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fichtigkeiten verdienen wirklich Mitleiden, und mehr lächerlich gemacht, als im Ernst gezüchtigt zu werden. Ein makaronischer 1) Brief eines hominis obscuri an diesen virum clarissimum hat mir im Sinn gelegen; aber ich habe jezt weder Kraft noch Muth zu denken und meine Gedanken zu sagen. Es ist mir weniger um Sie leid, als um meinen hiesigen gemißhandelten Freund, der nicht so viel zu seiner Rechtfertigung sagen kann.“

Am 15. Februar eröffnete er eine neue Reihe von Artikeln mit der Recension der deutschen Bibliothek der schönen Wissenschaften. Er übergießt dieselbe mit einem vollen Maaße des empfindlichsten Spottes und rächt zugleich seinen Freund Lindner an ihr. Es ist wohlthuend, mitten unter den Ausfällen der beißendsten Satyre die Stimme lauterer Freundschaft hindurch tönen zu hören. Wir versagen uns daher nicht, diese Stelle hier auszuheben: „Auf diese in Honig eingetauchte Recension kommt ein in Galle gewagter Versuch, wie Herr Dtsch. sich selbst darüber erklärt, gegen das Lehrbuch unsers beliebten und verdienten Lindners, dem dieser kleine Unfug vermuthlich nicht so nahe gehen wird, daß wir Beschwörungsmittel oder Fleckkugeln dagegen nöthig haben sollten. Wir befürchten nur, daß dergleichen Auffäße den Namen der Klogischen Bibliothek ein wenig ominös machen werden, und daß die Göttin Indignatio eben so unversöhnlich gegen das Gebauersche als Gollnersche Löschpapier 2) werden dürfte."

Lessing freute sich seines tapfern Mitkämpfers. Am zweiten Februar 1768 schrieb er an Nicolai: „Die Königsberger fangen schon ritterlich an, sich über den Herrn Geheimrath lustig zu machen, und ich will es noch erleben, daß Kloß sich wieder gänzlich in seine lateinischen Schanzen zurückzieht." Das innige

1) Makaronisch aus zwei Sprachen zusammengesezt, wie z. B. das Weihnachtslied: In dulci jubilo. Nun finget 2c. (Anmerkung aus dem VIII. Thl. der Schr.)

2) Löschpapier die Bibliothek wurde auf diesem angemessenen Material bei 3. 3. Gebauer gedruckt.

Verhältniß zwischen Hamann und Herder, das, wie es aus dem Ton und leisen Andeutungen der vorhergehenden Briefe fast scheinen will, nicht ganz so ungetrübt und lauter, wie früher erschien, kehrte in dem Briefe Hamann's vom Pfingstmontage, den wir seines reichen und tiefen Inhalts wegen, ganz mittheilen, zu seiner vorigen Herzlichkeit zurück.

,,Mein alter, lieber Freund Herder, für Ihre Briefe können Sie sicher sein; ich habe und werde mir kaum merken lassen, daß Sie mir geschrieben; geschweige, daß jemand Ihre Briefe sehen sollte. Ein Geheimniß gehört zur Freundschaft wie zur Liebe. Ohne die Vertraulichkeit gewisser Blößen und Schwachheiten findet kein Genuß der Geister Statt."

,,Der Inhalt meiner Reliquien, die ich einmal dachte, war ein Versuch über die ersten Capitel der Genesis, davon mir aber das erste immer das tiefste und älteste geschienen. Zu einer Geschichte der Schöpfung gehört unstreitig Offenbarung; mit einer Geschichte der Gesellschaft wird ein Os grajum1) immer fertig, wie ich das noch gestern und ehegestern aus dem mittelmäßigen Ferguson ersehn.“

Ich halte mich an den Buchstaben und an das Sichtbare und Materielle, wie an den Zeiger einer Uhr: aber was hinter dem Zifferblatte ist, da findet sich die Kunst des Werkmeisters, Räder und Triebfedern, die gleich der mosaischen Schlange, eine Apokalypse nöthig haben.“

,,Da ich vor wenig Abenden bei meinem Freunde Green 2) träumte, und Kant versichern hörte, daß man keine neue wichtige Entdeckung in der Astronomie mehr erwarten könnte wegen ihrer Vollkommenheit, fiel es mir nur wie im Schlafe ein, daß

1) Grajis dedit ore rotundo Musa loqui. Hor. ad Pis. 323.

2) Wie innig dies Freundschaftsverhältniß zwischen Green und Kant war, zeigt uns eine Aeußerung Hamann's in einem Briefe vom 21. Mai 1786. Er schreibt an Jacobi: „Sein alter Freund Green, wo er jeden Tag bis auf den Schlag 7, und Sonnabends bis 9 Uhr zu Hause ist, liegt so gut wie verrechnet und ist nicht mehr im Stande sein Bett zu verlassen, in dem er allein sich er= träglich findt, geht ihm sehr nahe."

ich den neuen Hypothesen der Sternkunst so gehässig war, ohne sie zu verstehen, daß ich ihnen, ohne zu wissen warum, nach dem Leben stand, vielleicht bloß, weil sie mich in meiner Andacht störten, womit ich eines meiner liebsten Abendlieder empfand und dachte, wo es heißt:

Also werd' ich auch stehen,

Wann mich wird heißen gehen 1). —

"Ich kann wirklich nicht sagen, daß ich Lindner's Lehrbuch einmal sollte gelesen haben. Leider muß ich Ihrer Anmerkung Recht geben. Denken, Empfinden und Verdauen hängt alles vom Herzen ab. Wenn dieses primum mobile eines Schriftstellers nicht elastisch genug ist, so ist das Spiel aller übrigen Triebfedern von keinem Nachdruck noch Dauer. Ich liebe diesen Mann wirklich, und entschuldige ihn, und freue mich, daß er seine Zufriedenheit in einem gewissen Plan findet, den ich nicht mißbilligen kann, weil ersterer mir lieber ist als letterer mir mißfällt. Er ist auf dem Lande, und ich kann die Feiertage nicht abwarten, ihn wieder zu sehen; so faux filés sind wir miteinander, um mich eines Handwerksausdrucks zu bedienen."

„Winckelmann 2) ist gar nicht der Mann seiner Jugend mehr. Seine historischen und praktischen Einsichten mögen zunehmen, aber ich finde nicht mehr die philosophische Salbung und das Mark seiner Erstlinge."

"Meine kleine Heerde Bücher nimmt immer allmälig zu; ich habe jüngst Meiboms alte Musicos und das portugiesische Heldengedicht in der Grundsprache bekommen. Stewarts 3) politische Dekonomie ist ein treffliches Werk voll großer philosophischer Gründlichkeit. Ich vermuthe jezt beinahe, daß er der Verfasser der Schrift vom Münzwesen ist, die Sie bei mir gesehen und

1) Aus dem Paul Gerhard'schen Liede: Nun ruhen alle Wälder.

2) Als Hamann dieses schrieb, ahndete ihm wohl nicht, daß bald, nämlich am 8. Juni 1768, durch die Hand des Meuchelmörders Archangeli dem Leben und der Wirksamkeit des großen Mannes ein Ziel gesezt werde.

3) Der ganze Titel lautet: Inquiry into the principles of political economy. Lond. 1767.

ich immer so zu loben pflegte. Er sagt mit zwei Worten mehr als Ferguson in ganzen Kapiteln, den ich Mühe gehabt zu ver stehen und meinem eignen Urtheile nicht trauen wollte. Die Vergleichung mit Stewart zeigt mir, daß ich Leute, die denken, noch verstehen kann, aber keine Schwäßer.”

Unterdessen war Herder's Abhandlung: Ueber Thomas Abbts Schriften: Der Torso von einem Denkmal an seinem Grabe errichtet, Erstes Stück, anonym erschienen. Hamann zeigte sie am 27. Juni 1768 in der Königsberger Zeitung an.

Ob er den Verfasser nicht errathen habe oder ob er nur diese Miene annahm, geht aus der Anzeige nicht deutlich hervor. Die kleinen satyrischen Ausfälle wegen des absonderlichen Titels können entweder eine Kriegslist sein, um seine Beziehungen zu Herder, dem dies wegen seiner neuen politischen Freundschaft mit Nicolai u. f. w. erwünscht sein mochte, zu verbergen, oder eine kleine schalkhafte Rache wegen der verheimlichten Autorschaft. Nachdem Hamann das Wort Torso etymologisch untersucht hat, fährt er fort: „Wir wissen nicht, warum der ungenannte Verfasser dieser Schrift den seltsamen fremden oder gar poffirlichen Titel eines Torso vom Denkmal dem bekannteren und beliebteren Titel eines Fragments vorgezogen? ob er die Absicht gehabt, den berühmten Verfasser der Fragmente zu übertreffen oder sich von ihm bloß zu unterscheiden, und ob er in beiden Fällen seine Absicht erreichen wird? Uebrigens wird es eine Pflicht der gelehrten Wächter sein, dem Uebel vorzubeugen, damit das Publikum nicht Schutt, Trümmer und Rudera zu lesen bekommt, nachdem es lange genug durch Lehrgebäude und demonstrative Beweise, leider umsonst erbaut worden.“ Hamann giebt dann den Inhalt des Buches und bemerkt bei dem dritten Abschnitt das Bild des Abbts im Torso": "Hier sind die Hauptstriche von seinem Character, welches der finnreiche Verfasser den Strichen ver„gleicht, die jenes korinthische Mädchen 1) um den Schatten

1) Der ältere Plinius glaubt in dieser anmuthigen Erzählung uns den Ursprung der Malerei mitgetheilt zu haben. Plin. h. n. l. 35 f. 45 p. 719. Der Vater der Schönen hieß Debutades.

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„ihres schlafenden Liebhabers zog, in dem sie sein Bild zu sehen glaubte, weil ihre Einbildungskraft den Umriß ausfüllte; ein fremder Zuschauer aber erblickte nichts"" u. s. w. Dann heißt es gegen den Schluß: "Da uns die Psychometrie eben so unbekannt als die Meßkunst der preußischen Werber ist, so wollen wir über das Verhältniß dieses Torso zum Ehrengedächtniß des sel. Abbt 1) uns nicht einlassen und sehen mit Zufriedenheit und Neugierde der Fortseßung eines Werkes entgegen, in dem der Verfasser sich zugleich selbst schildert und seinen Zeitverwandten empfiehlt, wie fast alle Bildhauer und Virtuosen durch die Denkmale, so sie ihren Todten stiften."

Am 22. Juli geschah ein zweiter nicht minder zermalmender Angriff gegen Kloß. Seine Schrift: Ueber den Nußen und Gebrauch der alten geschnittenen Steine und ihrer Abdrücke gab die erwünschte Gelegenheit die Oberflächlichkeit des Verfassers gehörig zu beleuchten. „Ungeachtet ich von Gemmen so viel verstehe als eine Gans," schreibt er an Herder, "so verdroß mich doch die Ruhmredigkeit und offenbare Windmacherei dieses seichten Kopfes, der nach den unzähligen Anführungen von den größten Werken, die davon handeln, nicht so kahl wie eine Maus hätte erscheinen dürfen."

"

Die Gegeneinanderstellung der Winckelmann'schen und Kloÿ'schen Ansicht über den. Gebrauch der geschnittenen Steine ist erheiternd. Nachdem er darauf die Trivialitäten angeführt, welche Kloß mit großem Pomp als die von ihm behandelten Materien angekündigt hat, fährt er fort: Wir zweifeln gar nicht, daß es in allen Theilen der Welt Gelehrte und auf allen Academien Deutschlands Studenten giebt, welche Beweise und Beispiele von den finnlichsten und trivialsten Wahrheiten nöthig haben und begnügen uns gegenwärtigen Aufsaß nicht sowohl seines Inhalts noch der Ausführung als vielmehr seiner „patriotischen Absicht"" wegen lediglich anzuzeigen, ohne zu

1) Von Nicolai.

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