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Fräulein Silvia muß man wie eine Gottheit immerdar loben und preisen, sagte Alfred; haben wir nicht das Glück gehabt, Sie zu hören, haben wir doch das Glück, Sie zu sehen.

Die Herren kommen von einem Diner? fragte Silvia trocken.

Errathen! rief Henri lachend. Sie sind die wahre Herzenstündigerin.

Das würde mir Ihnen gegenüber wenig helfen.

Weil ich kein Herz habe, meinen Sie? erwiederte Henri; ich weiß, Sie haben mich stets in diesem Verdacht gehabt, weil ich eine Cordelianatur bin und mein Herz nicht in der Hand trage. Fragen Sie Alfred!

Fragen Sie lieber meine Schwester! rief Alfred.

Oder seine Schwester, sagte Henri; sie ist in der That die Einzige, die mir von Zeit zu Zeit Gerechtigkeit widerfahren läßt.

Aber wo ist denn der Wundermann, von dem heute der Papa so viel Wesens machte und heute Abend der halbe Salon sich unterhält? sagte Alfred und klemmte sein Lorgnon in's Auge.

Ich kann Ihnen darüber keine Auskunft geben, erwies derte Silvia; Sie thäten wohl am besten, wenn Sie ihn suchen gingen.

Was meinst Du, Alfred? sagte Henri, als Silvia fich mit leichtem Kopfnicken von ihnen entfernte; sollte man wohl glauben, daß diese Prinzessin, die uns so grausam abfallen läßt, die Tochter von meines Vaters Förster ist?

Aber schön ist sie, verteufelt schön! sagte Alfred, nach der Thür lorgnettirend, durch welche Silvia verschwunden war; grands dieux, combien elle est jolie! Heirathen kann man sie freilich nicht, aber

Du bist der wahre Don Juan.

Pah, sagte Alfred, sein Lorgnon fallen lassend und selbstgefällig lächelnd: was ist's denn groß? Ich kann mit dem guten Horaz sagen: militavi.

Non sine gloria, wie Du aus Bescheidenheit hinzuzusezen vergissest. Aber, um auf den Leo zurückzukommen, fieh' zu, daß der Bursche sich nicht in Eurem Hause festsett. Dein Vater scheint großen Appetit zu haben, einen Narren an ihm zu fressen, und Deine Schwester nicht minder.

Pah, rief Alfred.

Ich sage Dir, der Bursche ist gefährlich; ich kenne ihn von Tuchheim her sehr genau, und was ich jezt von ihm gehört habe, und was ich jezt von ihm sehe, hat mich nur in meiner alten Ueberzeugung bestärkt. Er ist ein Fanatiker unter der Maske eines Mannes von Welt. Mit solchen Leuten ist nicht zu spaßen.

Wir wollen uns den greulichen Löwen einmal in der Nähe besehen, sagte Alfred, seinen Arm in den seines Vetters legend und ihn nach dem großen Saal ziehend.

Silvia war in ein Zimmer getreten, das mit den übrigen Gesellschaftsräumen in einer Reihe lag, aber selten von der Gesellschaft benutzt wurde, weil es sehr klein und in Folge dessen der freien Bewegung nicht günstig war; von den Hausfreunden wurde es wegen der rothen Tapeten und der rothen Ueberzüge der Möbel die rothe Grotte genannt. In der einen Ecke stand auf einer Säule die Statuette einer schönen Muse, in einer anderen eine antike Vase; von der Decke hing eine Ampel, deren mattes Licht den kleinen Raum nur eben schicklich erleuchtete.

Die Dämmerung und die verhältnißmäßige Stille thaten Silvia wohl. Sie wollte allein sein; sie wollte nichts mehr hören und sehen von dem Treiben, das ihr früher so reich, so entzückend erschienen war, und das sie jezt so inhaltslos, so lästig fand. Was sollte sie hier? Weshalb war sie hier? Wem nüßte sie hier? Besser noch als diese Existenz, die fortwährend, wie eine Fata morgana, eine reiche Küste spiegelt, welche man nie erreicht, die vollkommene Einsamteit; besser freilich ein Leben, in dem sich die thätigen Kräfte machtvoll entfalten, im feurigen Streben nach den höchsten

Bielen durchaus erproben können. sterben, ohne gelebt zu haben Elend?

Leben, ohne zu leben,

giebt es ein größeres

Und Silvia ergriff mit beiden Händen die Platte des kleinen Marmortisches, der vor ihr stand, und rüttelte daran und legte dann, wie voll Scham über ein so kindisches Beginnen, ihre heiße Stirn auf den kalten Stein.

Sie mochte einige Minuten in dieser Stellung verharrt haben, als sie durch das Rascheln der Ringe der Portiere aus ihrem schmerzlichen Träumen aufgeschreckt wurde. Den Kopf schnell emporrichtend, sah sie eine schlanke, dunkle Gestalt, die einen Augenblick, den Vorhang mit der Hand zurlickschiebend, in der Oeffnung stehen blieb und dann rasch an sie herantrat.

Ein sonderbares Erschrecken, wie sie es noch nie empfunden, überfiel Silvia. Ihre erste Regung war, zu fliehen; ihre zweite, mit sich selbst zu zürnen, daß sie sich so hatte erschrecken lassen.

Ich suche Dich schon lange, sagte Leo, aber Du warst stets so umlagert, daß ich nicht bis zu Dir durchdringen fonnte. Deine Hand zittert, ich habe Dich durch mein plößliches Kommen erschreckt; darf ich mich etwas zu Dir sezen?

Leo rückte einen der Lehnstühle heran und nahm Silvia gegenüber an dem Marmortischchen Plaz.

Ich freue mich recht, Dich wiederzusehen, fuhr er fort, ohne Silvia Zeit zur Antwort zu lassen, und freue mich, Dich fast ebenso wiederzufinden, wie ich Dich verlassen habe und Du noch in meiner Erinnerung lebst. Du bist noch größer geworden, sonst hast Du Dich, däucht mir, wenig verändert.

Leo's Worte waren freundlich, aber der Ton, in welchem er sie sprach, hatte für Silvia's feines Ohr einen falten, gleichgiltigen Klang, der sie mehr als Alles an ihr früheres Verhältniß zu ihrem Vetter erinnerte. Sie zog ihre Hand zurück und sagte in Bezug auf Leo's lette Worte:

Das ist eben kein Compliment

Es sollte keins sein; aber weshalb ist es keins? erwies derte Leo.

Sich in sechs oder sieben Jahren nicht verändert haben, heißt: während dieser Zeit nichts erlebt haben; heißt: ges blieben sein, was man war; in diesem Falle, ein unbedeutendes, ungeschicktes Mädchen ohne Bildung und ohne Welt.

Silvia machte eine Bewegung, als habe die Unterredung nun lange genug gedauert, oder als wünschte sie wenigstens, dieselbe nicht hier, in dieser Abgeschiedenheit von der übrigen Gesellschaft, fortzuseßen; aber Leo schien ihre Ungeduld nicht zu bemerken und erwiederte ruhig:

Geblieben zu sein, was man war, wenn man etwas Tüchtiges war, halte ich für kein Unglück, und ein unbedeutendes, ungeschicktes Mädchen bist Du nie gewesen.

Woher weißt Du das? antwortete Silvia. Du hast Dich nie um mich bekümmert; ich glaubte, Du wüßtest kaum noch, daß ich überhaupt vorhanden gewesen bin.

Wir erleben Vieles, was uns in dem Augenblicke, in welchem wir es erleben, sehr gleichgiltig erscheint, das uns aber später von der größten Bedeutung wird. Solltest Du diese Erfahrung nicht selbst gemacht haben?

O gewiß! aber es würde mich äußerst wundern, wenn Du sie in Beziehung auf mich gemacht hättest.

Wenigstens habe ich öfter an Dich gedacht, als Du wohl glauben magst; ja, ich kann sagen, daß Du in meinem Seelenleben eine Rolle spielst.

Und was für eine Rolle wäre dies?

Eine, deren Du Dich nicht zu schämen brauchst. Ich habe in meinem Leben sehr, sehr wenig Menschen gefunden, die das ganz entschiedene Streben hatten, sich über den ge= wöhnlichen Troß, der sich auf der breiten Heerstraße einhertreibt, zu erheben. Diese wenigen Menschen sind mir immer ein Trost und ein Sporn gewesen, wenn die Trägheit und Dummheit der großen Heerde mich zur Verzweiflung brachte; Du gehört zu diesen wenigen Menschen.

Ich?

Ja, Du.

Silvia zeigte keine Ungeduld mehr, die Unterredung abzubrechen. Sie hatte den Kopf in die Hand gestüßt und schaute Leo zum ersten Male während dieser Unterredung voll in das Gesicht. Und wieder erstaunte sie, wie vorhin, über die Herbheit und Strenge der schönen Züge und über die stetige Ruhe der dunklen, glänzenden Augen.

Du möchtest Recht haben, sagte sie langsam; ich ers sticke hier.

Leo lächelte.

Die Luft in jenen Salons könnte etwas weniger drückend sein, erwiederte er mit einer Bewegung des Kopfes nach den Zimmern nebenan, aus denen der Lärm der Gesellschaft ertönte. Kleine Menschen mit kleinen Ansichten und Gesinnungen! Welch breites Feld von Gemeinplägen habe ich heute Abend schon durchwandern müssen! Es wird einige Anstrengung kosten, bevor man sich da acclimatisirt.

Warum bist Du überhaupt zurückgekommen?

Weil der Prophet nichts in seinem Vaterlande gilt, und doch nur von seinem Vaterlande aus auf die Welt wirken kann.

So sprichst Du Dir wirklich die Mission eines Propheten zu? fragte Silvia mit sonderbarem Eifer. Ich erinnere mich, daß ich das vor langen Jahren von Dir behauptet habe und deßhalb von dem Vater und der Tante sehr ausgescholten worden bin. Da freut es mich, zu hören, daß ich doch Recht hatte. Und worin besteht Deine Prophetie? Was lehrst Du?

Du hast nach Frauenart das Bild für die Sache ge= nommen, erwiederte Leo; ich wollte nur sagen, daß man das Wenige, das man zu wirken berufen ist, allein im Vaterlande zu wirken vermag, wie man auch nur in seiner Muttersprache wahrhaft denken, sprechen und schreiben kann. Und dann ist Deutschland troß alledem das einzige Land für die Freiheit, die ich meine. Ich kenne England und Frankreich, ich war auch drüben in Nordamerika. Die Freiheit,

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