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herzliche Verhältniß zwischen Herrn von Hey und dem Doctor, -Leo's Freundschaft mit dem Tusky das verdächtige Erscheinen des Mädchens - zulest Walter's Liebe zu Amélie. Der liebe, liebe Junge! also hatte sie sich nicht über den eigenthümlichen Ausdruck getäuscht, den des Knaben große blaue Augen in letter Zeit so oft gehabt hatten! Und die kleine Amélie! die eigentlich gar keine kleine Amélie mehr war, aber gewiß keine Ahnung davon hatte, welche Bestimmung blaßrothe Schleifen, die man in einer neckischen Laune dem Spielkameraden ins Knopfloch bindet, haben können. Jest durfte man darüber lachen; aber würde man einige Jahre später auch noch darüber lachen können, wenn der Jüngling, an Leib und Seele herangereift, sich das treue Herz bewahrt hatte, und in dem treuen Herzen die Poesie, die Träume seiner Jugend?

In Charlotten's Herzen wallte ein heißer Strom schmerz licher Wehmuth auf; Thränen brachen aus ihren Augen, ihre Kniee zitterten - fie ließ sich auf eine Bank sinken, die in dem dichten Laubgang, in welchem sie sich gerade befand, weißlich aus dem Dunkel schimmerte.

Versunken in Erinnerungen, gänzlich vergessend, wo sie sich befand, mochte Charlotte ein paar Minuten so gesessen haben, als plötzlich aus nächster Nähe Schritte sich vernehmen ließen und das undeutliche Gemurmel von Stimmen. Aus Ueberraschung mehr, als aus Furcht, welche Charlotten fremd war, drückte sie sich in die Ede; das Dunkel, das an der Stelle herrschte, und ihr schwarzer Anzug ließen sie hoffen, daß die Vorübergehenden sie nicht gewahr werden würden. Die Schritte kamen langsam näher, die Stimmen wurden deutlicher besonders die eine tiefere, härtere eine Stimme, die Charlotte nur einmal gehört hatte, um fie nicht wieder zu vergessen.

Charlotten's Herz begann heftig zu klopfen; ste hielt unwillkürlich den Athem an; all' ihre Fassungskraft schien sich auf ihr leises Ohr concentrirt zu haben.

Habe keine Sorge, sagte die harte Stimme; ich weiß,

wie man die wilde Kaze geschmeidig macht. Sie soll sich nicht wieder hier unten sehen lassen.

Aber das hat sie doch nicht um mich verdient, daß ich fle so verrathe, sagte die zweite, eine wohlklingende, von Leidenschaft vibrirende Stimme.

Wie Du sprichst! Verrathen, was heißt verrathen! Wer den Zweck will, muß die Mittel wollen. Und übrigens brauch' ich Dich gar nicht zu nennen; es kann sie ja Jemand anders, der sie kennt, gesehen haben; Johann Brandt etwa, oder einer der anderen jungen Leute oben vom Walde. Ja, es ist wahrscheinlich, daß dies der Fall gewesen ist, und das macht mich eben so wüthend. Das tolle, unbedachte Geschöpf!

Geh' nicht zu rauh mit ihr um!

Die ist von guter Raffe, die zerbricht nicht so leicht. Du erwähntest eben Johann Brandt; ich wollte, Du ließest Dich nicht zu tief mit dem ein!

Was hast Du gegen den Burschen?

Er hat böse, tüdische Augen, wie ein Hund, der beißen will; ich meine: die Hand, die ihn füttert, eben so leicht, als die ihn züchtigt. Und dazu sieht er aus, wie ein Judas, der seinen Herrn und Meister für dreißig Silberlinge verkaufen würde.

Er ist ein ganzer Mann, der Johann Brandt.
Nicht älter, als ich.

Bift auch ein ganzer Mann, mein Junge. Nimm Dich in Acht: es führen hier ein paar Stufen hinab.

Die Redenden waren so dicht an Charlotte vorüberge gangen, daß sie fast ihr Kleid gestreift hatten. Sie waren die Treppe hinabgestiegen; ihre Schritte, ihre Stimmen verwehte der Nachtwind, der in den dürren Blättern raschelte.

Charlotte erhob sich, lauschte in die Dunkelheit hinein und setzte dann ihren Weg nach dem Schlosse eiliger fort. Sie wußte nicht, was sie denken, was sie fürchten sollte. Aber sie war sogleich.fest entschlossen, gegen ihren Bruder nichts von diesen dunklen Räthseln verlauten zu lassen.

Wirklich gelang es ihr, noch bevor sie das Schloß erreicht hatte, das klopfende Herz zu beruhigen und dem Freiherrn, der schon über ihr langes Ausbleiben besorgt gewesen war, mit einem freundlichen Wort und einem Lächeln auf den Lippen entgegen zu treten.

Neunundzwanzigstes Capitel.

Am Nachmittag des nächsten Tages ließ Charlotte anspannen, um mit Miß Jones und den beiden Mädchen einen Besuch im Försterhause zu machen.

Friz Gutmann war gerade im Begriff, nach Feldheim zu reiten, als der Wagen mit den Damen aus dem Walde auf den freien Platz vor dem Försterhause bog; er ließ aber das Pferd wieder in den Stall führen, als Charlotte ihm sagte, daß sie gekommen sei, um über wichtige Dinge ausführlich mit ihm zu sprechen.

Während Tante Malchen und die jungen Mädchen dem Falken und den zahmen Hasen einen Besuch abstatteten, gingen Charlotte und der Förster in dem breiten Gartengange zwischen den entblätterten Johannesbeersträuchern auf und ab, Charlotte eifrig sprechend, der Förster gesenkten Hauptes aufmerksam zuhörend. Charlotte hatte sich mit ihrem Tuche wiederholt die Augen getrocknet, und auch der Förster war sichtlich bewegt. Er hatte bis jezt nur dann und wann ein kurzes Wort eingeschaltet; jezt, als Charlotte schwieg, sagte er, und seine tiefe Stimme zitterte ein wenig:

Ich danke Ihnen, gnädiges Fräulein, ich danke Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie mir dies Alles mitgetheilt haben. Wenn mir dergleichen anstände, so würde ich sagen: Ich bin stolz auf Ihr Vertrauen, aber darum handelt es sich hier nicht. Was den Leo anbetrifft, so werde ich Ihnen

leider wohl Recht geben müssen. Er ist meines Bruders Sohn, aber die fremde Ader, die in dem Anton schlug, ist in dem Jungen übermächtig geworden, daß ich oft meine, er gehöre gar nicht zu uns. Das würde ich nun Niemandem weiter sagen, außer Ihnen, denn Niemand sonst kann sich denken, wie es mich schmerzt. Ich habe es kommen sehen von seiner Krankheit im vergangenen Herbst. Ein waidwunder Hirsch kann sich nicht scheuer im Dickicht verbergen, als es der Junge vor uns that. Darum habe ich ihn auch mit schwerem Herzen zum Doctor Urban gehen lassen. Mir ahnte nichts Gutes, und ich bin bös auf mich, daß ich damals nicht die Kraft hatte, Nein zu sagen. Der Doctor hat nicht gut auf ihn gewirkt; nun ist der Schulmeister dazu gekommen, das hat Del in's Feuer gegossen. Sie müssen mit ihm reden, sagte Charlotte.

Das würde wenig helfen, fürchte ich, erwiederte der Förster kopfschüttelnd, ich könnte nicht so fest sein, wie ich müßte, weil ich nie vergessen würde, daß er eine Waise ist und Niemand hat, der für ihn eintritt, wenn ich ihm ja Unrecht thäte. Und dann, der Junge ist mir auch zu ge= lehrt, er sett die Worte so fein und spiß, daß ich nicht das gegen aufkommen kann.

Aber wir können den Knaben doch nicht ungewarnt in sein Verderben laufen lassen, sagte Charlotte.

Gewiß nicht, erwiederte der Förster, und darum müssen Sie, meine ich, so bald als möglich mit ihm reden. Ich?

Charlotte sann eine zeitlang nach und sagte dann mit bewegter Stimme:

Sie haben Recht, mein Freund. Manches könnt und wollt Ihr nur aus einem Frauenmunde hören, und wehe dem, welchem in solchen Stunden nicht eine Frau zur Seite stand eine Geliebte, eine Schwester, eine Mutter! Das ist ja des Knaben Unglück, daß er, ausgestattet mit diesen Gaben, zerwühlt von diesen Leidenschaften, sein ganzes Leben hindurch der milden, warnenden, tröstenden Stimme der

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Mutter hat entbehren müssen. Sie soll ihm in dieser Stunde, wo er sie vielleicht am nöthigsten braucht, nicht fehlen, so weit ich sie ersehen kann.

Gott segne Sie! sagte der Förster.

Sie schritten ein paarmal schweigend den Gartengang entlang. Dann nahmen sie das Gespräch wieder auf, das sich nun um die allgemeine Lage drehte, und was etwa von Seiten der Herrschaft geschehen könne, den bösen Geist, der sich immer offener und drohender zeigte, zu bannen. Der Förster entwickelte einen Plan, mit dem er sich schon seit einiger Zeit getragen hatte. Daß die Noth groß sei und daß geholfen werden müsse, sei offenbar. Deshalb wünsche er, daß Charlotte an die Spiße eines Vereins trete, der aus sämmtlichen wohlhabenden Frauen der Nachbarschaft bestehen würde. Wo es irgend gehe, solle man den Leuten Arbeit verschaffen, und wo das in der Gegend unmöglich sei, den Männern behilflich sein, einen andern Arbeitsmarkt aufzusuchen, und sich unterdessen der zurückgebliebenen Frauen und Kinder mit desto größerer Sorgfalt annehmen. Nur so könne man hoffen, dem bösen Willen der Leute, der meistens nur der Ausdruck ihrer schlimmen Lage sei, zu begegnen und den Einfluß der Einbläser und Aufheter, von denen der Schulmeister Tusky leicht einer der schlimmsten sein möchte, zu brechen.

Ich weiß von dem Herrn Tusky nicht mehr, als die meisten Leute, fuhr der Förster fort. Der Vater war Hirt oben auf dem Walde, ein schlechter, wüster Mensch, den sein Unglück, das er freilich selbst verschuldete, vollends verdorben hat, der Gott und die ganze Welt verfluchte und sein armes Weib und seine Kinder aus dem Schlimmen in's Schlimmste brachte. Die Kinder liefen davon, sobald sie laufen konnten, und es war ihnen auch just nicht zu verdenken. Für das Unglück, aus solcher Familie zu stammen, fann, wie gesagt, der Tusky nichts; aber ein Unglüc ist und bleibt es, und er hat sicher noch schwer daran zu tragen. Wenn wir uns begegnen, blickt er auf die andere

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