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eigentliche Unrecht hinein gerathen und könnte allerdings dann nur lieber gleich das Spiel verloren geben.

Mag sein, erwiederte Walter mit freundlichem Ernst; aber auch der eigenste Charakter, der noch so sehr mit sich selbst übereinstimmt, kann in Verlegenheit, zumal in Geldverlegenheit kommen, und wenn dieser Fall je bei Dir eintreten sollte, so bitte ich Dich um Eins: Wende Dich an Niemanden, als an mich! Ich selbst habe, um einer doch möglichen Katastrophe in meinem Leben beffer begegnen zu fönnen, Einiges zurückgelegt, und was ich nicht selbst besiße, kann ich mir zu jeder Zeit von guten Freunden verschaffen, ohne daß auch nur Dein Name dabei genannt wird. Wenn ich doch einmal aus Deines Herzens Rath verbannt sein soll, Leo, so versprich mir dies zum wenigsten! Das bist Du dem Blut, das in meinen Adern wie in Deinen fließt, das bist Du dem Andenken an unsere Jugend schuldig.

Leo hatte keine Zeit, etwas zu erwiedern, denn, von dem Jugendlichen, dem er auf dem Fuße folgte, angekündigt, trat Ferdinand in das Zimmer und begrüßte zu Walter's nicht geringem Erstaunen- erst Leo mit der Cordialität eines alten Bekannten, dann Walter mit seiner Höflichkeit in Haltung und Worten. Er habe Walter's Gesicht nicht vergessen und immer bedauert, daß er nicht schon an jenem Abend in der Weinstube seine persönliche Bekanntschaft gemacht. Er hoffe, daß ihm Walter Gelegenheit geben werde, das Versäumte nachzuholen.

Wir leben heutzutage zu schnell, sagte er, als daß man irgend etwas, es sei, was es sei, auf den morgenden Tag verschieben dürfte. Ach, diese Räume mahnen den, der fie kennt, mit sonderbar beredter Stummheit an die Flucht der Zeiten und die Vergänglichkeit aller irdischen Freuden! Es ist mir sehr lieb, Doctor, daß nicht ich an Ihrer Stelle hier zu wohnen habe; mich würden die Geister der Stunden, die ich hier verlebte, nicht schlafen lassen. Sie würden zu mir kommen in stiller Nacht. Da würde ich das verlockende Klingen von Goldstücken zu hören glauben, die von einer

Seite des Tisches auf die andere rouliren; da würde sich mir die Luft anfüllen mit den feinsten Parfüms, wie mit magischen Wolken, und aus den magischen Wolken würden sie nach und nach hervortreten, die lieblichen, schönen Weiber mit den glänzenden Augen und den allzu nackten Schultern, und die braven Jungen, von denen mehr als Einer jenes sonderbare Spiel des Stirnmuskels über den Augenbrauen hat, das Hoffmann an seinem Don Juan bemerkte; und ach, zulezt würde er selbst kommen, Mr. le Marquis, dieser aus der Sündfluth so vieler Revolutionen gerettete echte Brillant der Aristokratie mit den Facetten, wie sie nur in dem Faubourg St. Germain nach treu überlieferten Kunstregeln des ancien régime so fein geschliffen werden. Pauvre homme! Was konnte er dafür, daß Messieurs les Marquis, seine Ahnen, bei den Festen von Trianon und den Orgien des Palais Royal so wenig an ihre Nachkommenschaft ge= dacht hatten und in Folge dessen auf den Lezten des Hauses nur ein Minimum des Familienmarkes gekommen ist! Die unbeschreibliche Anmuth, mit der er sich ruinirte, war doch sein eigen, und sie wird ihn nicht verlassen, bis er den lezten Seufzer aus seiner müden, jungen Brust ausgehaucht hat.

Walter hatte, während Ferdinand so declamirte, seine Handschuhe angezogen; er war nicht gekommen, um geistreich zu schwagen oder schwagen zu hören; und dann klang hie und da in Ferdinand's Rede ein falscher, gemachter Ton mit an, der sein Ohr empfindlich beleidigte. Er nahm es seinem Better ernstlich übel, daß er seiner Gesellschaft den Umgang mit diesem Schwäßer vorziehe, und er empfahl sich mit einer kühlen Zurückhaltung, die bei ihm nicht eben häufig war.

Ich habe Ihren Herrn Vetter vertrieben, sagte Ferdinand, sobald Walter zur Thür hinaus war; sonderbar, wie schnell sich Verwandtes findet und entgegengesette Naturen einander abstoßen. Ihr Herr Better und ich, glaube ich, würden nie Freunde werden.

Das glaube ich ebenfalls, meinte Leo trocken.

Aber weshalb ich eigentlich gekommen bin, fuhr Ferdinand fort, ich wollte mir einen neuen Beweis Ihrer Freundschaft und Ihres Vertrauens erbitten, und dieser Beweis sollte darin bestehen, daß Sie mir die Frage erlauben, ob Sie vielleicht jezt, wo Sie gewiß ungewöhnlich viel Auslagen haben, baares Geld brauchen. Unsereiner braucht immer Geld, und Sie sind noch fremd hier und könnten leicht an die falsche Quelle gerathen. Geniren Sie sich nicht, ich habe in den letzten Tagen enormes Glück gehabt und weiß wirklich nicht, wo ich mit all' dem Zeug hin soll. Wollen Sie?

Ich danke, erwiederte Leo, Sie werden Ihren Ueberfluß schon wieder los werden, ich bin vorläufig reichlich versehen.

Das thut mir leid, sagte Ferdinand, denn ganz aufrichtig, ich hätte Sie mir gern verpflichtet und so von dem Dank, den ich Ihnen schulde, ein wenig abgetragen.

Dank? Und wofür Dank?

Für alles Mögliche! rief Ferdinand, für die schönen Stunden, die ich mit Ihnen verlebt, für die bessere Meinung, die Sie Even von mir beigebracht haben. Wem anders als Ihnen verdanke ich es, daß Eve jest gütiger und liebevoller gegen mich ist, als früher. Seitdem Sie des Abends ein paarmal dagewesen sind und vernünftig mit ihr ges sprochen haben, ist das Mädchen wie ausgetauscht. Sie schmollt nicht mehr, sie kokettirt nicht mehr, und gestern hat sie mir mit dem reizendsten Lächeln von der Welt die Hand gereicht und dabei gesagt: Laß uns Frieden schließen, Ferdinand, ich denke, wir gefallen ihm so besser; und dann hat fie mich mit einem Blick angesehen, daß es mir wunderbar durch alle Adern rieselte. O, mein Freund, jezt erst weiß ich, wie reizend dieses Mädchen ist! Sie ist hinreißend in ihrem tollen Uebermuth, ihrer unberechenbaren Launenhaftigkeit; aber mit dem sinnenden Ernst in den heißen Augen, auf den üppigen Lippen ist sie unwiderstehlich. Wer diesen

schönsten Busen sich nur einmal so ahnungsvoll hat heben und senken sehen, wie ich es gestern sah, als sie mit mir im halbdunklen Fenster flüsterte-der ist auf ewig verloren. Helfen Sie mir dies Weib gewinnen, und ich will Zeit meines Lebens Sclavendienste für Sie verrichten! Aber nun muß ich fort. Ich habe um sieben Uhr ein Rendezvous, das ich versäumen würde, wenn ich nicht das Bedürfniß hätte, diese insipiden Liaisons alle Knall und Fall abzubrechen. Treffen wir uns später vielleicht bei Tavolini?

Schwerlich, ich bin für den Abend anderweitig versagt.
Sie Vielumworbener! Nun denn, auf baldiges Wieder-

sehen!

Ferdinand war schon an der Thür, als Leo plöglich fagte:

Apropos, Herr Doctor! Ich habe noch immer den Brief.
Welchen Brief?

Den von neulich.

Ach so! Behalten Sie ihn nur. Ich mag ihn nicht wieder haben; jezt zum wenigsten nicht, wo ich mit Eve so gut stehe. Adieu! Adieu!

Und Ferdinand eilte davon.

Leo ging in sein Schlafzimmer, sich umzukleiden.

Es ist nothwendig, murmelte er. Es muß ihnen der legte Vorwand genommen werden, und dieser Brief wirft alle ihre feinen Argumente über den Haufen. Vielleicht bedarf es, wenn sie zur rechten Zeit Vernunft annehmen, gar nicht einmal, daß ich diesen Lippert opfere. Und wenn es nöthig wäre? Nun denn, so fliegt bei einer Explosion, die eine mächtige Bresche in den Wall des Feindes reißt, ein Narr mit in die Luft. Er ist ein Narr und nicht einmal ein amüsanter. Ich kann es Eve nicht verdenken, daß sie ihn nicht will, obgleich sie wahrlich nicht besser ist, als er. Nicht besser, aber flüger, und doch nicht klug genug.

Leo entließ den Jugendlichen für heute seines Dienstes und machte sich auf den Weg zu dem Bankier Sonnenstein,

der ihn hatte bitten lassen, ihn heute Abend zu einer vers traulichen Unterredung zu besuchen.

Fünfundvierzigftes Capitel.

Leo hatte nicht weit zu gehen, denn das Haus Sonnenstein's lag in derselben Straße, deren ganz besondere Zier und vorzüglicher Schmuck es, wenigstens in den Augen des Besizers, war. Andere wollten den Geschmack nicht ganz loben und tadelten besonders die Ueberladung mit Ornamenten. Wie dem auch sein mochte, das gewaltige Haus machte einen stattlichen Eindruck, besonders jezt in der trüben Dämmerung eines hereinbrechenden Winterabends, wo der frischgefallene Schnee jede vorspringende Kante und Verzierung von der grauen Hauptmasse abhob. Gerade als Leo die Portierglocke zog, kam eine glänzende Equipage schnell die Rampe heraufgefahren, und Emma stieg aus. Sie traf mit Leo noch in der Thür zusammen.

Ach, das ist charmant, rief die junge Dame, das trifft sich herrlich! Ich habe doch einen wahrhaft divinatorischen Geist. In dem reizendsten tête-à-tête mit einer Busenfreundin ließ es mir keine Ruhe; ich ahnte, daß Sie kommen würden; ich habe sehr, sehr nothwendig mit Ihnen zu sprechen.

Leo verbeugte sich, konnte aber nicht leugnen, daß er nicht der Tochter, sondern des Vaters wegen, der ihn erwarte, gekommen sei.

Die bösen, bösen Männer! rief Emma; gewiß soll wieder politisirt werden, aber hernach erwarte ich Sie bestimmt. Ich muß um acht Uhr in's Concert; wenn Sie so lange bleiben, kann ich Ihnen noch Jemand vorstellen, der Sie interessiren wird.

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