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Ein paar Augenblicke herrschte Stille in dem dämmerigen Gemach, dann sagte Doctor Paulus:

Das hoffte ich. Sie werden manche schwere Stunde durchzumachen haben. Ich, der ich, von armen jüdischen Eltern geboren, eine armselige, freudlose Jugend durchgemacht habe, weiß, was es heißt, sich seinen Weg durch das Leben über tausend und tausend Hindernisse bahnen zu müssen. Ich weiß, was es heißt, nichts auf der Welt sein zu nennen, als die Liebe zur Wahrheit, den Glauben an sich selbst, und die Hoffnung, daß der Messias, ich meine die Erlösung aus der Knechtschaft, kommen wird dennoch sage ich: Es ist besser so! Kein Glück der Erde kann sich auch nur entfernt mit der Seligkeit vergleichen, die darin besteht, daß man mit sich selbst übereinstimmt. Das ist das Eine, was noththut; alles Andere ist im Vergleich dazu mehr oder wes niger irrelevant. Glückauf also, mein lieber junger Freund! Glückauf aus der Dämmerung des Zweifels zu dem hellen Licht der Selbsterkenntniß!

Walter hatte sich erhoben und war ein paarmal auf und ab gegangen; jest nahm er wieder neben dem Doctor Plaß und sagte:

Verzeihen Sie, wenn mich das Licht, das Sie auf meinen Lebenspfad werfen, für den Augenblick blendet. Was hinter mir liegt, das sehe ich deutlicher, als ich es bis jezt vermochte; aber wie nun weiter? Wo hinaus führt der neue Weg, auf den Sie mich hinweisen?

Mißverstehen Sie mich nicht, mein junger Freund, erwiederte Doctor Paulus. Ich rathe Ihnen keineswegs, die Werkzeuge, deren Sie sich bis heute bedienten, ohne weiteres wegzuwerfen. Weiß ich doch gar nicht, wie weit Sie es noch in der geschickten Handhabung derselben bringen können, und ob Sie, gerade Sie, nicht berufen sind, die alten Formen mit einem neuen Inhalt zu beleben, vielleicht die Formen selbst zu erweitern? Dichten Sie immer fort! Aber erschrecken Sie nicht, wenn Sie eines Tages die Entdeckung machen, daß Sie als Dichter nicht ganz sein können, was Spielhagen, In Reih' und Glied. L

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Sie sein müssen. Und was Sie außerdem sein können! Ein Mann der That, ein Reformer, vielleicht ein Revolutionär ein Mann, der von der Rednerbühne laut verkündet, was er in seinem Pult verschlossen halten mußte, ein Mann, der sich nicht länger müht, in der Fata Morgana seiner Dichtungen Zauberpaläste zu spiegeln, sondern der das staubige Schurzfell um die Hüften bindet und mit Hammer und Kelle an dem Hause baut, in welchem freie Menschen neben freien Menschen wohnen werden. Und nun muß ich Sie verlassen, troßdem ich noch gern über so Manches, vor Allem über Ihren Vetter gesprochen hätte. Ich habe in einer Vorstadtkneipe ein Rendezvous mit Rehbein und mit anderen Keßern. Sie sollen mir über die freien Gemeinden, deren Angelegenheit nächstens in der Kammer zur Sprache kommen wird, Auskunft geben; hernach ist eine Parteiversammlung bei Sonnenstein, zu der auch Ihr Vetter kommen wird. Leben Sie wohl! Auf baldiges Wiedersehen!

Doctor Paulus war gegangen. In das dunkle Zimmer warf das Licht der Gaslaterne auf der Straße einen matten Schein. Walter blieb noch lange, in Gedanken verloren, fizen. Ja, ja, jagte er endlich laut, er hat Recht. Es ist eine Fata Morgana, es ist nicht das Lezte, das Höchsterrungene! Leo wird es erringen; er ist auf dem rechten Wege. Wem fällt es ein, mich zu jener VersammInng einzuladen? Aber Leo wird da sein; das versteht sich von selbst. Ihm öffnen sich alle Thüren und alle Herzen, sagt Emma Sonnenstein. Nun wahrlich, ich freue mich seines Erfolges; aber ganz ruhmlos möchte ich doch auch nicht zum Hades hinabgehen.

Frau Rehbein brachte die angezündete Lampe herein und einen offenen Zettel, der eben abgegeben worden war. Der Zettel war von Leo und enthielt die Bitte an Walter, um zehn Uhr in einem bestimmten Weinhause mit ihm zus sammenzutreffen.

Es war heute der Abend beim Freiherrn, aber Walter

fühlte sich nicht in gesellschaftlicher Stimmung. Die Gedanken, die in ihm angeregt waren, wühlten fort und fort. Leo's Einladung fam ihm gerade recht.

Frau Rehbein war bereits an der Thür, als sie sich wieder umwandte und Walter mit einem ängstlich fragenden Blick ansah.

Haben Sie noch etwas, liebe Frau Rehbein? fragte Walter.

Ach ja; sagte Frau Rehbein, mit beiden Händen verlegen an ihrer Schürze zupfend; aber Sie müssen es mir nicht übel nehmen.

Habe ich das während der sieben Jahre, die ich bei Ihnen wohne, jemals gethan?

Ach nein, im Gegentheil; aber Sie haben mir auch nach den ersten vierundzwanzig Stunden gesagt, daß es Ihnen bei uns gefällt, und Ihr Herr Vetter wohnt nun bereits fünf Wochen hier, und ich weiß noch immer nicht einmal, ob er gut in seinem Bette schläft.

Vortrefflich, liebe Frau Rehbein, gewiß vortrefflich! obs gleich er sich, offen gestanden, noch nicht darüber ausges sprochen hat.

Noch nicht ausgesprochen, auch Ihnen gegenüber nicht? sagte Frau Rehbein seufzend.

Darüber nicht, und über manches Andere nicht, was

mir mindestens ebenso interessant ist!

Frau Rehbein verließ kopfschüttelnd das Zimmer; Walter sezte sich wieder an seine Arbeit.

Neununddreißigstes Capitel.

Walter lebte so zurückgezogen, daß er das von der vornehmen jungen Männerwelt sehr besuchte Restaurant, in

welchem er zur festgesetten Stunde pünktlich eintraf, nicht einmal vom Hörensagen kannte. Er war deshalb über die strahlenden Kronleuchter, die kostbaren Teppiche, die Marmorkamine, die Wandgemälde und die übrige kostbare Ausstattung der vielen und schönen Räume einigermaßen erstaunt, und nicht viel weniger darüber, daß ihm sein demokratischer Vetter gerade dieses Lokal zum Rendezvous bestimmt hatte. Indessen Leo, der ja so fremd in der Stadt war, mochte den Ort ebensowenig gekannt haben, und übrigens war der Ort ja auch gleichgiltig. So sezte sich denn Walter in einem der Säle, der noch am leersten schien, an einen der vielen Tische, bestellte bei dem Kellner, der ihn über die Achsel ansah, eine halbe Flasche Wein und etwas zu essen, und hoffte, daß Leo ihn nicht lange in Gesellschaft der Diana im Bade auf einem großen Bilde ihm gerade gegenüber und der vier oder fünf Herren, welche an dem andern Ende des Gemaches um einen runden Tisch saßen nnd Champagner tranken, allein lassen werde.

Aber Leo ließ lange auf sich warten, und Walter hatte überreichlich Zeit, sich über die badende Diana und die champagnertrinkende Gruppe ein Urtheil zu bilden. Die Diana war eine mittelmäßige Copie nach einem alten Meister, und die jungen Herren schienen auch gerade keine Originale zu sein - flache, unbedeutende, vom Wein geröthete Gesichter, ganz in Harmonie mit der Unterhaltung, die sich wesentlich um Pferde, Hunde und die Geheimnisse der Theaterwelt, insonderheit des Ballets drehte. Walter konnte nicht umhin, einen Theil dieses Klatsches mit anzuhören, denn man sprach, wenn auch nicht eben eifrig, doch ziemlich laut.

So verfloß eine halbe Stunde, die Walter sehr lang vorkam, und er begann bereits über Leo's Unpünktlichkeit ungeduldig zu werden, als das Eintreten eines neuen Gastes, der sich zu der Gruppe am Tische gesellte, seine Aufmerksamkeit von neuem und ernstlicher als vorher erregte.

Es war ein schlanker Mann in Mittelgröße, von etwa dreißig Jahren, mit einem Gesichte, das Walter seltsamer

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weise ganz bekannt vorkam, troßdem er sich sogleich sagen mußte, er könne es nie zuvor gesehen haben, denn sein physiognomisches Gedächtniß war sehr gut, und das Gesicht war so merkwürdig, daß es wohl Niemand, der es auch nur einmal gesehen, so leicht vergessen hätte. Das reiche Haar, der lodige Schnurrbart, die geistvollen Züge, die etwas dunkle Farbe der Haut, die schöne Form des Kopfes das Alles stimmte zusammen, als wäre es ein Porträt von Van Dyk. Besonders frappirten Walter die großen braunen, glänzenden Augen, die, als der Fremde an ihm vorüber schritt, mit einer flüchtigen Neugier auf ihn gerichtet gewesen waren. Die Kleidung des Mannes war elegant, aber sehr bequem, ge= rade so wie seine Haltung, sein Gang und seine Manieren.

Einen hohen Rang in der Gesellschaft, die hier verkehrte, konnte er nicht einnehmen; denn Walter bemerkte, wie die Herren am Tische ihn nur mit nachlässigem Kopfnicken empfingen, während sie es bei einigen anderen Ankömmlingen an ceremoniösen Verbeugungen nicht hatten fehlen lassen. Sobald er unter den jungen Herren denn sie waren fast alle jünger als er Platz genommen, nahm die Unterhaltung einen lebhafteren Gang, und meistens trug er die Kosten derselben allein. Er mußte unerschöpflich_an_Geschichten und Anekdoten sein, die er mit leiser Stimme vortrug, und deren Charakter man aus der gespannten Aufmerksamkeit seiner Hörer und aus dem Gelächter, das regelmäßig folgte, abnehmen konnte. Dann pflegte er ein Glas Champagner hinunterzugießen und sich mit einer schnellen Bewegung nach rechts oder links zu wenden, und auf einen andern Gegenstand überzuspringen, als ob es sich nicht der Mühe verlohne, bei dem eben verhandelten noch länger zu verweilen. In diesem Hinüber und Herüber, in diesem Heben und Senken der Stimme, in diesem überreichen Spiel der Geberden und Mienen lag eine Effecthascherei, die Walter um so unangenehmer berührte, je lebhafter ihn anfänglich die ausgezeichnete Schönheit des Mannes überrascht hatte. Zulett wendete er sich mit Widerwillen von einem Schauspiel ab,

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