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stellung von der Welt, in der sie lebten. Freilich giebt es genug Narren, welche glauben, sie brauchten nichts zu lernen, das Genie müsse sich nackt in seiner urwüchsigen Gestalt zeigen und alles Wissen beeinträchtige nur ihre geniale Schöpfungskraft. Dies sind aber eben Narren, mit denen wir uns späterhin noch eingehender zu beschäftigen haben werden. Göthe charakterisiert diese Leute in vortrefflicher Weise, indem er sagt:

Ein Quidam sagt: „Ich bin von keiner Schule;
Kein Meister lebt, mit dem ich buhle;

Auch bin ich weit davon entfernt,

Dass ich von Toten was gelernt."

Das heisst, wenn ich ihn recht verstand:
,,Ich bin ein Narr auf eigne Hand."

Auch Kant sagt, dass das Genie sich „,dem Zwange des Studiums" unterziehen müsse. „Die Einbildungskraft aber auch von diesem Zwange zu befreien und das eigentümliche Talent, sogar der Natur zuwider, regellos verfahren und schwärmen zu lassen, würde vielleicht originale Tollheit abgeben." *)

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Sehr klar schildert Göthe die Quelle, aus welcher seine eigene reiche Phantasie schöpfte: „Das grösste Genie“, sagt er, wird niemals etwas wert sein, wenn es sich auf seine eigenen Hülfsmittel beschränken will. Was ist denn Genie anders, als die Fähigkeit, alles, was uns berührt, zu ergreifen und zu verwenden; allen Stoff, der sich darbietet, zu ordnen und zu beleben; hier Marmor und dort Erz zu nehmen und daraus ein dauerndes Monument zu bauen? Was wäre ich, was würde von mir übrig bleiben, wenn diese Art der Aneignung die Genialität gefährden sollte? Was habe ich gethan? Ich habe Alles, was ich gesehen, gehört, beobachtet habe, gesammelt und verwandt; ich habe die Werke der Natur und der Menschen in Anspruch genommen. Jede meiner Schriften ist mir von tausend Personen, von tausend verschiedenen Dingen zugeführt worden; der Gelehrte und der Unwissende, der Weise und der Thor, Kindheit und Alter haben

*) Kant a. a. O.

dazu beigetragen. Grösstenteils ohne es zu ahnen, brachten sie mir die Gabe ihrer Gedanken, ihrer Fähigkeiten, ihrer Erfahrungen, oft haben sie das Korn gesät, das ich erntete. Mein Werk ist die Vereinigung von Wesen, die aus dem Gange der Natur entnommen sind; dies führt den Namen „Goethe“. . . . Abgeschmackte Menschen! Ihr macht es wie gewisse Philosophen unter meinen Landsleuten, die sich einbilden, wenn sie sich dreissig Jahre in ihr Studierzimmer einschlössen oder sich lediglich damit beschäftigten, die Ideen, welche sie aus ihrem eigenen armen Gehirn herausziehen, zu sieben und zu beuteln, so würden sie einen unerschöpflichen Quell von Originalität erlangen! Wisst Ihr, was dabei herauskommt? Wolken, nichts als Wolken! Ich war lange genug so thöricht, mich über diese Abgeschmacktheiten zu betrüben, so dass mir nun in meinen alten Tagen wohl gestattet werden mag, mich darüber lustig zu machen und darüber zu lachen.“ *)

Ausser der Phantasie und der Verstandesthätigkeit ist es noch eine andre psychische Erscheinung, welche uns bei hervorragenden Dichtern besonders auffällt, und zwar eine hochgradige Verfeinerung des Gefühlslebens, des Gemüts und der Stimmungen. Wir finden diese Eigenschaften bei grossen Dichtern häufig in einer Weise ausgebildet, wie wir sie uns kaum vorstellen können. Der blosse Anblick eines Kunstwerks mag genügen, sie zu Thränen zu rühren.

In Heine rief die Musik eine besondere Stimmung hervor, welche ihn zum Dichten anregte.

Alfieri beschreibt die Stimmung. in der er sich beim Dichten befand, als eine Art sanften Fiebers.

Als Göthe die Scene zwischen Hermann und seiner Mutter unter dem Birnbaum aus Hermann nnd Dorothea" zum ersten Male im Schillerschen Kreise vorlas. quollen ihm die Thränen hervor, und er sagte, indem er sich die Augen trocknete: So schmilzt man bei seinen eigenen Kohlen."

Schiller schrieb an Göthe: „Bei mir ist die Empfindung

*) Entgegnung auf Aeusserungen französischer Journalisten, cit. von J. B. Meyer a. a. O.

anfangs ohne bestimmten und klaren Gegenstand, dieser bildet sich erst später. Eine gewisse musikalische Gemütsstimmung geht vorher, und auf diese folgt bei mir erst die poetische Idee."

Was uns hier geschildert wird, ist gerade so wie die Phantasie nicht ein neuer, selbständiger oder gar mystischer Vorgang, der nur besonderen Individuen eigen ist, sondern es handelt sich lediglich um die Verfeinerung eines gewissen Teiles des psychischen Organismus und daher um eine Erscheinung, die bei jedem Menschen zu beobachten ist, nur in veränderter Intensität.

Unsere gesammte psychische Thätigkeit, der Ablauf von Vorstellungen, sei dies auf dem willkürlichen oder unwillkürlichen Wege, ist von einem gewissen Zustand begleitet, den wir am besten mit „,,Stimmung" bezeichnen, und dessen ich bereits im ersten Kapitel gedacht habe. Wie wir uns unter normalen Bedingungen unserer Organgefühle nicht bewusst sind, so tritt auch die Stimmung trotz ihres fortwährenden Vorhandenseins für gewöhnlich nicht in unser Bewusstsein. Erst die Veränderungen und Schwankungen derselben lassen sie uns als etwas Vorhandenes erkennen. Ueber das Verhältnis dieser Stimmungen zu den Vorstellungen differieren die Ansichten der verschiedenen Autoren. Einige wollen die Stimmungen als von den Vorstellungen abhängig aufgefasst wissen, während Andere glauben, dass der Inhalt der Vorstellungen sich nach den jeweiligen Stimmungen richte. Ich bin der Ansicht, dass man eine Regel in dieser Weise nicht aufstellen kann, sondern dass vielmehr Vorstellungen und Stimmungen in Wechselbeziehung zu einander stehen, dass in einzelnen Fällen die Vorstellungen, in andern hingegen die Stimmungen den primären Zustand bilden. Wenn jemand eine traurige Nachricht erhält, so ist die trübe Stimmung offenbar eine Folge der Vorstellungen, andrerseits aber unterliegt die Stimmung vielfachen Schwankungen, ohne dass man diese auf bestimmte Vorstellungen zurückführen könnte. Im letzteren Falle pflegt man die Stimmung auch als Laune, Aufgelegtheit oder Disposition zu bezeichnen.

Wir kennen bekanntlich unendlich viele qualitative Unter

schiede auf den einzelnen Gebieten der Sinnes wahrnehmungen. Es ist nicht nur ein Unterschied in der Intensität des Lichts, welchen wir wahrzunehmen imstande sind, sondern wir vermögen die mannigfachsten Farbenschattierungen von einander zu unterscheiden. Ebenso ist es nicht nur ein Unterschied in der Stärke des Schalles oder in der Höhe der Töne, welche wir wahrnehmen, sondern wir können die Qualität des Tones genau erkennen. Wir hören, von welchem Instrument ein Ton hervorgebracht wird, der Sachkundige hört sogar heraus, ob ein und derselbe Ton auf einer Geige auf der A- oder E-Seite gespielt wird. Auf dem Erkenntnisvermögen dieses Qualitätsunterschiedes des Schalles beruht die Thatsache, dass wir bei geschlossenen Augen von Hunderten uns bekannter Personen die Stimmen der Einzelnen zu unterscheiden vermögen.

Den Charakter einer bestimmten Qualität einer Sinneswahrnehmung durch Worte zu beschreiben, sind wir ausserstande. Wir haben zwar Bezeichnungen für die gröbsten Unterschiede, aber selbst diese haben nur einen Wert, wenn sie mit bestimmten vorher stattgehabten Eindrücken in Zusammenhang gebracht werden. Jemandem, der blind geboren ist, lässt sich auf keine Weise ein Begriff der Farbenunterschiede beibringen, ebenso wie ein taub geborener niemals eine Vorstellung von Klangfarben erlangen kann.

In ganz analoger Weise giebt es unendlich viele qualitative Unterschiede der Stimmungen, die sich ebenfalls nicht durch Worte beschreiben lassen. Wir haben zwar für bestimmte Zustände Bezeichnungen, jedoch können dieselben ebenso wie die Namen für Ton- und Klangfarben nur die Erinnerung an einen früher stattgehabten Eindruck in uns erwecken. Reue, Rührung, Sehnen, Angst, Hoffnung, Furcht, alle diese Empfindungen und Stimmungen können durch Worte nicht geschildert werden. Jemandem, der sich niemals in seinem Leben in einer Stimmung der Rührung befunden hätte, könnte man sicherlich in keiner Weise eine Vorstellung derselben machen.

Individuen, deren psychischer Organismus nach dieser Richtung hin in hohem Masse verfeinert ist, werden auf dem

Gebiete der Stimmungen qualitative Unterschiede wahrzunehmen imstande sein, welche sie mit Worten nicht beschreiben können. Wie der musikalisch Begabte weit mehr Klangfarben unterscheiden kann als der gewöhnliche Mensch, so werden jene Individuen Stimmungsgefühle haben, deren der Durchschnittsmensch nicht fähig ist, und für welche es daher in der gewöhnlichen Sprache keine Bezeichnungen giebt.

Wenn daher Alfieri von einem,,sanften Fieber" und Schiller von einer „gewissen musikalischen Gemütsstimmung" spricht, so handelte es sich offenbar um derartige verfeinerte Stimmungsgefühle, die sie eben, so gut es anging, zu beschreiben versuchten.

Eine weitere Beobachtung, welche man an hervorragenden Dichtern machen kann, ist ein instinktiver, unwiderstehlicher Trieb, sich der in ihnen entstandenen Ideen und Gefühle zu entäussern, und so entsteht das geniale Kunstwerk nicht als willkürlich angestrebtes Erzeugnis, sondern als unwillkürliches, notwendiges Ergebnis psychischer Vorgänge. Es ist daher nicht das Verlangen nach Beifall und Erfolg, oder die Rücksicht auf sonstige Interessen, welche den genialen Künstler bei der Arbeit bestimmen und leiten, sondern lediglich der Trieb, das Verlangen, dem in der Phantasie bereits bestehenden Kunstwerk Form und Gestalt zu verleihen. Der wirkliche Poet dichtet daher nicht, weil er will, sondern weil Göthe hat diesen dichterischen Trieb im Tasso geschildert. Auf die Worte Alphons':

Ich bitte dich, entreisse dich dir selbst!
Der Mensch gewinnt, was der Poet verliert.

erwidert Tasso:

Ich halte diesen Drang vergebers auf,

Der Tag und Nacht in meinem Busen wechselt.
Wenn ich nicht sinnen oder dichten soll,

So ist das Leben mir kein Leben mehr.
Verbiete du dem Seidenwurm, zu spinnen,
Wenn er sich scohn dem Tode näher spinnt.
Das köstlichste Geweb entwickelt er
Aus seinem Innersten, und lässt nicht ab,
Bis er in seinen Sarg sich eingeschlossen.

Act. V. Sc. 2.

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