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wie das zarte Weib am starken Manne, das Gemeine verschmähend, hängen und bleiben, und welche doch, wenn sie ihre Liebe aussprechen wollen, mit gebrochenen, verworrenen Sprachorganen sich quälen und etwas Anderes sagen, als sie wollen." Es handelt sich also um Menschen, die mit einer hochgradigen Feinheit des Gefühls- und Empfindungsvermögens ausgestattet und daher mehr befähigt sind, sich in ein geniales Kunstwerk zu versenken als der gewöhnliche Mensch, denen jedoch keine schöpferische Phantasie verliehen ist, die es ihnen ermöglichte, ihren Empfindungen einen selbständigen, künstlerischen Ausdruck zu verleihen.

Sind derartige Leute mit musikalischem Talent versehen, das sie besonders zur Ausübung eines Instruments befähigt. so werden sie in der Wiedergabe fremder Kompositionen Gelegenheit haben, ihr eigenes, künstlerisches Fühlen und Empfinden zu äussern, in die Reproduktion des Kunstwerks ihr Gemüt, ihre Seele hineinzulegen, mit einem Wort wir haben es dann mit einem genialen Virtuosen zu thun. Schütz*) sagt von Paganini:,,In dem Augenblick, wo er sein Instrument ergreift, scheint es, als ob ihn ein Götterfunke berühre, der sein ganzes Inneres mit einem himmlischen Feuer durchströmt. Jedes Gefühl von Schwäche verlässt ihn sodann, er scheint in ein ganz neues Dasein versetzt, mit einem Mal ein völlig anderes Wesen zu sein, und so lange sein Spiel dauert, ist seine Kraft mehr als verfünffacht." Ebenso giebt es Schauspieler und Sänger, welche bei der Darstellung einer Rolle sich vollkommen in die Situation hineinversetzt haben. in der sie ihr künstlerisch erregtes Gemüt, ihr Fühlen und Empfinden zum Austrag bringen.

Andere Virtuosen mit nicht minder grossem oder vielleicht noch grösserem Talent bleiben selber kalt und empfindungslos bei der Darstellung des Kunstwerks. Bei ihnen ist es lediglich die Verstandesthätigkeit, welche die Wiedergabe des Kunstwerks bestimmt. Die Effekte sind berechnet, der Vortrag erlernt, das ganze ist,,gemacht". So gross auch das Talent

*) Schütz, Leben, Charakter und Kunst des Ritters Nicolo Paganini.

derartiger Virtuosen sein mag, das sich in der höchsten Vollendung technischer Fähigkeit kund thut, sie werden niemals Genies genannt werden können.

Wir sehen also, dass wir bei dem ausübenden Künstler die psychologische Ursache genialer Leistungen in der Sphäre des Gefühls und der Empfindungen zu suchen haben. Jene Eigenschaft, die wir als Haupterfordernis zur zur Genialität schaffender Künstler kennen gelernt haben, die schöpferische Phantasie, sie ist bei genialen Virtuosen wenn diese nicht gleichzeitig produzierende Genies sind überhaupt nicht

vorhanden.

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Bei dem Versuch, den Begriff des Genies auf gleiche oder analoge psychische Eigenschaften zurückzuführen, befinden wir uns daher bereits hier in Verlegenheit. Es sind zwar immer noch gewisse gemeinschaftliche Faktoren vorhanden, aber man wird zugeben müssen, dass gerade diejenigen psychologischen Momente, welche das Wesen des Genies ausmachen, bei Dichtern, wie Schiller, recht verschieden sind von denen genialer Virtuosen, wie Paganini.

Wir gelangen nunmehr zur Betrachtung jener hervorragenden Männer, die man als wissenschaftliche Genies oder geniale Gelehrte zu bezeichnen pflegt. Wenn wir nach der Ursache wissenschaftlicher Grösse forschen, so werden wir finden, dass es sich dabei im Wesentlichen um zwei Faktoren handelt, und zwar um Entdeckung und Erfindung. Kopernikus, Galilei, Newton zeichneten sich durch ihre vielen und bedeutenden Entdeckungen aus. Wie wir zu Anfang dieses Kapitels gesehen haben, ist der Erfolg der Entdecker zum Teil abhängig von äusseren Verhältnissen, und wir werden daher hier nicht bei der äusseren Erscheinung stehen bleiben, sondern werden versuchen, der Sache auf den Grund zu gehen; wir werden uns bemühen, die psychologischen Verhältnisse zu ergründen, welche genialen Entdeckungen zu Grunde liegen.

Als Newton einst von seinem Freunde Halley gefragt wurde, wie er es nur angefangen habe, so viele und grosse Entdeckungen zu machen, antwortete er: „Indem ich unablässig darüber nachdachte", und bei einer anderen Gelegenheit äusserte er, dass, wenn er etwas Bedeutendes geleistet habe,

er dieses nur seinem anhaltenden Fleiss und seiner Geduld zu verdanken glaube.

Galilei hat bis in sein spätestes Alter rastlos geforscht und gearbeitet. Als er bereits auf beiden Augen erblindet war, schrieb er: „In meiner Finsternis grübele ich bald diesem, bald jenem Gegenstande der Natur nach und kann meinen nie rastenden Kopf nicht zur Ruhe bringen, so sehr ich es auch wünsche. Diese immerwährende Thätigkeit meines Geistes raubt mir fast ganz den Schlaf."

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Diese und andere Aussprüche hervorragender Männer der Wissenschaft, welche sich auf ihre geistige Thätigkeit beziehen und die Entstehung ihrer genialen Ideen beschreiben, klingen wesentlich anders als die analogen Berichte genialer Dichter und Komponisten. Grosse Entdeckungen, wenn sie nicht gerade eine Folge des Zufalls waren, sind niemals unbewusst",,,wie im Traume",,,wie im Nachtwandeln" gemacht worden, sondern sie erfordern im Gegenteil vollstes Wachen, selbstbewusstestes Denken, unermüdlichen Fleiss. Diese Eigenschaften, welche wir bei allen grossen Forschern und Gelehrten finden, beruhen auf der höchsten Verfeinerung desjenigen Teils des psychischen Organs, welchen wir als Träger der intellektuellen Fähigkeiten anzusehen haben. Grosse Entdecker besitzen in erster Linie eine intensive Beobachtungsgabe. Hierzu ist, wie wir wissen, vor allem die Fähigkeit erforderlich, die Aufmerksamkeit ungeteilt auf einen äusseren Vorgang zu konzentrieren. Das Wahrnehmungs- und Vorstellungsvermögen ist in hohem Masse verfeinert, die Apperceptions- und Reproduktionsorgane funktionieren in höchster Intensität. Die auf diese Weise erlangten Vorstellungen werden durch eine intellektuelle Thätigkeit, welche Wundt *) als ,,induktiven Verstand" bezeichnet, zu begrifflichen Formen verbunden. Auf der höchsten Verfeinerung dieser Fähigkeit beruht die schnelle und richtige Erkenntnis des Zusammenhangs der Dinge, wie wir sie bei grossen Forschern antreffen.

Es handelt sich also hier um wesentlich andere psycho

*) Wundt, a. a. O. II. S. 403.

logische Bedingungen als beim genialen Dichter und Künstler, ja wir können sogar sagen, dass die einen in thatsächlichem Widerspruch stehen zu den anderen. Wenn, wie wir gesehen haben, eine reiche Phantasie und ein buntes Gemisch von Stimmungen, Gefühlen und Empfindungen eine Hauptbedingung sind für den producierenden Künstler, so sind solche dem grossen Naturforscher nicht nur nicht nützlich, sondern eher nachteilig. Wenn auch, wie schon gesagt, ein jeder Mensch Phantasie besitzt, und absolut scharfe Grenzen zwischen den beiden Begriffen, die wir als Phantasie und Intellekt kennen gelernt haben, nicht gezogen werden können, wenn ferner ein jeder Mensch gewissen Schwankungen der Stimmungen unterworfen ist, so ist es doch beim grossen Forscher ein Haupterfordernis, dass die Verstandesthätigkeit ein eisernes Regiment führe über alle übrigen psychischen Faktoren. Wenn Schiller in Bezug auf den Dichter sagt, „dass es ihm nicht gut scheine, wenn der Verstand die zuströmenden Ideen gleichsam an den Thoren schon zu scharf mustere", so kann man vom forschenden Gelehrten sagen, dass es für ihn nicht gut sei, wenn eine reiche Phantasie das Resultat seiner objektiven Beobachtungen verändere oder seine Aufmerksamkeit vom Gegenstand der Untersuchung ablenke.

Diejenigen Autoren, welche das Genie auf eine gemeinsame psychologische Grundlage zurückzuführen sich bemühten, sich aber dennoch sträubten, den Begriff auf eine bestimmte Klasse hervorragender Männer, wie also etwa producierende Künstler zu beschränken, mussten zu so unrichtigen Schlüssen gelangen wie Meyer *), welcher sagt: „Das kann niemand bestreiten: Geniales wird auch in der Wissenschaft nur durch die schöpferische Macht der Einbildungskraft geleistet." An einer anderen Stelle sagt Meyer: „Das reflektierende Denken verdirbt oft die geniale Schöpfungskraft; die Gedanken müssen von selbst kommen und nach ihren Wahlverwandtschaften zusammenschiessen." Hiernach müsste also das reflektierende Denken ein Hindernis für den genialen Gelehrten sein, wäh

*) Jürgen Bona Meyer, Genie und Talent.

rend wir dasselbe sogar aus eigenen Aussprüchen solcher Männer als Haupterfordernis für ihre geistigen Erfolge kennen gelernt haben.

Wer wie Meyer in der „schöpferischen Einbildungskraft“, in dem unbewussten Entstehen der Gedanken" das Wesen des Genies zu erblicken glaubt, der darf diesen Begriff auf Gelehrte überhaupt nicht anwenden. Als aber Schopenhauer, welcher einen ähnlichen Begriff mit dem Genie verbindet, von Feldherren und Staatsmännern sagt:,,Lächerlich aber ist es, bei dergleichen Leuten von Genie reden zu wollen", gerät Herr Meyer ausser sich und sagt: „,Vielmehr will es mir lächerlich scheinen, Friedrich den Grossen nicht ein politisches und militärisches Genie, Napoleon I. nicht einen genialen Feldherrn, Bismarck nicht einen genialen Staatsmann nennen zu wollen."

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Ob man die Bezeichnung,,Genie" auch auf hervorragende Feldherren und Staatsmänner anwenden will, ist lediglich Sache der Konvention, nur muss man sich darüber klar sein, dass die Grösse eines Feldherrn durch wesentlich andere psychologische Vorgänge bedingt ist, als die Grösse eines Künstlers. Wenn man aber den Begriff des Genies in der Weise präcisiert, wie es Meyer gethan hat, wenn er erklärt, dass dem Genie das wie?" und warum?" „stets dunkel bleibe", dass es nichts Unbewussteres", nichts Unwillkürlicheres" gäbe als „einen genialen Gedanken", und dass das reflektierende Denken die geniale Schöpfungskraft verdürbe", so muss es in der That lächerlich erscheinen, einen solchen Begriff mit Friedrich dem Grossen, Napoleon oder Bismarck zu verbinden. Man stelle sich einen grossen Staatsmann vor, dem,,das wie?" und warum?" stets dunkel bliebe. Man denke sich einen Bismarck ohne ,.reflektierendes Denken."

Die Grösse eines Feldherrn und Staatsmannes liegt lediglich in der Verstandesschärfe. Ein schnelles Auffassungsvermögen, ein blitzartiges Erkennen der Thatsachen und Verhältnisse, ein logisches, folgerichtiges Denken dies sind die Eigenschaften, welche dem genialen Feldherrn unentbehrlich sind. Der grosse Staatsmann und der Feldherr dürfen nicht von schwankenden Stimmungen und Gefühlen beeinflusst

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