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mich kaltblütig aus dem Leben hinausrechnen würde, wenn ich ihm so oder so in seinen Calcul nicht mehr paßte.

Daß der vielbeschäftigte Mann im Winter nicht eine so beschwerliche Reise ohne triftige Gründe unternommen haben würde, mochte Jeder, der ihn kannte, leicht ermessen; und in der That wartete er auch nur bis nach dem Frühstück des nächsten Tages, um die Geschwister von der eigentlichen Ursache seines Kommens zu unterrichten. Es habe ihm schon Lange auf der Seele gelegen, daß der Freiherr aus den Gütern feineswegs den Ertrag ziehe, der daraus gezogen werden könne. So lange die Güter verpachtet gewesen seien, habe man daran nicht denken dürfen, jezt aber müsse etwas Ernstliches geschehen. Und ich weiß auch, was geschehen muß, fuhr er fort, und das danke ich, lieber Herr Schwager, den zahllosen Artikeln, in welchen die fatale Decembergeschichte von den Zeitungen ausgepreßt wurde. Man hat ja damals die Verhältnisse Ihrer Gegend in jeder Beziehung so gründlich auseinandergeseßt, daß man, wie Sie, in diesen Verhältnissen groß geworden sein muß, um nicht zu sehen, wo der Hase im Pfeffer liegt. Um es mit einem Worte zu sagen, dieser District, der, wenn je einer, zur fröhlichen Entfaltung des Fabrikwesens destinirt ist, quält sich ab, ein Ackerbaudistrict zu sein und das geht freilich nicht. Oder man hat auch hie und da in dem Gebirge die Anfänge des Fabritwesens wie denn Eure elenden Nagelschmiededörfer nichts Anderes sind, als embryonische Fabrikstätten — aber man hat bis jest ohne Einsicht, ohne Umsicht und vor Allem ohne Kapital gearbeitet, und ist allerdings auf diese Weise über den Anfang des Anfangs nicht hinausgekommen. Haben Sie denn nie daran gedacht, lieber Herr Schwager, daß ein Bach von einer geradezu unerschöpflichen Wassermasse über eine halbe Meile lang auf Ihrem Grund und Boden fließt und, kaum aus dem Gebirge herausgetreten, sich in ein schiffbares Flüßchen ergießt, das wiederum nach kurzem Lauf in eine unserer größten Wasserstraßen fällt? daß Sie Holz, Kohlen und das schönste Roheisen in nächster Nähe haben,

und - was die Hauptsache ist einen Arbeitermarkt, auf dem das Angebot massenhaft, und so gut wie gar keine Nachfrage ist, das heißt, wo Arbeiter für ein Minimum zu haben sind? Ich habe mir schon Alles überlegt und ausgerechnet. Mit einem Anlagekapital von höchstens zweimalhunderttausend Thalern können wir ein Dußend Eisenhämmer und Schneidemühlen herstellen und mit einem zweiten Zweimalhunderttausend eine Maschinenfabrik, die uns bald unsere hundert Procent und darüber abwerfen soll.

Herr von Sonnenstein seßte nun sein Project in den Einzelheiten auseinander und bewies, daß er wirklich Alles überlegt und ausgerechnet hatte. Es war kein Zweifel, der Plan hatte Hand und Fuß; die hohen Erwartungen, welche fich der Bankier von dem Gewinn des Unternehmens machte, schienen keineswegs übertrieben.

Dennoch bewies der Freiherr wenig Lust, die goldenen Hoffnungen, die sich ihm so plöglich aufthaten, zu verwirklichen. Er habe zu so großen Dingen kein Kapital, und überdies passe dergleichen gar nicht in seine Lebensgewohnheiten und Neigungen. Das Klappern der Maschinen, das Klopfen der Hämmer, der schrille Ton der Dampfpfeife, der Rauch der Schornsteine würden ihm das Landleben, das er so schon nur noch halb liebe, vollends verleiden.

Der Bankier wollte diese Einwürfe nicht gelten lassen. Wenn der Herr Schwager kein baares Geld habe und er habe allerdings in der letzten Zeit ein wenig mehr ges braucht, als sonst - so würde er gern das Nöthige herleihen. Und was die Aversion des Freiherrn gegen den Steinkohlengeruch betreffe, so habe er ihm schon längst den Rath geben wollen, endlich einmal in die Residenz überzusiedeln, in der es jetzt, wo die Nachrichten von allen Seiten immer bedenklicher lauteten, lebhaft genug hergehe. Wenn ihn nicht Alles täusche, so stehe ein Gewitter in der Luft, das auf dem Punkte sei, loszubrechen. Es verlohne sich wohl der Mühe, dergleichen einmal aus der Nähe mit anzusehen.

Spielhagen, In Reih' und Glied. I.

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Herr von Sonnenstein erschöpfte seine ganze Beredtsamfeit, den Schwager für seine Projecte zu entscheiden, aber es gelang ihm nicht, wenigstens nicht ganz. Der Freiherr sagte nicht Ja, nicht Nein; er wolle sich die Sache überlegen. Herr von Sonnenstein mußte sich vorläufig mit diesem Erfolge begnügen. Wichtige Geschäfte riefen ihn nach der Residenz zurück.

Kaum war er fort, als es dem Freiherrn leid that, ihn mit so unbestimmten Hoffnungen entlassen zu haben. Das ganze Unternehmen zeigte sich ihm plöglich von der heiterften Seite; der Gewinn, den es abzuwerfen versprach, sei wahrlich nicht zu verachten; ein armer Adel sei kein Adel; wenn der Adel nicht dem aufstrebenden Bürgerthum den Platz, der ihm gebühre, ganz räumen wolle, müsse er mit jenem im Erwerben Schritt halten. Sonst werde es in Deutschland gehen, wie in England, wo die Cotton-Lords und Geldsäcke bereits anfingen, die erste Rolle in der Ge= sellschaft und im Staate zu spielen.

Charlotte war betrübt, den Bruder so reden zu hören; aber sie enthielt sich weislich alles Widerspruches, der in diesem Augenblicke nur schaden konnte. Sie hoffte, daß die Zeit die Wunden der Kränkung, die der Aufstand dem Herzen des Bruders geschlagen hatte, heilen und daß der Frühling, der vor der Thür stand, Alles wieder gutmachen werde.

Es kam anders, als Charlotte gehofft hatte. Die Prophezeiungen des weit vorausschauenden Geschäftsmannes gingen mit wunderbarer Eile in Erfüllung. In Frankreich war die Revolution ausgebrochen, überall im eigenen Lande gährte es man glaubte den Boden unter sich_wanken zu fühlen. Der Freiherr vernahm die Nachrichten, die jest jede Zeitung brachte, mit sichtbarer Genugthuung. Ich kann nun mit ruhigerer Seele die Trümmerstätte meines eingeäscherten Hofes betrachten, rief er; es war eben ein Funke von dem großen Brande so weit vorweg dorthin geweht. Der Tusky war ein Sturmvogel; ich wette, wir werden ihn

in den allernächsten Tagen hier unter uns erscheinen und sein angefangenes Werk fortseßen sehen.

Der Freiherr hatte sich geirrt. Tusky kam nicht, und merkwürdigerweise blieb auf den Tuchheim'schen Gütern Alles ruhig, während rings umher die ganze Landschaft in hellem Aufruhr war und hie und da die gröbsten Exceffe verübt wurden. Es war, als ob die Leute die derbe Lection, welche ihnen ihre verfrühte Revolution eingetragen, noch nicht vergeffen hätten.

Desto ungeduldiger war der Freiherr selbst. Der Boden brannte ihm unter den Füßen; es duldete ihn nicht länger auf seinem schönen, stillen Gute. Charlotte sah, daß alles Abmahnen vergeblich war. So wurde denn die Uebersiedelung in die Residenz beschlossen und mit Eile, ja mit athemloser Hast vorbereitet. In weniger als acht Tagen war Alles zur Abreise bereit.

Niemand sah dem Augenblick derselben mit größerer Spannung und Freude entgegen, als Eve.

Eve hatte das Schloß seit jener Nacht nicht wieder vers laffen. Fräulein Charlotte hatte, mild und gütig wie immer, sich der durch den Tod der Mutter und die Flucht des Bruders gänzlich Verwaisten angenommen und durch ihre ftets gleiche Freundlichkeit nach und nach den starren Trog des Mädchens zu mildern gewußt. Sie hatte mit Erstaunen unter der abstoßenden Hülle der Unwissenheit und sittlichen Verwahrlosung Spuren eines ungewöhnlichen Scharfsinns und eines leidenschaftlichen, nicht unedlen Herzens entdeckt und eine wirkliche Theilnahme für das Mädchen gefaßt, das sich auch an sie mit ganz besonderer Neigung anzuschließen schien. Dennoch war es dem Fräulein nicht unlieb, als vor einigen Tagen ein Brief von dem Castellan im Palais Sr. föniglichen Hoheit des Prinzen, Herrn Amadeus Lippert, einlief, welcher im Namen seiner Frau, der Tante Eve's, die Nichte reclamirte. Das Kind werde es gut, sehr gut bei ihm haben; er werde für ihre Ausbildung gewissenhaft Sorge tragen. Fräulein Charlotte zog in aller

Eile Erkundigungen über Herrn Amadeus Lippert ein, und als diese befriedigend ausfielen, Herr Lippert ihr von ihrem Correspondenten als ein in seiner Weise sehr angesehener Mann bezeichnet wurde, schrieb sie zurück, daß sie selbst den Anverwandten ihren jungen Schüßling zuführen werde. In der That hätte sie dieselbe doch auf jeden Fall anderweitig unterbringen müssen. Eve hatte den Troß, den sie dem Fräulein gegenüber abgelegt hatte, gegen die jungen Mädchen in schroffster Weise herausgekehrt, besonders gegen Silvia. Durch nichts hatte sie bewogen werden können, Silvia auch nur einen freundlichen Blick zu gönnen; ja ein paarmal hatte Charlotte ihre ganze Autorität aufbieten müssen, um dem Ausbruch eines Hasses zu begegnen, der, wie keine bestimmte Ursache, so auch keine Grenzen zu haben schien. Als ihr angekündigt wurde, daß sie zu dem Onkel und der Tante in die Residenz solle, strich sie sich zuerst mit der Hand über die dichten Augenbrauen, und dann fiel fie Charlotten zu Füßen und füßte ihr leidenschaftlich Kleider und Hände. Mit Mühe brachte Charlotte heraus, daß, zu der Tante in die Residenz zu kommen, von Kindesbeinen an ihr höchster Wunsch gewesen sei. Früher hatte sie ges glaubt, sie werde da nichts zu arbeiten haben und alle Tage herrlich und in Freuden leben; jeßt denke ste daran nicht mehr; jest denke sie nur daran, recht viel zu arbeiten und zu lernen, und auch eine feine Dame zu werden, die sich nicht mehr von einem Mädchen, das aus keinem bef= seren Stande sei, als sie, über die Achsel ansehen zu lassen brauche.

Es war am Abend des Tages, in dessen Frühe die zwei hochbepackten Reisewagen das Schloß und das Dorf verlassen hatten. Frig Gutmann saß unter der großen Linde, die ihre ersten hellgrünen Blätter zu treiben begann, auf der Bank vor der Thür seines Hauses. In den Zweigen über ihm lärmten die Sperlinge, aus dem Walde rief der Kukuk, und vor ihm auf der Wiese schossen die ersten Schwalben im Zickzackflug hinüber und herüber. Aber Frit

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