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griff der Originalität bezieht sich aber garnicht auf psychische Eigenschaften, sondern nur auf eine rein äusserliche Erscheinung. Originalität kann durch die verschiedensten psychischen Vorgänge bedingt sein, und andererseits mögen gleiche psychische Dispositionen in dem einen Falle zur Originalität führen, im andern aber nicht, indem dies in nicht geringem Masse abhängig ist von äusseren Verhältnissen und Bedingungen. Originell ist das Kind während des Erwachens des Geistes, wenn noch keine komplizierten Vorstellungen der Aussenwelt im Bewusstsein Platz gegriffen haben, sondern die primitiven Vorstellungsbilder sich in naiver Weise zu einem Gauzen verschmelzen. Daher kommt es, dass die Aussprüche kleiner Kinder so häufig witzig erscheinen und die Heiterkeit ihrer Umgebung erregen. Originell ist nicht selten der Schwachsinnige, dessen Wahrnehmungsvermögen nicht ausreicht, eine klare Vorstellung der Vorgänge zu erlangen, der als Weltfremdling durch das Leben geht. Originell sind auch jene Narren, welche sich einreden, dass sie dadurch, dass sie in ihrem Thun und Treiben von der allgemeinen Anschauung und Sitte möglichst abweichen, als Genies angestaunt würden. Wenn z. B. jemand, wie es kürzlich geschah, ein Buch schreibt, in dem er die Menschen zu überreden sucht, dass es das einzig richtige sei, keine Kleider mehr zu tragen, sondern nackt umherzulaufen, so müsste er nach der oben angeführten Definition Gerard's ein Genie sein. Wenn jemand weit und breit verkündet, dass er sämtliche Krankheiten der Menschen dadurch zu heilen imstande sei, dass er sie barfuss. auf nasser Wiese umherlaufen lässt, so müsste er ein Genie sein und in der That, der Erfolg der materielle Erfolg dieses Propheten scheint auch wirklich dafür zu sprechen, dass die Menge geneigt ist, ihn als Genius zu verehren.

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Wie wir gesehen haben, hat man bald erkannt, dass die Originalität als solche das Genie unmöglich ausmachen könne, und man liess sich daher herbei, die,,Originalität des Genies" mehr abzugrenzen und näher zu bestimmen. Indem man dies that, modelte man aber lediglich an der äusseren Erscheinung herum, betrachtete günstigsten Falls immer nur ein Symp

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tom, anstatt auf die Ursache, auf die Quelle der Erscheinung einzugehen. Man machte es also der Originalität zur Bedingung, dass sie das,,Schöne“ und „,Wahre" (Gerard: „,beauties" and ,,truths") producieren müsse, um den Beinamen der Genialität zu erwerben. So sagt Weise*): ,,Genie ist die unmittelbare Zentralkraft eines Individuums im harmonischen Zusammenhalten seiner geistigen und physischen Kräfte zur Erzeugung idealer, musterhafter Geisteswerke. Viele Autoren forderten vom Genie, dass es ,,epochemachend" sein müsse, dass seine Leistungen gefallen“ und „nützen“ müssten u. dgl. mehr. Gerard fordert vom Kunstgenie,,to please" und,,to gratify taste." „Objects and such circumstances of objects as are unfit to please, either do not ot all occur to the artist, or being perceived at one glance to be unfit, are immediately rejected."

Blair**) sagt: „Das Genie begreift jederzeit eine gewisse erfindende oder hervorbringende Kraft, welche nicht dabei stehen bleibt, Schönheit allenthalben, wo sie sich zeigt, wahrzunehmen, sondern zugleich imstande ist, neue Schönheiten hervorzubringen und auf eine solche Weise darzustellen, in welcher sie den stärksten Eindruck auf die Gemüter machen müssen."

Anstatt, wie gesagt, auf die psychische Ursache einzugehen, hat man sich durch die Aufstellung derartiger Bedingungen immer mehr von derselben entfernt, indem man dadurch die Quelle des Genies nicht mehr in diesem, sondern in der Empfindungsfähigkeit anderer suchte. Denn giebt es denn etwas absolut,,Schönes" oder „,Gutes"? Sind dies nicht vielmehr rein konventionelle Begriffe, die zu den verschiedenen Zeiten stets den grössten Schwankungen unterworfen waren? Ist der Geschmack, die Empfindung nicht etwas ganz Individuelles? Wenn man den Begriff des Genies von diesen schwankenden Empfindungen, von den wechselnden Gefühlen anderer abhängig macht, dann ist es unvermeidlich, dass manche Individuen zu gewissen Zeiten der Geschichte als

*) Ferdinand Christoph Weise, Allgemeine Theorie des Genies. **) Blair, Rhetorik.

Genies erklärt werden, während andere Generationen ihnen diesen Beinamen absprechen mögen. Dadurch verliert aber das Genie jede Bedeutung als psychologischer Begriff, denn ein solcher muss stabil sein, muss von innen heraus gebildet und erklärt werden, darf aber nicht abhängig sein von äusseren Erscheinungen.

Die Originalität als solche ist aber ebenfalls zum Teil abhängig von äusseren Verhältnissen und Bedingungen. Eine beträchtliche Anzahl grosser und wertvoller Entdeckungen und Erfindungen sind durch reinen Zufall gemacht worden. Viele Forscher sind durch ein glückliches Zusammentreffen äusserer Verhältnisse auf eine Bahn geführt worden, welche sie zu einer Erkenntnis oder Entdeckung geleitete, die vielleicht geistig viel höher stehenden Leuten verborgen geblieben ist. Unmittelbar nachdem das Mikroskop erfunden war, brauchte man nur hineinzugreifen in's volle Menschenleben, um grosse und wichtige Entdeckungen zu machen. So knüpfen

sich auch in der That eine grosse Reihe von Entdeckungen an den Namen von Männern, die sich unter andern Bedingungen vielleicht in keiner Weise auszuzeichnen vermocht hätten. Die Möglichkeit der Originalität auf manchen Gebieten der Kunst ist begrenzt, und die Chancen, originell zu sein, sind zum grossen Teil davon abhängig, wie weit die Vorgänger das Gebiet bereits erschöpft haben. Man spricht in der ausübenden Tonkunst von,,genialer Auffassung". Ist nun ein Künstler, der ein Beethovensches Musikstück seiner Empfindung gemäss zum Vortrag bringt, darum weniger genial, weil vor ihm jemand oder viele ebenso empfunden haben wie er? Oder ist vielleicht ein Musiker genial, der in der Sucht nach Originalität, durch die er sich den Preis des Genies zu erringen hofft, nicht mehr das Werk des Meisters reproduciert, sondern höchstens eine Parodie desselben? Eine Erscheinung, die übrigens in heutiger Zeit garnicht so selten ist.

Denjenigen Forschern, welche versuchten, in die psychologischen Gesetze des Genies einzudringen, welche sich bemühten, von innen heraus auf Grund bekannter psychologischer Begriffe die Erscheinung des sogenannten Genies zu erklären, musste schliesslich zu Bewusstsein kommen, dass es sich um

die

verschiedenartigsten psychologischen Kombinationen handelte, die man unter den Begriff des Genies zusammenfasste. So sah sich auch Gerard bei seinen psychologischanalytischen Versuchen schliesslich genötigt, zwei wesentliche Unterschiede des Genies anzuerkennen, und zwar teilte er dasselbe ein in .,Genius for sience" und ,,Genius for the arts". 1) Hierbei zeigt sich aber so recht, in welchem Irrtum er befangen war. Anstatt zu erkennen, dass es sich bei diesen beiden Klassen um gänzlich verschiedene psychische Bedingungen handelt, verlegt er die Ursache der Differenz wieder in die Aeusserlichkeit, indem er sagt:,,Some difference between genius for science, and genius for the arts arises necessarily from the very diversity of their ends".) Dies ist offenbar eine Verdrehung von Ursache und Wirkung, man könnte höchstens sagen:,,The diversity of their ends arises from the different sources, genius for science and genius for the arts". Auch Helvetius3) kommt zu der richtigen Erkenntnis, dass man in psychologischer Hinsicht einen Unterschied

zwischen den verschiedenen Arten des Genies machen müsse: ,,Peu d'hommes ont senti que ces métaphores, applicables à certaines espèces de génie, tel que celui de la poésie ou de l'éloquence ne l'étoient point à des génies de reflexion, tels que ceux de Locke et de Newton". Trotz der durchaus korrekten Ansicht, dass ein Naturforscher und ein Dichter gänzlich verschiedene verschiedene psychologische Bedingungen haben müssen, versucht er dennoch, durch eine geeignete Definition diese so verschiedenartigen Elemente unter einer nun einmal bestehenden Bezeichnung zu vereinen.) Indem er also, an

1) Gerard, a. a. O. S. 318.

2) Gerard, a. a. O. S. 319.

3) Helvetius, De l'Esprit.

4),,Pour avoir une définition exacte du mot génie, et généralement les tous de noms divers donnés à l'esprit, il faut s'élever à des idées plus générales, et, pour cet effet, prêter une oreille extrêmement attentive aux jugements du public. Le public place également au rang des génies, les Descartes, les Newton, les Locke, les Montesquieu, les Corneille, les Molière etc. Le nom de génies qu'il donne à des hommes si différents suppose commune qui caractérise en eux le génie".

donc une qualité

statt die Erscheinungen durch wissenschaftliche Begriffe zu erklären, lediglich einen irrtümlichen Sprachgebrauch zum Leiter seiner Untersuchungen macht, kommt er ebenfalls zu dem Schluss, dass ,,invention" und ,,fairépoque" den gemeinschaftlichen Kern aller Genies bilden.

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In ganz ähnlicher Weise äussert sich neben vielen andern Radestock*) und doch giebt es gewisse, allen Genies gemeinsame Eigenschaften, nämlich die Originalität und grösste Höhe der geistigen Schaffenskraft; verschieden gestalten sich die Arten der Genialität erst sekundär durch die Objekte und Lebenskreise, denen sie sich zuwendet". Wir sehen hier dieselbe Verwechslung zwischen Ursache und Wirkung wie bei Gerard.

Wer sich nach den vielen über diesen Gegenstand angestellten Untersuchungen darüber klar geworden war, dass der allgemeine Sprachgebrauch unter dem Namen Genie die heterogensten Elemente zusammenfasst, musste zu der Ueberzeugung gelangen, dass der Wissenschaft logischer Weise nichts übrig blieb, als für ihre Zwecke diesen Begriff entweder vollkommen fallen zu lassen oder ihn auf einen genau zu fassenden, bestimmt präcisierbaren Komplex psychologischer Vorgänge zu beschränken.

In richtiger Erkenntnis dieser Thatsachen haben Kant und Schopenhauer den Begriff des Genies auf die Kunst beschränkt. Schopenhauer **) entwickelt, dass es sich beim Künstler um durchaus andere psychologische Bedingungen handle als beim Gelehrten, und es daher nicht statthaft sei, beide Erscheinungen mit demselben Namen zu bezeichnen. Unter anderm sagt er: „Man hat von jeher das Wirken des Genius als eine Inspiration, ja wie der Name selbst bezeichnet, als das Wirken eines vom Individuo selbst verschiedenen übermenschlichen Wesens angesehen, das nur periodisch jenes in Besitz nimmt. Auch hat die Erfahrung bestätigt, dass grosse Genien in der Kunst zur Mathematik keine Fähigkeit haben; nie war ein Mensch zugleich in beiden

*) Paul Radestock, Genie und Wahnsinn.
**) Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung.

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