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Orten zu begraben und das Versteck erst auf ihrem Sterbebette zu enthüllen."

Hier handelt es sich doch aller Wahrscheinlichkeit nach um ein System von Wahnideen, und wenn man aus dieser kurzen Angabe überhaupt eine Diagnose machen will, so könnte man doch nur an die Paranoia denken. Wieso Lombroso diesen Fall als eine besondere Krankheit und zwar ,,narrenhafte Graphomanie" bezeichnet, ist nicht verständlich. Dasselbe gilt von dem folgenden Falle, bei dem es sich entweder um einen Paranoiker oder um einen Schwachsinnigen handelt:

,,Martin William war der Bruder jenes Jonathan, welcher in einem Anfall von Irrsinn den Dom zu York in Brand steckte, und jenes John, der eine neue Art der Malerei schuf; er veröffentlichte zahlreiche Werke, um die Möglichkeit des Perpetuum mobile zu beweisen. Nachdem er sich endlich durch sechsunddreissig Versuche überzeugt, dass das Perpetuum mobile eine Unmöglichkeit sei, erfuhr er im Traume, dass Gott ihn auserlesen habe, um den Urgrund aller Dinge und das Perpetuum mobile zu entdecken, welchen Gegenstand er denn auch wieder in vielen Werken behandelte."

Lombroso fährt hier fort:

„Diese Leute würden durchaus nicht narrenhaft erscheinen, wenn sie nicht, neben dem Schein von Gründlichkeit und hartnäckiger Ausdauer bei einem und demselben Gegenstand (Eigenschaften, welche sie sowohl mit den Monomanen als mit dem genialen Menschen teilen), in ihren Schriften auch das Absurde, Abgeschmackte, den fortwährenden Widerspruch, die geschwätzige, narrenhafte Wortfülle und eine andere Neigung, die wir als die stärkste von allen in den wahnsinnig gewordenen genialen Menschen fanden, die grenzenlose Eitelkeit nämlich, niemals verleugneten."

Hiermit ist doch weiter nichts gesagt, als dass diese Leute nicht „narrenhaft" erscheinen würden. wenn sie nicht sie selber wären. Denn sie sind nach Lombrosos eigener Beschreibung degenerierte, imbecille, schwachsinnige Menschen. Dass sie eine Eigenschaft mit den genialen Menschen teilen, ist auch nicht der Fall, denn, wie. Lombroso sagt, ist doch

bei ihnen die Gründlichkeit und Ausdauer nur „Schein", während sich das Genie dieser Eigenschaften wirklich erfreut.

Wenn man die Entarteten in verschiedene Klassen einteilen wollte, so könnte man es nur in ähnlicher Weise wie Morel thun, indem man dabei die psychologischen Missverhältnisse als Richtschnur benutzt, also etwa Entartete mit mangelhaft entwickelter Intelligenz, mit Ueberwiegen oder Perversität der Triebe, der Phantasie, der Gefühle u. s. w. in besondere Kategorieen bringt. Auf Grund eines nicht einmal besonders deutlich hervortretenden Symptoms hin diese Kranken zu sondern, wäre aber weit eher ein Rückschritt als Fortschritt in unserer Erkenntnis Dass Lombroso das Symptom dieser Kranken, viel zu schreiben, besonders aufgefallen ist, mag darin seine Begründung haben, dass gerade dieses Symptom das einzige ist, welches sich durch die betreffenden Schriftstücke der Nachwelt und dem Forscher in seinem ganzen Umfang mitteilen kann, während alle übrigen Symptome, die vielfachen Manieen, Schwachsinnigkeiten, Perversitäten und sonstigen Schwächen nur der direkten Beobachtung zugänglich sind.

Die Lombrososchen Bezeichnungen „,intellektuelle Narren", ,,narrenhafte Graphomanen", geniale Narren",,,narrenhafte Genies" führen nur zu Missverständnissen und Verwechslung der Begriffe, während es gerade unsere Aufgabe sein sollte, die Begriffe möglichst genau zu präzisieren und scharf getrennt auseinander zu halten.

So mannigfach das klinische Bild der Entarteten sich auch gestalten mag, so wird dasselbe infolge der allen Fällen gemeinschaftlichen Ursache, der geistigen Instabilität, der Disharmonie der psychischen Fähigkeiten doch immer etwas Charakteristisches haben und wird dem sachkundigen Beobachter zu einer Verwechslung init jenen grossen, voll entwickelten harmonischen Geistern keinen Anlass geben können.

Einfluss der Erziehung auf das Genie.

Es ist eine bekannte Thatsache, dass je höher die Entwickelungsstufe steht, auf der sich ein Tier befindet, um so unbeholfener und unselbständiger es unmittelbar nach der Geburt ist. Die niedrigste aller Tiergattungen, die Amoebe, besitzt gleich nach ihrer Entstehung, welche durch Teilung vor sich geht, alle Eigenschaften und Fähigkeiten, welche für ihr Leben erforderlich sind, und die sie überhaupt zu erreichen imstande ist. Je höher die Gattung ist, um so länger dauert es nach der Geburt, bis das Tier unabhängig wird und selbständig für sich zu sorgen vermag. Die höchstentwickelte Gattung, das Säugetier, bedarf länger der mütterlichen Ernährung als irgend ein anderes Geschöpf. Das höchst organisierte Geschöpf, der Mensch, entwickelt sich langsamer und bedarf der elterlichen Fürsorge länger als irgend ein lebendes Wesen auf der Welt. Unter den Menschen steht die Schnelligkeit individueller Entwickelung wiederum im umgekehrten Verhältnis zu der allgemeinen Kulturstufe, auf die das betreffende Volk sich emporgeschwungen hat. Wilde Völkerschaften entwickeln sich schneller, als die Kinder civilisierter Nationen, das Weib erlangt früher körperliche und geistige Reife als der Mann.

Hieraus geht hervor, dass die Schnelligkeit der Entwickelung durchaus nicht massgebend für die späteren geistigen Fähigkeiten zu sein braucht. Ebenso wie ein Kind, das zu

sieben Jahren körperlich ungewöhnlich gross ist, nicht notwendiger Weise in demselben Verhältnis weiterzuwachsen braucht, sondern im Gegenteil in späteren Jahren eher für klein gelten kann, ebenso wenig ist es gesagt, dass ein frühreifes, vorzeitig entwickeltes Kind im Mannesalter besonders hervorragende Geistesfähigkeiten aufweisen muss. Andererseits kann ein Kind, dessen Entwickelung verhältnismässig langsam von statten geht, in späteren Jahren recht gute Fähigkeiten erlangen. Linné vernachlässigte in seiner Jugend bei seiner Vorliebe für die Botanik die klassischen Studien so, dass seine Eltern im Begriff waren, ihn wegen der geringen Leistungen in der Schule einem Schuhmacher in die Lehre zu geben, als ein Arzt sie auf die Begabung des Knaben aufmerksam machte und bewirkte, dass er auf dem Gymnasium belassen wurde.*) Newton neigte in seiner Jugend zur Träumerei und war lange Zeit in der Schule der letzte.

Wesentlich wichtiger als die Schnelligkeit der geistigen Entwickelung, auf die eitle Eltern leider allzu oft zum Schaden der Kinder ein zu grosses Gewicht legen, ist die Gleichmässigkeit in der Ausbildung der verschiedenen psychischen Faktoren. Wie wir gesehen haben, handelt es sich bei der psychischen Entartung nicht immer um eine allgemeine Verringerung des Entwickelungsgrades, sondern meist um einen Mangel der richtigen Proportion der verschiedenen psychischen Elemente, um eine Störung des inneren Gleichgewichts.

Das richtige Verhältnis der Triebe zu dem sie hemmenden Intellekt, das Gleichgewicht zwischen dem Verstandesund Gefühlsleben, zwischen dem Willen, der Aufmerksamkeit und der unbewussten Hirnthätigkeit, der Phantasie, ein zu den übrigen Geistesfunktionen im Einklang stehendes Auffassungsvermögen und Gedächtnis, eine dementsprechende Associationsthätigkeit, alles dies sind Bedingungen für eine gesunde geistige Thätigkeit.

Sollier**) hebt daher mit Recht hervor, dass der geistige Zustand des Idioten weder mit dem des Kindes, noch mit

*) H. Störer, Leben des Ritters Karl v. Linné, Bd. I, S. 12. **) Sollier, Der Idiot und der Imbecille.

Hirsch, Genie und Entartung.

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dem des Tieres verglichen werden könne; denn beim Kind sowohl wie beim Tier stehen die geistigen Eigenschaften zu einander in einem richtigen Verhältnis, und die Aeusserung der Psyche bietet daher nichts Krankhaftes.

Es wird mithin Aufgabe einer rationellen Erziehung sein müssen, das Hauptaugenmerk auf die Gleichmässigkeit der psychischen Entwickelung zu richten. Ganz besonders hat man hierauf bei solchen Kindern zu achten, bei denen sich schon von Hause aus ein Mangel des psychischen Gleichgewichts zeigt. Es giebt Kinder, die schon in früher Jugend unverhältnismässig stark ausgeprägte Triebe haben. Bei anderen handelt es sich um ein besonders stark entwickeltes Gefühlsleben, um ein aussergewöhnlich zartes Gemüt. Wenn derartige Kinder nicht richtig behandelt werden, so kann ihr Zustand, der in der Regel etwas Exaltiertes an sich hat, leicht in Hysterie übergehen. Im Gegensatz hierzu finden wir Kinder mit sehr geringen Gefühlen, die man im gewöhnlichen Leben „kalte Naturen“ zu nennen pflegt. Bei anderen wiederum ist es die Fähigkeit, die Gedanken zu konzentrieren, die Aufmerksamkeit, die schwächer entwickelt ist, als die übrigen Eigenschaften, und dergleichen mehr.

Welchen Einfluss die Erziehung auf die Entwickelung des Charakters hat, beziehungsweise wie weit dieselbe imstande ist, Störungen im Entwickelungsprozess zu beseitigen und daraus entstehende Geisteskrankheiten zu verhüten, ist noch immer eine vielumstrittene Frage.

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Die Ansicht, die von vielen vertreten wird, dass die Erziehung gar keinen Einfluss auf die Bildung des Charakters habe, dass das Genie unter allen Umständen, gleichviel ob bei guter oder schlechter Erziehung, sich Bahn brechen", der geborene Verbrecher" hingegen trotz der besten Erziehung ein Verbrecher werden müsse, halte ich unbedingt für unrichtig. Geradezu absurd ist aber die entgegengesetzte Anschauung, dass nicht nur der Charakter lediglich ein Produkt der Erziehung sei, sondern das gesamte psychische Leben allein abhängig sei von den Verhältnissen, die das betreffende Individuum umgeben haben. In diesem Sinne ist

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