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artung" als neueste Errungenschaft seiner wissenschaftlichen Forschungen aufzutischen.

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Nordau hat die wichtige Entdeckung gemacht, dass Wagner eigentlich zum Maler geboren war und nur infolge seiner krankhaften Triebe diesen seinen eigentlichen Beruf verfehlt hat. Wagner ist kein Komödiant," so sagt Nordau, ,,sondern ein geborener Maler. Wäre er ein gesundes Genie mit geistigem Gleichgewicht gewesen, er wäre unzweifelhaft ein solcher geworden. Seine innere Anschauung hätte ihm den Pinsel in die Hand gedrückt und ihn zu ihrer Versinnlichung durch Farbe auf Leinwand genötigt. Er verstand seinen natürlichen Drang nicht. Vielleicht scheute er auch im Gefühl einer tiefen organischen Schwäche die schwere Arbeit des Zeichnens und Malens, und sein Trieb machte sich, dem Gesetze des geringsten Kraftaufwandes entsprechend, nach dem Theater hin Luft, wo seine inneren Gesichte von anderen, den Dekorations-Malern, den Maschinisten, den Darstellern verkörpert wurden, ohne dass er sich anzustrengen brauchte." Hat man jemals einen blühenderen Unsinn gehört? Jemand, der die schwere Arbeit des Malens scheut, verfasst musikalische Dramen, die er selber dichtet und komponiert, und ist daher der Anstrengung enthoben! Lässt sich auf eine solche Faselei überhaupt etwas Ernsthaftes erwidern?!

Geradezu verblüffend ist das Selbstbewusstsein, mit dem Nordau über die Wagnersche Musik urteilt. Auch ich bin der Ansicht, dass das Urteil über die Kunst, namentlich über diejenige, welche sich an das empfindende Gemüt wendet, nicht nur dem theoretisierenden Fachmann zusteht, sondern dass gerade die Empfindung des vorurteilslosen Laien den Prüfstein bilden soll. Wagner selbst giebt diesem Gedanken in den „Meistersingern" Ausdruck, indem Hans Sachs sagt: Doch einmal im Jahre fänd' ich's weise, Dass man die Regeln selbst probir', Ob in der Gewohnheit trägem G'leise

Ihr Kraft und Leben sich nicht verlier':

Und ob ihr der Natur

Noch seid auf rechter Spur,

Dass sagt euch nur,

Wer nichts weiss von der Tabulatur.

Wenn aber ein einzelner, der „nichts weiss von der Tabulatur," sowohl das Urteil unendlich vieler bewährter Meister, sowie die Empfindung Hunderttausender als,,krankhaft" erklärt, lediglich weil er selber anders denkt und fühlt, so fällt er damit das Urteil über sich selber.

Es ist bekannt, dass Wagner die Form der Opernmusik, wie sie vor ihm bestand, wesentlich umgestaltet hat, dass er die zusammenhanglos eingeschalteten Arien verbannte, der unkünstlerischen Willkür der Sänger bei den Recitativen Einhalt that und eine fortgesetzte, der dramatischen Handlung und Idee entsprechende Musik einführte, durch welche er das auszudrücken bestrebt war, wozu das gesprochene Wort nicht mehr ausreichte. Von dieser Neuerung sagt Nordau: ,,Sie ist eine Ausgeburt des Entartungs-Denkens. Sie ist musikalische Mystik. Sie ist die Form, in welcher die Unfähigkeit zur Aufmerksamkeit sich in der Musik äussert." Nachdem Nordau in einer seiner übrigen Kritik analogen Weise die Theorie der Wagnerschen Musik, die,,Leitmotive", „unendliche Melodie" u. s. w. beleuchtet hat, gelangt er zu dem Schluss, dass Wagner,,im tiefsten Grunde seiner Natur, nach seiner organischen Anlage, nicht Musiker gewesen ist, sondern ein wirres Gemisch von ausdrucksschwachem Dichter und pinselfaulem Maler mit dareinschwirrender javanesischer Gamelang-Begleitung."

Ueber die Theorie der Wagnerschen Kunst mögen sich andere mit Nordau auseinandersetzen, wenn sie es der Mühe wert erachten. Was seine psychiatrischen Ausführungen anbelangt, durch welche er zu dem Schluss kommt, dass Wagner ein Geisteskranker, ein,,Entarteter" war, so glaube ich dieselben zur Genüge gekennzeichnet zu haben und mir ein weiteres Eingehen auf dieselben ersparen zu können.

Schlusswort.

Die Idee einer allgemeinen Volkserkrankung, einer stufenweisen Degeneration der Kulturvölker hat keineswegs nur vereinzelte Vertreter, wie die in den vorhergehenden Untersuchungen erwähnten Autoren. Es hat diese Richtung der modernen Wissenschaft eine grosse Anzahl von Anhängern gefunden, und die Verfechter dieser Lehre haben den Begriff der Entartung gleichsam zu populärer Bedeutung erhoben.

Von dieser Richtung der Psychopathologie ausgehend, hat die Lehre eines allmählichen Rückschritts der Menschheit, eines stufenweisen Verfalls der Kulturvölker immer weitere Verbreitung gefunden. Nicht nur in gewissen Fachkreisen, sondern auch in der gebildeten Laienwelt spricht man von allgemeiner Nervenzerrüttung, von angeborener Nervenschwäche, von geistiger und körperlicher Minder wertigkeit der jetzigen Generation gegenüber früheren Geschlechtern.

Kunst und Litteratur, welche von jeher der Ausdruck der jeweiligen Weltanschauung waren und daher auch gegenwärtig in Form und Inhalt dem modernen Positivismus entsprechen, zeigen neuerdings eine besondere Neigung, degenerative Gebrechen der Menschheit und insbesondere Geisteskrankheiten darzustellen, um dadurch ein Charakteristikum der modernen Gesellschaft zu liefern. Es sind zwar von jeher

seit Homers Zeiten Geisteskrankheiten von Künstlern und Dichtern dargestellt worden, allein wir finden hierfür überall verschiedene Beweggründe, die stets mit der jeweiligen Weltanschauung eng verknüpft sind.

In der hallucinatorischen Melancholie des Orestes hat Aeschylos die Rache der Furien geschildert, wie sie ihr Opfer verfolgen und peinigen: ,,Seht sie, wie Gorgonen, schwarz gekleidet, von den Windungen zahlloser Schlangen umgeben".*) Im,,rasenden Ajax," der plötzlich von einem somnambulen Delirium ergriffen, die Herden der Achaier überfällt und sie mitsamt den Hirten erwürgt, in dem Glauben die Fürsten des Heeres zu töten, stellt Sophokles die stratende Hand der Athene dar, gegen welche sich der Kühne in übermütigem Trotze erhoben hatte. Die alten Dichter schilderten also geistige Erkrankungen, die sie offenbar selber beobachtet hatten, in einer Weise, wie sie der damaligen Weltanschauung entsprach, als eine Fügung höherer Mächte, eine Strafe der rächenden Gottheit.

Die vielfache künstlerische Darstellung dämonischer Besessenheit im Mittelalter, wie sie sich in grosser Anzahl auf Gemälden, Fresken, Reliefs, Bronzen u. s. w. vorfindet, die mannigfachen Scenen. von Beschwörungen und Teufelaustreibungen geben uns ein klares Bild der Geisteskrankheiten jener Zeit. Nach Charcot und Richer, **) denen wir eingehende Forschungen auf diesem Gebiete verdanken, gleichen die Verrenkungen und Verzerrungen der Besessenen ganz typischen, auch heute zu beobachtenden Krankheitsbildern.

Der erste Dichter, welcher das Irresein als Krankheit erkannte und als solche schilderte, ist Shakespeare, dessen feine Beobachtungsgabe ihn seiner Zeit weit vorauseilen liess. Ihm, der die Welt in ihrer vollen Wahrheit und Echtheit zu schildern verstand, der die verschiedenartigsten Charaktere unverfälscht und naturgetreu wiederzugeben vermochte, gelang es, auch Geisteskrankheiten mit all' ihren typischen Erscheinungen, so wie wir sie heute beobachten, in meisterhafter

*) Aeschylos, Die Choëphoren.

**) Charcot et Richer, Les démoniaques dans l'art. Paris 1887.

Weise zu schildern; und dies zu einer Zeit, in welcher die Wissenschaft weit entfernt war von der richtigen Erkenntnis psychischer Erkrankungen. Bei Shakespeare bilden daher die Geisteskrankheiten, wie wir sie in König Lear, Hamlet und Lady Macbeth geschildert sehen, lediglich die Wiedergabe rein objektiver Beobachtung. Sie vervollständigen gewissermassen die Welt des Dichters, welcher sämtliche menschlichen Leidenschaften in naturgetreuester Weise in seinen Dramen darstellte und daher auch den menschlichen Geist in krankhafter Umnachtung seiner Beobachtung gemäss zu schildern unternahm. Wir haben daher in diesen Gestalten weder die Verkörperung einer besonderen Weltanschauung, noch die künstlerische Darstellung einer bestimmten Tendenz zu blicken.

Wesentlich anders verhält es sich mit der Schilderung von Geisteskrankheiten in unserer modernen Litteratur. Die Lehre der Psychiatrie ist inzwischen zu einer separaten Wissenschaft erwachsen, und die Beobachtung von Geisteskranken ist eine äusserst gründliche und sorgfältige geworden. Um einen Krankheitsfall genau und naturgetreu zu schildern, braucht ein Dichter heutzutage nicht, wie Shakespeare, in der Erkenntnis der Wahrheit seiner Zeit weit voraus zu sein, sondern er hat nur nötig, eine gut geführte Krankengeschichte abzuschreiben, um seinem Zweck gerecht zu werden. Die einfache Schilderung psychischer Krankheitsbilder gehört mithin heutzutage überhaupt nicht in das Gebiet des Dichters, und wenn wir von denjenigen Litteraten absehen, welche in der Ausübung ihrer Kunst nur von der Sucht nach Originalität und dem Streben nach sensationellen Effekten geleitet werden, so sehen wir in der modernen Litteratur die Geisteskrankheiten nicht mehr um ihrer selbst willen dargestellt, sondern in ihren sozialen Beziehungen, in ihrem Zusammenhang mit der gesamten Menschheit.

Die Idee einer allgemeinen psychischen Degeneration, wie sie von manchen Psychiatern verkündet wird, hat auch in der Litteratur ihre Vertreter. Wenn ich bereits einmal an einer anderen Stelle Zola einen Nordau in Gestalt eines Romanschriftstellers" genannt habe, so bezieht sich dies auch auf

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