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Herr Lippert nahm, während Leo ruhig, als handle es sich um eine ärztliche Verordnung, diese Worte sprach, das Taschentuch von dem blassen, von Angst und Wuth verzerrten Gesicht; er wollte etwas erwiedern, aber Leo wendete sich von ihm ab und verließ, nachdem er draußen in der Küche der heulenden Dienerin einige Aufträge ertheilt hatte, die Wohnung. Nach Ferdinand hatte er sich vergebens umgesehen.

Er hatte sich indessen kaum ein paar Schritte von dem Palais entfernt, als er Jemand schnell hinter sich her kommen hörte. Es war Ferdinand. Der Mond, der durch die jagenden Wolken schaute, schien hell in das Gesicht, dessen Schönheit jest zu einer wahren Grimasse verzerrt war. Ist es denn wahr? stammelte er.

Ja, erwiederte Leo.

Aber, mein Gott, wie ist denn das möglich? Sie war ja doch, däucht mir, ein paar Augenblicke vorher noch in dem Zimmer; ich habe gar nicht gesehen, wie sie hinausgekommen ist; ich weiß ja von gar nichts.

Leo antwortete nicht. Ferdinand, der neben ihm her ging, legte ihm die Hand auf den Arm.

Um Gottes willen, Doctor, sprechen Sie, sagen Sie mir ein Wort, daß Sie mich nicht für ihren Mörder halten! Ich habe sie nicht getödtet! Ich bin wohl sehr zornig ge= wesen, aber nicht eigentlich gegen sie. Sie konnte ja nichts dafür, wenn sie auch vielleicht nicht so lange hätte schweigen dürfen. Ach, ich bin ein elender, unglücklicher Mensch!

Und Ferdinand schlug die Hände vor das Gesicht und fing an zu weinen.

Leo fühlte kein Mitleid mit dem Unglücklichen.

Lassen Sie das! sagte er rauh; Ihr Lamentiren hilft zu nichts. Sie haben mir wer weiß wie oft gesagt, daß Sie nicht einen Funken Liebe für Ihre Mutter hätten, daß Sie nichts, gar nichts für sie fühlten, ja daß Sie öfter zweifelten, ob es wirklich Ihre Mutter sei. Was soll das Alles jezt?

Ja, rief Ferdinand, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Ich habe meine Mutter nie geliebt. Und wenn Sie mich tausendmal einen Elenden nennen kann nicht anders.

hier

ich

Sie müssen es am besten wissen, sagte Leo trocken, und trennen sich wohl unsere Wege.

Sie wollen mich verlassen? rief Ferdinand voller Entsezen, mich jetzt verlassen, in diesem Zustande verlassen? Um Gottes willen, thun Sie das nicht, wenn Sie nicht wollen, daß ich mich hier von der Brücke in den Fluß stürze.

Ich bin sehr beschäftigt, erwiederte Leo, und ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann.

Verlassen Sie mich nur nicht, flehte der Andere, ich bin rasend, ich weiß nicht, was ich thue; ich wäre im Stande, sie zu ermorden, den Prinzen zu ermorden. Retten Sie mich vor mir selbst!

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Leo hörte kaum auf des Andern wirre Reden. Er dachte an Eve, wie er sie einst vor Jahren in einer dumpfen Bauernstube oben im Walde zuerst gesehen hatte junges, üppiges, verwahrloftes Ding; er selbst ein düsterer, Leidenschaftlicher Knabe. Er erinnerte sich, daß er das Bild des eigenthümlichen Mädchens damals wochenlang nicht hatte loswerden können; und daß Eve seiner nicht vergessen, das für hatte die Erkennungsscene in der Bildergalerie den Beweis geliefert. Und jezt?

Die beiden jungen Männer schritten eine Zeit lang schweigend durch die nächtlichen Gaffen. Ferdinand begann von Neuem:

Und daß die Mutter gerade jezt sterben mußte! als ob mein Herz nicht schon schwer genug wäre! Glauben Sie, Doctor, daß eine rechte Mutter sich einen solchen Moment zum Sterben gewählt hätte! Freilich, freilich, für sie ist es ein Glück, daß sie gestorben ist. Ich bin nicht daran Schuld, ich wahrlich nicht! Sie sind daran Schuld fie, die Mege, und er, der sie verkuppelt hat! Und er soll sie in seinen Armen halten! er soll schwelgen in diesen Reizen!

Himmel und Hölle! Wie soll ich das ertragen! Aber ich will mich rächen, an ihm, an ihr und allen Weibern, allen, allen! Sie taugen alle nichts! Und dann ist ein Trost, Doctor; er wird sie nach ein paar Wochen, nach ein paar Tagen vielleicht, wieder fortschicken. Ich kenne ihn besser als irgend Jemand. Oder glauben Sie wirklich, Doctor, das könne Bestand haben, glauben Sie?

Ich weiß kaum, wovon Sie sprechen, erwiederte Leo; bis jetzt habe ich von Ihnen wenig Anderes als zerrissene Phantasien eines Fieberkranken gehört.

Ferdinand riß den Hut vom Kopfe und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Ja, ja, sagte er, ich erinnere mich, Sie wissen ja eigentlich noch nichts. Es ist eine kurze, hübsche Geschichte. Ich bin mit dem Prinzen zwei Wochen lang auf Reisen gewesen; er war während der ganzen Zeit ungewöhnlich gnädig zu mir: es wäre unrecht, daß er mich noch länger im Dienst behalte und es mir so unmöglich mache, meine Talente in einer höheren Sphäre zu verwerthen. Der Staat brauche tüchtige Köpfe mehr als je. Ob er mit dem Justizminister sprechen solle, oder ob ich es vorzöge, in die diplomatische Carrière einzutreten? Ich Narr, der ich war, hielt diese Heuchelei für wahre Freundschaft; ich hatte keine Ahnung davon, daß er mich los sein wollte, und weigerte mich, ihn zu verlassen ich habe mir meine Schande nicht einmal bezahlen lassen! Ich Narr der Narren!

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Vorgestern kamen wir zurück. Noch an demselben Abend fuhr der Prinz nach seinem Sommerschloß ohne mich was mir sehr auffiel, da ich wußte, daß es viel zu thun gab und ich kaum zu entbehren war. Eine Ahnung von bevorstehendem Unheil erfaßte mich; ich konnte es in meiner Wohnung nicht aushalten; ich ging und fragte nach Eve. Die Mutter sagte, fie sei ausgegangen. Die Mutter hatte gelogen, gewiß nur aus Angst vor ihm, aber doch gelogen; ich erinnere mich jetzt, daß ihre Lippen bebten und daß fie

blaß war wie eine weiße Wand. Wenn ich gewußt hätte, daß sie so bald sterben würde

Ferdinand seufzte tief.
Nun? fragte Leo.

Mein Verdacht, daß mit Eve etwas passirt sei, ließ mir keine Ruhe, fuhr Ferdinand fort, indem er sich mit dem Tuche den falten Schweiß von der Stirn wischte; ich ging nach einer Stunde wieder in die Wohnung, diesmal gleich in die Küche. Das Mädchen ist gut und dumm. Ich hatte es denn auch bald heraus. Eve war schon seit dem Abend vorher auf das Sommerschloß des Prinzen gefahren, um die Tochter des dortigen Castellans zu besuchen. Die Tochter des Castellans - ein rothhaariges, buckliges Geschöpf, das Eve niemals hatte ausstehen können, das sie stets auf das Grausamste verhöhnt hatte! Die Nachricht traf mich wie ein Dolchstich. Ich wußte, was geschehen war, als hätte ich mir selbst den Kuppelpelz verdient. Ich stürzte fort nach dem Bahnhof. Der Inspector ist mir befreundet; auch er hatte Eve einmal seine Hand angeboten. Er wollte nicht recht mit der Sprache heraus; endlich gestand er: in demselben Zuge, in welchem der Prinz gestern Abend gefahren, sei auch eine schwarz gekleidete, tief verschleierte Dame gewesen in Begleitung eines Herrn in Civil, in dessen Gesellschaft er mich öfters gesehen habe. Das habe ihn aufmerksam gemacht. Er habe die Dame nicht aus dem Auge gelassen und im Moment der Abfahrt denn auch Eve, die den Schleier bereits zurückgeschlagen hatte, richtig erkannt. — Ich hatte genug gehört, die ganze Welt drehte sich mit mir im Kreise; ich vergaß, in den Zug zu springen, der eben abging; erst in vier Stunden ging wieder einer. Unterdessen konnte ich zu Pferde längst dort sein. Ich fuhr nach Hause, sattelte mein Pferd und jagte, was das Thier laufen konnte, durch den Park auf dem kürzesten Wege. Ich muß halb wahnsinnig gewesen sein; ich erinnere mich, daß ich eine alte Dame, die in Begleitung eines sehr schönen Mädchens war, überritten habe, daß die Leute mich überall

verwundert anstaunten. Mein Pferd stürzte zusammen, als ich in der Nähe des Schlosses war; ich ließ es liegen; ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Ich ging nach dem Schloß; ich fragte nach Eve. Sie war heute Morgen mit der buckligen Castellanstochter auf Besuch zu einer Verwandten der Leşteren, einer Maierstochter auf einem der prinzlichen Güter, gefahren. Und der Prinz? Der Prinz war auf seinem Jagdschloß dem Jagdschloß, Doctor, in dessen unmittelbarer Nähe das Gut liegt, auf dem Eve zum Besuch bei einer Freundin war! War das nicht fein, Doctor? Das edle, gefällige Wild, das so gehorsam in das Fanggarn läuft! Eine noble Jagd, eine wahrhaft prinzliche Jagd! Ha, ha, ha!

Und Ferdinand schlug sich mit der geballten Faust vor die Stirn und knirschte mit den Zähnen.

Warum liebe ich sie nur? Ich könnte mich dafür mit meinen eigenen Händen erwürgen! Habe ich nicht schon viel schönere Frauen besessen? War die Dame, der ich heute im Park begegnete, nicht viel schöner als Eve? Ich Narr! Ich Narr! Jch Narr!

Leo war sehr nachdenklich geworden. So hatte Eve doch ihr großes Ziel erreicht. Von dem Bauernmädchen aus Tannenstädt bis zur Maitresse des Prinzen war immerhin kein kleiner Schritt. Wird sie sich in dieser schwankenden Stellung halten können? Wäre sie wirklich im Stande, einen Einfluß auf den Prinzen zu gewinnen, oder wird er ste wieder fortschicken, wenn er ihrer satt ist? Und war dies beschlossen gewesen, als sie sich ihm vor ein paar Wochen antrug? Oder war sie eine Dirne geworden, weil der Mann, den sie liebte, fie verschmäht hatte?

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Ferdinand erzählte nun weiter, wie er gegen Abend auf der Eisenbahn zurückgekehrt sei und sich in das Palais begeben habe, um den Mann - seinen Vater zur Rede zu stellen. Dann aber wisse er nicht mehr, was geschehen sei; er sei nicht eher wieder zur Besinnung gekommen, als bis Leo mit der Nachricht von dem Tode der Mutter her

Spielhagen, In Reih' und Glied. L

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