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theils als Hypothek auf die Fabrikgrundstücke im Anfang eine reine Formsache gewesen, bis ihm allmälig über die sehr ernste Bedeutung dieses Factums die Augen aufgegangen find.

Das war doch das Mindeste, was ich zu meiner, zu des Geschäftes Sicherheit thun konnte! rief der Bankier.

Ich behaupte nicht das Gegentheil, erwiederte Leo, aber aus der dem Freiherrn so spät gewordenen Einsicht, die jeder Andere von vornherein gehabt hätte, nämlich: daß Sie die Situation von Anfang an beherrschten, ist sein Mißtrauen entsprungen und erhält ohne Zweifel aus derselben Quelle fortwährend Nahrung. Er ist über den Stand des Geschäftes im Unklaren, weil er nicht zahlt, und er zahlt nicht, weil er im Unklaren ist. Das ist, so viel ich sehen kann, der circulus vitiosus, in welchem sich der Freiherr seit vier Jahren bewegt und aus dem er schwerlich herauszubringen sein wird.

Aber er muß heraus, rief der Bankier hißig, er muß heraus, oder er muß aus dem Geschäft, und Sie, lieber Freund, Sie müssen ihn herausbringen.

Aus dem Geschäft? fragte Leo lächelnd.

Nun, vorläufig aus den unsinnigen Einbildungen, die er sich in den Kopf gesezt hat. Ich wiederhole es, Sie find meine lezte Hoffnung. Ich weiß durch meine Tochter, daß der Freiherr die größten Stücke auf Sie hält; daß er sich über die Seltenheit Ihrer Besuche bitter beklagt, daß er Ihre Talente, Ihre Kenntnisse, besonders Ihre Einsicht in volkswirthschaftlichen Dingen höchlichst preist.

Das Lettere sollte mir bei Ihnen nicht zur Empfehlung dienen, warf Leo ein; Sie wissen, daß unsere Ansichten auf diesem Felde über sehr viele und sehr wichtige Punkte bes deutend auseinander gehen.

Ah bah! sagte der Bankier, das sind theoretische Wortgefechte; in der Praxis sieht das Alles ganz anders aus, und hier handelt es sich um einen rein praktischen Fall, an dem gar nichts zu drehen und zu deuteln ist.

Leo war im Grunde nicht abgeneigt, die ihm anvertraute schwierige Mission zu übernehmen. Er zweifelte nicht, daß in diesem Falle, wie in den meisten Fällen der Art, auf beiden Seiten Uebergriffe und Ungehörigkeiten vorgekommen sein würden; jedenfalls mußte sein Einfluß hier wie dort steigen, und die Kunde von dem ehrenvollen Amte eines Vermittlers, das ihm in einer so wichtigen Angelegenheit geworden war, sein Ansehen bei der Partei und selbst bei dem Publikum das dergleichen immer erfährt - vermehren oder gründen. Außerdem und das war das Wichtigste - erlangte er so das Recht, von dem Bankier einen Gegendienst zu fordern. Erst in Sonnenstein's Händen gewann der Brief des Prinzen die rechte Bedeutung, das rechte Gewicht.

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Während er dies bei sich überlegte, drang der Bankier mit tausend Gründen in ihn, alle Bedenken fahren zu lassen. Einsicht in die Bücher, so weit sie ihm zur besonderen Information nöthig scheine, verstehe sich von selbst; überhaupt sei er zu jeder Auskunft bereit; er könne es bei Groschen und Pfennig nachweisen, daß der Freiherr sich gröblich irre, wenn er glaube, daß die Verluste, welche die Firma inzwischen auf sein Conto übernommen habe, bereits gedeckt seien. Dann kam er wieder darauf zurück, daß Leo der einzige schickliche Vermittler sei. Alfred habe nicht den rechten Sinn für Geschäfte, sei zu sehr der glänzende Cavalier; Henri, der übrigens dem Onkel vollkommen Recht gebe, stehe mit dem Vater auf einem zu schlechten Fuße; er selbst habe früher wiederholt versucht, dem Freiherrn das Sachverhältniß darzulegen, aber es sei unmöglich gewesen.

Wie wollen Sie Geschäfte abmachen mit einem Manne, der die Person nicht von der Sache zu trennen weiß? der mir seine Ahnen vorrückt, wenn er sich verrechnet hat? und seinen unbescholtenen Namen, wenn er nicht zahlen will? Was thu' ich mit der Unbescholtenheit? Warum hat sich mein Großvater taufen lassen, wenn ich noch immer der Jude bin, der dem vornehmen Herrn das Blut aussaugt?

Warum hat der König meinem Vater den Adel gegeben, wenn mein Wort nicht gelten soll, wie eines anderen Edelmannes Wort? Warum hat man mir die Tochter an= trauen lassen, wenn die Schwägerschaft nur so lange dauert, als ich geduldig alle Grobheiten einstecke, mit denen man mir mein gutes Geld verzinst?

Die schwarzen Augen des Bankiers funkelten unter den buschigen Augenbrauen, und seine zarte, schlanke Gestalt bebte. Es war das erste Mal während dieser Unterredung, daß die verhaltene Leidenschaft des Mannes blißgleich hervortrat, und schnell wie ein Bliß war sie auch wieder verschwunden.

Mit Ihnen ist das anders, fuhr er, sich zum Lächeln zwingend, fort. Sie sind ein Mann der Wissenschaft - da gilt Jeder so viel, als er werth ist. Ueberdies haben Sie beneidenswerth starke Nerven und lassen sich nicht imponiren durch Blicke von oben herab. Sie müssen mir helfen, ich kann nicht offen brechen mit meinem Schwager; damit würde aller Vortheil der Verschwägerung mit den Tuchheims zum Kutuk sein. Die alten Geschlechter hangen an einander wie die Kletten, und wenn der Freiherr auch jest politisch ein wenig anrüchig ist - wehe mir, wenn ich es wagte, ihm die Hüfte zu rühren! Der Adel, der Adel, lieber Freund! Sie wissen nicht, was das bedeutet!

Vielleicht doch, erwiederte Leo; man sammelt das so am Wege auf, wenn man die Augen nicht verschließt. So finde ich zum Beispiel diesen Brief aus der Feder eines höchst Adeligen sehr lehrreich. Kennen Sie die Handschrift?

Und er breitete den Brief, den ihm Ferdinand gegeben, vor dem Bankier aus.

Herr von Sonnenstein hatte nur einen Blick darauf ge= worfen, als er im höchsten Erstaunen ausrief:

Wie kommen Sie dazu?

Sie kennen also die Handschrift? wiederholte Leo.

Nun natürlich! rief der Bankier; ich habe sie wiederholt gesehen; der alte General von Schnabelsdorf, dessen Ange

legenheiten ich besorge und zu dem ich häufig komme, hat mindestens ein Dugend eigenhändiger Briefe von ihm. Aber wie um Alles in der Welt

Lesen Sie! sagte Leo.

Der Bankier nahm seine Lorgnette wieder vor die Augen und begann, unterbrach sich aber alsbald und rief mit dem Ausdruck fast des Schreckens:

Das ist ja offenbar an den Fürsten von
Lesen Sie! sagte Leo.

Der Bankier kam nicht schnell mit der Lectüre zu Ende; als er nach einiger Zeit das Blatt auf den Tisch sinken ließ, trug sein Gesicht den Stempel äußerster Rathlosigkeit. Das ist unerhört, sagte er.

Durchaus nicht, erwiederte Leo, wenn Sie und Ihre Freunde nur hätten hören wollen - ich habe es Ihnen schon vor Wochen gesagt.

Das beste Einvernehmen mit dem Erzfeind aller europäischen Freiheit, dem alten schlauen Intriguanten; der offenste Hohn aller Constitutionen, cynischer Spott, sobald er auf die Bestrebungen der liberalen Parteien zu sprechen kommt es ist unglaublich! Aber um Gottes Willen, Doctor, von wem haben Sie dies? Und Herr von Sonnenstein legte seine zitternde Hand auf Leo's Arm.

Leider ist es nur das Brouillon eines Briefes, sagte Leo ausweichend; daß es aber der Brief selbst sein sollte, läßt sich aus der Handschrift der ersten Seite deutlich ersehen. Uebrigens weiß ich mit Bestimmtheit, daß der Brief abge= sendet ist. Ich verbürge mich dafür. Das muß Ihnen genügen.

Und Sie wünschen, daß ich dieses Blatt Anderen, ich meine den politischen Freunden zeige?

Ich habe es vorzüglich zu diesem Zwecke mitgebracht; ja, daß Sie Ihren ganzen Einfluß aufbieten, diesem Briefe in der Partei die Beachtung zu verschaffen, die er verdient, ist die einzige Bedingung, unter der ich mich verpflichten kann, meinerseits zu versuchen, wie weit mein Einfluß bei dem Freiherrn reicht.

Ich will sehen, was sich machen läßt, sagte der Bankier, Leo die Hand reichend.

Und so will ich mich Ihnen für heute empfehlen. Ich hatte noch vor, Ihrem Fräulein Tochter meine Aufwartung zu machen.

Thun Sie das, thun sie das, lieber Freund! rief der Bankier, und er begleitete Leo mit einer Höflichkeit in Worten und Geberden, die fast an Unterwürfigkeit grenzte, durch sein Vorzimmer bis auf den Corridor, rief dort einen Bedienten und befahl demselben, den Herrn Doctor zum gnädigen Fräulein zu führen.

Leo fand Emma nicht allein. Ihr gegenüber an dem Kamin in einer behaglichen Stellung saß Henri. Er war offenbar auf Leo's Kommen nicht vorbereitet gewesen, und die Ueberraschung mußte keine angenehme sein, denn seine lebhaften Züge nahmen einen sehr düsteren Ausdruck an. Auch Leo verlor für einen Augenblick die sichere Haltung, als er sich so plöglich zum zweiten Male in Emma's Salon dem alten Schulkameraden gegenüber sah. Die beiden jungen Männer begrüßten sich sehr ceremoniell und wurden Beide nach dieser stummen Einleitung mit einem Male sehr gesprächig und mittheilsam. Emma war entzückt, sich so gut unterhalten zu hören. Sie lachte über Henri's Anekdoten, fand Leo zu sarkastisch, zu schlecht! und verlangte zu wissen, weshalb sich die Herren nicht öfter bei ihr träfen? - O, wie reizend wäre das! rief fie; wie sollte dies bescheidene Gemach ein Tempel des Geistes und Wizes werden! aber so lauft Ihr in Eure abscheulichen Clubs, oder vertändelt Eure Zeit bei dem Onkel Freiherrn; und an mich armes verlas= senes Mädchen denkt Keiner. Aber ich weiß, was ich thue; ich werde in ein Kloster gehen und Nonne werden. Was soll ein sinniges, dem Höheren zugewendetes Gemüth, wie das meine, in dieser kalten, liebeleeren Welt?

Und Emma stellte ihre kleinen Füße auf das Kamingitter und lehnte ihren Kopf hintenüber in das weiche Polster des Fauteuils.

Spielhagen, In Reih' und Glied. I

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