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finden. Nein, nicht ohne Grund hatte er selbst seine italienische Reise als eine „Flucht“ bezeichnet „sich zu poetischer Productivität wiederherzustellen;" nicht ohne Grund hatte Merck, nachdem er das Weimarer Treiben aus eigener Anschauung kennen gelernt, die kräftigen Worte gesprochen: „Siehst du, im Vergleiche mit dem was du in der Welt sein könntest und nicht bist, ist mir alles was du geschrieben hast, Dreck!" und den Freunden gegenüber geklagt: „Was Teufel fällt dem Wolfgang ein, hier am Hofe herumzuschranzen und zu scherwenzen, Andere zu hudeln oder, was mir alles eins ist, sich von ihnen hudeln zu lassen! Gibt es denn nichts besseres für ihn zu thun?" Erst in Rom wird ihm wieder „täglich deutlicher" dass er eigentlich zur Dichtkunst geboren" ist und dieses Talent excoliren und noch etwas Gutes machen sollte, da ihm das Feuer der Jugend manches ohne grosses Studium gelingen liess."

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Dass aber nicht das Studium," sondern jenes Feuer der Jugend" die Hauptsache sei, konnte ein Goethe nicht vergessen, und so blieb er sich auch der Nothwendigkeit der Oberherrschaft jener so unvergleichlich tiefen und mächtigen Conception seines Faust aus dem Anfange der siebenziger Jahre bis zu seinem Ende wohlbewusst. Mit echtem Genieblick bemerkte er deshalb in eben jenem fünf Tage vor seinem Tode geschriebenen Brief an Humboldt: er habe die Absicht immer sachte neben sich hergehen lassen," d. h. die Reflexionspoesie zurückgedrängt, so lange und so gut es irgendwie ging, um dem magischen Einflusse jenes divinatorisch auftauchenden Geistbildes offen zu bleiben. Leider war es ihm damit so wenig geglückt, dass der Dichter des zweiten Theils 1831 zu Eckermann sagen konnte: der ganze Faust

bestehe aus lauter kleinen Weltenkreisen, die in sich abgeschlossen wohl auf einander wirken, aber doch einander wenig angehen, wie es denn dem Dichter nur daran liege eine mannichfaltige Welt auszusprechen, weshalb er die Fabel eines berühmten Helden bloss als eine Art von durchgehender Schnur benutze, um darauf aneinander zu reihen was er Lust habe. Bedürfen wir weiter Zeugniss?

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Zum Verständnisse des wahren Verhältnisses kann uns Schiller behülflich sein, der in einem Briefe vom 27. März 1801 auf Veranlassung der Behauptung Schellings*): dass in der Natur vom Bewusstlosen angefangen werde, um es zum Bewussten zu erheben, in der Kunst hingegen man vom Bewusstsein ausgehe zum Bewusstlosen, an Goethe schreibt: „In der Erfahrung fängt auch der Dichter nur mit dem Bewusstlosen an, ja er hat sich glücklich zu schätzen wenn er durch das klarste Bewusstsein seiner Operationen nur so weit kommt, die erste dunkle Totalidee seines Werkes in der vollendeten Arbeit ungeschwächt wieder zu finden. Ohne eine solche dunkle, aber mächtige Totalidee, die allem Technischen vorhergeht, kann kein poetisches Werk entstehen, und die Poesie däucht mir, besteht eben darin jenes Bewusstlose aussprechen und mittheilen zu können, d. h. es in ein Objekt überzutragen."

Eine solche trotz ihrer Dunkelheit mächtige Totalidee beherrschte auch Goethe, als er, nachdem er wohl

*) In reiferen Jahren hat Schelling gelehrt: unstreitig sei „auch in der dichterischen und künstlerischen, ja in jeder geistigen Hervorbringung das eigentlich Producirende immer ein blindes, nur durch eine höhere Potenz zugleich seiner mächtig gewordenes Princip." Schellings Werke Bd. 10 S. 375.

zwei Jahre lang mit derselben schwanger gegangen, in der Zeit von 1771 bis 1775 jene Scenen „gleich so ohne Concept hingeschrieben,“ die ihm nachmals so „viel zu denken" gaben. In diesen Fragmenten, dem „Torso des Hercules," wie sie Schiller nannte, haben wir nothwendig die ursprüngliche Faustidee zu suchen. Aber hat nicht Goethe ausdrücklich eines solchen Unternehmens gespottet? Ja, in einem Gespräch mit Eckermann hat der Greis gesagt: „Da kommen sie und fragen: welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? als ob ich das selber wüsste und aussprechen könnte! Vom Himmel durch die Welt zur Hölle das wäre zur Noth etwas; aber das ist keine Idee, sondern Gang der Handlung; und ferner: dass der Teufel die Wette verliert, und dass ein aus schweren Verirrungen immerfort zum Besseren aufstrebender Mensch zu erlösen sei, das ist zwar ein wirksamer, manches erklärender guter Gedanke, aber es ist keine Idee, die dem Ganzen und jeder einzelnen Scene im Besonderen zu Grunde läge. Es hätte auch in der That ein schönes Ding werden müssen, wenn ich ein so reiches Leben, wie ich es im Faust zur Anschauung gebracht, auf die magere Schnur einer einzigen durchgehenden Idee hätte reihen wollen."

Und doch hatte derselbe Goethe im Juli 1797 an Schiller geschrieben: dass er die Ausführung des Planes zum Faust, der „eigentlich nur eine Idee“ sei, und die Darstellung dieser Idee wieder vorgenommen, und mit sich selbst „ziemlich einig" sei. Dass dies in so fern eine Täuschung war, als ihm zur selben Zeit sein grösstes, genialstes Werk fast nur noch als "Possen" und "Fratzen" erschien und wiederholte Versuche „deutlicher Baukunst" die „Luft-Phantome“ (scil. des neuen, der ursprünglichen Conception fremden.

Plans) „bald wieder verscheuchten," ist bekannt und jüngst wieder von Kuno Fischer gründlich nachgewiesen. Das Pulver so lautet ein Vergleich Goethes aus dem Jahre 1795 hatte sich aus seiner „Auflösung nun einmal niedergesetzt" und schreckte ihn, da kein Schütteln half, davon ab, an den Gegenstand zu rühren. Zwei Jahre später schreibt er an Schiller: „Ich möchte diesen Tragelaphen los werden, um mich zu einer höheren und reineren Stimmung, vielleicht zum Tell, vorzubereiten." Jene vom Dichter nachmals so treffend charakterisirte und verläugnete Idee war in Wahrheit nichts als ein „guter Gedanke," der zwar im „Prolog," nicht aber in der Tragödie selbst zur Geltung gelangte. Erst viele Jahre nach der Vollendung dieser Tragödie, die ja nicht als ein erster Theil," sondern als ein abgeschlossenes Werk erschien, an dessen „Fortsetzung" Jahrzehende lang niemand und Goethe selbst nicht dachte, wennschon dieselbe in jenem neuen Plan inbegriffen sein mochte führte jene Pseudo-Faustidee, das Surrogat der verloren gegangenen echten, zu einem zweiten Theil, der, man mag sonst darüber denken wie man will, an poetischem Werth keinen Vergleich mit der nachmals als erster Theil" bezeichneten Dichtung zulässt und nach Inhalt, Stil und Behandlung davon grundverschieden ist.

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Ich sage: die Fortsetzung mochte wohl in dem neuen Plan inbegriffen sein, nicht dass sie es, wie heutzutag allgemein vorausgesetzt wird, gemusst hätte. Denn es ist meines Wissens durchaus nicht erwiesen dass vor 1800 ein zweiter Theil" der Tragödie bestimmt geplant gewesen wäre. Die dafür ins Feld geführten zweifelhaften Antecedentien der „Helena" sind unbeweisend, da diese ganze classisch-roman

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tische Phantasmagorie" mit der ethischen Idee des. Prologs keine Berührung hat. Jedenfalls passt der nach Eckermann von Goethe ausdrücklich als „Gang der Handlung" bezeichnete Schluss des Vorspiels: Vom Himmel durch die Welt zur Hölle" zum zweiten Theil absolut nicht, während er sich, auch abgesehen von dem Himmel des Prologs, mit dem ersten „zur Noth" verträgt. Denn Fausts edler Geist war heimisch in hohen Sphären:

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Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuss Auf mich herab in ernster Sabbathstille, Und ein Gebet war brünstiger Genuss Dann führte ihn der Gang der Tragödie durch die Welt," in die er sich zuvor „nie zu schicken gewusst," und die ihm, wie er vorhergesehen, keinen neuen Himmel öffnet:

Was ist die Himmelsfreud' in ihren Armen?
Fühl' ich nicht immer ihre Noth?

sondern ihn zur Hölle," d. i. zu der gleichfalls vorausgesehenen moralischen Katastrophe führt:

Du Hölle musstest dieses Opfer haben!
Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen:
Was muss geschehn, mags gleich geschehn!
Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen,
Und sie mit mir zu Grunde gehn

womit die Schlussscene des ersten Theils vollkommen stimmt, wenn man bedenkt dass nach dem Prolog für dieses irdische Leben dem Teufel volle Gewalt gelassen wird, die ausserzeitliche Verdammniss oder Rettung der Seelen der (zu Grunde) Gerichteten aber gar nicht mehr Gegenstand der Darstellung sein sollte.

Nur diesen ersten Theil der Tragödie also konnte der Dichter in Erinnerung älterer Deutungsversuche bei jener Aeusserung als Greis im Auge haben. Doch diess nur beiläufig.

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