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Seiten, um sich zu vergewissern, daß kein Lauscher in der Nähe sei, und sagte in einem noch leiseren Tone, als in welchem er sonst schon zu sprechen pflegte:

Der König wird alt, Karl; das heißt, wenn er auch nicht älter ist, als wir, so hat er doch nicht unsere zähe Natur, mit einem Worte, er ist nicht mehr, der er noch vor kurzer Zeit war, und ich habe die feste, übrigens auch von anderer Seite her verbürgte Ueberzeugung, daß er nur noch wenige Jahre zu leben hat.

In der That! erwiederte der Freiherr; ich habe ihn gestern Abend zwar nur sehr flüchtig gesehen, indessen

Verlaß Dich auf mich und meine Quellen, unterbrach ihn der General; der König hat nicht lange mehr zu leben, und eines schönen Morgens werden wir durch den Ruf überrascht werden:,,Le roi est mort, vive le roi!"

Der Freiherr knöpfte an seinem Frack. Die Wendung, welche die Unterredung mit dem Bruder zu nehmen drohte, mißfiel ihm ausnehmend; indessen sagte er nichts. Es wäre ja nicht das erste Mal gewesen, daß der General mit geheimnißvoll feierlichen Falten ein Nichts bedeckte. Der General fuhr fort:

Du kennst meine Stellung bei Hofe, oder vielmehr Du kennst sie nicht, denn nichts ruht auf künstlicheren Schrauben, als diese meine Stellung. Der König will mir wohl, das heißt, er würde mir wohler wollen, wenn ich dümmer oder er flüger wäre. So hat er einfach vor mir nur den Respect, den eine vulgäre Natur nothwendig vor einer höheren empfindet; aber Respect ist nicht Liebe; Respect haben zu müssen, ist unbequem, besonders, wenn man König ist, und so wäre denn dieser Respect eine der künstlichen Schrauben, von denen ich vorhin sprach. Kommt mein Verhältniß zum Kronprinzen. Es sieht ganz anders aus und ist im Grunde doch dasselbe, welches ich zum König habe. Auch der Kronprinz liebt mich nicht; er ist bei all' seiner bedeutenden Begabung zu launisch, wetterwendisch und flatterhaft, und vor allen Dingen zu eitel, als daß er, wenn er erwachsen

sein wird, den Anblick eines Mannes, der ihn so oft klein gesehen hat, ertragen könnte. Wenigstens bin ich meiner Sache keineswegs sicher, und auch von ihm und mir möchte es dermaleinst heißen, es war ein neuer König im Lande, der wußte nicht von Joseph.

Der Freiherr, dessen Mund sich während dieser Auseinandersetzung schon ein paar Mal spöttisch verzogen hatte, konnte sich hier nicht enthalten, gerade heraus zu lachen. Das Citat war so trefflich! hieß doch auch der General Joseph, wie der Minister jenes alten Pharao!

Nun ja, sagte der General, warum sollten wir nicht für einen Moment die Sache von ihrer komischen Seite betrachten; die ernste drängt sich uns schon von selber auf. Denn siehst Du, lieber Karl, für mich ist die Aussicht, in Kurzem meinen Einfluß bei Hofe einzubüßen, nichts weniger als erfreulich. Ich bin nicht unabhängig wie Du - der Rest meines Vermögens wird eben noch hinreichen, meiner Josephe eine anständige Aussteuer zu geben enfin, ich muß mich halten, halten auf jeden Fall, durch jedes Mittel, und wenn ich nicht mehr auf eigenen Füßen stehen kann, muß ich suchen, mich auf andere zu stüßen.

Jedenfalls würde ich in der Wahl einer solchen Stüße sehr vorsichtig sein, meinte der Freiherr.

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Ich flehe Dich an, Karl, sagte der General, höre mir aufmerksam zu; es handelt sich um sehr wichtige Dinge, und unsere Zeit ist knapp gemessen. Wir leben in einer wunderbaren Periode, Karl; überall feimt und treibt es und drängt nach Entwickelung. Ich bin, wie Du weißt, fein Neuerer, feiner jener ungestümen Schwarmgeister ein Lieblingswort unseres Vaters, Karl! die da glauben, mit ein paar tönenden Phrasen Alles von Grund aus refor= miren zu können; aber so viel sehe ich doch etwas müßte geschehen, und es geschieht nichts. Man denkt nicht daran, die Bewegung zu leiten, ihr eine bestimmte Richtung die wünschenswerthe Richtung zu geben - im Gegentheil, man hemmt sie, so viel mau kann, und thut es

in der ungeschicktesten, täppischsten, plumpsten Weise. Daß dem so ist, kann freilich den Eingeweihten nicht Wunder nehmen. Der König ist stumpf, ist es stets gewesen, ist es jezt mehr als je. Er haßt instinctiv Alles, was nur den Anschein einer Aenderung, einer Neuerung hat; er möchte eine chinesische Mauer um den Staat, ja um jede Provinz, womöglich um jeden Regierungsbezirk und um jedes Stadtgebiet ziehen, damit es nur ja so bliebe, wie es vor fünfzig Jahren gewesen ist. Dieser Zustand kann nicht ewig dauern. Selbst wenn wir einer gewaltsamen Katastrophe entgehen -die ich nebenbei keineswegs zu den Unmöglichkeiten rechne muß ein Umschwung stattfinden, und der Tod des Königs wird das Signal dazu sein. Der Prinz ist, trotz seiner despotischen Gelüste, bei seiner unglaublich lebhaften Phantasie für alles Neue sehr empfänglich, und seine Eitelkeit wird ihn die Beute eines Jeden werden lassen, der ihm die Rolle eines Reformators aufzuschwaßen versteht. Wer in jenem Augenblicke, den ich mit vollster Deutlichkeit kommen sehe, sein Vertrauen besäße, der würde der Mann der Situation und würde allmächtig sein. Es scheint, daß ich die Anwartschaft zu diesem Glücke hätte, aber, wie ich schon vorhin sagte, es scheint nur so. Er wird nach dem Ruhme trachten, der Thäter seiner Thaten zu sein, und die Erinnerung an das, was er mir verdankt, würde ihm die Illufion allzu grausam zerstören. Sein Verhältniß zu dem Manne, dem er dann sein Vertrauen schenkte, müßte bis zu dem Momente ein mehr oberflächliches gewesen sein. Es müßte den Anschein haben, als ob er den Mann gleichsam erst entdeckt hätte, und doch, damit er ihn entdecken könnte, müßte der Mann bereits seit längerer Zeit, des Stichwortes gewärtig, hinter der Coulisse sich aufgehalten haben, um sofort auf der Bühne zu erscheinen. Du verstehst mich doch, Karl?

Halb und halb, erwiederte der Freiherr, den das politische Schachspiel, das der Bruder so vor seinen Augen aufstellte, unwillkürlich zu interessiren begann.

Du wirst mich hoffentlich alsbald ganz verstehen, sagte der General.

In diesem Augenblicke schlug die Schloßuhr. Der Ge= neral horchte auf.

Bereits acht Uhr, murmelte er; der König wird Dich sogleich rufen lassen. Wir haben keinen Augenblick zu verLieren. Höre!

Eine lebhafte Röthe hatte sich über seine bleichen Wangen ergossen; er sprach das Folgende in einem schnelleren, fast leidenschaftlichen Tempo:

Der Mann, den ich meine, der Mann, der Alles leisten kann, was der große Augenblick erfordert, weil er alle Eigenschaften dazu in sich vereinigt, ist kein anderer als Du. Ich bitte Dich, laß mich ausreden, ohne mich zu unterbrechen. Der König hat sich mit Messenbach, der ihm nicht geschmeidig genug ist, überworfen; der Bruch ist irreparabel. Messenbach ist nur darum noch im Amte, weil sich ein Nachfolger, der dem König zusagte, bis jetzt noch nicht ge= funden hat. Ich habe Dich vorgeschlagen, und der König ist mit einer an ihm ganz ungewöhnlichen Lebhaftigkeit auf meine Idee eingegangen. Das würde unter anderen Umständen kein besonderes Compliment für Dich sein, denn für gewöhnlich fällt die Wahl Sr. Majestät nicht mit Vorliebe auf bedeutende Menschen; diesmal aber gereicht Dir Deine landständische Opposition gegen Messenbach's Verwaltung zur Empfehlung; es würde den Mann entseßlich kränken, wenn gerade Du sein Nachfolger würdest, und das ist dem Könige in der Laune, in welcher er sich befindet, eben recht. Ueberdies hat der König aus der Zeit, wo Ihr zusammen im Felde standet, stets ein besonderes Faible für Dich gehabt. Du gehört zu den wenigen Menschen, die er vielleicht gegen seine Ueberzeugung - wirklich liebt, wie ja denn Jeder dergleichen Idiosynkrafien hat. Mit Einem Worte, es bedurfte von meiner Seite nur eines geringen Anstoßes, um ihn für Dich einzunehmen. Du wirst jest begreifen, weshalb ich den König dazu bestimmte, gerade

in Deinem Hause das Hauptquartier aufzuschlagen, und warum er so bereitwillig darauf eingegangen ist. Die Sache macht sich nun wie von selbst. Du brauchst nur zuzugreifen; nur an Dir wird es liegen, wenn Du nicht binnen vierundzwanzig Stunden, binnen einer Stunde vielleicht, Mis nister der öffentlichen Bauten, des Handels und der Gewerbe bist. Von da aber bis zum Vorsigenden in dem Cabinet des Königs il n'y a qu'un pas.

Hier wurde die Unterredung der beiden Brüder durch einen der königlichen Kammerherren unterbrochen, welcher meldete, daß Se. Majestät Excellenz zu sprechen wünschten. Der General warf seinen Mantel ab und entfernte sich mit dem Kammerherrn, nachdem er noch vorher dem Bruder einen bedeutenden Blick zugeworfen hatte.

Der Freiherr blieb in der Veranda zurück, durch des Generals Mittheilungen in einer Weise erregt, daß er selbst darüber erstaunt war.

Ist es möglich, sprach er bei sich, während er mit raschen Schritten auf und ab ging, daß dieser Traum von Macht für alle Menschen gleich berückend ist? Was habe ich, der ich mich mein Lebenlang von diesen Dingen geflissentlich ferngehalten habe, damit zu schaffen? Und doch, und doch! wenn es gelänge, wenn ich mir wirklich den Einfluß verschaffen könnte, den ich brauchte ich habe so Manches auf dem Herzen - in der Forstverwaltung in den Gemeinde-Angelegenheiten -da ist noch Unendliches zu thun - aber nein, nein! es geht ja nicht, kann ja nicht gehen. Ja, wenn man dabei auf geradem Wege fortschreiten dürfte, aber davon ist ja nicht die Rede, und durch Schliche und Ränke zu meinem Ziele zu kommen, das war ja wohl meine Sache nie. Soll ich mich, der ich so stolz darauf gewesen bin, auf meinem von den Eltervätern ererbten Grund und Boden zu sizen, der ich den stellenjägerischen, decorationshungrigen Hofadel so verachtet habe, nun auf meine alten Tage zum Höfling machen? Meinem alten Rücken Geschmeidigkeit lehren? Jezt noch lernen Ja sagen, wo ich

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