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zuteilen und besondere Krankheitsformen innerhalb derselben aufzustellen. Morel teilt die Degenerierten in vier Klassen:

Die erste umfasst alle jene Individuen, bei denen weder im Verstandes- noch Gemütsleben besondere Abweichungen bestehen, sondern welche sich nur durch ein sogenanntes nervöses Temperament auszeichnen. Es handelt sich hier in der Regel um Neurastheniker, Hysteriker, um Leute, die mancherlei Exzentricitäten aufweisen, sich aber ihres Zustandes selber vollkommen bewusst sind. ·

In der zweiten Klasse finden wir jene Individuen, welche bei vollständiger Erhaltung der intellektuellen Fähigkeiten eine erhebliche Störung im Gefühlsleben und den Trieben aufweisen und daher in moralischer und ethischer Hinsicht grosse Lücken und Verkehrtheiten darbieten.

Die dritte Klasse enthält die Imbecillen, deren geistige Schwäche sich auf dem Gebiete des Verstandes kund thut, bei denen die Instinkte die Herrschaft über den Intellekt haben. In der vierten Klasse befinden sich endlich die Idioten, bei welchen die gesamte geistige Entwickelung nur einen minimalen Grad erreicht hat.

Diese sowie andere Einteilungen sind immerhin nur willkürlicher Art; wir finden diese Klassen allmählich ineinander übergehen, und es bilden die einzelnen Erscheinungen die verschiedenartigsten Kombinationen unter einander.

Infolge der Störungen in der geistigen Entwickelung ist bei der Entartung der Kern des Krankhaften meist in dem Missverhältnis zu suchen, in welchem die psychischen Faktoren zu einander stehen. Magnan sagt daher von den Degenerierten: Zweifellos ist die Disharmonie, der Mangel an Gleichgewicht im geistigen Leben das Wesentliche." *)

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Bei der Beurteilung eines Geisteszustandes darf es sich daher nicht allein darum handeln, welche Stufe die allgemeine geistige Entwickelung, beziehungsweise die Intelligenz, erreicht hat, denn es giebt ebenso gut dumme wie kluge geistig gesunde Menschen sondern es wird eine Haupt

*) V. Magnan, Psychiatrische Vorlesungen, deutsch von P. J. Möbius, Leipzig 1892. II., III. S. 4.

aufgabe sein müssen, das Verhältnis zu ermitteln, in welchem sich die einzelnen psychischen Faktoren zu einander befinden. Ein Mensch mit kurzen Beinen braucht nicht minder gesund zu sein als ein Mensch mit langen Beinen; sind aber die Entwickelungsverhältnisse in beiden Beinen verschieden gewesen, so dass das eine Bein länger ist als das andere, so können diese Gliedmassen ihrer Bestimmung nicht gerecht werden, es handelt sich dann also um einen krankhaften Zustand, obwohl jedes Bein an sich nichts Pathologisches darbieten mag.

Ganz ebenso verhält es sich mit den psychischen Fähigkeiten. Sind die Gefühle und Stimmungen unverhältnismässig stärker entwickelt als die anderen psychischen Eigenschaften, so dass letztere von ihnen abhängen, so wird es sich vorzugsweise um hysterische Zustände handeln; bei unverhältnismässiger Entwickelung der Phantasie kann es zu Wahnideen und Hallucinationen kommen, während die geistige Entwickelung mit besonders starker Ausbildung der Triebe auf Kosten der Empfindungen, verbunden mit intellektueller Schwäche, zu moralischem Irrsinn führen kann, da hier die Eigenschaften, welche man als Gewissen, Mitleid u. s. w. zu bezeichnen pflegt, nicht vorhanden sind. Dies sind natürlich nicht allgemein feststehende Regeln, sondern es hat jeder Fall seine Sonderheiten und muss daher für sich studiert und beurteilt werden.

Das klinische Krankheitsbild dieser Entarteten kann ein sehr mannigfaches sein. Wie schon aus theoretischen Gründen ersichtlich ist, giebt es kaum ein einziges Symptom der gesamten Irrenheilkunde, welches nicht gelegentlich bei Entarteten beobachtet werden könnte, da das Missverhältnis der psychischen Fähigkeiten unter einander die verschiedensten Kombinationen bewirken mag.

Dasjenige, worin sich die Entartung von anderen Geisteskrankheiten unterscheidet, ist gerade das Atypische des Auftretens und Verlaufs ihrer Symptome. Während wir bei der chronischen Verrücktheit ein systematisiertes Wahngebäude finden, das die Kranken in unveränderter Form beibehalten, und das nur schliesslich durch das allgemeine Erblassen der

intellektuellen Fähigkeiten eine Milderung erfährt, finden wir in den Krankengeschichten der Entarteten das bunteste Gemisch von Symptomen wild durcheinander gehen. Bald handelt es sich um Zwangsvorstellungen, Zwangstriebe und andere dergleichen vorübergehende Zustände, bald sehen wir Wahnideen bei ihnen auftauchen, die jedoch nicht wie bei den Verrückten in systematischer Weise entstehen und bleiben, sondern auch nur vorübergehend sind und den Charakter des Atypischen tragen. „Die Wahngebäude," sagt Magnan, ,,haben bei den Entarteten besondere Kennzeichen: Mag es sich um Grössenwahn, um Verfolgungswahn, um religiösen, um hypochondrischen oder selbst welchen Wahn handeln, er tritt unvermittelt auf, ist oft vielgestaltig, er kann kurze oder lange Zeit dauern, durchläuft aber nie eine Folge bestimmter Perioden."* *)

Eine grosse Rolle spielen bei der Entartung die mannigfachen, krankhaften Empfindungen und Triebe, die nicht selten den Ausgangspunkt der wunderbarsten Handlungen bilden. Magnan hat eine grosse Anzahl derartiger krankhafter Triebe und Abneigungen (Syndromes) beschrieben und diese als geistige Stigmata der Entartung bezeichnet. Die wichtigsten sind folgende: Fragesucht, Grübelsucht, Zweifelsucht (folie du doute); Aichmophobie (Spitzenfurcht): Nadeln und alle spitzen Dinge versetzen den Kranken in Angst; Agoraphobie (Furcht vor treien Plätzen); Claustrophobie (Furcht vor geschlossenen Räumen; Dipsomanie (periodische Sucht zu trinken); Sitiomanie (das unwiderstehliche Verlangen zu essen); Pyromanie (der Trieb Feuer anzulegen); Kleptomanie (die Sucht zu stehlen); Oniomanie (der Trieb, Einkäufe zu machen); Zoophilomanie (krankhafte Vorliebe für Tiere); Onomatomanie (Zwang nach bestimmten Worten zu suchen); Arithmomanie (Zwang zu zählen) u. s. w. Diese krankhaften Triebe und Abneigungen, deren Anzahl eine sehr grosse ist, treten niemals vereinzelt auf, um etwa eine eigene Krankheitsform zu bilden, wie man in früheren Zeiten irrtümlich annahm und daher den Begriff der Monomanie einführte, sondern sie bilden

*) Magnan, a. a. O. I, 2.

stets nur eine Teilerscheinung eines krankhaften Zustandes des Nervensystems infolge der Disharmonie seiner einzelnen Faktoren.

Hierher gehören auch die zahlreichen Anomalieen auf dem Gebiete des Geschlechtslebens, welche in ausführlicher Weise von v. Krafft-Ebing*) beschrieben sind. Auch diese treten niemals als eigene Krankheitsform auf, sondern bilden stets nur ein Symptom allgemeiner Erkrankung. Wenn daher an den Psychiater die Anforderung herantritt, zu ermitteln, ob eine Handlung, welche mit der allgemeinen Moral und mit dem Gesetz in Widerspruch steht, als krankhaft zu betrachten sei, so wird ihn dabei die Handlung selber nicht bestimmen dürfen, sondern er wird nachzuweisen haben, ob das psychische Verhalten des betreffenden Individuums unabhängig von dieser Handlung als krankhaft zu bezeichnen sei oder nicht.

Wie bereits bemerkt, können die Krankheitssymptome bei der Entartung sehr mannigfacher Art sein, und es werden derartige Fälle mit ausgesprochenen Symptomen der richtigen Beurteilung keinerlei Schwierigkeiten entgegensetzen. Da solche Fälle bereits dem Laien als krankhaft auffallen, suchen die Angehörigen dieser Kranken die ärztliche Hilfe auf, und bei denjenigen Entarteten, welche der Arzt aus seiner Praxis kennt, handelt es sich daher meist um Fälle mit typischem Schwachsinn, krankhaften Trieben, perversen Empfindungen und dgl.

Anders verhält es sich mit jenen höher stehenden Entarteten (Dégénérés superieurs), bei denen direkte Krankheitssymptome, wie Phobieen, Manieen, Zwangsvorstellungen, Wahnideen und dgl. nicht vorhanden sind, bei denen es sich lediglich um eine Störung des psychischen Gleichgewichts handelt, und welche Magnan daher schlechtweg als ,,déséquilibrés" bezeichnet. Es mag bei derartigen Individuen eine jede einzelne geistige Fähigkeit einen Entwickelungsgrad erreicht haben, welcher das Durchschnittsmass überschreitet, und doch mag das Verhältnis der einzelnen psychischen Faktoren zu einander ein so unproportioniertes, das innere Gleich

*) v. Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis.

gewicht ein so gestörtes und daher die Disharmonie eine so hervortretende sein, dass das betreffende Individuum trotz seiner scheinbar hohen geistigen Entwickelung als psychisch krankhaft zu bezeichnen ist.

Eine Kenntnis dieser Klasse von Entarteten ist nicht allein für den Irrenarzt von Wichtigkeit, sondern jeder Arzt, jeder Richter, der Historiker, der Kunstkritiker, der Pädagoge, kurz jeder, der ein richtiges Urteil über Menschen haben will, wird ein Interesse an dieser Form der Entartung haben müssen, denn derartige Kranke haben von jeher einen grossen Einfluss auf die Kunst, die Politik und die gesamte Kultur ausgeübt, besonders da sie dem Laien nicht als krank zu erscheinen pflegen, sondern im Gegenteil nicht selten eine grosse Rolle in der Gesellschaft spielen.

Eins der charakteristischsten Zeichen dieser Entarteten ist ihre hochgradige Emotivität, die unberechenbaren Schwankungen ihrer Stimmung.

Wenn bei grossen Männern infolge der höchsten Verfeinerung ihres psychischen Organismus die Stimmungen und das Gefühlsleben einer enormen Modulation fähig sind, wenn Göthe von sich sagte, dass er in Bezug auf seine Stimmungen von einem Extrem in das andere geworfen wurde, so beschränkt sich diese Erscheinung in solchen Fällen lediglich auf die subjektive Empfindung. Männer mit ungestörtem psychischen Gleichgewicht werden stets Herr ihrer selbst bleiben, sie werden sich niemals zu verstandlosen Handlungen hinreissen lassen. Göthe blieb trotz der Schwankungen seines inneren Gemütszustandes nach aussen hin stets die vornehme, sich überall gleichbleibende, imponierende Erscheinung, und gerade hierin kennzeichnet sich die Grösse seines Charakters, die gleichmässige Entwickelung der einzelnen psychischen Faktoren, die reinste geistige Harmonie. Trotz der kühnen Sprünge seiner üppigen Phantasie, trotz des heftigen Aufund Niederwogens seiner Stimmungen und Gefühle, wurde das grosse Ganze des psychischen Organismus doch stets von der mächtigen Verstandesthätigkeit beherrscht, jede Handlung war geleitet und bestimmt durch den Verstand.

Bei den Entarteten hingegen führt das plötzliche Auf

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