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Auch der Geck vorhin glaubte an sich selbst, an sein Geistreichsein, an seine Unwiderstehlichkeit. Was hilft der Glaube an uns selbst, wenn wir die Menschen nicht haben, mit denen wir unsere Jdee in's Werk setzen? Was bringen jene Manchaner denn fertig? Was wird es sein, was sie in London einmal wieder aushecken? Irgend eine eclatante Dummheit, die ihnen den Helm des Mambrinus noch tiefer auf die tollen Schädel drückt!

Du bist der Edelste unter ihnen! Du wärest eines bes seren Looses werth! Aber der Fanatismus hat auch Dich hohl gebrannt. Du hast nichts vergessen, aber Du hast auch nichts gelernt; hast nicht gelernt, daß, wer den Zweck will, auch die Mittel wollen muß. Wie lange wird es dauern, und auch wir werden aufgehört haben, uns zu verstehen! Es ist nicht meine Schuld. Wer nicht für mich ist, ist wider mich.

Er nahm den Brief wieder zur Hand. An dem Rande standen noch ein paar Zeilen.

"Ich vergaß, als wir schieden, Dir den Namen von Eva's Onkel zu sagen, bei dem sie sich, so viel ich weiß, noch befindet. Der Mann heißt Lippert und ist, glaube ich, Castellan oder etwas derart im Schlosse des Prinzen. Du thuft mir die Liebe und siehst Dich nach dem Mädchen um. Ihr seid ja alte Bekannte".

Das trifft sich sonderbar, sagte Leo; wenn ich abergläubisch wäre, könnte mich das fast stußig machen.

Er lachte; es war kein heiteres Lachen. Von dem Thurme der nahen Kirche schlug es zwei Uhr. Es fing Leo an zu frösteln; er fühlte sich ermattet, seine Schläfen schmerzten ihn.

Er zählte die Schläge seines Pulses.

Kein Wunder, murmelte er, wie kann man, wenn man so fiebert, an sich selbst glauben!

Einundvierzigßtes Capitel.

Das Palais des Prinzen unterschied sich in seiner Façade nicht eben von den Minister- und Gesandtschaftshotels, deren eine ganze Anzahl in demselben stillen Quartier lag. Ein großes, massives Hauptgebäude im zopfigen Geschmack der ersten Jahre des vorigen Jahrhunderts, von zwei Seitengebäuden, die ihre Giebel nach der Straße richteten, flankirt; die offene Seite des so gebildeten Hofes mit einer Colonnade geschlossen, zwischen deren plumpen Säulen plumpe Statuengruppen aus Sandstein in allerlei wunderlichen Stellungen ihre ungeschlachten Glieder verrenkten; in der Mitte des düsteren Hofes auf einer Säule von polirtem Granit ein colossaler vergoldeter Adler mit weit ausgespannten Flügeln offenbar ein Werk aus neuester Zeit und in seiner glänzenden Neuheit mit der grauen Umgebung seltsam contrastirend das war so ziemlich Alles, was das prinzliche Palais dem Auge des Vorübergehenden darbot.

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Nichtsdestoweniger war es in den Sehenswürdigkeiten der Residenz aufgeführt und wurde auch hin und wieder von durchreisenden Fremden und von einheimischen Künstlern und Kunstliebhabern besucht, denn es enthielt einige werthvolle Sammlungen von Münzen und geschnittenen Steinen und eine Galerie von Gemälden, zumeist älterer Meister, die von Kennern sehr gepriesen wurde.

An der Thür des linken Flügels war eine Klingel angebracht, dazu ein kleines Schild, auf welchem die Worte: 3um Castellan" zu lesen waren.

"

Vor dieser Thür stand einige Tage später in der Mittagsstunde Leo. Er war im Begriff zu klingeln, als die Thür von innen geöffnet wurde und ein Officier heraustrat, in welchem Leo den General von Tuchheim erkannte. Der General schlug den Kragen seines Mantels in die Höhe und schritt, Leo's nicht achtend, nach einem Wagen, der in

einiger Entfernung an der Ecke der Straße hielt. Der Jäger öffnete den Schlag, der General stieg ein, und der Wagen rollte schnell davon.

Er ist alt geworden, dachte Leo, sehr alt! Wie lange ist das nun her? Neun Jahre etwa! Und ein schlimmer Tag war's, an dem ich dies kluge, kalte Gesicht sah! Oft hab' ich es seitdem gesehen, wenn ich im Traum wieder durch den Wald fliehe wie in jener Nacht und sie hinter mir her sind mit Halloh und Hussa voran der Prinz auf dem schwarzen Pony und jener alte Mann auf einem hochbeinis gen weißen Gerippe! Es ist kein gutes Omen, daß er mir hier auf der Schwelle begegnet!

Der General hatte beim Herausgehen die Thür aufgelassen, als er Jemanden unmittelbar davor stehen sah; Leo brauchte nur eben in's Haus zu treten.

Auf dem hohen, geräumigen Flur fand er Niemand, an den er sich hätte wenden können; aber an einer Thür rechts trug ein Schild wiederum die Aufschrift: „Zum Castellan“. An diese Thür pochte er; er öffnete sie zögernd, als auf sein mehrmaliges Klopfen keine Antwort erfolgte.

In der einen der beiden tiefen Fensternischen des niedri= gen, aber sehr weiten Gemaches saß eine Frau vor einem Nähtischchen. Sie hatte das Gesicht in die Hände gedrückt und war so in sich versunken, daß sie den Schritt Leo's nicht hörte, bis dieser fast unmittelbar vor ihr stand. Dann erst fuhr sie mit einem leisen Schreckensruf jäh in die Höhe, und ihre erste Bewegung war, von ihrem gutmüthigen Gesicht, das einst recht schön gewesen sein mochte, die Spuren der reichlichen Thränen zu vertilgen, die sie soeben geweint hatte. Sie fragte mit leiser, schüchterner Stimme, was dem Herrn zu Diensten stehe?

Leo erwiederte, daß er gekommen sei, die Kunstsammlungen des Schlosses zu sehen. Die Verwirrung der Frau steigerte sich, als Leo sein Gesuch vorbrachte; sie murmelte, daß ihr Mann, der sonst die Fremden herumzuführen habe, ausgegangen und sie selbst in diesem Augenblicke nicht gut ab=

kommen könne. Leo sagte, daß er zu gelegenerer Zeit wiederkommen wolle, und war schon im Begriff, sich zu ents fernen, als durch eine Thür, welche in die anderen Wohnungsräume führte und, wie es schien, nur angelehnt gewesen war, eine Frauengestalt rasch hereintrat, die, als ob der unerwartete Anblick des Fremden sie erschrecke, mit einem gut ge= spielten Erstaunen zurückprallte.

Ach, Verzeihung! sagte sie, ich glaubte, die Tante sei allein; und sie wollte sich mit einer Verbeugung entfernen. Der Herr möchte das Schloß sehen, Eve, sagte die Frau, der Vater ist ausgegangen; ich

Vielleicht vertraut sich der Herr meiner Führung an, unterbrach Eve die Tante; ich kann freilich nicht viel mehr, als die Thüren aufschließen wenn der Herr damit zu

frieden ist.

Leo beeilte sich, zu versichern, daß er damit vollkommen zufrieden sei, daß er es aber nicht verantworten könne, das Fräulein von jedenfalls interessanteren Beschäftigungen abzuhalten.

Die Tante schien unzufrieden und ängstlich. Sie flüsterte mit Eve, und es verging noch einige Zeit, bis diese, die Schlüssel in der Hand, an Leo's Seite durch den langen Corridor schritt, der, den Flügel in seiner ganzen Länge durchschneidend, nach dem Hauptgebäude führte.

Leo hatte unterdessen Zeit gehabt, von seinem Erstaunen zurückzukommen; er würde Eve, wäre er nicht vorbereitet ge= wesen, schwerlich wieder erkannt haben. Das Bauernmädchen hatte sich in eine Dame verwandelt, deren einfache, elegante Toilette einen nicht gewöhnlichen Geschmack bekundete. Ihre Sprache, ihre Haltung, ihre Manieren trugen den Stempel einer Bildung, deren Echtheit nur sehr feinen Ohren und Augen zweifelhaft sein mochte. Auch schien sie Leo größer und schlanker und troßdem in ihren Formen noch voller und üppiger als sonst ja, er mußte sich sagen, als sie jezt vor ihm her ein paar Stufen hinaufschritt, daß er selten eine Gestalt gesehen habe, in welcher sich Kraft und Weich

heit so harmonisch mischten. Aus ihrem Gesicht war das Bäuerischrohe vollständig verschwunden, obgleich ihre grauen Augen einen Glanz hatten und auf ihren Wangen eine Frische lag, die den Städterinnen nicht eigen zu sein pflegt. Das überaus reiche, sehr dunkle Haar, das sonst in ein paar unschöne Zöpfe geflochten war, umgab jest in einer modischen kleidsamen Frisur den wohlgeformten Kopf, und Leo fiel das Wort Ferdinand's von der schönen Bacchantin ein, die jener nackt den Panthern vorwerfen wollte.

Sie haben keinen besonders günstigen Tag gewählt, mein Herr, sagte Eve, während sie in dem ersten Saal, in welchen sie jetzt eingetreten waren, die Vorhänge von den hohen Fenstern aufzog; bei dem trüben Himmel werden die alten Bilder, die viel Licht brauchen, wenig Wirkung machen. Diese Gemälde stammen von Prinz Eduard, dem Großonkel Sr. Hoheit, der sie zum größten Theil selbst in Italien sammelte. Es sollen sich einige werthvolle Stücke aus dem fünfzehnten Jahrhundert darunter befinden. Diese Madonna mit dem Kinde wird von Einigen für ein Werk Rafael's gehalten, von Anderen wird es dem Bernardo Luini, einem Schüler Leonardo da Vinci's, zugeschrieben. Diese Kreuzabnahme ist von Gianantonio Razzi, genannt Il Sodoma

aber was fällt mir denn ein! rief sie, sich plötzlich mit einem koketten Lachen unterbrechend; da krame ich Ihnen meine Weisheit aus, und Sie werden ohne Zweifel von diesen Dingen mehr verstehen als ich, wozu, nebenbei gesagt, nicht viel gehört.

Ich bin nur ein Liebhaber, kein Kenner, sagte Leo, der sich ohne Ihre Güte schwerlich unter diesen alten Herrlichfeiten zurechtfinden würde, und Sie sind, wie ich sehe, in der Kunstgeschichte sehr bewandert.

Das lernt sich so, erwiederte Eve leichthin, ich habe ein gutes Gedächtniß für Namen, und vielleicht auch ein Auge für Zeichnung und Farbe. Früher bin ich oft mit Fremden durch diese Räume gewandert: jest komme ich nur selten hierher.

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