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sein, diese spielen bei ihnen eine gänzlich untergeordnete Rolle. Ein zielbewusster Verstand, ein eiserner Wille muss die gesammte psychische Thätigkeit lenken und leiten. Der geniale Feldherr zeichnet sich stets durch Besonnenheit und Kaltblütigkeit aus, er bewahrt überall eine imponierende Ruhe, in den kritischsten Augenblicken zeigt er bewundernswerte Geistesgegenwart, also niemals ein Aufwallen der Gefühle, ein Hervorwiegen des Affekts. Man hat daher dem grössten Staatsmanne unserer Zeit den treffenden Beinamen,, der Eiserne" gegeben.

Wie wesentlich verschieden ist also die psychische Beschaffenheit eines solchen Mannes von dem reichen, empfindungsvollen Gemüt eines genialen Künstlers. Wenn der hervorragende, geniale Staatsmann aus Eisen gemacht sein muss, dann muss die Seele des empfindenden Künstlers aus Wachs gebildet sein.

Wie die einzelnen psychischen Fähigkeiten nicht scharf abgrenzbar sind, sondern allmählich in einander übergehen, so finden wir auch einen stufenweisen Uebergang von der Veranlagung zur schöpferischen Kunst, zu der Befähigung zur beobachtenden, entdeckenden Wissenschaft. Hierher gehören die Erfinder auf dem Gebiete der Technik, der Industrie und der Wissenschaft. Sie bedürfen einer Kombination der Phantasie mit der „induktiven Verstandesthätigkeit", wie Wundt sie nennt. Die Thätigkeit ihrer Phantasie ist wesentlich verschieden von der freien, schöpferischen Phantasie des genialen Künstlers. Während in der Phantasie des Künstlers das Kunstwerk frei entsteht ohne bestimmten, vorauszusehenden, beabsichtigten Zweck, ist der Phantasie des Erfinders das zu erstrebende Ziel genau vorgeschrieben. Das planmässige, systematische Denken ist daher den Erfindern nicht minder erforderlich als die Phantasie, und die Kombination beider Zustände oder der Uebergang aus einem Zustand in den anderen ist es, mit dem wir es hier zu thun haben.

Die psychologischen Bedingungen des schaffenden Künstlers und die des wissenschaftlichen Forschers berühren sich in manchen Punkten, aber gerade dort, wo die Wissenschaft in die Kunst übergeht und die Kunst anfängt, Wissenschaft

zu werden.

Die spekulative Philosophie bedarf allerdings der schöpferischen Phantasie, aber dieser Zweig der Wissenschaft, der zwar bei den Alten über alle übrigen Zweige des Wissens dominierte, wird heute bei uns kaum noch als Wissenschaft anerkannt, und in der That war Plato viel mehr Dichter als Vertreter der Wissenschaft. Andererseits nähern sich diejenigen Dichter, welche den Aufbau von Gestalten in objektiver Weise auf Grund ihres Forschens und Beobachtens unternehmen, wiederum mehr der Wissenschaft.

Wenn Meyer sagt, dass Geniales in der Wissenschaft nur durch die schöpferische Macht der Einbildungskraft geleistet werde, so mag er die spekulativen Wissenschaften, die Theologie und die Philosophie, im Auge gehabt haben. Je korrekter aber die Wissenschaft wird, desto mehr wird sie sich des Phantasierens entledigen, oder richtiger gesagt: je weniger die Wissenschaft phantasiert, desto korrekter wird sie werden, und einen desto höheren Wert wird sie erlangen. In der korrektesten aller Wissenschaften, in der Mathematik, wird man wohl mit Phantasieren sehr wenig erreichen. Die Phantasie kann keine Gleichungen lösen oder neue Lehrsätze aufstellen, mit der Phantasie hat noch niemals jemand Bakterien entdeckt oder medizinische Diagnosen gestellt.

Wir sehen also, dass den Genies auf den verschiedenen Gebieten die verschiedenartigsten psychologischen Bedingungen zu Grunde liegen, dass psychische Fähigkeiten und Eigenschaften, welche in dem einen Falle das Wesen des Genies ausmachen, im anderen Falle mit genialer Thätigkeit geradezu unvereinbar sind, und dass wir daher ausserstande sind, bestimmte, psychologische Eigenschaften aufzustellen, welche allen Genies gemeinsam wären. Man wird sich vergeblich bemühen, wenn man derartige Gemeinsamkeiten zwischen einem Paganini und einem Bismarck, einem Mozart und einem Napoleon auffinden wollte.

Dasjenige, was von jeher sämmtliche Genies in den Augen. der Menschheit mit einander verband, und was in der That den Begriff gebildet hat, ist die Idee des Mystischen, des Unerklärlichen, Uebernatürlichen. Für denjenigen, welcher auch heute noch auf einem solchen Standpunkt steht, hat es

allerdings keine Schwierigkeit, mit „Genie" einen bestimmten Begriff zu verbinden. Zu einer solchen Anschauung gelangt auch nach seinen Untersuchungen Herr Professor Jürgen Bona Meyer, welcher sagt: „Auch den alten Griechen galten ja Dichter und andere Künstler als Gottgeweihte und von Gott begeisterte Seelen; wenn sie schufen, ergriff sie die Gottheit in heiligem Wahnsinn und redete durch sie zu den Menschen. Wer weiss, ob das nicht die volle Wahrheit ist. Vielleicht führt Gott wirklich die Welt durch diese schöpferischen Geister den hohen Zielen zu, die sie erreichen soll. Vielleicht könnte eine Philosophie der Geschichte diese Bedeutung der Helden des Geistes und der Kraft anschaulich darthun und den Glauben rechtfertigen, der in den Genien der Erde die unmittelbaren Diener Gottes erkennen will." Wenn man derartige Ideen genial nennen wollte, dann hätte Meyer recht, wenn er sagt, dass Geniales auch in der Wissenschaft nur durch die schöpferische Macht der Einbildungskraft gebildet werden könne, aber die moderne Wissenschaft kann Herrn Meyer in diesen ,,genialen Phantasieen" nicht folgen, sie beschränkt sich auf objektive Beobachtung und wirkliche Erkenntnis.

Nach den vorausgegangenen Untersuchungen müssen wir zu der Ueberzeugung gelangen, dass wir mit dem Worte „Genie" einen bestimmten psychologischen Begriff nicht verbinden können. Wir können uns ein Dichtergenie, ein Kompositionsgenie, einen genialen Virtuosen, ein Feldherrngenie, einen genialen Gelehrten u. s. w. vorstellen, aber das,,Genie" als solches hat für uns keine Bedeutung. Es ist zwar richtig, dass gewisse gemeinsame Vorgänge sich bei allen Genies finden, aber diese sind nicht charakteristisch für das Genie, sondern finden sich auch bei allen übrigen Menschen vor. Die geniale Thätigkeit ist überhaupt niemals in der Art verschieden von der des gewöhnlichen Menschen, sondern es handelt sich immer nur um verschiedene Grade der Intensität allgemeiner psychologischer Vorgänge. Wir treffen eine jede eine jede psychologische Eigenschaft von ihrem gewöhnlichen Auftreten beim Durchschnittsmenschen bis hinauf zum phänomenalen Genie auf jeder Sprosse der Stufenleiter

an, sie zeigt sich in jedem Grade der Intensität, und niemand könnte sagen, wo die Grenze des Gewöhnlichen liegt und das Genie seinen Anfang nimmt.

Es muss daher für den Psychologen ein jeder Mensch eine species sui generis sein, die Psychologie darf die Menschen nicht in bestimmte Gattungen und Arten einteilen, wie wir es mit den Pflanzen thun. Ein solches Verfahren wäre kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt der Wissenschaft.

Wie der Chemiker durch die Analyse der verschiedenartigsten Stoffe nachweist, dass diese aus denselben Grundstoffen, die wir Elemente nennen, zusammengesetzt sind, und nur durch den Proportionsunterschied der letzteren die Verschiedenartigkeit der ganzen Substanzen herbeigeführt wird, ebenso wissen wir, dass es sich bei allen Menschen um dieselben psychologischen Elemente handelt, die nur durch die quantitative Verschiedenheit ihres Vorhandenseins und ihrer Zusammensetzung dieselben so verschieden von einander scheinen lässt. Stimmung, Phantasie, Verstandesthätigkeit, Gedächtnis, Vorstellungs-, Auffassungsvermögen u. s. w. alles dies sind Eigenschaften, welche bei jedem Menschen vorhanden sind, und in welche sich die psychologische Thätigkeit eines jeden Menschen zerlegen lässt, gleichviel ob Genie oder Durchschnittsmensch.

Was den Zweck dieser Untersuchungen und der daraus gewonnenen Erkenntnis anbetrifft, so wird derselbe aus dem folgenden Kapitel ersichtlich werden. Die Psychiatrie hat sich in letzterer Zeit vielfach mit dem Genie beschäftigt, und bevor ich an die Betrachtung dieser Erörterungen trete, schien es mir geboten, zu ermitteln, was wir eigentlich unter Genie zu verstehen haben; ob ein specieller Begriff damit zu verbinden sei, oder ob es sich nur um eine allgemeine Bezeichnung undefinierbarer Erscheinungen handle. Ich glaube in dem Vorhergehenden meine Ansicht über diesen Punkt genügend klargelegt zu haben, um nun in unseren Betrachtungen fortfahren zu können.

Genie und Irrsinn.

Nachdem wir zu der Ueberzeugung gelangt sind, dass mit der Bezeichnung Genie ein psychologischer Begriff nicht zu verbinden ist, dass eine prägnante Definition des Genies zu geben noch niemandem geglückt ist und wohl schwerlich jemandem glücken wird, dass ferner der Begriff des Irrsinns ebenso wenig definierbar ist, dass wir vielmehr ausserstande sind, scharfe Grenzen zu ziehen zwischen geistiger Gesundheit und geistiger Störung, wird es sicherlich manchem bedenklich scheinen, zwei unbestimmte Grössen mit einander vergleichen zu wollen. Allein der Vergleich, solange er ein solcher bleibt, und solange man vorsichtig ist in den Schlüssen, die man aus den daraus gewonnenen Thatsachen zieht, wird sicherlich nicht schaden, sondern im Gegenteil unser Wissen bereichern und uns vielleicht der Erkenntnis der Wahrheit näher führen.

Das Gefühl für einen gewissen inneren Zusammenhang beider Erscheinungen, des Genies und des Irrsinns, ist übrigens nicht neu. Bekanntlich sprach schon Plato von einer deia pavía, von einem göttlichen Wahnsinn der Dichter; Seneca*) lässt Aristoteles den Ausspruch thun: Nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae fuit; Aristoteles**) sagt

*) De Tranquilitate animi. **) Problemata 30,1.

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