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dem man die weiteste Aussicht in die Gegend hatte Freiherrn gegenüber fand.

dem

Des Freiherrn schönes Gesicht trug heute Morgen nicht den Ausdruck einer milden, sorglosen Heiterkeit, durch welchen es sich sonst auszeichnete. Er saß an einem steinernen Gartentischchen und starrte mit düsteren Augen in einen Brief, den vor einer Stunde der Postbote gebracht hatte. Da er den Schritt des Herankommenden überhört hatte, so fuhr er auch ein wenig zusammen, als er, den Kopf mit einem Seufzer emporrichtend, plößlich den Förster vor sich stehen sah.

Guten Morgen, alter Freund, sagte er, Du kommst gerade zur rechten Zeit. Hast mir ja schon so manchen guten Rath in diesem Leben gegeben. Nun rathe auch hier, und vorher lies einmal.

Bei diesen Worten reichte er dem Angekommenen den Brief und deutete zugleich nach einem Stuhl auf der andern Seite des Tisches.

Set' Dich, sagte er, und lies mit Bedacht. Die Sache pressirt nicht eben, aber sie will wohlerwogen sein.

Der Freiherr erhob sich und fing an mit langsamen Schritten auf dem Belvedere hin und her zu gehen. Der Förster sette sich und las.

Der Brief war von dem Director des Gymnasiums in der Residenz, bei welchem sich Henri zugleich in Pension befand. Nach einer umständlichen Einleitung, in welcher der Pädagog sich des Weiteren über seine Erziehungsmethode und die Resultate, die er mit derselben bis jezt noch immer erzielt habe, ausgelassen hatte, fuhr er fort:

"

Leider sehe ich mich zu dem Geständniß gezwungen, daß ich mich bei Ihrem Sohne eines gleichen Erfolges nicht rühmen kann. Seine bedeutenden intellectuellen Fähigkeiten würden ihn auf dem wissenschaftlichen Gebiete Vortreffliches leisten lassen, wenn die Lebhaftigkeit seines Naturells ihm ein stetiges Arbeiten ich muß es leider sagen nichte geradezu unmöglich machte. Ich sowohl, wie meine Herren Collegen, die sämmtlich dem so glücklich beanlagten, liebenswürdigen

Knaben herzlich gewogen find, wir Alle haben uns die äußerste Mühe gegeben, ihm für diese oder jene Disciplin ein lebhaftes Interesse einzuflößen. Der Schnelligkeit und Gewandtheit, mit welcher er alles Neue erfaßt und anfaßt, gleicht nichts als der Ueberdruß, mit welchem er Alles, sobald der erste Reiz des Neuen verflogen ist, aus der Hand wirft. So kommt es, daß er hinter Schülern zurückbleibt und zurückbleiben muß, die er sonst weit überholen würde.

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Indessen könnten wir uns über diese Uebelstände, da sie nur die Geduld der Lehrer in erhöhten Anspruch nehmen und Niemand schaden, als ihm selbst, wegseßen, wenn wir wenigstens in moralischer Hinsicht mit Henri zufrieden sein dürften. Wir find es ich bin Ihnen die gewissenhafteste Offenherzigkeit schuldig, Herr Baron — weniger als je. Sein leichter Sinn, den ich bis dahin immer vertheidigt habe, ist in letterer Zeit in einen entschiedenen Leichtsinn, ja in eine beklagenswerthe Leichtfertigkeit umgeschlagen. Weder seine Mitschüler, noch seine Lehrer sind auch nur eine Stunde vor seinen Streichen sicher, die bei weitem nicht immer den. Charakter der Harmlosigkeit tragen. Erst gestern und dies ist der eigentliche Grund meines diesmaligen Schreibens erst gestern, am lezten Tage vor den großen Ferien, hat er fich in Gegenwart der ganzen Classe eines Betragens gegen einen seiner Lehrer einen ausgezeichneten Pädagogen und vorzüglichen Gelehrten schuldig gemacht, das die Grenzen dessen, was allenfalls übersehen und verziehen werden fann, durchaus überschreitet, und - ich schreibe dies mit schwerem Herzen - seine sofortige Entfernung von der Anftalt nöthig machen wird."

Der Director schloß mit der Bitte an den Freiherrn, entweder selbst in die Residenz kommen, oder dann wenigftens schriftlich bestimmen zu wollen, was mit Henri, nachdem er seine Carcerstrafe, die ihm nicht geschenkt werden könne, überstanden habe, geschehen solle.

Nun, was sagst Du? was räthst Du? rief der Freiherr, als der Förster zu Ende gelesen hatte.

Da ist schwer zu rathen, gnädiger Herr, erwiederte der Förster, indem er den Brief auf den Tisch legte und mit der flachen Hand leise darüber hinstrich. Die gelehrten Herren mögen es thöricht genug angefangen, und Henri wird es ja auch wohl darauf angelegt haben. Ja, ich glaube, daß unser junges Herrchen ganz gut weiß, was es will.

O ja, rief der Freiherr, ich weiß aber auch, was ich will. Ich will ihm seine Narrenspossen austreiben. Soldat

das fehlte mir noch! Ei, Friß, wir Beide sind Soldat gewesen, und ich glaube, keine schlechten. Wenn es ernst= lich gilt, so würden wir uns heute nicht weniger brav halten, als damals, und wir wären gewiß die Legten, die ihre Jungen dem Dienst des Vaterlandes vorenthalten wollten. Aber ein Soldat im Frieden! So ein adeliges Bürschchen, das die besten Jahre, die Jahre, in denen der Mensch den soliden Grund für seine ganze künftige Existenz legen muß, auf dem Paradeplage und im Ballsaale vertrödelt und vers tändelt, das in allen ehrlichen Künsten klein und nur im Nichtsthun groß ist und sich noch etwas dabei dünkt, daß es nicht arbeitet und nicht arbeiten kann wie andere ehrliche Leute sieh', Friß, der Gedanke regt mir die Galle auf, und ich sage Dir, der Junge soll nicht Soldat werden, und wenn ich ihn

Der Freiherr beendigte seinen Sag nicht. Er ging mit großen Schritten auf und ab, offenbar bemüht, seine Bewegung zu meistern. Nach einer fleinen Weile blieb er, die Hände auf dem Rücken, vor dem Förster stehen und sagte in ruhigerem Tone:

Du hast mich oft meines Leichtsinns wegen gescholten; ich weiß, daß Du immer Recht gehabt hast, auch wo ich es nicht Wort haben wollte. Ich kenne mich besser, als ich mir oft den Anschein gebe, und so glaube ich auch Henri's Natur ziemlich gut zu verstehen. Aber eben deshalb möchte ich seinen Fuß vor den Steinen bewahren, über die ich oft genug gestrauchelt und auch wohl manchmal gefallen bin. Welchen Vortheil hätten wir von unsern Thorheiten, wenn

unsere Kinder den ganzen Cursus wieder durchmachen müßten! In ihnen ein reineres und edleres Leben zu leben, als wir selbst es vermochten das ist doch schließlich unsere lezte und unsere beste Hoffnung. Du, alter Freund, darfst in dieser Beziehung zufrieden sein. Ja, wenn ich Dich um etwas beneiden könnte, so wäre es um das sichere Vertrauen, mit dem Du der Entwickelung Deines Walter entgegensehen kannst. Das ist ein Junge, wie ich ihn mir immer gewünscht habe: gefcheidt und brav, treu und wacker, und dabei so bescheiden, daß er roth wird, wenn er doch nun einmal gar nicht umhin kann, zu zeigen, wie tüchtig er ist. An dem wirst Du Deine Freude haben.

Ja, ja, sagte der Förster, den dies reichliche Lob seines Sohnes, der doch am Ende sein Fleisch und Blut und also ein Stück von ihm selbst war, ganz verlegen machte; ja, ja, er ist ein braver Bursch, der Walter, und ich freue mich gewiß, daß er so gut einschlägt, wenn ich mich auch manchmal nicht so recht in ihn finden kann. Manchmal fürchte ich fast, es wird doch sein Lebtag kein ordentlicher Förster aus ihm. Ich glaube, sein Auge ist nicht scharf; er schießt nicht besonders, ich hätte mich als zehnjähriger Bube geschämt, so zu schießen. Und dann hat er ja gewiß den Wald lieb, aber nicht, wie ein Försterjunge, der einmal ein Förster werden will, sondern — ja, das läßt sich schwer sagen, wie. Der Freiherr lachte und sagte:

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Ueber uns thörichte Menschen, die wir nicht zufrieden find, das Gute zu wollen, es sei in welcher Gestalt auch immer, sondern die wir es durchaus in der uns bequemsten Form, in der Form, an die wir nun einmal gewöhnt sind, wollen. Andere Zeiten, andere Sitten; andere Vögel, andere Weisen! Was ist es denn nun, wenn Dein Walter kein so excellenter Forstmann wird, wie sein Vater und sein Großvater war und jedenfalls noch eine lange Reihe von Gutmännern, deren Andenken die Geschichte nicht aufbewahrt hat? So wird er eben etwas Anderes. Und da will ich Dir auch sagen, wie der Junge den Wald ansieht. Wie

Du ihn selber oft genug ansiehst, wenn Dein Tagewerk vollbracht ist: wie ein Poet. Du hast mir neulich seine Schulauffäße gebracht, weil ich sehen wollte, ob sich etwas Bestimmtes in dem Jungen herausbildet. Es ist wenig daran zu sehen, wenn nicht das Eine, daß ihm die Sonne bis in's Herz hineinscheint. Mir ist, als ich die Hefte durchblätterte, der Gedanke gekommen, ob in Deinem Walter die Poesie, die Euch Allen in den Gliedern liegt, nicht einmal zum Durchbruch kommen sollte; ob unter all' diesen Träumern, Knittelversmachern Du warst früher stark in Knittelversen, Frit,

unter all' diesen phantastischen Menschen nicht einmal ein wirklicher Poet sein sollte. Ich habe die Hefte Charlotten gezeigt, und sie ist, ohne daß ich ihr ein Wort gesagt hätte, auf denselben Gedanken gekommen.

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Ja, sagte der Förster, mir ist dergleichen auch wohl schon durch den Kopf gegangen; er hat manchmal so hübsche Worte, der Junge, wie wie wenn ein Stern am Himmel aufblinkt; aber ich habe immer gedacht, es sei dabei doch kein rechter Segen für einen Försterburschen, und so habe ich ihn denn, mit schwerem Herzen freilich, jezt aus der Schule genommen.

Der Freiherr hatte das Gewehr des Försters ergriffen, nach dem Schloß gesehen, die Versicherung auf- und zugedreht, es an die Wange gelegt und mehrmals mit großer Sorgfamkeit in den blauen Himmel gezielt; plößlich stellte er mit einer energischen Wendung das Gewehr fort, trat dicht vor den Förster ihn und sagte:

Du mußt mir den Jungen lassen, Friz. Es ist das immer ein Lieblingsgedanke von mir gewesen, und jetzt ist der Moment, ihn zur Ausführung zu bringen. Ich will ihn Dir nicht rauben; ich will nur die Erlaubniß haben, ihn studiren lassen zu dürfen und weiter für ihn zu sorgen, bis er Dich und mich nicht mehr braucht. Die Erlaubniß aber mußt Du mir geben. Sperr' Dich nicht, Friz! Ich bin Dir im Laufe unseres Lebens so viel schuldig geworden, daß dies höchstens die Zinsen vom Kapital sind. Und dann wenn

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