ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

wir haben uns geschworen, treu zu einander zu stehen und keinen Streit oder Unfrieden unter uns auffommen zu lassen, auch nicht rechthaberisch zu sein und mit heftigen Worten aufeinander loszufahren. Johann Brandt! Du bist der Jüngste von uns und hast nicht Frau und Kind und Niemanden, für den Du zu sorgen brauchtest, so kannst Du bald mit der Faust bereit sein. Nehmen Sie es ihm nicht übel, Herr Doctor, und sagen Sie uns weiter, wie Sie sich das denken mit dem König. Wir vermeinten immer, es würde nicht besser werden, als bis wir gar keine Könige mehr hätten, weder gute noch schlechte, sondern eine einzige große Republik wie in Nordamerika?

Ich sage nicht, daß dies nicht das Ziel und das Ende der ganzen Entwickelung ist, die sich jezt in Europa vollzieht, erwiederte Leo, aber wie die Gebilde der Natur sich streng gesetzmäßig und allmälig entwickeln, so ist es nicht anders mit den politischen Gestaltungen. Das Königthum hat uns schon einmal geholfen, das Joch der Feudalherrschaft abzus schütteln, es muß uns auch helfen, die Fesseln des Capitals abzustreifen und mag dann, wenn es uns diesen leßten Dienst gethan, aus der Reihe der Mittel der Erziehung und Fortbildung des Menschengeschlechts verschwinden. Ich will Ihnen einen Vorschlag machen. Morgen findet in der Kammer die Debatte über die Arbeiterangelegenheit statt. Faßt die Kammer einen Beschluß, wie Sie ihn von Männern erwarten müssen, die ein Herz für Ihre Sache, ja die nur eine Ahnung davon haben, daß die Zukunft Ihnen gehört, daß es nicht ein Stand, sondern die Menschheit ist, die in Ihnen und mit Ihnen nach einer menschenwürdigen Existenz ringt ich sage: tönnen Sie auch nur diese Sympathien, dieses Verständniß aus der Debatte heraushören — nun wohl, so verharren Sie in Ihrem Glauben, daß Ihnen die Bourgeosie helfen kann und will; ist das Resultat aber, wie ich voraussehe, so kommen Sie wieder zu mir, und wir überlegen dann gemeinschaftlich, was wir thun können.

So soll es sein, Herr Doctor, sagte der Hagere, indem

er aufstand und die Uebrigen seinem Beispiele folgten. Wir find es den dreitausend Brüdern schuldig, daß wir Alles ernstlich prüfen. Haben wir so lange berathschlagt und find zu keinem Entschluß gekommen, so können wir auch wohl noch ein paar Tage zugeben. Adieu, Herr Doctor, und nichts für ungut.

Er reichte Leo die große, schwielige Hand mit treuherzigem Druck. Auch die anderen Männer traten einer nach dem andern heran; nur Johann Brandt hielt sich in mürrischer Ferne und drängte sich, einer der Ersten, zur Thür hinaus.

Einundsechzigstes Capitel.

War es die durch die Anwesenheit so vieler Menschen verdorbene Luft, war es die dumpfe Ahnung der Zukunft, über welche der Moment entschieden hatte Leo fühlte sich seltsam beklommen, als er wieder allein in seinem Zimmer war. Er riß die Fenster auf, die goldene Frühlingsluft hereinströmen zu lassen. Dann wendete er sich wieder in das Zimmer, durchmaß es ein paarmal mit heftigen Schritten und warf sich endlich in der Nähe des Fensters auf eines der Sophas, Stirn und Augen in die Hand gepreßt, vers loren in tiefstes Sinnen.

Ja! es war entschieden! Der Moment hatte einmal wieder seine Allmacht bewährt. Das Wort, das er so lange in seiner Brust verschlossen gehalten es war über seine Lippen gesprungen und stand nun da, ihm gegenüber, des eigenen Lebens voll, durch keine Kunst zu bannen, durch keine Gewalt zu vernichten. Er hatte es nicht mehr; die Männer hatten es, die eben gegangen waren, die Männer mit den leidendurchfurchten Gesichtern und den treuen guten Augen, die Repräsentanten des Volkes, des vielgeprüften,

arbeiterdrückten, hungergequälten, geschändeten Volles! Der arme Konz der Bauernkriege, da war er wieder in faum veränderter Gestalt, immer noch auf der lezten Stufe civilisirten Daseins, immer noch das Lastthier, das den Herrn schleppen und jede Unbill, jede Rohheit dazu tragen muß!

Und das sollte so fortgehen in alle Ewigkeit! Immer wieder sollten Mütter in Schmerzen gebären, blos damit das Maß des Elends niemals kleiner würde! Geschöpfe zum Dasein bringen, die niemals frei das Haupt erheben, deren Seelen nie von der Herrlichkeit der Wissenschaft, von der Wonne der Kunst begnadigt werden könnten! Welcher Teufel wäre teuflisch genug, zu diesem grausen Fluch Ja und Amen zu sagen!

Nein, nein, und tausendmal nein! Es muß einen Weg aus dieser Hölle geben. Daß er noch nicht gefunden ist, kann das beweisen, er werde nie gefunden werden? Ist die Welt deshalb zu Ende, weil unsere Sehkraft nicht weiter reicht? Und ich sehe sie in dämmernden Umrissen, die Gebilde der Zukunft, und deshalb darf ich es wagen, die Gegenwart nach meinem Sinne gestalten zu wollen. Es ist nur ein Versuch meinetwegen; auch nur gestrebt und sich geregt zu haben, ist schon Verdienst inmitten dieser verdumpften Masse, die sich widerstandslos von der eigenen Schwere zu Boden drücken läßt.

Und wen opfere ich denn schließlich - als mich selbst? Selbst wenn mein Experiment fehlschlagen sollte — die Lage der armen Menschen kann nicht schlimmer werden; ist die Sonne nun doch schon so viele Jahrhunderte nicht müde geworden, dasselbe Elend zu bescheinen! Aber ich könnte es anders haben; ich könnte mich die paar Lebenstage im Sonnenschein wiegen, wenn mir an dem Mückentanz gelegen wäre. Sie machen es mir ja leicht genug. Es kostete mich nicht mehr Zeit und Mühe, für diese Menschenmäkler zu schreiben, wie ich gegen sie geschrieben habe, und der reiche Laban gäbe mir seine Lea und die Hälfte von Allem, was sein ist. Wie sagte fie? Mein stolzer Adler - die

demüthige Taube harret Deiner, sich mit Dir zu schwingen durch alle Lüfte war es nicht so? Pah! ich könnte ihren fleinen üppigen Leib und ihre kleine üppige Seele haben, wenn mich danach gelüstete.

Der Diener unterbrach Leo's Meditationen, indem er mit einem Briefe hereintrat, der soeben von einer jungen Dame, die sich sogleich wieder entfernt habe, abgegeben worden sei. Leo sah nach der Aufschrift und erkannte Eve's Hand. Eine unangenehme Empfindung, als ob er unversehens die Spite eines Dolches berührt hätte, durchzuckte ihn, und er ließ den Brief neben sich auf das Sopha fallen. Er hatte seit jener Schreckensnacht von Eve nichts gehört; er wußte nur durch Ferdinand Lippert, den er aber auch schon seit mehreren Tagen nicht wiedergesehen hatte, daß sie noch immer auf dem Jagdschlosse des Prinzen sich befand. In der leidens schaftlichen Verfolgung seiner politischen Pläne hatte er des sonderbaren Mädchens und ihres merkwürdigen Schicksals kaum mehr gedacht; jest trat ihr Bild vor ihn hin, in drohender Gestalt ein Gespenst am hellen Tage.

[ocr errors]

Er machte eine heftig abwehrende Bewegung, aber der Brief lag noch immer da. Es wäre das erstemal in meinem Leben, daß ich einer meiner Handlungen nicht gerade in das Gesicht gesehen hätte. Her damit!

Leo erbrach das Siegel und las:

"Ich schreibe, nicht, wie Sie in Ihrer Eitelkeit vielleicht wähnen, Ihnen noch einmal eine Liebe nachzuwerfen, die Sie nicht verdienen; ich schreibe, nicht, Sie um ein Mitleid anzuflehen, dessen Sie nicht fähig sind — ich schreibe, Ihnen zu sagen, daß ich Sie haffe, wie eine Elende den haßt, der fie in's Elend stürzte. Ja, ja, runzeln Sie nur immer zornig Ihre Stirn und krümmen Sie verächtlich Ihre Lippen. Sie, Sie sind schuld an meinem Unglück, Sie haben mir, die ich am Abgrund taumelte, nicht die rettende Hand gereicht was sage ich nicht einmal ein Wort des Rathes, der Warnung haben Sie für mich gehabt, und das, das allein schon hätte mich retten können.“

[ocr errors]

Spielhagen, In Reih' und Glied. L

33

„Sie, Mann der Pflichttreue, der heroischen Tugend! Hatten Sie mir gegenüber keine Pflichten? Verbot Ihnen Ihre Tugend, mir gegenüber tugendhaft zu sein? Wenn Sie feine Liebe für mich fühlten, durften Sie auch nicht die allergewöhnlichste Nächstenliebe an mir üben? War ich auch der nicht würdig? Hatte Ihnen die Energie, mit der ich aus der Tiefe der Unwissenheit, der Verwilderung hinaufstrebte zum Wissen und zur Bildung, keine Achtung abgenöthigt? Rührte Sie der verzweifelte Kampf nicht, mit dem ich mich rein erhalten hatte in der unreinen Atmosphäre, die mich umgab? War ich Ihnen auch als Schwester meines Bruders nichts, meines Bruders, den Sie Ihren besten Freund nennen, von dem Sie eingestehen, daß Sie ihm Unendliches zu danken haben? Wäre es zu viel der Dankbarkeit gewesen, hätten Sie seine Schwester vor der Schande bewahrt?"

[ocr errors]

Aber was rede ich denn von dem Allen, als ob Sie das verständen, als ob Sie ein Herz hätten, wie ein anderer Mensch? Wann hätten Sie das gehabt? Damals vielleicht, als Sie dem Manne, der Sie genährt und gekleidet, den Feuerbrand in sein Haus schleudern wollten? Oder als Sie meinen Bruder verließen, um sich hier zum großen Manne zu lügen und zu trügen. Ja, Mann! Sie haben gelogen und getrogen! Ich selbst bin Ihnen nicht zu schlecht gewesen, Ihre Künste an mir zu versuchen. Können Sie es leugnen? leugnen, daß Sie mich aufgesucht haben? daß Sie mir unter der Maske eines Jugendfreundes entgegengetreten sind? daß Sie sich in mein Vertrauen eingeschlichen? daß Sie mich mit gütigen Worten beglückten? daß Sie sich meine Liebe, die Sie, der Kluge, der Vielerfahrene, recht gut erkennen mußten, gefallen ließen, so lange so lange es Ihnen paßte, so lange, als Sie mich brauchen konnten, so lange ich noch ein Rechenpfennig in Ihrem politischen Exempel war! Und das ist es, was ich Ihnen nicht vergeben kann, nimmer und nimmer vergeben werde. Um zu erfahren, was Sie von dem Prinzen und über den Prinzen zu wissen wünschten,

[ocr errors]
« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »