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in der Hoffnung auf den Beistand des Freiherrn den Gedanken gefaßt hatten, eine Deputation in die Hauptstadt zu senden. Konnte man nun dem Könige das Schädliche, Verdammliche dieser ganzen Bewegung begreiflich machen — und warum sollte man das nicht können? so fiel ein großer Theil der Schuld auf den Freiherrn, das heißt auch auf den General.

Und dann konnte man bei dieser Gelegenheit so zu sagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es war politisch nothwendig, den Einfluß des Prinzen auf die öffentlichen Angelegenheiten möglichst zu paralysiren, aber ihm privatim einmal eine Gefälligkeit zu leisten, verbot die Klugheit nicht. Und man durfte das umsomehr wagen, da der Mantel der Liberalität, in welchen sich der Prinz in lezter Zeit zu hüllen gesucht hatte, durch die Briefaffaire so fadenscheinig geworden war. Er wünschte den Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach der moralische Urheber des Diebstahls gewesen war, bestraft zu sehen; nun wohl, so werde er bestraft.

Der Minister dachte weiter darüber nach, welchen Grund wohl der Unterhändler des Prinzen, der junge Tuchheim, gehabt haben möchte, die Sache mit einem so großen Eifer zu betreiben. Aus bloßem Eifer für seinen hohen Freund, oder aus persönlichem Interesse? Die Motive waren jedenfalls nicht ganz klar; aber gleichviel! So viel stand fest: der gestörte Frieden in der Familie Tuchheim würde durch die Parteinahme des Sohnes gegen den Rathgeber seines Vaters ganz gewiß nicht wieder hergestellt werden.

Herr von Heh lächelte.

Und dann hatte der junge Tuchheim gewisse Andeutungen in Betreff eines möglicherweise schnelleren Avancements des Bruders fallen lassen, der noch immer erst Oberstlieutenant und leider von dem Prinzen, dem man das Präsidium im Militärcabinet hatte laffen müssen, abhängig war.

Herr von Hey faßte nach der Schelle.

Aber der Ministerialrath Urban hatte auf den Doctor Gutmann als einen Mann hingewiesen, der, wenn er sich

erst die Hörner abgelaufen, ein ganz vortreffliches Werkzeug abgeben würde. Urban hatte einen scharfen Blick, pflegte fast immer den Nagel auf den Kopf zu treffen. Nun wohl, so helfen wir dem jungen Manne sich die Hörner ablaufen; ein paar Monate Untersuchungshaft sind herrlich dazu geeignet, einen Menschen mürbe zu machen.

Herr von Hey flingelte und ließ seinen Secretär kommen.
Auf wann ist die Arbeiterversammlung angesagt?

Auf Sonnabend Abend, Excellenz, ein halb acht Uhr, in der Musenhalle.

Noch vier Tage. Morgen ist das Souper bei dem Polizeipräsidenten. Da kann ich die Sache bequem mit ihm besprechen. Es ist gut, Mühlbach!

Dreiuudsechzigftes Capitel.

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Leo hatte mit dem Eindrucke, daß der engherzige Bureaukrat nichts für ihn und die Sache, die ihm so sehr am Herzen lag, thun würde, das Hotel des Ministers verlassen. Er war auf diesen Mißerfolg vorbereitet gewesen, dennoch kochte es in ihm, wie er sich jest, während er an dem Rande des Parkes nach der Sommerwohnung des Generals von Tuchheim fuhr, sagen mußte, daß er abgewiesen sei, wie ein unverschämter Bittsteller er, der Anwalt der Armen, der Anwalt der Zukunft; abgewiesen von einem dumm-pfiffigen Bureaukraten, in dessen enge Seele nie ein Strahl der Menschenliebe, nie ein Schimmer der Erkenntniß von dem, was da war und sein würde, gefallen war. Und doch steht dieser Zwerg wie ein Riese zwischen mir und meinem Ziele, wie zum Hohn für Walter's Theorie von der Ohnmacht der Einzelnen und der Allmacht der Masse!

Der Wagen hielt vor der Wohnung des Generals, die

ein fleiner Garten von der Parkstraße trennte, auf welcher zu dieser Stunde prächtige Equipagen unaufhörlich rollten, elegante Reiter vorübersprengten und die Schaaren der Promenirenden hin und wieder zogen.

Leo hatte sich schon am Tage vorher schriftlich bei dem General angemeldet und wurde sogleich vorgelassen. Die Anmuth der Haltung, welche den General, wie alle Mitglieder seiner Familie, auszeichnete, stach sehr vortheilhaft gegen die plumpen Manieren ab, in denen sich Herr von Hey bewegte. Leo fühlte sich durch den verbindlichen Empfang an genehm berührt; er faßte wieder einige Hoffnung, er werde hier Verständniß für seine Ideen finden, und er trug mit Beredtsamkeit seine Wünsche, seine Pläne vor. Aber gar bald mußte er bemerken, daß der General mit ganz anderen Gedanken beschäftigt war.

Ich fürchte, ich mache meine Meinung Excellenz weniger deutlich, als es mir wünschenswerth ist, sagte Leo.

Doch, doch, mein junger Freund, erwiederte der General, ich bin Ihren so klaren, so überzeugenden Auseinandersezungen mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt; aber ich gestehe allerdings, daß mir eine Episode dieses Dramas noch ganz besonders nahe geht. Sie sagten, daß die Erklärung meines Bruders mehr als alles Andere die Leute bewogen habe, diesen Schritt zu thun. Ich ahnte vom ersten Augenblicke und erkenne es jest immer deutlicher, daß jener Schritt ein sehr verhängnißvoller war. Sie sehen, werther Herr Doctor, daß das Gerücht, welches Sie zum intellectuellen Urheber jener unglückseligen Erklärung macht, auch zu mir gedrungen ist - - auf privatem Wege, wie ich hinzuzufügen wohl verpflichtet bin durch meine Tochter, der es ich weiß nicht, ob von meiner Schwester oder von meiner Nichte im Hause meines Bruders mitgetheilt wurde. Ich frage nicht, ob diese Nachricht begründet ist, denn ich wünsche nicht, Sie zu einer Antwort zu drängen, der auszuweichen Sie vielleicht durch andere Rücksichten genöthigt sind.

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Verzeihen Sie, Excellenz, unterbrach Leo den General,

ich kann weder, noch will ich es leugnen, daß ich es bin, der den Freiherrn zu jener Erklärung bestimmt hat.

Aber was, um Gottes willen, bewog Sie dazu? rief der General in schmerzlicher Erregung.

Die Rücksicht auf das Gemeinwohl, Excellenz.

Der Sie die Ruhe einer Familie zum Opfer brachten! Verstatten Excellenz, daß ich eine Verantwortung ablehne, die offenbar eine Beleidigung der intellectuellen Fähigkeiten Ihres Herrn Bruders in sich schließt.

Ich sage nicht, daß Sie Unrecht haben, erwiederte der General; ich muß annehmen, daß Sie weder die etwas schwankenden Verhältnisse, noch das nur zu leicht bestimmbare Wesen meines Bruders hinlänglich kannten. Wenn Sie gewußt hätten, was eintreten würde und nun zum Theil eingetreten ist: der offene Bruch zwischen meinem Bruder und Herrn von Sonnenstein - ein beide Theile compromittirender Proceß, troß Allem, was ich in diesen Tagen auf dem Wege der Vermittelung versucht habe der sehr wahrscheinlich folgende Ruin meines Bruders, des Chefs einer der ältesten Familien des Königreichs

Der General bedeckte sich die Augen mit der Hand; um Leo's Lippen zuckte ein tiefer Unmuth.

Verzeihen Excellenz, sagte er, wenn Jemand, der, wie ich, niemals so recht eigentlich dem Banne einer Familie angehörte, für Familienglück und Unglück nicht die lebhaften Sympathien anderer in dieser Hinsicht mehr vom Schicksal begünstigter Menschen besigt. Mein Blick war von Jugend auf unverwandt auf die öffentlichen Interessen gerichtet; die alte Gewohnheit ist so mächtig. daß ich auch in diesem Augenblicke nicht davon lassen kann und mir erlauben muß, Euer Excellenz daran zu erinnern, daß ich in der so überaus wichtigen Angelegenheit, um derentwillen Sie mir eine Audienz zu bewilligen die Güte hatten, noch immer des Bescheides harre.

Der General bewegte die weiße, sorgsam gepflegte Hand nach dem Mund und affectirte einen leichten Hustenanfall;

aber bevor er noch zur Antwort kommen konnte, trat der Kammerdiener herein, der ihm einen Brief überreichte und ihm dabei einige Worte in's Ohr flüsterte. Leo sah, wie der General sich entfärbte, während er, nachdem er sich flüchtig entschuldigt, den Brief durchflog. Er gab dem harrenden Kammerdiener einen Auftrag und sagte dann zu Leo gewendet:

Sie müssen mich für einen Augenblick entschuldigen, Herr Doctor; ich bin in der Lage, Jemanden in einer dringenden Angelegenheit empfangen zu müssen. Da aber auch Ihre Angelegenheit schleunige Erledigung heischt, möchte ich Sie ersuchen, so lange bei meiner Tochter einzutreten.

Der General sagte das mit einer gewissen Unsicherheit und Verlegenheit. Auch ließ er Leo keine Zeit zu antworten, sondern schlug hastig die Portière zurück, öffnete die Thür und sagte, Leo vorstellend:

Herr Doctor Gutmann, liebe Josephe, von dem Du mir schon öfter gesprochen hast. Es wird Dir eine Freude sein, ihn einige Minuten unterhalten zu dürfen, während ich einen Besuch, den ich leider annehmen muß, abfertige.

Damit schloß er die Thür und Leo hörte, wie nebenan die Portière wieder zugezogen wurde.

Josephe von Tuchheim hatte in einer tiefen Fensternische des großen, mit vielem Geschmack ausgestatteten Gemaches geseffen. Sie erhob sich auf die Anrede des Vaters und lud Leo, indem sie sich verneigte, mit einer Handbewegung ein, auf einem Sessel in ihrer Nähe Plaß zu nehmen.

Leo war erstaunt über das ihm unerklärliche Benehmen des Generals, ja er fühlte sich verlegt in dem Gedanken, zu einer Unterredung, der er wohl sonst entschieden ausge wichen wäre, so gleichsam gezwungen zu sein. Dennoch konnte er nicht umhin, zum andern Male die Schönheit der Dame, der er jeßt gegenüber saß, zu bewundern. Er hatte sie seit jenem Abend bei Emma von Sonnenstein nicht wies der gesehen; aber er fand, daß er keine Einzelheit des Bildes vergessen hatte, nicht die schöne Form des Kopfes, den

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