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Ein Streit um den Leichnam Mosis wogte durch Deutschland. Die Briefwechsel sind voll davon. So kämpft Voß für die Berliner, Friz Stolberg feinfühliger für Jacobi, und die tiefe Verschiedenheit der Freunde malt sich in ihren Blättern. Als die beiden dann im Alter jenes häßliche Duell ausfochten, wo unser Verstand auf Vossens Seite stehn mag, unser Herz aber nur für Stolbergs Ritterlichkeit schlägt, blickte Goethe von diesem Zwiespalt zurück auf „die unglückliche Entdeckung von Lessings geheimer spinozistischer Sinnesart durch Friedrich Jacobi, worüber Mendelssohn in buchstäblichem Sinne sich den Tod holte. Wie hart war es für die Berliner Freunde, die sich mit Lessing so innig zusammengewachsen glaubten, auf einmal erfahren zu sollen, daß er einen tiefen Widerspruch vor ihnen zeitlebens verheimlicht habe!" Und im fünfzehnten Buche von ,,Dichtung und Wahrheit“ hatte er nicht vergessen daran zu erinnern, wie bedeutend sein Prometheusgedicht in der deutschen Litteratur wirkte, weil, dadurch veranlaßt, Lessing sich über wichtige Punkte des Denkens und Empfindens erklärte: „Es diente zum Zündkraut einer Explosion, welche die geheimsten Verhältnisse würdiger Männer aufdeckte und zur Sprache brachte: Verhältnisse, die ihnen selbst unbewußt in einer höchst aufgeklärten Gesellschaft schlummerten. Der Riß war so gewaltsam, daß wir darüber, bei eintretenden Zufälligkeiten, einen unserer würdigsten Männer, Mendelssohn, verloren".

Hiziger hatte Goethe im Februar 1786 das jüdische neueste Testament unausgelesen in die Ecke geworfen und in seinen Abendsegen aus Spinozas Ethik fort und fort das Lessingsche Testament Johannis eingeschlossen. Daß ihm diese Ethik so vertraut und zur Hand war, dankte er Jacobi und Lessing. Es ging Jacobi recht wunderbar mit dem Spinozismus. Er reiste zu Lessing, um ihn für ein Schußund Truzbündnis zu werben, und fand einen ,,Spinozisten"; er wandte sich gegen Ende 1783, noch bevor er die Claudius Hamann Lavater mit größerem Glück einweihte, mit seiner Handschrift nach Weimar und begeisterte Herder und Goethe, dem er einst am Rhein in trunkenen Stunden das "Ev zai nur verkündigt hatte, für Spinoza. Sie schlugen sich ganz auf Lessings Seite. Wenn nun Spinozas Ethik die weimarische Bibel und Spinoza der heilige Christ wurde, wie Humanus-Herder Weihnachten 1784 in den Begleitversen an Frau

v. Stein sagte, wenn Briefe an Jacobi gingen und tiefe Bekenntnisse in Poesie und Prosa keimten, so war Lessing mit unter ihnen. Und als Herders,,Gott" einen halben Pantheismus predigte, laufen auch im Schiller-Körnerschen Briefwechsel die Namen Spinoza Lessing Herder Jacobi durch einander. Der zweite und dritte Theil des Büchleins „Über die Lehre des Spinoza“, Hemsterhuys' großer Sendbrief und Jacobis Zergliederung des Systems mit dem Schlußruf zum Salto mortale, dienten gar vielen als erste Einweihung in den Spinozismus, als Quelle der Kenntnis bis zur Paulusschen Edition und bis zu Schleiermacher, der seinen frühesten Einblick auch der Jacobischen Analyse verdankte. So bedeutete denn das Gespräch vom Juli 1780 wirklich eine Auferstehung. Niemand redete mehr von Spinoza als von einem todten Hunde.

Jacobis Wiedergabe des Gesprächs jedoch wurde bis auf den heutigen Tag bestritten. In frivoler Weise von Schelling, den 1812 Mittheilungen F. L. W. Meyers darin bestärkten, auch das über Lessings Verhältnis zu Mendelssohn Gesagte sei grundfalsch. Man berufe sich nicht auf Jacobis Wort an Campe (1. November 1782), ihm fehle zum Schriftsteller außer vielem anderen die erste und allernothwendigste Eigenschaft, die: sich verständlich zu machen, oder auf die Erfahrung, daß Menschen einander am leichtesten in Gesprächen über die höchsten Fragen der Speculation mißverstehen. Jacobi hat nur wiedergegeben, was sein Gedächtnis „in Absicht der Einkleidung und des Ausdrucks" sicher festhielt; seine Erklärung, daß er, wenn Lessing das Gegentheil des Spinozismus behauptet hätte, von jedem bedeutenden Wort bessere Rechenschaft würde geben können, mag manchem wunderlich vorkommen, bestärkt aber nur die Glaubwürdigkeit der Reproduction. Er gab den zehnten Theil, weil er das Ganze nicht zuverlässig genug geben konnte und viel Detail verloren gegangen war. Die schraubenden und neckischen Wendungen, die er selbst als solche empfunden haben muß, denn er war nicht so albern sich zu vermessen, einem Lessing die Würmer aus der Nase zu ziehn, erhöhen. gleichfalls die Authentie. Das unbedingte erste Vordringen, das Einschränken, das hypothetische Behaupten ist ganz lessingisch, und es sind, um nur an das Augsburger Sprüchlein zu erinnern, der individuellsten, charakteristischesten Worte, die kein Berichterstatter erfinden könnte, so Schmidt, Lessing II.

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viele, daß in der That hier Lessing leibhaft - „eine köstliche Figur" sagte Goethe vor uns tritt und mit lebendigem Athem zu uns spricht. Herder, nun erst ganz eingeweiht in Lessings Inschrift “Ev xaì nāv, bekannte sich nicht nur als Glaubensgenossen dieses philosophischen Credo, sondern gab auch das gewichtige Zeugnis: „Übrigens ist Lessing so dargestellt, daß ich ihn reden sehe und höre." Von dieser Seite also ist Jacobis Überlieferung geborgen. Innen aber stimmt der Determinismus so trefflich mit den andern Urkunden überein, und es läßt sich, was über Gott und Welt gesagt ist, so gut fester oder loser an die übrige Philosophie Lessings anknüpfen, daß nur die Frage bleibt, mit welchem Recht Jacobi ihn für einen vollen Spinozisten erklären konnte, welche Fortentwicklung der Weltanschauung vielleicht aus diesen Gesprächen zu lesen sei.

Es ist nicht richtig, daß ohne Jacobi niemand auf Lessings „Spinozismus“ hätte kommen können, wenn es gleich richtig ist, daß ohne Jacobi wol niemand statt Leibnizens den Spinoza zum eigentlichen Leitstern Lessings gemacht haben würde. Auch Mendelssohn gedachte ja schon früherer Anläufe. Was verstand das achtzehnte Jahrhundert unter „Spinozismus"? Und auch diese Frage wurde von Mendelssohn berührt. Man las den Spinoza kaum, sondern was Leibniz als philosophischer Widersacher, was Bayle in noch schärfer ausgesprochener Gegnerschaft über ihn geschrieben hatte. Spinozismus war Atheismus. Im Sinne Jacobis und seiner Zeit: ein Spinozist war, wer keinen überweltlichen Gottesbegriff vertrat.

Lessing sprach im Pope-Aufsatz über das irrige Lehrgebäude" des „berufenen Frrgläubigen“ so zuversichtlich ab, wie er den Juden Mendelssohn einen zweiten Spinoza ohne die Fehler des ersten genannt Hatte und 1755 seines Freundes noch von Jacobi wiederholte Behauptung, Leibniz habe die Harmonia praestabilita nur mit einem neuen Namen aus Spinoza entlehnt, als Vossischer Referent unbesehen hinnahm. 1763 freilich ist er mit dem ersten „Philosophischen Gespräche“, wie er brieflich erklärt, „nicht mehr so recht zufrieden. Ich glaube, Sie waren damals, als Sie es schrieben, auch ein kleiner Sophist, und ich muß mich wundern, daß sich noch niemand Leibnizens gegen Sie angenommen hat". Das that er denn gleich selbst, indem er auf Grund eines sorgsamen Conceptes auseinanderseßte, daß Spinoza

Leib und Seele für dasselbe halte, das man sich nur bald unter der Eigenschaft des Denkens, bald unter der Eigenschaft der Ausdehnung vorstelle, Leibniz hingegen mittelst der Harmonie das Räthsel der Vereinigung zweier so verschiedener Wesen als Leib und Seele zu lösen suche. Er hat dafür ein sehr subtiles, leider abgebrochenes Gleichnis von zwei Wilden, die sich im Spiegel beschauen, die nämlichen Bewegungen in der nämlichen Ordnung wahrnehmen und den Parallelismus aus Einem Grunde herleiten müssen, aber offenbar diesen Einen Grund verschieden fassen: der eine so ergänzt Danzels Scharfsinn wird leibnizisch die Übereinstimmung der beiden für sich bestehenden Bewegungen aus einer verborgenen Macht, der prästabilirten Harmonie herleiten; der andere spinozistisch nur Eine zweimal an verschiedenen Orten erblickte Bewegung behaupten. Was er selbst annimmt, sagt Lessing nicht, und man kann höchstens bemerken, das Zünglein der Wage neige sich nach Spinozas Seite, aus dessen Hauptwerk Lessing nun citirt und interpretirt, was ich nur kürzlich von seinem Systeme gefaßt zu haben glaube." Damals in Breslau fand er den Spinozismus in Dippels tiefsinnigem Fatum fatuum am besten begriffen, während Bayle ihn am wenigsten verstanden habe, und beschaute mit dem Schwarmgeist die spinozistischen Creaturen als ,,Weisen und Stellungen des göttlichen Wesens“. Seiner eigenen panentheistischen Ansäße wurde oben mehrfach gedacht. Panentheismus, nicht Pantheismus spricht ebenfalls, ähnlich wie Herders „Spinozismus" oder Fausts Hymnus auf den Allumfasser zu verstehen ist, aus dem Breslauer Bruchstück „Über die Wirklichkeit der Dinge außer Gott" und § 73 der Erziehung“. „Ich mag mir die Wirklichkeit der Dinge außer Gott erklären, wie ich will, so muß ich bekennen, daß ich mir keinen Begriff davon machen kann . Jst in dem Begriffe, den Gott von der Wirklichkeit eines Dinges hat, alles zu finden, was in dessen Wirklichkeit außer ihm anzutreffen, so sind beide Wirklichkeiten Eins, und alles, was außer Gott existiren soll, existirt in Gott."

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Lessings Annäherung an den Pantheismus wurde durch äußere litterarische Einflüsse gefördert, unter denen nach herkömmlicher, wolbegründeter Meinung das Studium Spinozas der stärkste war. Sollten jedoch die pantheistischen Triebe von dem einzigen Spinoza gekommen.

sein? Diese Frage beantwortet Spizer mit einem überraschenden Hinweis. Es steht fest, daß Lessing schon früh sich mit den ältern italienischen Philosophen bekannt machte, und wie gründlich, lehrt die ,,Rettung des Cardanus“. Vergleicht man nun seine Lehren mit denen des berühmtesten all dieser Italiener der Renaissance- und Refor= mationszeit, des Giordano Bruno, so ist der erste Eindruck der Zusammenstellung ein frappanter. Nach Bruno haben alle Dinge ihre Substanz in dem Acte des göttlichen Denkens — bei dem Nolaner findet sich also die Grundidee des Panentheismus. Bruno schreibt der Materie in all ihren Gestaltungen eine Seele zu - ein Hauptgedanke des Fragments über die Zahl der Sinne ist also schon bei ihm zu lesen. Bruno lehrt in der „Austreibung der triumphirenden Bestie“ aufs Bestimmteste die Metempsychose — er vertritt also auch die Vorstellungsart, welche im metaphysischen Denken Lessings eine so bedeutsame Rolle spielt und des öfteren von ihm zur Lösung der tiefsten Fragen aufgeboten wird. Bruno hegt mit Vorliebe den Gedanken von Contractionen und Expansionen des göttlichen Wesens sollte von hier aus ein helleres Licht auf jene Expansionen und Contractionen Gottes fallen, die in den Gesprächen mit Jacobi so wunderlich erscheinen, daß die einen darin bloße Scherze Lessings, die andern unabsichtliche Einschiebsel, Gedächtnisschnißer Jacobis vermutheten, obwol gerade das Abgerissene und Seltsame eine solche Täuschung des Berichterstatters ausschließt. Diese starken Übereinstimmungen werden kaum Geburten des Zufalls sein, sondern die Annahme empfehlen, daß ein früh erfahrener und nicht verwischter Einfluß des Giordano Bruno entschiedener hervordrang, je mehr sich Lessing von überkommenen, entgegenwirkenden Ansichten befreite, und es möchte auf dieser Spur reichere Beute zu gewinnen sein, als man aus der Metaphysik des Aristoteles an unmittelbarer Wirkung auf Lessing ableiten oder aus den tiefsinnigen Speculationen des Tertullian für die Weltanschauung des modernen Aufklärers einheimsen wollte.

Bei einem Schriftsteller von der Wucht und Macht Lessings ist es ja kein Wunder, daß die Forschung unablässig Beziehungen zu früheren und späteren Denkern heraussucht: zu späteren, um die Formen seines Einflusses festzustellen und die Mündungen dieses Laufes zu beleuchten; zu früheren, um die Wurzeln einer so starken Kroft und Wirksamkeit

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