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sprochen, die geisterhafte Blässe, die Walter's Gesicht bedeckt hatte, um dann plöglich einer flammenden Röthe zu weis chen, die Geberde der Tante, als sie dem Vater nacheilte - das Alles hatte ihre Seele mit der Ahnung eines furchtbaren Unheils, das plötzlich über sie, über Walter, über sie Alle hereingebrochen sei, erfüllt. Ihre starren Augen hingen an Walter, der mit langsamen Schritten in dem Zimmer auf und nieder ging und nun an sie herantrat, ihr die Hand bot und mit einer Stimme, die fich mühsam aus der gequälten Brust hervorrang, sagte: Leben Sie wohl, Amélie!

Walter wollte sie verlassen, in dieser Verwirrung, in dieser Angst, dieser Noth sie verlassen! Ihre Sinne vers wirrten sich. Sie wollen fort, Walter? fragte sie kaum hörbar.

Kann ich denn, darf ich denn bleiben? antwortete Walter. Haben Sie es denn nicht gehört? Amélie, liebe, geliebte Amélie!

Amélie berührte nicht Walter's ausgestreckte Hand. Sie führte die beiden Hände nach der Stirn, dann plöglich breitete sie die Arme aus und warf sich an seine Brust. Walter hielt die holde Gestalt umfangen, er streichelte mit zitternden Händen das weiche Haar, er flüsterte ihren Namen mit dem Schmeichellaut der innigsten Liebe. Und Du bist dennoch mein, dennoch, dennoch mein!

Amélie richtete das Haupt empor, sie sah den Geliebten unter Thränen lächelnd an; die Lippen der Seligen begeg= neten sich in dem ersten Kuß.

Das Rauschen eines Gewandes erweckte fte. Charlotte stand vor ihnen; sie war noch immer sehr blaß, aber ein Lächeln schwebte auf den feinen Lippen und glänzte in ihren feuchten Augen.

Meine Kinder, meine lieben Kinder! sagte sie mild. Amélie schluchzte an ihrem Busen, Walter füßte ihre Hände. Charlotte machte sich sanft aus Amélie's Untarmung los und ließ die Zitternde sich seßen. Als Amélie wieder

aufblickte, verließ Walter eben das Zimmer, die Augen bis zulezt auf sie gerichtet.

Walter, rief das junge Mädchen schmerzlich und strebte empor; aber die Tante hielt sie mit sanfter Gewalt zurück. Er geht, er muß gehen, liebes, geliebtes Kind, aber nicht für immer.

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Nein, nein, nicht für immer! nicht für immer! rief Amélie und ließ an dem treuesten Herzen den stürmischen Thränen freien Lauf.

Siebenundvierzigftes Capitel.

Es war feine augenblickliche Laune gewesen, was Silvia bewog, der Einladung Emma's, welche sie am Morgen zusammen mit Amélie ausgeschlagen hatte, plößlich am Nachmittage dennoch Folge zu geben. Leo, der von dem Freiherrn kam, war ihr heute begegnet, als sie sich aus ihrem Zimmer in die Wohngemächer begeben wollte. Er hatte ihr gesagt, daß er am Abend bei Herrn von Sonnenstein einige andere Politiker treffen werde, und daß Emma gebeten habe, die Herren möchten nach Beendigung ihrer Conferenz in ihrem Salon den Thee einnehmen. So werden wir uns dort sehen, hatte Silvia geantwortet und war dann rasch an ihm vorüber den Corridor hinaufgegangen.

Silvia traf Emma allein. Emma rauschte ihr in einem prachtvollen weißen Kleide entgegen; ihr volles schwarzes Haar war in einer phantastischen Frisur gekräuselt, ein glänzender Schmuck blizte an ihrem weißen Halse. Sie umarmte Silvia: es war so lieb von Silvia, nun doch noch zu kommen, die einzige von sechs eingeladenen Damen, die alle im Laufe des Tages hatten absagen lassen. Es ist

fein Bedürfniß nach wahrer Freundschaft mehr unter den Menschen, rief sie aus, indem sie aus den halb zugedrückten Augen einen Blick nach der Zimmerdecke warf; nur ernsthafte Menschen, wie Sie und ich, haben noch das schmerzliche Gefühl der Vereinsamung auf dem Markte des Lebens. Die halbe Stunde, welche Emma in ihren luxuriösen Gemächern voll Sorge, daß Niemand kommen und ihre neue Robe bewundern werde, allein zubringen mußte, hatte fie sehr sentimental gemacht, und mit Silvia konnte man ihrer Meinung nach überhaupt nicht von Alltäglichkeiten sprechen. Silvia war heute entschlossen, sich durch Emma's Plattheiten nicht wie sonst aus der Fassung bringen zu lassen, und Emma war ganz entzückt, als sie sah, daß sie heute immer Recht behielt; sie habe freilich stets geglaubt, daß sie mit Silvia in allen Stücken sympathisire, aber man komme ja in dem wirren Treiben der Gesellschaft weder zur Erkenntniß seiner selbst, noch seiner Mitmenschen; die Einsamkeit und besonders die schönste aller Einsamkeiten, die Einsamkeit zu zweien, sei die Atmosphäre, in welcher allein die zarten Blumen der Liebe und Freundschaft gedeihen fönnten.

Wundern Sie sich nicht, Liebe, rief Emma, mich heute so ganz anders zu finden als sonst wohl! Ich bin nicht, was ich scheine, und muß oft kindisch und übermüthig scheinen, nur, um mein bewegtes Gemüth nicht den Blicken der profanen Menge preiszugeben. Und dann gestehe ich Ihnen auch gern, daß in neuester Zeit der intime Umgang mit Ihrem ausgezeichneten Vetter mir manche Tiefen des Lebens, über die ich sonst leichtsinnig hinweg flatterte, bedeutungsvoll erschloffen hat.

Silvia's große Augen hoben sich in einem schnellen finstern Blick und senkten sich alsbald wieder; aber Emma bemerkte das nicht und fuhr, ohne sich zu unterbrechen, fort.

Ich weiß nicht, Liebe, wie Sie mit Ihrem Better ste= hen; vermuthlich gar nicht, wenigstens erinnere ich mich nicht, daß Sie seiner, oder er Ihrer Erwähnung gethan hätte;

aber das ist freilich so der Welt Lauf. Was man so nahe hat, achtet man nicht; nur das Fremde lernen wir wirklich kennen und schäßen. Und doch, welch ein Mann ist dies! Wie gleicht er so gar nicht unseren übrigen jungen Herren! Ich muß gestehen, er ist für mich ein Phänomen, das an dem dunklen Himmel dahinfährt und alle Sterne, an denen es vorübereilt, gänzlich verdunkelt.

Emma war nun auf ein Thema gekommen, das ihr einen unerschöpflichen Stoff bot. Indem fie Leo's glänzende Eigenschaften in ihrer Weise mit Uebertreibung pries, ließ fie sehr deutlich durchblicken, daß sie sich an der ausgezeichneten Aufnahme, welche Leo in dem Cirkel ihres Vaters und überhaupt in der Gesellschaft zu Theil geworden sei, das größte Verdienst zuschreibe; sie habe Alle auf eine so bedeutende Erscheinung aufmerksam gemacht und für ihren Theil ein Beispiel gegeben, wie man das Ungewöhnliche nicht mit dem gewöhnlichen Maßstabe messen dürfte.

Was soll die conventionelle Form, rief sie, wo das Herz zum Herzen, der Geist zum Geiste spricht! Ich bin vorsichtig in der Wahl meiner Freunde, und man muß mich lange suchen, ehe man mich findet; aber in diesem Falle wäre eine solche Zurückhaltung kindisch. So hat sich denn zwischen mir und ihm in überraschend kurzer Zeit ein Verhältniß ausgebildet, das ich ein geschwisterliches nennen würde, wenn die Welt weniger geneigt wäre, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen. Was ist Ihnen, Liebe?

Silvia hatte sich plöglich erhoben und stand jezt, nachdem sie ein paar hastige Schritte gethan, abgewendet da. Emma, die ihr nachgeeilt war, mußte ihre Frage nochmals wiederholen, bis Silvia mit dumpfer Stimme antwortete, ste finde es sehr heiß in dem Zimmer, die Hiße habe ihr das Blut nach den Schläfen getrieben, es werde wohl bald wieder vorübergehen. Emma holte dienstfertig Effenzen aller Art herbei, mit denen sie Silvia überreichlich besprengte; sie selbst leide oft an dergleichen Zufällen, es sei ihr eine

Freude, zu finden, daß sie mit ihrer Freundin denn als solche dürfe sie Silvia erst von heute Abend an betrachten selbst in dem geheimen Leben der Nerven eine so entschiedene Aehnlichkeit habe. Silvia bat, sich nicht weiter zu bemühen. Indem Emma noch immer zwischen ihren Fläschchen framte, meldete der Bediente die Ankunft der Herren. Sie traten plaudernd und lachend herein und begrüßten die Damen. Der Bankier stellte Silvia die beiden Herren vor, die ihr noch nicht bekannt waren einen höheren Beamten und einen Gutsbesizer, Beide Kammermitglieder von großem Ansehen in der liberalen Partei; Doctor Paulus sei, wie er wisse, ein alter Bekannter von ihr, Leo ein noch älterer, obgleich er der Jüngste in der Gesellschaft, die Das men hier wie überall selbstverständlich ausgenommen.

Herr von Sonnenstein war ganz besonders scherzhaft, und so waren auch die Anderen sehr aufgeräumt und mittheilsam; aber unter dieser heiter-geselligen Oberfläche war dem schärferen Blick eine gewisse Erregtheit, ja Gereiztheit deutlich genug erkennbar. Nur Doctor Paulus hatte sich aus der stürmischen Conferenz, die stattgefunden haben mochte, den Gleichmuth der Seele auch diesmal gerettet. Er setzte sich zu Silvia und fragte sie nach ihrem Bruder, ob sie sein neuestes Werk, das, wie er höre, jezt im Druck vollendet sei, schon gelesen habe? Ich sehe, fuhr er fort, als Silvia die Frage verneinen mußte, dem Buche mit der äußersten Spannung entgegen. Es wird, wenn ich nicht irre, für Walter's Zukunft entscheidend sein; nicht blos deshalb, weil er der Partei der Dunkelmänner diesmal offen den Handschuh hinwirft und sie nicht zaudern werden, denselben in ihrer Weise aufzunehmen, sondern weil jezt, wo Walter ein großes Thema groß zu behandeln gezwungen ift, es sich herausstellen muß, ob er ein Poet von Gottes Gnaden ist, oder nicht. Mir wird er nicht schlechter, wenn er es nicht ist, denn ein tüchtiger Mensch wird er alle Wege bleiben; und so habe ich ihn denn schon vor Wochen auf

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