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mir nach ihrer Weise vergolten. Sie haben mich von sich gestoßen, und dann haben sie gesagt, ich wäre vor ihnen geflohen. Ja wohl, und mit wie offenen Armen hätten sie mich aufgenommen, hätte ich Erfolge gehabt! Ich habe keine gehabt - das ist es. Das verzeiht die Welt nicht. Arm und verhöhnt, krank und verachtet!

Der Förster schüttelte den Kopf.

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Es ist das alte Lied, sagte er. Nun, nun, man kann von einem Vogel nicht verlangen, daß er die Weise umlernt, die er sein Leben lang gesungen. So wahr mir Gott helfe, Anton, ich habe Dich nie verachtet, im Gegentheil, ich habe immer einen großen Respect vor Dir gehabt, obgleich Du der Jüngere warst. Und daß Du ein Herz hast, das lieben kann, Anton ei, das weiß ich auch. Hättest Du das nicht gehabt, Du würdest Dich nicht, Deiner seligen Frau zuliebe, in Dein Dorf eingeschlossen haben, Du, dem die ganze Welt offen stand. Und machst Du es nicht jezt mit Deinem Jungen wiederum so? Du lebst nur für ihn; Du studirst Dir Deine armen schwachen Augen fast blind, damit er nur recht gelehrt wird; mein Walter sagt mir, es sei ganz erschrecklich, was der Leo Alles wisse; er könne jeden Augenblick nach Prima kommen. Warum nimmst Du mein Anerbieten nicht an? Ich habe Dir schon vor drei Jahren, als ich den Walter in die Stadt auf die Schule schickte, gesagt, Du solltest den Leo mitgehen lassen; ich wollte schon für die beiden Buben sorgen. Du hast es nicht gewollt; ich hätte an der Sorge für den Einen schon zu viel; nun meinetwegen; es wäre mir nicht leicht geworden, die Pension aufzubringen; aber jetzt steht die Sache anders. Walter hat genug lateinische und französische Vocabeln im Kopf; er muß jezt ernstlich an seine Hantierung denken, sonst wird im Leben kein ordentlicher Forstmann aus ihm. Der Junge bleibt nun hier, und ich habe die Hände wieder frei, Leo kann in seine Stelle treten. Willst Du, Anton? Schlag' ein, alter Kerl!

Anton hatte sich wieder gesezt; in seinem hagern Gesichte zuckte es wehmuthsvoll; offenbar hatte ihn des Bruders rauhe.

Herzlichkeit wohlthätig berührt. Er nestelte verlegen in seinem grauen dünnen Haar und sagte:

Ich glaube es, Frit, ich glaube es, aber es geht nicht. Dein Junge wird Dich auch in Zukunft noch genug kosten, wenn er Soldat wird und was noch sonst dahin gehört. Dann mußt Du auch an Deine Tochter denken, die Du nicht immer wirst hier auf dem Lande bleiben lassen wollen. Schließlich haft Du für Malchen zu sorgen, und mich hast Du, die paar Thaler Pacht, die der Freiherr nicht von mir nehmen will, abgerechnet, auch noch auf dem Halse; deshalb wiederhole ich meine Bitte wegen der Gemeindeschreiberstelle. Fünfzig Thaler mehr sind in meinen Verhältnissen ein ganzes Vermögen; ich brauche wenig, mein Leo ist nicht verwöhnt. Ich kann ihn dann auf die Schule schicken, vielleicht später auf die Universität, ohne seine junge Freiheit durch Verpflichtungen gegen Andere zu lähmen. Willst Du also mit dem Freiherrn wegen meiner sprechen, so will ich selbst mich in der Stadt bei dem Landrath umthun. Man kann es mir nicht abschlagen; ich habe noch niemals um etwas gebeten. Vielleicht nimmst Du Dich, während ich fort bin, meines Leo an. Du siehst, ich kann auch demüthig sein und bitten, wenn es sein muß. Willst Du, Anton?

Der Förster war in großer Verlegenheit. Er wußte besser als irgend Einer, daß das neueste Project seines Bruders wiederum nichts als eine Seifenblase war, die bei dem ersten Anhauch der Wirklichkeit zerplaßen würde. Dennoch durfte er, wenn er den gerade heute besonders Verstimmten und unter dem Einflusse seiner Krankheit Leidenden nicht auf das Empfindlichste kränken wollte, kein Wort von seinen Zweifeln und Bedenken verlauten lassen. Er nickte deshalb eifrig und sagte: Natürlich, Anton, natürlich ei, das versteht sich ja von selbst; aber seine Augen bewegten sich unruhig, als suchten sie einen Gegenstand, der dem Gespräche eine andere Wendung geben könnte.

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Plößlich flog es über sein wettergebräuntes Gesicht wie ein Sonnenstrahl. In dem tiefen Schatten der Bäume zwischen den mächtigen Stämmen bewegte sich eine leichte Mädchengestalt

in hellem Gewande, jezt halb verdeckt, dann ganz verschwindend, dann wieder hervortauchend und vollkommen sichtbar, wie die glänzende Mondessichel, die durch Wolken segelt. Sie büdte fich häufig nach seinen Gräsern und Moosen und schaute dann wieder an den Bäumen hinauf, in deren dichten Laubkronen hie und da noch ein Vöglein zirpte. So kam sie näher und trat jezt aus dem Rande des Waldes in das rothe Abendlicht, so daß sie wie von einer Glorie umflossen dastand. Dem Vater hüpfte das Herz beim Anblick seines Lieblings. So schön war sie ihm noch nie erschienen. Wie schlank und zierlich die leichte Gestalt, und wie groß das dreizehnjährige Ding! Ordentlich wie ein erwachsenes Mädchen! Und wie kleidete sie der Eichenkranz, den sie lässig auf das hellbraune Haar gedrückt hatte, das in fast zu üppiger Fülle anmuthiger Locken von dem schön geformten Haupte herabfloß!

Silvia, rief er, komm' her, Mädchen!

Komm' Du hierher, Papa, sagte das Kind, es ist hier viel schöner als vor der Thür; wir wollen noch ein wenig umherlaufen.

Der Förster hatte sich schon halb erhoben.

Du verziehst Deine Kinder, Fris, sagte der Anton in verweisendem Tone.

Ich glaube, Du hast Recht, erwiederte der Förster lächelnd, aber was ist da zu thun?

Wer sein Kind lieb hat, der züchtigt es, sagte der Andere. Wenn der Onkel nicht mit will, so mag er bleiben, wo er ist, rief Silvia, die aus den Mienen der Männer den Inhalt ihres Gesprächs errathen hatte; ich habe ihn nicht zu kommen gebeten.

Schäme Dich, Silvia, rief der Förster.

In diesem Augenblicke erschien eine kleine bewegliche Frauengestalt in der Hausthür. Das schmale, altjungferliche Gesicht, das von Gutmüthigkeit und dem Wiederschein des Küchenfeuers glänzte, war hie und da mit Mehlflecken betupft. Sie trug einen hölzernen Löffel in der Hand und rief, sobald sie die Schwelle betreten:

Frit, Anton, Silvia! Wo sind die Jungen? Das Effen ist in zehn Minuten fertig. Wo sind die Jungen? Wo sind die Jungen, Silvia? rief der Förster.

Dort, sagte Silvia, seitwärts in den Wald deutend, unter der großen Buche, ich will sie holen.

Thu' das, mein Mädchen! sagte der Förster. Komm', Anton, in der Laube ist gedeckt; ich wollte Dir meine Bienens stöcke zeigen; wir haben noch eben Zeit.

Zweites Capitel.

Leicht und anmuthig wie ein Reh lief Silvia in den Wald hinein, aber schon nach kurzer Zeit mäßigte sie ihre Schritte und blieb endlich stehen, unschlüssig, ob sie den erhaltenen Auftrag ausführen solle oder nicht. Hatte sie sich doch erst vor einer halben Stunde in hellem Zorn von den Knaben getrennt! glaubte sie doch vollauf Ursache zu haben, den Uebermüthigen zu zürnen! Freilich, der Leo war immer so stolz und hochmüthig, aber Walter, der sonst ohne die Schwester nicht leben konnte, der jeden ihrer Wünsche mit Freudigkeit erfüllte, ihr jede Laune nachsah, ja oft sich von ihr gutwillig quälen ließ selbst Walter hatte den ganzen Nachmittag für sie keine Augen und Ohren gehabt. Das versteht ihr Mädchen nicht, hatte er mehr als einmal gesagt, wenn sie sich in das Gespräch hatte mischen wollen. Zulegt hatten sie sogar angefangen, lateinisch zu reden, blos, um sie zu kränken, blos, um sie ihre Unwissenheit fühlen zu lassen, denn sie konnten es offenbar selbst nicht, Leo noch so ungefähr, obgleich er auch nach jedem dritten Worte stockte; Walter aber du lieber Himmel, was der Walter sich nur denkt? Auf der Censur, die er gestern mitgebracht hat, steht: Lateinisch

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mittelmäßig! Aber ich habe ihn auch daran erinnert, und da ist er roth geworden, und Leo hat verächtlich gelächelt, wie er immer lacht, wenn er es nicht der Mühe werth hält, mir zu antworten. Und ich sollte den Ungezogenen wieder vor die Augen treten, mich noch einmal von ihnen verspotten und verhöhnen lassen? Nein, mag sie zu Tische rufen, wer will, ich werde es nicht thun, ich nicht!

Silvia fühlte sich sehr beleidigt und dabei sehr zornig und sehr unglücklich; sie nahm den Kranz, den sie vorhin, als sie durch den Forst schritten, gewunden hatte, von ihrem Haupte, zerriß ihn und warf die Blätter auf die Erde. Dann sette sie sich in das Moos, drückte das Gesicht in die flachen Hände und fing an zu weinen, bitterlich, leidenschaftlich.

Nach kurzer Zeit indessen erhob sie den Kopf wieder, schüttelte die Locken in den Nacken und lachte: Die albernen Jungen, wie sie sich freuen würden, wenn sie mich könnten weinen sehen! Wie leicht hätte das geschehen können! Sie müssen hier vorbei!

Sie stand und lauschte. Kein Lüftchen regte sich. Die lautlose Stille hatte etwas Beängstigendes. Silvia legte die Hand auf das pochende Herz. Sollte sie wieder umwenden? Wenn die Knaben nicht mehr auf dem Plaze waren, wo sie fie verlassen hatte, und sie allein zurückkehren müßte durch das dämmrige Revier? So hätten die Uebermüthigen doch Recht, daß alle Mädchen seig seien? Nicht Alle! Sie nicht!

So schritt sie weiter, und bald blickte das Zwielicht durch die hier am Rande weniger dicht stehenden Stämme. Sie hatte die Richtung gut getroffen. Da war die große Buche am Saum des Waldes, und da saßen auch die Knaben, wie fie sie verlassen hatte; Leo, an den Stamm gelehnt, hinausblickend in die Ebene, die im Abendschein verdämmerte; Walter, halb zu seinen Füßen in das Gras gelagert, den Kopf auf den gebogenen Arm stüßend, hinaufsschauend in den lichten Himmel und in die dunklen Augen seines Freundes.

Und wo liegt denn dies Land mit den armen, wilden Menschen?

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