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Alfred von Sonnenstein unterbrach diese Unterhaltung, indem er, Hut und Reitpeitsche in der Hand, hereintrat und schon im Hereintreten rief: Aber, Henri, was soll denn das heißen! Ich warte und warte! Es ist die allerhöchste Zeit! Was giebt es nun schon wieder, Jhr Barbaren! rief Emma.

Wir haben heute Probe, die legte vor der Generalprobe; sagte Alfred.

Willst Du fort, Du böser Mensch! rief Emma, zu Henri gewendet. Sie müssen wissen, Herr Doctor, daß sie am Geburtstage des Kronprinzen ein Caroussel im Costüm reiten wollen. Henri commandirt ich freue mich so darauf, mit ihm Ehre einzulegen, und nun will er nicht zur Probe! Fort, fort, Du Ungethüm!

Und Emma trieb Henri mit Fächerschlägen zum Zimmer hinaus, kam dann zu Leo an den Kamin zurück, warf sich in ihren Lehnsessel und brach in ein Gelächter aus, das gar nicht enden wollte.

Nein, das war zu schön, zu schön! rief sie einmal über das andere; haben Sie denn sein Gesicht nicht beobachtet, als Alfred in's Zimmer kam, und er sah, daß er fort mußte. Dreftes hätte fast seinen Pylades verleugnet!

Er schien in der That sehr ungern zu gehen, sagte Leo; aber was finden Sie dabei so wunderbar? Daß die Leute Sie ungern verlassen, müssen Sie doch gewohnt sein.

Emma warf Leo einen dankbaren Blick zu.

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Ach! sagte sie, daß es keine wahre Freundschaft giebt! Was hat er nur davon, daß er mir dieses ungestörte Zusammensein mit Ihnen nicht gönnt! Was ist der Grund leugnen Sie es nicht, ich habe es wohl bemerkt daß Sie selbst ihn lieber gehen, als hierbleiben sahen? Können wir nicht in Liebe und Unschuld zusammenleben, zumal jetzt, da wir Nachbarn sind? O, Doctor, Ihre Wohnung soll ja ein wahres kleines Museum sein! Pompeji und Versailles! Ich muß einen Blick in dies Heiligthum werfen, und wenn es nicht anders geht, werde ich vor Sehnsucht krank werden und

mich in Ihrer Sprechstunde einfinden. Dann dürfen Sie mich ja nicht abweisen. Sie müssen überhaupt mein Arzt werden, Doctor! mein Seelenarzt! Unser alter Geheimrath versteht von meiner complicirten Natur nichts. Er hat keine Ahnung von dem feinen Zusammenhange meines psychischen und phys fischen Lebens. Deshalb darf er wagen, mir in's Gesicht zu sagen, daß mir gar nichts fehle. Nun, ich kümmere mich wenig darum, ob mein harmloses Dasein ein paar Jahre länger oder kürzer dauert; aber mein Bruder, mein armer Bruder!

Emma drückte ihr Taschentuch an ihre Augen und sagte hinter dem Tuche hervor in düsterem Tone:

Geben Sie meinem Bruder ein langes Leben?

Leo erwiederte, daß er ohne vorhergegangene genaue Untersuchung eine solche Frage zu beantworten gar nicht im Stande sei. Alfred sehe allerdings ein wenig angegriffen aus, das könne aber auch ebensogut die Folge des etwas rafchen Lebens sein, das er in Gesellschaft seiner Altersgenossen zu führen scheine.

O, diese Männer, diese Männer! seufzte Emma; es ist entseßlich, es muß entseßlich sein, obgleich wir keuschen Frauen gar keine Ahnung haben, was Ihr eigentlich treibt. Ich vermuthe, Ihr spielt bis in die Nacht hinein und trinkt über die Gebühr viel Champagner. Oder ist das noch nicht Alles? Antworten Sie mir, Doctor! Oder antworten Sie mir lieber nicht! Ich will nichts weiter wissen, wenn das nicht Alles ist!

Leo hatte Emma's Geschwäß herzlich satt und wollte sich entfernen, aber Emma hielt ihn zurück.

Sie dürfen nicht fort, Doctor! Ich habe Ihnen ja noch eine interessante Bekanntschaft versprochen. Sie muß in wenigen Minuten kommen, mich zum Concert abzuholen. Wer ist es?

Meine Cousine, Josephe von Tuchheim.

Ich glaubte, Sie hätten mit jenem Zweige Ihrer Familie gar keinen Verkehr? sagte Leo.

O Gott, das ist auch wieder so ein Beispiel der Argheit dieser Welt! rief Emma. Wir armen Mädchen müssen es büßen, daß unsere Väter nicht harmoniren, als ob wir auch nur das Mindeste dazu oder davon thun könnten! So gehe ich nun schon seit Jahr und Tag fast stets allein zu dem Freiherrn, denn der Vater und der Onkel können sich gar nicht miteinander stellen, und der Onkel hat sich ja auch wohl gegen den Vater in der Fabrikangelegenheit sehr schlecht benommen, und mit dem General steht der Vater ja auch nur so, daß es nicht Krieg und nicht Frieden ist. In Folge dessen sehen wir Mädchen uns auch so selten, daß es immer ein wahres Fest für uns ist, wenn es einmal geschieht.

Welcher Ihrer Cousinen geben Sie den Vorzug? fragte Leo.

O, ich liebe sie Beide so! rief Emma; aber wenn ich mich entscheiden soll, würde ich es für Josephe thun. Amélie ist, ganz unter uns, Doctor, eigentlich nur ein Gänschen von Buchenau. Sie ist lieblich, sanft und bescheiden; aber sie hat auch nicht einen Funken vom prometheischen Feuer, so ganz ohne Esprit, ich soll noch das erste Bonmot aus ihrem Munde hören. Josephe hat auch keinen Esprit; aber sie weiß, daß sie schön ist, und dies Bewußtsein giebt ihr ein Relief für ihre großen Manieren. O, sie hat Manieren, während Ihre prätentiöse Cousine Silvia nur gern welche hätte. Es ist ein Unterschied, wie zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Styl und Manier. Finden Sie Ihre gute Cousine nicht auch ein wenig manierirt?

Leo wurde die Antwort auf diese Frage erspart, denn in diesem Augenblicke meldete der Bediente Baronesse Josephe von Tuchheim.

Emma flog der Hereintretenden entgegen; aber wenn es, wie sie vorhin behauptete, für die Cousinen ein Fest war, sich einmal zu sehen, so wußte Josephine die lebhaften Empfindungen trefflich zu beherrschen; es regte sich nichts in ihrem schönen Gesichte, während Emma sie mit übertriebener Zärtlichkeit umarmte und sie unter einem Schwall von

Worten an den Kamin zog. Leo war ein wenig zurückgetreten. Emma ftellte ihn als einen werthen Hausfreund vor; Josephe erwiederte seine Verbeugung mit einer kaum merklichen Neigung ihres Hauptes.

Es ist so lieb von Dir, daß Du so pünktlich gekommen bist! rief Emma, und ich Treulose habe noch nicht einmal Toilette gemacht. Sei nicht böse, Liebe! es soll nicht lange dauern. Fünf Minuten! Nur eine bescheidene Blume in's Haar, wie es sich für mich unbedeutendes Mädchen schickt. Der Herr Doctor wird Dir Gesellschaft leisten.

Emma eilte aus dem Gemache; Josephe saß, die schöngeschweiften Brauen unwillig in die Höhe gezogen, da und blickte, an Leo vorüber, auf ein Bild an der Wand; Leo stand in der Nähe, an einen Tisch gelehnt, und blätterte in einem Album. Die Stuzuhr auf dem Sims des Kamins tickte leise durch die Stille.

Ich höre, das Concert heute Abend wird eines der schönsten in dieser Saison sein, sagte Leo emporschauend. Ich glaube, ja, erwiederte Josephe, den Blick auf die Wand geheftet.

Man ist sehr musikalisch in der Residenz, sagte Leo. Ich glaube, ja, erwiederte Josephe, ohne ihre Haltung zu ändern.

Ueber Leo's Gesicht flog ein Lächeln; er begann wieder in dem Album zu blättern.

Die Stußuhr auf dem Kamin tickte noch lauter als vorhin. Die fünf Minuten, die sich Emma für ihre Toilette erbeten, waren längst vorüber, ohne daß eine von den beis den Personen im Zimmer die Lippen geöffnet hätte. Endlich kam Emma zurück in einem andern Kleide, mit einem reichen Put in dem dunklen Haar und einem fliegenden Ueberwurf um die nachten runden Schultern.

Verzeihung, Verzeihung! Meine neue Jungfer ist ein Monstrum von Langsamkeit und Ungeschicklichkeit. Aber ich wußte Dich in der Gesellschaft des unterhaltendsten Mannes, Liebe! Das war mein einziger Trost. Warum lächeln

Sie, Sie böser Mensch? Ist er nicht entsetzlich sarkastisch, Liebe ?

Wollen wir gehen? sagte Josephe, indem sie sich erhob und nach der Thür schritt. Ich habe den Wagen warten laffen.

Nun, wie gefällt sie Ihnen? flüsterte Emma, indem sie beim Herausgehen Leo's Arm streifte; hat sie nicht große Manieren?

Ich glaube, ja, erwiederte Leo laut.

D, Sie find horribel! Gehen Sie und kommen Sie das nächste Mal in einer weniger sarkastischen Laune.

Die Damen rauschten an Leo vorüber aus der Thür. Der Bediente warf den Schlag zu. Als der Wagen sich eben in Bewegung seßte, trafen Leo die schwarzen Augen Josephe's, die sich vorübergebeugt hatte und ihm voll in's Gesicht fah.

Sie ist in der That sehr schön! murmelte Leo.

Sechsundvierzigftes Capitel.

An einem der letzten Abende war Walter zu einer früheren Stunde als sonst in das Haus des Freiherrn gekommen und hatte seinen Roman mitgebracht, der nun mit seinem Namen auf dem Titel und mit einem kurzen Vorwort, in welchem er sich zur Autorschaft der Novellen bekannte, erschienen war. Er hatte mit diesem Werke geheimnißvoller gethan, als mit seinen früheren, hatte den Plan nur in den allgemeinsten Zügen angedeutet und die Damen, wenn sie neugierig in ihn drangen, immer auf das Buch selbst vertröstet. Nun war es da, und Amélie stand am Tische und legte die zitternden Hände auf das

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