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Und was treibt der Mensch denn jezt? seinen Broschüren nach muß er ja ein Erzdemagoge sein?

Ich zweifle nicht, daß es eine Kleinigkeit wäre, ihn in irgend einen Preßproceß zu verwickeln, oder ihm wegen Uebertretung irgend eines Paragraphen des Vereinsgeseßes beizukommen; indessen habe ich auch nach dieser Seite hin vorzugehen gezögert.

Und weshalb?

Um mir nicht nachträglich einen vielleicht nicht ungerechtfertigten Tadel zuzuziehen. Königliche Hoheit wissen, daß in der Arbeiterfrage von der äußersten Linken ein Antrag eingebracht werden soll. Es ist dies ein Versuch der liberalen Partei, im leßten Augenblicke ein Stück des verLoren gegangenen Bodens wieder zu gewinnen, ein Versuch, der ohne Zweifel fehlschlagen wird, denn es wird sich bei der Debatte und bei der Abstimmung klar herausstellen, daß die Partei überhaupt in sich ganz und gar zerfallen ist. Nun wäre es vielleicht nicht übel, und würde entschieden dazu beitragen, die seit dem Bekanntwerden des bewußten Briefes im Volk etwas erschütterten Sympathien für Eure königliche Hoheit wieder zu erwecken, wenn man den Schein annähme, sich für den Antrag zu interessiren. Man würde dabei freilich den der Sache Eurer Hoheit zugethanen Theil der liberalen Partei vor den Kopf stoßen - indessen

Der Prinz stampfte ungeduldig mit dem Fuße.

Ach, rief er, lassen Sie mich mit diesen Dingen ungeschoren. Wenn Sie mit solchen Plänen reussiren wollen, wenden Sie sich an unsern geistreichen König. Ich bin für dergleichen Winkelzüge nicht geschaffen. Ich bin ein ehrlicher Mann, mein Weg muß gerade sein. Schlimm genug, daß ich Ihrem Onkel und seinesgleichen einige Concessionen machen muß; aber mit dem Pöbel will ich ein für allemal nichts zu thun haben. Ich will kein Pöbelregiment.

Sonst hätten königliche Hoheit nichts zu befehlen?

Ja, was ich zu wissen wünschte: Sie haben sich wirks lich mit Ihrem Vater irreparabel überworfen?

Frreparabel, königliche Hoheit.

Das gefällt mir gar nicht. Es wird einen abscheulichen Eclat geben, der vielleicht mit etwas Nachgiebigkeit von Ihrer Seite hätte vermieden werden können.

Es war nicht möglich, königliche Hoheit.

Ich will mich heute mit Ihnen nicht noch mehr streiten. Sie sind und bleiben ein unverbesserlicher Troßkopf. Nun, nun, ich wollte Ihnen nicht wehe thun, lieber Tuchheim; ich glaube, daß Sie mich lieb haben. Speisen Sie morgen bei mir. Und hören Sie, lieber Tuchheim, was meinen Sie, wenn man dem Lippert nun doch jezt den Laufpaß gäbe? Sehen mag ich den Menschen ohnedies nicht wieder. Was meinen Sie?

Es käme nur darauf an, einen passenden Vorwand zu finden.

Wohl, wohl! wir können morgen weiter darüber sprechen; ich muß den spanischen Gesandten empfangen. Adieu, lieber Tuchheim.

Der Prinz reichte Henri mit gnädigem Lächeln die Hand. Henri verbeugte sich tief und ging.

Er verließ diesmal seinen hohen Gönner zufriedener als neulich; ja es schwebte ein stolzes Lächeln um seine Lippen, wie er durch die Vorgemächer an den sich bückenden Hofbedienten vorbeischritt. Es war klar der Prinz konnte ihn nicht mehr entbehren, und wenn der hohe Herr auch, Alles in Allem, nur ein beschränkter Kopf war er hatte offenbar den politischen Schachzug, den ihm Henri gerathen, faum verstanden so war das vielleicht für den Günstling und künftigen Premierminister gar so übel nicht.

Henri fühlte sich vollkommen in der Stimmung, der schwierigen Situation, in welcher er sich befand, Herr zu werden. Von dem Vater war noch keinerlei Nachricht eingelaufen; aber Herr von Sonnenstein war jest wirklich klagbar geworden und hatte auf Subhastation der Fabriken ans

getragen. Das war die Hauptsache. Sodann hatte der Anwalt des Vaters, mit bedauerndem Achselzucken über die Unvorsichtigkeit und Halsstarrigkeit seines Clienten, einige allerdings sehr vorsichtige Winke über dessen Verhältnisse fallen lassen, die man in der verwickelten Angelegenheit vortrefflich brauchen konnte.

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Auch Emma's findischen Troß hoffte er mit der Zeit zu besiegen. Vielleicht war es ihr mit ihrer neulichen Weigerung gar so ernst nicht gewesen er erinnerte sich, daß sie ihn ein paarmal ganz verliebt angeblickt hatte; es war ja auch Alles gut gegangen, bis Leo's Name erwähnt wurde.

Henri's Miene wurde dunkel, wie jezt das Bild des Mannes, den er mehr als jeden Anderen haßte, vor seine Seele trat. Er soll und muß in den Staub, murmelte er, und ich denke, ich habe ihn jezt in der Hand.

Unwillkürlich faßte Henri nach einem Brief, den er, als er sich zu dem Prinzen begeben wollte, erhalten hatte. Es waren ein paar Zeilen von dem kranken Marquis aus Nizza, des Inhalts, daß Henri den unbequem gewordenen Miethsmann aus der Wohnung entfernen möge, „aber convenablement, mein Lieber, und vor allem so, daß die Reputation des jungen Mannes, dem ich doch schließlich Dank schuldig bin, nicht unnöthig darunter leidet.“

Ueber die gutmüthigen Seelen, sagte Henri, als er den Brief wieder in die Tasche steckte. Ich denke, ich mache es so, wie es mir convenirt. Und dann, nachdem ich den guten Buffone, der doch nun endlich wissen muß, wem er eigentlich sein Fiasco verdankt, auf ihn gehezt habe werde ich schließlich Herrn von Hey wohl begreiflich machen können, daß es für das Wohl des Staates absolut nothwendig ist, den Herrn Doctor auf einige Zeit verschwinden zu lassen. Bliebe also nur noch für Fräulein Eve ein Liebhaber zu finden.

Henri bog in die Promenade, die jetzt bei dem herr

lichsten Frühlingswetter von Carossen, Reitern und Spaziergängern wimmelte.

Unter den Letteren entdeckte er Alfred von Sonnenstein, der, das Lorgnon im Auge, mit verdrießlicher Miene dahergeschlendert kam.

Sieh' da, Alfred! nach wem blickst Du denn so eifrig? Nach irgend einem hübschen Mädchen, in das ich mich verlieben könnte. Ich langweile mich schauderhaft.

Möglicherweise kann ich Dir helfen, sagte Henri, seinen Arm in den seines Betters legend.

Wo ist sie? rief der Dandy, das Lorgnon, das er hatte fallen lassen, wieder in's Auge klemmend.

Nicht hier, mon brave! Reine dieser Lilien auf dem Felde. Eine Dornenrose oder richtiger eine Rose in Dornen, die ich durch das sonderbarste Spiel des Zufalls aufgefunden. Ich bringe Dich gelegentlich zu ihr; vorderhand laß uns erst noch einmal die Lilien betrachten, wie sie der Vater im Himmel so herrlich gekleidet hat.

Sechzigstes Capitel.

In derselben Mittagsstunde war Leo's Vorzimmer von einer Gesellschaft angefüllt, wie sie diese Räume schwerlich jemals gesehen: Männer mit schwärzlichen Gesichtern und knorrigen, unbehandschuhten Händen, in Kleidern, die offenbar aus den Werkstätten ehrbarer Dorfschneider hervorges gangen waren; zwölf an der Zahl, Alle die Hüte in den Händen, die Meisten mit dem Blick scheuer Neugier die Herrlichkeiten ringsumher betrachtend.

Das dauert lange, sagte einer der Männer, eine lange, hagere Gestalt mit einem ernsten, nachdenklichen Gesicht, zu einem jüngeren Manne von troßigem, verwegenem Aussehen.

Ich hab' es ja gleich gesagt, daß wir nicht zu dem Rechten kämen, antwortete der jüngere mürrisch und fuhr dann nach einer kleinen Pause mit verbissenem Ingrimm fort: Ich weiß noch ganz gut, wie er immer an uns vorüberstolzirt ist, als ob unsereiner gar nicht auf der Welt wäre. Und ist denn das hier eine Wohnung für einen Volksmann?

Was meint Jhr? wird er mit uns sprechen? fragte ein Dritter, der eben herantrat.

Wenn er nicht will, läßt er's bleiben, sagte der mit dem verwegenen Gesicht grollend.

Die Thür zu dem Nebengemache ging auf, und statt des jugendlichen Dieners, der sie angemeldet hatte, erschien Leo's schlanke, hohe Gestalt auf der Schwelle. Sein Auge flog schnell über die Gesichter, die plötzlich alle auf ihn gerichtet waren, und ein Lächeln spielte um seinen Mund, als er jezt auf den Hageren zuging und ihm die Hand reichte.

Sieh' da, Herr Krafft! das ist lange her, daß wir uns nicht gesehen; und auch Sie, Johann Brandt, wahrhaftig, ich hätte Sie kaum wiedererkannt.

Der Verwegene, der sich so plößlich angeredet sah, machte ein verblüfftes Gesicht, legte aber doch, obgleich zögernd, seine Hand in Leo's dargebotene Rechte.

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Ich weiß zum Theil wenigstens aus Ihrem gestrigen Schreiben, was Sie zu mir führt, meine Herren, fuhr Leo fort, und ich kann bis jezt nur sagen: was in meinen Kräften steht, Ihnen zu dienen, oder vielmehr: uns Allen zu helfen das soll geschehen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort, und nun treten Sie näher, damit wir die Sache in aller Ruhe besprechen können.

Er lud mit einer Handbewegung die Männer ein, in das Studirzimmer zu kommen. Es dauerte einige Zeit, und er mußte seine einladende Geste noch manchmal wiederholen, bis sie Alle an ihm vorüber waren. Hatte die elegante Einrichtung des Vorzimmers schon das Staunen, zum Theil das Mißtrauen der einfachen Männer erregt, so war die Ver

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