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beträchtlichen Summe Geldes, welche dem Vater unter der Bedingung zur Verfügung gestellt wurde, dass dem Kinde eine gründliche Erziehung zu teil werden solle und es, bevor es erwachsen sei, nicht mehr öffentlich auftreten dürfe.

Hoffentlich wird die Zeit nicht mehr allzu fern sein, wo die Vernichtung eines Genies aus materiellen Interessen zu den durch die Kultur überwundenen Barbareien gehört!

Die Zeithysterie.

Während wir uns bei unseren bisherigen Untersuchungen hauptsächlich mit der psychologischen Betrachtung einzelner Individuen beschäftigten, kommen wir nunmehr zur Besprechung jener grossen Gesamterscheinungen, welche bestimmte Perioden der Geschichte wiederholt charakterisiert haben.

Ich habe bereits mehrfach von dem Einfluss gesprochen, welchen Geisteskrankheiten von jeher auf alle Zweige menschlichen Schaffens, ja auf die gesamte menschliche Entwickelung auszuüben vermochten. Es handelte sich dabei jedoch immer nur um den Einfluss einzelner Individuen, wie schwachsinnige Volksbeglücker, wahnsinnige Prophet en oder die imbecillen und an moralischem Irrsinn leidenden römischen Kaiser. Ausser diesen Einzelerscheinungen giebt es eine Form geistiger Erkrankung, welche in ihrer Eigenart nicht nur einzelne Individuen betrifft, sondern epidemieartig auftritt, ganze Massen befällt und auf diese Weise die Weltanschauung und Entwickelung ganzer Völker beeinflusst.

Ein richtiges Erkennen derartiger Zustände wird für die Gesamtheit von nicht geringem Werte sein, denn mit einer solchen Erkenntnis ist, wie wir sehen werden, bereits der Weg zur Besserung und Abhülfe angedeutet, und es ist daher die Aufgabe der modernen Psychiatrie, nicht nur einzelne Kranke zu behandeln, sondern auch die Allgemeinheit zu

beobachten und insbesondere vor jener Erscheinung auf der Hut zu sein, welche man als Zeithysterie zu bezeichnen pflegt.

Es ist eine ziemlich weit verbreitete Ansicht, dass Nervenkrankheiten und namentlich die Hysterie seit den letzten Jahrzehnten in erschreckender Weise zugenommen hätten, und dass sie auch noch weiterhin im Zunehmen begriffen seien. In sämtlichen Kulturländern, so heisst es, zeigt sich in allen Schichten der Bevölkerung eine Nervenschwäche, von der unsere Voreltern noch nichts gewusst haben. Die Neurasthenie und die Hysterie greifen gleich einer verheerenden Epidemie immer weiter um sich, sie befallen nicht nur die unteren Volksklassen, sondern gerade die „oberen Zehntausend". Die Gesellschaft der Gebildeten ist es, welche an völliger Nervenzerrüttung zu Grunde zu gehen droht. Wohin soll das führen?" Wie soll das enden?" So lautet der Angstruf einiger besorgter Propheten, die schon den geöffneten Schlund vor sich sehen, welcher die entnervte Menschheit zu verschlingen bereit ist.

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Betrachten wir doch einmal die Gründe, welche zu einer solchen Besorgnis Veranlassung geben. Welche Beweise haben wir denn eigentlich für die enorme Zunahme der Nervenkrankheiten und für die stetig fortschreitende Degeneration der civilisierten Menschheit? Da ist vor allen Dingen die Statistik. Hier handelt es sich um Zahlen, und Zahlen enthalten freilich unumstössliche Thatsachen, unwiderlegliche Wahrheiten! Allerdings! Aber nur unter einer Bedingung - sie müssen richtig aufgefasst werden.

Wenn z. B. die Statistik lehrt, dass sich in Irrenanstalten mehr weibliche Pfleglinge befinden, als männliche, was folgt daraus? Dass es mehr weibliche Irre giebt als männliche? Nein! Wenn man der Sache auf den Grund geht, wird man als Ursache hierfür erkennen, dass die Mortalität unter den männlichen Geisteskranken grösser ist, als unter den weiblichen. Wenn die Statistik der Irrenanstalten verschiedener Länder eine ausser allen Verhältnissen zu der Vermehrung der Bevölkerung stehende Zunahme der Anzahl ihrer Kranken aufweist, so wäre es doch in hohem Grade oberflächlich, wollte man hieraus ohne weiteres eine dement

sprechende Zunahme der Geisteskrankheiten folgern. Zunächst besagt diese Statistik weiter nichts, als dass die Anzahl der Kranken in den Anstalten beträchtlich zugenommen hat. Wenn man aber bedenkt, welche Fortschritte die Erkenntnis der Geisteskrankheiten gemacht hat, dass man ferner eine grosse Reihe von Kranken, die früher erfolglos zu Haus behandelt wurden, jetzt mit gutem Erfolge in Anstalten behandelt, weil sie dort den schädlichen Einflüssen des gewohnten Lebens entzogen sind und die Mittel zu einer rationellen Behandlung in der Anstalt besser geboten sind, als in der häuslichen Umgebung, so wird man die scheinbar enorme Zunahme geistiger Erkrankungen mit ruhigerem Blute betrachten.

Ein wichtiges statistisches Material für Nervenkrankheiten liefern die zahlreichen Polikliniken der grossen Städte. Jeder, der hierin einigermassen Erfahrung hat, wird wissen, dass ein durchaus nicht unerheblicher Prozentsatz der dort behandelten Kranken die ärztliche Hilfe überhaupt nicht aufsuchen würde, wenn sie für die Konsultation des Arztes bezahlen müssten, wie es in der sogenannten,,guten alten Zeit" der Fall war, wo es noch keine Nervenkrankheiten gegeben haben soll. Unsere Grossmütter haben ebenso gut einmal,,Kopfschmerzen" oder „Ziehen in den Gliedern" gehabt wie die heutigen Frauen. Sie sind aber nicht gleich zum Arzt gegangen und wurden daher nicht als statistisches Material zum Beweis für die enorme Zunahme der Nervenkrankheiten verwertet.

Da es sich in den Polikliniken für Nervenkrankheiten sehr häufig um chronische Leiden hardelt, die sich mitunter über Jahre hinaus ziehen, so haben die Patienten, nachdem sie eine Zeit lang in einer Poliklinik behandelt wurden, nicht selten den Wunsch, einen Wechsel in der ärztlichen Behandlung eintreten zu lassen. So giebt es viele Kranke, welche eine stattliche Reihe von Polikliniken mit ihrem Besuch beehrt und dadurch die Statistik beträchtlich bereichert haben.

Wir sehen also, mit wie grosser Vorsicht wir diese statistischen Angaben entgegennehmen müssen, und welchen Wert wir ihnen beilegen dürfen.

Aber wozu brauchen wir überhaupt eine Statistik, wird manch einer fragen, haben wir denn nicht die Hysterie und Entartung der Menschheit täglich vor Augen? Zeigt sich die Nervenzerrüttung nicht auf jedem Gebiete menschlicher Thätigkeit? Ist nicht die moderne Kunst und Litteratur das Produkt allgemeiner Nervenschwäche?

Einer der Hauptvertreter dieser freilich nicht vereinzelt dastehenden Ansicht ist Max Nordau, in dessen Augen der grösste Teil der gesitteten Menschheit in psychischer Entartung begriffen ist, der ,,in den oberen Schichten der GrossstadtBevölkerung" nur ein leidvolles Krankenhaus" zu erblicken vermag.*) Die Kunst, Dichtung und Philosophie der Gegenwait bilden die mannigfaltigsten Verkörperungen der Entartung und der Zeithysterie.

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Nordau giebt zwar zu, dass es Entartung und Hysterie von jeher gegeben habe; „,aber," so sagt er, „sie traten früher vereinzelt auf und erlangten keine Wichtigkeit für das Leben der ganzen Gesellschaft. Erst die tiefe Ermüdung, welche das Geschlecht erfuhr, an das die Fülle der jäh über es hereinbrechenden Erfindungen und Neuerungen unerschwingliche organische Anforderungen stellte, schuf die günstigen Bedingungen, unter welchen jene Siechtümer sich ungeheuer ausbreiten und zu einer Gefahr für die Gesittung werden konnten." **) Der Begriff der Zeithysterie, welche epidemieartig auftritt und ganze Klassen befällt, würde also nach Nordau nur auf die Gegenwart anzuwenden sein, und von dieser sagt er:,,Wir stehen nun mitten in einer schweren geistigen Volkskrankheit, in einer Art schwarzer Pest von Entartung und Hysterie

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Darin, dass die Hysterie in früheren Zeiten nur vereinzelt aufgetreten sei und keine Wichtigkeit für das Leben der ganzen Gesellschaft erlangt habe, befindet sich Nordau in einem grossen Irrtum.

Geisteskrankheiten und ganz besonders die Hysterie haben von den ältesten Zeiten an bis auf die Gegenwart

*) Max Nordau, Entartung II, S. 469.

**) a. a. O. II., S. 470.

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