfarg berichtet, als wäre es das Gewöhnlichste, als könnte es eben nicht anders sein. All' dies Spießen und Köpfen, Sengen und Brennen, Rauben und Morden - mir steht das Herz still, wenn ich daran denke, wenn ich denke, daß es Menschen waren, die es thaten. Nein, keine Menschen! Heißhungrige Wölfe! Wilde, blutdürftige Bestien, die würgen, weil ihnen das Würgen eine Lust ist, weil das dampfende Blut sie rasend macht. Warum hast Du mir dies Buch gegeben? Es hat mir so weh gethan, wie noch nichts im Leben.

Meinst Du, es hat mir Freude gemacht? erwiederte Tusky; meinst Du, ich habe gern gelesen, daß man meine Väter wie Hasen gehezt und niedergeschossen, oder auch vielleicht bei lebendigem Leibe am langsamen Feuer gebraten_hat? Und warum ich es Dir gegeben habe? Weil Du zweifeltest, weil ich Dir den Rest von blindem Glauben an die Güte der Menschennatur austreiben, weil ich Dich in die Geseze des großen Kampfes einweihen wollte, der zwischen den Besitzenden und den Besitlosen, zwischen den Reichen und

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