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komme und so ihre Gewalt breche; wie dies aber von keiner Seite geschehe, weil man überall mit dem kleinlichsten Egoismus die kleinlichsten Zwecke verfolge, und wo wirklich einmal eine tiefere Einsicht sich finde, diese wieder durch Furcht oder Ohnmacht paralysirt werde.

Silvia hatte mit einer fast fieberhaften Spannung zuge= hört; jest athmete sie tief. Ja, ja, murmelte fie, nun erst verstehe ich, warum sie ihn immer fragten: Bist du der Juden König? Warum seine Anhänger ihn zum Könige salben wollten, warum seine Feinde immer fürchteten, er werde sich zum Könige machen. Sie wußten es, sie fühlten es, die Einen wie die Anderen, daß so Großes nur von einem König ausgehen könne, daß, wenn es Dauer und Bestand haben sollte, es von einem Könige ausgehen müsse. O, Leo, daß Du ein Mächtiger der Erde, daß Du ein König wärest!

Wer, der Großes plant, hätte den Wunsch noch nicht gehabt, liebe Silvia? erwiederte Leo lächelnd; ich kann Dir sagen, daß ich noch nie in nächtlicher Stunde an diesem Schlosse vorübergegangen bin und nicht in meiner Seele ge= dacht habe: er, dessen Ahnen sich diese gewaltige Veste thürmten, die wie ein Gebirge die Häusermassen privater Menschen ringsum überragt, er könnte ein Zeus sein mit olymposerschütternden Locken, und er ist nichts als ein armseliger Mensch.

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Sie standen und schauten zu dem Königsschloß hinauf. Aus den gewaltigen Portalen dämmerte das Licht von den großen Höfen; hie und da in den oberen Stockwerken waren einige Fenster hell; sonst lag das ungeheuere Bauwerk, als erzeuge es aus sich selbst die Nacht, die es umgab.

Auch ich gehe nie, ohne einen seltsamen Schauder zu empfinden, hier vorüber, sagte Silvia. Ich denke immer, wie mag es sich wohl athmen in diesen hohen Sälen? Welche Reden mögen diese vor allen Sterblichen bevorzugten Menschen führen, wenn sie unter sich sind? Welche Träume mögen ihnen kommen, wenn sie in stiller Nacht auf ihrem Lager ruhen? Wie kann man in einem solchen Hause wohnen

und nicht groß denken und groß handeln? In einem Hause, wo jede Thür, jedes Fenster, jede Wand, jede Decke sagt: schämst du dich nicht, so klein zu sein?

Leo stand in düsteres Sinnen verloren.

Ja, ja, sagte er, die Mauern predigen schon deutlich ge= nug, wenn sie nur Ohren hätten, zu hören; aber sie können ja nicht einmal die Menschenrede verstehen. Und wenn einmal ein freier Mensch zu ihnen zu sprechen wagt, dann ist es die alte Geschichte vom König Philipp und dem Marquis Posa. Wir haben uns ja schon einmal getroffen, er und ich, weißt Du noch, Silvia? Es war keine freundliche Begegnung, und Du warst, wenn ich nicht irre, ein wenig schuld daran, daß es eine so unfreundliche war. Wunderlich genug war diese kindische Scene, und wunderlich ist es doch, daß da oben, vielleicht hinter den erhellten Fenstern eine Verwandte von uns sigt, die wir nicht kennen, die dem König in seinen jungen Jahren eine sorgsame Pflegerin gewesen ist, und, wie ich höre, noch bis auf den heutigen Tag sich seiner besonderen Gunst und Gnade erfreuen soll. Hast Du sie nie gesehen, diese unsere Tante, Silvia?

Nein, nie.

Wenn wir nun die breiten Treppen hinaufstiegen und uns bei der alten Tante melden ließen? Sie hätte gewiß viel merkwürdige Dinge zu erzählen. Was meinst Du, Silvia? Ein Schauder schüttelte Silvia.

Komm, laß uns weiter gehen; es geht so eisig um das alte Königsschloß.

Sie schritten eiliger weiter und kamen bald in die Straße, in welcher das Hotel des Freiherrn lag. Als sie vor der Thür anlangten und Leo die Glocke zog, strich eine Frauengestalt, die ihnen schon den ganzen Weg vom Hause des Bankiers an in der Ferne gefolgt war, dicht an ihnen vorüber. Sie hatte einen dunklen Schleier in's Gesicht ge= zogen, fonnte aber ihrerseits die Gesichter Leo's und Silvia's, auf die der Schein der Hauslaterne fiel, deutlich genug erkennen.

Hast Du die schwarze, verhüllte Gestalt gesehen? fragte Silvia.

Nein, erwiederte Leo.

Der Portier hatte die Thür geöffnet. Die Beiden reichten fich die Hand.

Deine Hand ist heiß und fieberhaft, sagte Leo.

Ich habe heute Abend so Manches gehört, was mein Herz heftig bewegt hat.

Das mußt Du Dir abgewöhnen, wenn wir, wie ich hoffe und wünsche, uns von jest an öfter über diese Dinge unterhalten sollen. Die wahren Leidenschaften sind die des Kopfes, nicht die des Herzens.

Er drückte ihr die Hand; Silvia erstieg rasch die Stufen, die von der Thür aufwärts führten. Dann wendete sie sich um und grüßte hinab. Das Licht der Flurlaterne fiel hell in ihr blasses Gesicht. Sie lächelte freundlich und winkte. Leo mußte an die verklärte Geliebte denken, die dem gefangenen Egmont im Kerker erscheint und ihn sich nach aus ir dischen Banden zur himmlischen Freiheit ruft.

Neunundvierzigstes Capitel.

Vor Leo's Augen schwebte, als er aus dem Flur in die dunkle Nacht trat, noch das schöne, helle Bild. Aber bald verwischte es die Erinnerung der Scenen im Sonnenstein'schen Hause. Es war der Anfang des Endes seines guten Vernehmens mit der liberalen Partei gewesen. Zwar hatte sich Doctor Paulus diesmal wie stets mit aller Entschiedenheit gegen die Concessionen erklärt, die man der Partei des Prinzen zu machen gedenke, aber auch er hatte von einer weiteren Verbreitung des Briefes nichts wissen wollen, da er sich nicht zu dem Grundsaß, daß der Zweck die Mittel heilige, zu

bekennen vermöge. In einer Zeit, wo Tyrannei und Willtür, Verrath und Meineid in den regierenden Kreisen fast unumschränkt herrschten, sei es sich die liberale Partei doppelt und dreifach schuldig, ihre Hände rein zu erhalten. Nur so könne sie ihren Einfluß auf das Volk, der, er gebe es zu, in beklagenswerther Weise abgenommen habe, wiedergewinnen. Daß der Prinz troß alledem ein eingefleischter Reactionär sei, lasse sich dem Volke auch ohne aufgefangene und unterschlagene Briefe klar machen.

Und mit diesen Phrasen, knirschte Leo in sich hinein, suchen sie ihr schlechtes Gewissen zu salviren. Sie scheuen vor jedem entscheidenden Schritt zurück. Sie wollen nicht ehrlich mit dem Volke gehen, so müssen wir über sie hinweg. Sie müssen in ihrer Selbstsucht, in ihrer geschwäßigen Ohnmacht an den Pranger gestellt werden. Schlimmer, als es jezt ist, kann es nicht werden, denn was ist schlimmer als der hohle Schein, der sich trügerisch über die nackte Wahrheit deckt? Und die Wahrheit ist, daß das Volk verhungert, daß ungeheure Reformen nothwendig sind, um die furchtbaren socialen Uebel zu beseitigen, und daß jene Geldsäcke und Tugendschwäter nicht helfen wollen und nicht helfen können.

In solchen Gedanken verloren, bemerkte Leo nicht, daß die verhüllte Gestalt, welche vorhin an ihnen vorüberstrich, ihm wiederum gefolgt war, bis er an einer der nächsten Straßenecken das Rascheln eines Gewandes dicht hinter sich hörte. Er wendete sich um. Die Gestalt blieb ebenfalls stehen und schlug den Schleier zurück. Es war Eve.

Verzeihen Sie, Herr Doctor, sagte fie mit einer Stimme, die vor Eile oder Aufregung zitterte, ich war an Ihrer Wohnung, um Sie zu meiner Tante, die plöglich heftig erkrankt ist, zu rufen. Ich hörte, daß Sie bei Sonnensteins seien. Ich begab mich dorthin und traf Sie gerade, als Sie mit einer Dame das Haus verließen; ich magte nicht, Sie zu stören, und so bin ich Ihnen bis hierher gefolgt.

Eine Nachtdroschke kam vorüber. Leo rief den Kutscher an, nöthigte Eve einzusteigen und setzte sich zu ihr. Als er ihre Hand berührte, fiel ihm die Kälte derselben auf, und er dachte flüchtig an die warme Hand, die er noch soeben in der feinigen gehalten. Er fragte Eve, was der Tante fehle. Ob es die Kopfschmerzen seien, an denen sie, wie er wüßte, häufig litt? Eve erwiederte, fie glaube ja, aber der Anfall sei diesmal so sehr heftig, sie habe sich in ihrer Angst nicht zu helfen gewußt.

Sie selbst scheinen krank, liebe Eve, sagte Leo; Ihre Hand ist kalt, und Ihr Puls geht fieberhaft. Eve antwortete nicht, aber sie ließ ihm ihre Hand, und Leo glaubte einen leisen Druck zu verspüren. Bald darauf langten sie an dem Palais an. Eve schloß die Hausthüre auf und führte Leo durch das Wohnzimmer, in welchem eine Lampe brannte, in das Gemach nebenan, wo die Kranke stöhnend und wimmernd im Bette lag.

Leo überzeugte sich bald, daß sich der Zustand der Frau Lippert in der That nicht wesentlich von den früheren Anfällen der Art unterschied. Er verordnete einen fühlenden Trank, den Eve selbst in der nahe gelegenen Apotheke holen wollte. Leo blieb unterdessen am Bette sizen.

In dem weiten Zimmer herrschte eine trübe Dämmerung, so daß die entfernten Gegenstände in dem Dunkel verschwammen. Eine Stußuhr, die irgendwo aufgestellt war, tiete unheimlich laut durch die tiefe Stille; von Zeit zu Zeit ächzte die Kranke. Dann fing fie in gebrochenen Worten an zu phantafiren von kühlen Wiesengründen, durch die sich flare Bäche unter Erlen und Weiden schlängelten, von schattigen Wäldern, durch deren Wipfel 'erfrischende Winde rauschten. Dann weinte sie heftig und immer heftiger: fie habe ja nichts verbrochen; das Kind sei todt gewesen; weshalb man sie so schlecht behandle? weshalb sie ganz verlaffen sterben solle? weshalb denn Niemand Mitleid mit ihr habe?

Leo drückte der Fiebernden die naßkalten Tücher, die er

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