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ihr bereitet hatte, fester auf die Stirn; das schien ihr wohl zu thun; sie weinte leiser und leiser; es gebe doch noch Engel, die sich ihrer erbarmten; ganz gewiß müßten es Engel sein, denn bei den Menschen sei kein Erbarmen.

Wovon sprach die Frau? Was war das für ein Kind, das gestorben war und für das sie ihr Leben lang büßen mußte? Ferdinand war nicht Herrn Lippert's Sohn; Leo hielt das, nachdem er die Personen und Verhältnisse im Lippert'schen Hause genau kennen gelernt hatte, für sehr wahrscheinlich; aber, wenn er auch der Sohn des verstorbe= nen Ministers war er lebte ja doch! Hatte die Aermste der Kinder mehrere gehabt? Es gab ein Geheimniß in dieser Familie, das aus der dumpfen Stille der Wohnung, aus dem gekniffenen Lächeln des Herrn Lippert, aus dem scheuen Blick der Frau, aus des Sohnes wüstem Leben hervorschaute. Das Gespenst irgend einer bösen Erinnerung, das am hellen Tage fast sichtbar durch die großen, niedrigen Zimmer schwebte, mußte jezt in der stillen, dunklen Nacht um das Lager der Kranken kauern, denn plößlich fing fie wieder an zu jammern und zu rufen, man solle ihr das Kind nicht nehmen, es sei ja doch ihr eigenes Kind, sie wolle es auch gewiß nicht tödten, sie wolle es so gut pflegen und keinem Menschen damit lästig fallen.

Eve kam mit der Medicin zurück; Leo flößte der Patientin davon ein; sie wurde ruhiger und neigte den Kopf auf die Seite, als ob sie nun schlafen könne. Leo blieb noch eine Zeit lang am Bette sizen, dann stand er auf und sagte zu Eve, die ihm in die Wohnstube gefolgt war, er könne für den Augenblick nichts weiter thun, überdies sei der Anfall im Abnehmen, die Nacht würde voraussichtlich ruhig vergehen, er wolle morgen wiederkommen.

Sie standen sich am Tische gegenüber. Eve blickte starr in sein Gesicht; sie mußte nicht wohl gehört haben, was er gesagt, denn sie antwortete ganz verworren. Leo trat an sie heran und sagte, ihre Hand nehmend: Und auch Sie,

liebe Eve, legen sich zu Bett, sonst habe ich morgen hier zwei Patienten statt eines.

Eve behielt seine Hand in der ihrigen und sagte:

Bleiben Sie doch noch ein wenig; es ist noch nicht so spät, und es ist schauerlich einsam hier.

Leo legte den Hut wieder hin und setzte sich neben Eve an den Tisch, auf dem ihre Näharbeit lag. Eve nähte jeßt sehr viel, seitdem Leo einmal geäußert, er möge die Frauen nicht, die nur immer Bücher in der Hand hätten, aus denen fie schließlich doch nichts Ordentliches lernten.

Sie sehen, sagte sie, auf die Näharbeit deutend, ich befolge Ihren Wunsch, aber nun müssen Sie mich auch die Kunst lehren, meine Lage so vollständig beim Nähen vergeffen zu können, wie ich es beim Lesen vermag.

Müssen Sie sich so selbst vergessen? fragte Leo zer= streut.

Und das fragen Sie? erwiederte Eve in vorwurfsvollem Tone; Sie?

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Ich meine, wird Ihnen das so schwer? Aber mein Gott, Eve, was ist Ihnen denn? fuhr Leo fort, als Eve zu weinen anfing und ihr Tuch gegen die Augen drückte. Was haben Sie? Sie sind nervös aufgeregt! Sie sollten zu Bett gehen, liebe Eve.

Lassen Sie mich! rief das Mädchen, indem sie seine Hände zurückwies; Sie sind gerade so gefühllos wie die Anderen! Sie! Sie können mich fragen, ob ich mich selbst zu vergessen habe, ob es mir schwer wird, mich selbst zu vergessen! Und ich glaubte an Ihre Freundschaft!

Leo suchte die Aufgeregte zu beruhigen, und es gelang ihm nach einiger Zeit. Das leise Weinen des schönen Mädchens, deffen volles Haar er mit leiser Hand streichelte, die Lauschige Stille des Zimmers, die nächtliche Stunde - Leo sprach milder und weicher, als es wohl sonst seine Gewohnheit war. Eve trocknete sich die Thränen und sagte: Ich glaube, daß Sie es gut mit mir meinen, ich muß es glauben, ich weiß nicht, was aus mir werden würde, wenn ich

Spielhagen, In Reih' und Glied. I.

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es nicht glauben könnte: aber wie wenig wiffen Sie, was mich drückt, was ich leide! Sie selbst finden, daß die Kräfte der Tante in der letzten Zeit sehr abgenommen haben und wenn sie stirbt, was soll aus mir werden? Sie ist die Einzige, zu der ich Vertrauen habe, wenn ich sie auch nicht liebe. Zu dem Onkel habe ich kein Vertrauen, kann ich kein Vertrauen haben. Ich kann selbst Ihnen nicht Alles erzählen, aber der Onkel ist nicht gut er ist nur vor den Augen der Leute so heilig, aber wenn wir allein find, ist er ein anderer Mann. Und dann geht er alle Abend in's Wirthshaus und kommt manchmal sehr spät nach Haus, und wenn er nach Haus kommt, führt er so schlimme Reden und mißhandelt die Tante; o, er ist nicht gut, der Onkel! Zu wem soll ich also meine Zuflucht nehmen? Zu meinem Bruder? Wo ist mein Bruder? Ja, ich möchte fragen, wer ist mein Bruder? Ich weiß es heute so wenig, wie das mals, als wir uns zuerst trafen wissen Sie noch, Leo? in der kleinen Stube in Tannenstädt? Wissen Sie wohl noch? Ist es doch fast heute so, wie in jener Nacht! Meine Mutter lag frank im Bette, wie jest meine Tante, und wir saßen nebeneinander an dem Tische, gerade wie jett. Ach! Leo, und Sie waren so schön mit Ihren dunklen Augen und den wirren Locken und dem blassen Gesicht! Ich hatte so etwas Schönes noch gar nicht gesehen, und ich glaube, ich sagte es Ihnen auch, denn ich war damals ein wildes, unbändiges Ding und machte aus meinen Empfindungen kein Geheimniß, wie ich es seitdem gelernt habe. Sie aber, Sie waren damals schon so kalt und flug wie jest, gelt, Leo?

Ein bezauberndes Lachen schwebte um Eve's üppige Lippen, während sie sich näher zu Leo beugte und ihm mit den grauen, feuchtglänzenden Augen tief in die seinen sah.

Sie irren sich, liebe Eve, erwiederte Leo, ich war damals ein heißblütiger, leidenschaftlicher Knabe, und Ihr Bild hat mich lange verfolgt. Es war nicht meine Schuld, daß ein rauhes Geschick mir die frischen Blüthen meiner

Jugend so bald und so grausam zerstört hat; es ist nicht meine Schuld, wenn ich im Laufe der Jahre kalt und klug geworden bin, wie der wohl sein muß, der sich in einen Kampf mit dieser Welt einläßt. Aber wir wollen nicht von mir sprechen, Eve. Es handelt sich um Ihr Schicksal, und verzeihen Sie mir, ich glaubte in letzterer Zeit, es würde sich mit dem Ferdinand's auf immer verknüpfen.

Eve zuckte zurück, als Leo diese Worte sprach. Sie glaubten, glaubten das wirklich? murmelte sie. O, wie schlecht, wie schlecht kennen Sie mich doch!

Sie stüßte ihre Stirn in die Hand. Leo konnte den Ausdruckt ihres Gesichts nicht erkennen, aber er sah, wie ihr Busen heftig wogte, und er dachte an das Entzücken, mit dem Ferdinand von Eve's Schönheit in einer ähnlichen Situation gesprochen hatte.

Ich habe Sie nicht kränken wollen, liebe Eve, sagte er fanft.

Eve verharrte noch in derselben Stellung, nur daß die Hand, auf die sie ihr Haupt stüßte, jezt ebenfalls zu zittern begann. Leo wiederholte seine legten Worte, indem er dabei Eve's andere Hand, die in ihrem Schoße lag, zu erfassen suchte. Eve zog dieselbe hastig zurück.

Sie haben mich nicht kränken wollen, murmelte fie, aber Sie haben mich gekränkt, und doch, ich kann es Ihnen nicht übel nehmen, Sie kennen mich ja nicht. Sie sollen mich kennen lernen, Sie müssen mich kennen lernen, ich bin verloren, wenn ich Sie nicht in mein innerstes Herz sehen lasse. Hören Sie: Ferdinand wird nie mein Gatte werden. Wenn ich heirathe, einen Mann heirathe, der mir für die Freiheit, die ich ihm opfere, nicht Reichthum und Stellung bieten kann, so muß ich ihn grenzenlos lieben. Ich liebe Ferdinand nicht; ja er ist, troß seiner Schönheit, nicht einmal meinen Sinnen gefährlich. Wenn ich in solche Schlingen fallen könnte, müßte ich schon längst gefallen sein. Es werden mir viele Schlingen gestellt, Schlingen, Leo, denen andere Menschen in meiner Lage und mit meinen Leidenschaften vielleicht

nicht entgangen wären. Ich habe Leidenschaften, Leo, und ich liebe den Glanz und die Macht. Der Gedanke, mich weit zu erheben über die Anderen meines Geschlechts, das Elend meiner Jugend in schwelgerischem Ueberfluß zu vergessen dieser Gedanke, Leo, hat etwas Berückendes für mich. Und die Versuchung ist an mich herangetreten, Leo; eine ungeheure Versuchung, der ich unterliege, wenn Sie mich nicht retten.

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Eve hatte sich bei den letzten Worten von ihrem Stuhl herab zu Leo's Füßen gleiten lassen. Ihr Haupt lag auf seinen Knieen. Leo versuchte sie aufzurichten. Nein, nein, murmelte sie, laß mich, laß mich so! Das ist der Plag, an den ich hingehöre.

Leo befand sich in der seltsamsten Stimmung. Er hatte Eve zu genau beobachtet, er hatte aus Ferdinand's Munde zu viel über sie gehört, als daß er sie noch eines echten Gefühls hätte für fähig halten sollen. Und jezt war ihm, gewohnt wie er es war, in einer Unterhaltung den logischen Faden genau zu verfolgen, keiner der feinen Uebergänge entgangen, deren sich Eve, um auf diesen Schluß zu kommen, bedient hatte. Der Verdacht, daß Eve in diesem Augenblick, gleichviel mit einer wie großen oder kleinen Beimischung von Empfindung, einen wohlberechneten Plan gegen ihn ausführe; die Ueberlegung, daß sie ihn in diese Situation hineingezwungen, ihm gewissermaßen die Freiheit der Entschließung genommen habe es regte die Herrschsucht seiner Natur auf, und jene vielerprobte Kraft, Alles, was sich ungerufen an ihn drängte und ihm den Weg zu kreuzen vers suchte, mitleidslos von sich zu weisen.

-

Siehen Sie auf, Eve, sagte er; ich dachte, wir wollten uns einander gegenseitig aufklären, nicht, wie wir es jezt thun, in unauflösliche Räthsel stürzen.

Eve erhob sich und trat rasch ein paar Schritte zurück. Der Ausdruck ihres Gesichtes war gänzlich verändert; ihre Züge waren starr, nur um ihren Mund zuckte es, und ihre Augen glänzten in einem unheimlich kalten Licht.

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