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selber nicht einmal klar war. Nirgends ist dieser Verirrung der Wissenschaft besser Ausdruck gegeben, als in den Worten Goethes:

„Nur muss man sich nicht allzu ängstlich quälen;

Denn eben wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Mit Worten lässt sich trefflich streiten,

Mit Worten ein System bereiten,

An Worte lässt sich trefflich glauben,

Von einem Wort lässt sich kein Jota rauben."

Eine grosse Reihe Autoren, die über das Genie geschrieben haben, bezeichnen als solches einen jeden Menschen mit besonders hervorragenden Geistesfähigkeiten. So sagt Sulzer: 1),,Der Mensch hat überhaupt Genie, der in den Geschäften und Verrichtungen, wozu er eine natürliche Neigung zu haben scheint, eine vorzügliche Geschicklichkeit und mehr Fruchtbarkeit des Geistes zeigt, als andre Menschen. Das Genie scheint nichts andres zu sein, als eine vorzügliche Grösse des Geistes überhaupt, und die Benennungen, ein grosser Geist, ein grosser Kopf, ein Mann von Genie können für gleichbedeutend gehalten werden." Du Bos2) erklärt das Genie,,durch die Geschicklichkeit, welche ein Mensch von der Natur empfangen hat, gewisse Dinge gut und leicht zu verrichten, die von andern Menschen, welche sich auch noch so viel Mühe geben, nicht anders als schlecht verrichtet werden können." In ähnlicher Weise äussern sich über diesen Gegenstand Riedel 3), Feder1), Baumgarten) u. a. Herder) sagt: so weiss jeder, dass das Genie eine Menge inoder extensiv strebender Seelenkräfte sei."

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Eine in demselben Sinne gehaltene weitläuftige Definition des Begriffs Genie giebt Flögel,) indem er sagt: „Das Genie

1) Sulzer, Theorie der schönen Künste.

2) Du Bos, Reflexions sur la peinture et poesie, cit. v. Flögel.
3) Riedel. Theorie der schönen Künste und Wissenschaften.
4) Feder, Logik and Metaphysik.

5) Baumgarten, Metaphysik.

6) Herder, Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblüht.

7) Carl Friedrich Flögel, Geschichte des menschlichen Verstandes.

ist unstreitig in dem Erkenntnisvermögen des Menschen anzutreffen; denn die beste Lust zu einer Kunst und Wissenschaft reicht noch gar nicht hin, dass man von einem Menschen sagen kann, er habe Genie." Diese nach unsern Begriffen wunderlich klingende Auffassung wird etwas verständlicher durch die darauf folgende Definition des Erkenntnisvermögens: ,Das Erkenntnisvermögen ist ein Baum, welcher sich in viele Aeste ausbreitet. Die Aufmerksamkeit, das Gedächtnis, die Abstraktion, Witz, Scharfsinnigkeit, Verstand und Vernunft, und wie sie alle heissen, gehören dazu. Die Erfahrung lehrt, dass diese unterschiedenen Aeste oder Teile des Erkenntnisvermögens nicht alle gleich gross sind, dass in einem Menschen eine Art die andere überwiegt. Ein Mensch hat mehr Witz als Scharfsinnigkeit; der andere mehr Beurteilungskraft als Gedächtnis; der dritte einen grössern Verstand als Einbildungskraft, und so ferner. Also stehen die unterschiedenen Arten des Erkenntnisvermögens in einem Menschen in einem gewissen Verhältnis gegeneinander. Dieses bestimmte Verhältnis der unterschiedenen Arten des Erkenntnisvermögens in einem Menschen ist sein Genie im weitläuftigen Verstande. In dieser Absicht kann man einem jeden Menschen ein Genie zuschreiben." Weiter heisst es danm: „Man versagt unzähligen Menschen das Genie. Man versagt es Gelehrten, welche Bibliotheken geschrieben haben; ob es gleich ebenfalls abgeschmackt ist, einen Verfasser als ein Genie anzupreisen, welcher ein Buch von etlichen Blättern geschrieben hat, worin ein mässiger Enthusiasmus herfürleuchtet. Man verbindet mit dem Begriffe eines Genies etwas Grosses, etwas Vorzügliches in seiner Art. Alles was in den Geistesfähigkeiten des Menschen gross, vorzüglich, von besonderer Wirksamkeit ist, und was ihn von gemeinen oder mittelmässigen Köpfen unterscheidet, hat den Namen Genie schlechtweg Diese besonderen Vorzüge finden sich entweder bei allen Geistesfähigkeiten eines Menschen oder nur bei dieser oder jener; das erste heisst ein allgemeines Genie, das andere ein besondres, bestimmtes Genie." Wieland*) teilt zwar das Genie in drei

*) Wieland, Betrachtungen über den Menschen.

Klassen, das gefällige Genie, das im Gebiet der Grazien arbeitet und eine besondere Leichtigkeit in der Ausführung der verfolgten Ideen hat; das philosophische Genie, das die Fähigkeit besitzt, solche aus richtigen Begriffen gefolgerte Wahrheiten zu entdecken, die eine Beziehung auf die menschliche Glückseligkeit haben; und das praktische Genie, das in einer ununterbrochenen Thätigkeit besteht, erkannte Wahrheiten sogleich zu benutzen, und das der Erzeuger der höchsten und schnellsten Entschlüsse ist. Aber auch in dieser Auffassung liegt keine psychologische Begründung der willkürlich eingeteilten Erscheinungen. Es ist auch hier nur die Grösse und Vorzüglichkeit der Leistungen ohne Unterschied ihres psychologischen Ursprungs, die das Wesen des Genies ausmachen soll. Joly*) nennt das Genie,,le don de créer, dans le sens tout relatif qu'il est permis ici de donner à ce mot, c'est produire quelque chose que les efforts réunis des autres hommes n'avaient pu jusque-là trouver, c'est mettre à la disposition de l'humanité soit des moyens d'expression, soit des moyens de talent et d'invention, soit des moyens d'actions nouveaux, qui ajoutent quelque chose à l'intelligence, à la puissance commune."

Wenn man diesen Begriff des Genies der bisher erwähnten Autoren acceptieren wollte, indem man jeden Menschen, der imstande ist, Hervorragendes auf irgend einem Gebiete zu leisten, in die Kategorie der Genies einreihte, so würde man nicht einmal dem allgemeinen Sprachgebrauch Genüge leisten, indem dieser doch einen qualitativen Unterschied zwischen Genie und Talent macht, während sich nach obiger Auffassung diese beiden Begriffe nur graduell von einander unterscheiden würden. Wie dem aber auch sein mag, soviel steht fest, dass nach dieser Definition das Wort Genie als wissenschaftlich psychologischer Begriff überhaupt nicht verwertbar ist.

In der Erkenntnis der Unzulänglichkeit einer derartigen Auffassung hat man sich bemüht, besondere Eigenschaften aufzufinden, die charakteristisch für das Genie sein sollten.

13, 14.

*) Joly, Psychologie des grand hommes, Revue philosophique,

Da fanden sich denn eine grosse Anzahl Gelehrter, welche glaubten, in der Originalität dieses Charakteristikum gefunden zu haben. So sagt sogar Weise:*),,Alle Schriftsteller über das Genie kommen darin überein, dass Erfindung das wesentlichste Kennzeichen desselben sei." Manche Autoren scheinen bei ihren Untersuchungen vollständig vergessen zu haben, dass es sich um die Feststellung eines psychologischen Begriffs handelt und thaten vielmehr, als hätten sie für irgend welche bestimmte Verdienste einen Titel oder Orden zu verleihen. So kommt Alexander Gerard**) sogar zu der Anschauung, dass man jeden, der eine Erfindung gemacht habe, gleichviel ob diese einen Wert habe oder nicht, und jeden, der originelle Ideen irgend welcher Art habe, ein Genie nennen müsse. Hiernach würde jeder Narr, der originelle Tollheiten begeht, als Genie zu bezeichnen sein. In Widerspruch mit der betreffenden Stelle steht allerdings der spätere Ausspruch:

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*) Ferdinand Christoph Weise, Allgemeine Theorie des Genie's. **) Alexander Gerard, an essay on genius. Genius is properly the faculty of invention; by means of which a man is qualified for making new discoveries in science, or for producing original works of art. We may ascribe taste, judgment, or knowledge, to a man who is incapable of invention; but we cannot reckon him a man of genius." In order to determine, how far he merits this character (!), we must inquire whether he has discovered any new principle in science, or invented any new art, or carried those arts which are already practised, to a higher degree of perfection than former masters? Or whether at least he has, in matters of science, improved on the discoveries of his predecessors, and reduced principles formerly known, to a greater degree of simplicity and consistence, or traced them through a train of consequences hitherto unknown? Or in the arts, designed some new work, different from those of his predecessors, though not perhaps excelling them?(!) Whatever falls short of this, is fervile imitation, or a dull effort of plodding industry which, as not implying invention, can be deemed no proof of genius whatever capacity, skill, or diligence it may evidence. But if a man shows invention, no intellectual defects(!), which his performance may betray can forfeit his claim to genius. His invention may be irregular, wild, undisciplined; but still it is regarded as an infallible mark of real natural genius(!), and the degree of this faculty, that we ascribe to him, is always in proportion to our estimate of the novelty, the difficulty or the dignity of his inventions".

,,Invention is the capacity of producing new beauties in works of art, and new truths in matters of science." Ganz abgesehen von der Willkür, die in dieser Erklärung des Wortes ,,invention" liegt, zeigt der Widerspruch mit dem Vorhergehenden, wie wenig zutreffend eine derartige Definition ist.

In ganz ähnlicher Weise äussern sich eine grosse Anzahl Autoren, so z. B. sagt Flögel1):,,Man hatte vielleicht bis auf den Newton die farbigen Strahlen des Prismas als ein Spielwerk der Kinder betrachtet; aber dieser grosse Geist gründete die scharfsinnige Farbentheorie darauf, die ihm allein den Rang eines Genies erobert hätte, wenn er auch sonst nicht gross (?) gewesen wäre." Dies klingt gerade, als wenn man den Rang eines Genies erobern könne, etwa wie den Rang eines Oberstleutnants oder eines Geheimrats. Auch Kant) erklärt das Genie eines Menschen als ,,die musterhafte Originalität seines Talents." Hagen3) sagt: „Die Originalität also macht das Genie. Daran anschliessend ist mir Genie überhaupt soviel wie Geist, aber eben mit der Nebenbedeutung, dass damit das Eigenartige des Geistes des betreffenden Individuums gemeint ist.

Insofern nun jeder Mensch eine geistige Individualität ist, hat er einen von den anderen verschiedenen Geist und ist ein

Original, hat seinen eigenen Geist. Genies im engeren und gewöhnlichen Sinne nennen wir nur noch die hervorragendsten Köpfe, welche mit der Originalität der Auffassung, des Findens und des Schaffenstriebes auch eine hohe Begabung verbinden."

Diese Auffassung des Genies mag vielleicht dem gewöhnlichen Sprachgebrauch schon eher entsprechen, indem wenigstens ein qualitativer Unterschied zwischen Genie und Talent gemacht ist. Was uns aber hier interessiert, ist nicht der Sprachgebrauch, sondern die Frage, ob durch diese Definition ein präciser psychologischer Begriff geschaffen sei, der als solcher für die Wissenschaft verwertbar wäre. Der Be

1) Flögel, Geschichte des menschlichen Verstaudes.
2) Kant, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht.

3) Hagen. Über die Verwandtschaft des Genies mit dem Irrsinn, Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie Bd. 33.

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