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räumt gleichsam alle Hindernisse aus dem Wege und sorgt dafür, dass die Gedanken nicht abschweifen und verworren werden, sondern sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügen.

Unter Phantasie versteht man dem gewöhnlichen Sprachgebrauch gemäss zuweilen auch die einfache Reproduktionsthätigkeit. Wenn z. B. ein Maler sich die Physiognomie eines Menschen so lebhaft vorstellen kann, dass er imstande ist, das Porträt des Betreffenden zu malen, so sagt man wohl, der Maler habe eine rege Phantasie. Ich nenne diesen Vorgang nicht Phantasie, sondern Vorstellungsvermögen und hoffe daher nicht missverstanden zu werden.

Die Phantasiethätigkeit, wie ich sie oben beschrieben habe, findet bei jedem Menschen statt. Sie besteht bei dem gewöhnlichen Menschen in dem sogenannten gedankenlosen Träumen, das also einen gewissen Gegensatz zu dem planmässigen Denken bildet. Alles was die Phantasie zu produzieren imstande ist, ist abhängig von vorher stattgehabten Sinneseindrücken. Sie ist nicht fähig, etwas Neues hervorzubringen, sondern ihre Produkte sind stets nur Kombinationen der im Gedächtnis haftenden Residuen früherer Eindrücke. Dies mag auf den ersten Blick manchem unwahrscheinlich vorkommen, produziert doch die Phantasie so viele,,originelle Ideen" und ,,neue Gedanken". Freilich thut sie dies, und doch steht dieser Umstand nicht im Widerspruch mit der angeführten Thatsache.

Wie in einem Kaleidoskop eine verhältnismässig geringe Anzahl bunter Glasstückchen die mannigfaltigsten Kombinationen eingehen und die verschiedenartigsten Bilder produzieren kann, so können sich mittelst der Phantasie die Residuen früherer Sinneseindrücke zu dem buntesten Gemisch origineller Ideen vereinen. Thut man in ein Kaleidoskop nur eine sehr geringe Anzahl ziemlich grosser Glasstücke, so werden die Bilder verhältnismässig gering und eintönig werden, bricht man aber diese Glasstücke in kleine Teilchen, so werden sich die Bilder viel mannigfacher und bunter gestalten. Eine sogenannte reiche Phantasie ist imstande, die erhaltenen Sinneseindrücke in ihre kleinsten Bestandteile zu

zerlegen und zu unendlich vielen Neugestaltungen zu verschmelzen. Ist diese Eigenschaft mit einer leicht von statten gehenden Associationsthätigkeit und einem stark ausgeprägten Vorstellungsvermögen gepaart, so haben wir es mit jener lebhaften, schöpferischen Thätigkeit der Phantasie zu thun, wie sie uns von den Dichtern geschildert wurde.

Während beim gewöhnlichen Menschen das unwillkürliche Denken in der Regel einen indifferenten Inhalt hat, entstehen bei einem Menschen mit einer hochgradig ausgebildeten und verfeinerten Phantasie gerade durch diese die genialen, schöpferischen Gedanken, um sich dann erst a posteriori der Erkenntnis zu offenbaren. Daher kommt es, dass Dichter so häufig das Gefühl haben, als hätten sie etwas unbewusst geschaffen. Sie sehen gleichsam als objektive Beschauer die Dichtung in sich entstehen.

Dieser Zustand der Phantasie, der, wie wir sahen, auf einem ganz gewöhnlichen psychischen Vorgang beruht und sich durchaus nicht in der Art von der entsprechenden psychischen Thätigkeit des gewöhnlichen Menschen unterscheidet, sondern nur eine wesentlich gesteigerte Intensität derselben darstellt, dieser Zusand ist es, welcher zu mystischen Deutungen und zur Annahme übernatürlicher Vorgänge Anlass gab. So sagt Kant:*) Die Ursache aber, weswegen die musterhafte Originalität des Talents mit diesem mystischen Namen benannt wird, ist, weil der, welcher dieses hat, die Ausbrüche desselben sich nicht erklären, oder auch, wie er zu einer Kunst komme, die er nicht hat erlernen können, sich selbst nicht begreiflich machen kann. Denn Unsichtbarkeit (die Ursache zu einer Wirkung) ist ein Nebenbegriff vom Geiste (einem Genius, der dem Talentvollen schon in seiner Geburt beigesellt worden), dessen Eingebung gleichsam er nur folgt."

In ähnlicher Weise sagt Vischer: **),,Wir nennen dies mit einem noch an die nahe liegende mystische Vorstellung erinnernden Ausdruck Begeisterung, deren Zug zwar hier nur

*) Kant, a. a. O.

**) Fr. Th. Vischer, a. a. O. B. II.

beginnt und erst mit einem weiteren Schritte zum Strom anwächst. Die Alten, denen an der Grenze der Selbsterkenntnis überall das Unbekannte, weil unmittelbar Eigene als Werk des Gottes erschien, stellten sich wirklich Eingebung, Inspiration vor. Der Dichter ist von der Muse erfüllt, er ist ἔνδεος θεόπνευρος κατεχόμενος, ἐκσαπκός, er ist durch göttliche Entrückung ὑπὸ θείας ἐξαλλαγής ausser sich, ἐξω ἑαυτώ, es ist ihm angeweht (ἐπίπνοια).

Diese schöpferische, gewissermassen selbständige Kraft der Phantasie ist es, die dem Kunstprodukt den Charakter der Originalität verleiht, und es haben daber viele Forscher in ihr den eigentlichen Kern des Genies zu erblicken geglaubt.

So äussert sich Garve*) recht bezeichnend über diesen Punkt:,,Nichts ist schwerer zu bestimmen, als das Eigentümliche eines gewissen Geistes, besonders wenn dieser ein grosser Geist, und noch mehr, wenn er ein Genie ist. Alle Vollkommenheiten des Geistes lassen sich auf gewisse Vollkommenheiten der Gedanken bringen, oder vielmehr, nur so viel Unterschiede und Vorzüge der Fähigkeiten und Kräfte kennen wir, als wir Verschiedenheiten und Grade der Vortrefflichkeit in den Ideen finden. Den Charakter einer bestimmten Fähigkeit können wir also fast nicht anders angeben, als indem wir den besonderen Ursprung, die Entstehungsart der Gedanken, beschreiben, die dieser Fähigkeit eigentümlich sind. Dieses geht nur alsdann an, wenn diese Gedanken Folgen andrer Gedanken, mit einem Worte Wirkungen der Reflexion und des Nachdenkens sind. Aber wenn sie unmittelbar aus der Kraft der Seele zu entstehen scheinen, wenn sich die veranlassenden höheren oder früheren Ideen nicht finden, selbst von dem Menschen, der jene hat, nicht bemerken lassen: dann ist, so wie allenthalben, wo wir in unserer Erklärung der Phänomene nicht mehr Wirkungen aus Wirkungen herleiten können, sondern bis zur wirkenden Kraft selbst kommen, unsere Untersuchung zu Ende. Und gerade diese letzte Art vortrefflicher Gedanken ist es, die wir dem

Garve. Anmerkungen über Gellert.

Genie zuschreiben, gerade die Quelle solcher Ideen soll dies Wort ausdrücken, die nicht durch Fleiss nach und nach gebildet worden, sondern aus dem Grunde der Seele plötzlich entsprungen sind."

J. B. Meyer*) sagt: „Das Talent ist sich seiner selbst bewusst und weiss, wie und warum es zu gewissen Schlüssen und Grundsätzen gelangte. Nicht so das Genie, dem das wie? und warum? stets dunkel bleibt. Es giebt nichts Unbewussteres, nichts Unwillkürlicheres, als einen genialen Gedanken."

Wenn auch, wie wir gleich sehen werden, diese schöpferische Phantasie allein durchaus noch nicht hinreichend ist, ein Dichtergenie zu bewirken, und, wie wir ebenfalls sehen werden, der Grad ihrer Entwickelung nicht immer im Verhältnis zur Grösse des Dichters steht, so werden wir doch zugeben müssen, dass diese Thätigkeit der Phantasie eine allen genialen Dichtern gemeinsame und unentbehrliche psychische Eigenschaft bildet. Wir sind zu dieser Annahme um so mehr berechtigt, als diejenigen Dichter, welche diese Eigenschaft in nur geringem oder beeinträchtigtem Masse besassen, dies selber als einen Uebelstand, als einen Mangel beklagen.

Indem Lessing gesteht, er fühle die lebendige Quelle nicht in sich, die durch eigene Kraft in so reichen, so frischen, so reinen Strahlen aufschiesse, er müsse Alles durch Druckwerk und Röhren in sich heraufpressen, spricht er sich selber das wahre Organ der Dichtkunst ab.

Schiller beklagte sich, dass Theorie und Kritik das freie Spiel seiner Phantasie beeinträchtigt hätten. Als ihm einst von Wieland Mangel an Leichtigkeit vorgeworfen wurde, schrieb er darüber: „Ich fühle während meiner Arbeiten nur zu sehr, dass er Recht hat, aber ich fühle auch, woran der Fehler liegt, und dies lässt mich hoffen, dass ich mich sehr darin verbessern kann. Die Ideen strömen mir nicht reich. genug zu, so üppig meine Arbeiten auch ausfallen, und meine Ideen sind nicht klar, ehe ich schreibe."

*) Jürgen Bona Meyer, a. a. O.

Wir begegnen also hier einem sehr wesentlichen, psychologischen Unterschied zwischen den grössten Dichtern. Während Göthes künstlerische Thätigkeit in erster Linie durch das freie Spiel der Phantasie bedingt war, lag der Schwerpunkt bei Schiller in der intellektuellen Thätigkeit, welche der Ueppigkeit seiner Phantasie nach seinen eigenen Worten oft hinderlich war.

Wir können aus dieser Erscheinung gleichzeitig die Lehre ziehen, dass die Phantasie allein, wenn sie auch dem Dichter unentbehrlich ist, nicht die Grösse desselben ausmachen kann, denn Schiller ist ein zweifellos grösserer Dichter als viele andere, bei denen die Phantasie nicht wie bei ihm durch die intellektuelle Thätigkeit gehemmt war.

Wenn wir in der psychologischen Analyse hervorragender Dichter fortfahren, so werden wir finden, dass die Verstandesthätigkeit einen nicht minder wichtigen Faktor des Dichtergenies bildet als die Phantasie, wenn auch zur unmittelbaren Produktion des Kunstwerks hauptsächlich letztere in Kraft treten muss. Wie wir gesehen haben, ist die schöpferische Phantasie auf das Material angewiesen, welches ihr durch die Residuen früherer Sinneseindrücke dargeboten wird. Je umfassender daher das Wissen des Dichters ist, je mehr er imstande ist, die Eindrücke, die ihm die Welt darbietet, in sich aufzunehmen und zu befestigen, je gesunder und richtiger sein Urteil über die ihn umgebenden Personen und Verhältnisse, je geordneter sein Denken und je besser sein Gedächtnis ist, desto üppiger kann sich seine Phantasie entfalten, desto mannigfaltiger werden sich ihre Schöpfungen gestalten. Lessing hat daher Unrecht, wenn er sagt: „Dem Genie ist es vergönnt, tausend Dinge nicht zu wissen, die jeder Schulknabe weiss; nicht der erworbene Vorrat seines Gedächtnisses, sondern das, was es aus sich selbst, aus seinem eigenen Gefühl hervorzubringen vermag, macht seinen Reichtum aus." *)

Die wirklich grossen Dichter zeichneten sich auch gerade durch ihr gediegenes Wissen aus, und durch die klare Vor

*) Hamburgische Dramaturgie, vierunddreissigstes Stück.

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