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Wir haben, um den Zusammenhang unserer Deduction nicht zu unterbrechen, den eigentlichen Verschreibungsakt *) übergangen. Faust muss sich (seine Seele) mit seinem Blute verschreiben. „Ein bedeutungsloser Anklang an die rohe Sage"! lautet das gedankenlose Urtheil der modernen Ausleger. Sie bedenken vor allem nicht, dass ein solches Spiel mit bedeutungslosen Motiven dem hohen Charakter des Gedichts das man in demselben Athem mit Dantes göttlicher Commödie zusammenstellt dem tragischen Ernste der Handlung ganz und gar widerspricht. Sie bedenken nicht, dass der unbewusst waltende Genius des Dichters über seine späteren Faust-Velleïtäten den Sieg behaupten musste, wenn wenigstens der erste Theil der Tragödie seinen Werth als Kunstwerk geschweige denn als nationales. Meisterwerk nicht einbüssen sollte.

„Blut ist ein ganz besondrer Saft." Es theilt diese Besonderheit mit jenem anderen Safte, der gleichsam seine Quintessenz bildet. Auf das schnöde Vergiessen beider Säfte ist die Absicht des Teufels als Verderbers des Lebens unablässig gerichtet, nach seiner Grundmaxime: perdre les hommes, perdre les femmes! Mordlust und Wollust sind die beiden Pole des verzehrenden Feuerrads seiner gottverlassenen

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*) Nach O. F. Gruppe, Leben und Werke deutscher Dichter Bd. 4 S. 431, freilich kommt die wirkliche Unterzeichnung eines Paktes nicht zu Stande"! Faust sagt danach wohl nur per hypothesin:

Wenn diess dir völlig Gnüge thut,
So mag es bei der Fratze bleiben

?

So weit also hat der Dichter durch seine Nacharbeit die Auffassung irritirt, dass man die eigentliche Handlung als nicht geschehend, als leeres Vexirspiel sich vorstellen konnte!

Energie.*) In diesem ganz besondren" Safte hat die Seele ihr Leben, wie jene berühmte alttestamentliche Stelle (Leviticus III, 17) besagt. Seitdem das erste Blutvergiessen die Erde gefärbt hat, ist der Solidarverband des Lebens mit dem Blute offenbar geworden, und solange das leibliche Leben, das Leben des Fleisches von dem Leben des Geistes nicht unterschieden war, wurden auch Blut und Seele identificirt. So in Poesie, Philosophie und Naturwissenschaft der Alten. **) Hierdurch gewinnt die Blutverschreibung ihre tiefere Bedeutung. Soll die Seele „verschrieben" werden, so muss dieses ihr im Blute gefasstes Leben dem Zugriffe des Bösen geöffnet werden, ein Vorgang, der seine Erläuterung in der Theorie des Blutopfers ***) findet. Dem Glauben an die Wirksamkeit blutiger Opfer liegt der Begriff einer an die organische Materie des planetarischen Thierleibes gebundenen Blut- oder Thierseele (Psyche) im Gegensatze zu dem centralen geistigen, dem Planeten gleichsam nur geliehenen,

Auch Nic. Lenau lässt seinen Faust sagen:

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‚Denn liebend zeugen, hassend morden,

1st Menschenherzens Süd und Norden;

Und was dazwischen inne steckt,

Sind Keime, doch zurückgeschreckt,
Sind Sprossen, doch die halben, matten
Von Todtschlag oder von Begatten."

**) Ueber diesen Zusammenhang des Blutes mit dem Leben und die nothwendige Unterscheidung der Blutseele (nefesch) von dem Geiste (neschama) ist zu vergleichen: D. Paulus Cassel, die Symbolik des Blutes, Berlin 1882, woselbst auch Nachweise über die materialistische Vermengung des Blutes mit der Seele zu finden. In Platons Phädon fragt Sokrates, ob es wohl das Blut sei, wodurch wir denken, und ein Vers des Empedokles lautet: αἷμα γὰρ ἀνθρώποις περικάρδιόν ἐστι νόημα (denn das Blut ist bei Menschen der innerste Herzensgedanke).

***) Eingehend erörtert in der Abhandlung des Verf. über die Abschaffung der Todesstrafe": "Deutsche Vierteljahrs-Schrift" 28. Jahrg. No. 112, Oct.-Dec. 1865, S. 49 ff.

daher der Sonne oder der unmittelbaren göttlichen Einhauchung zugeschriebenen Lebensprincip (Pneuma) einerseits und der unbeseelten Materie andererseits zum Grunde. Dieses psychische Princip, von Einigen als einfach, von Anderen richtiger als ein Complex secundärer Lebenskräfte („Lebensgeister") gedacht, individualisirt sich im Thierleibe und folglich auch im Menschenleibe, ohne dadurch seine innere Einheit. zu verlieren, die vielmehr in jenem curiosen Safte sich fortwährend offen und manifest erhält. Daher der Glaube an Seelenwanderung, an die Erbsünde, an das Theilhaben der Verstorbenen und Ungeborenen an der Leiblichkeit der Lebenden, sowie der Glaube an die durch Blutvergiessen bestärkte Verbindlichkeit zum Erscheinen vor dem jenseitigen Richter, sei's indem der Vorladende selbst sein Blut vergiesst, sei's dass die Seele des Gemordeten durch das vergossene Blut die Seele des Mörders nach sich zieht. Das lebendige sinnliche Einzelwesen hält das ihm inwohnende psychische Princip organisch gebunden. In dieser Verbindung eben lebt das Individuum als solches und conservirt sich gegen zerstörende Einflüsse von innen und aussen. Durch das Vergiessen des Blutes werden nach jenem Glauben die immateriellen Basen des Lebens frei, ihren elementaren Beziehungen wieder geöffnet und dadurch sowohl mit dem eigenen Princip reïntegrirt als auch dem Einflusse anderer, heilsamer oder verderblicher Lebensmächte ausgesetzt. Wie die Chemie lehrt: die Stoffe wirken nur in flüssigem Zustande, so gilt ein gleiches für die höheren und höchsten Regionen. Auch in ihnen ist aller effektive Rapport zwischen Zweien nur dadurch möglich, dass die Kräfte des Einen eine relative Lösung erfahren, die sie dem Eingange des Anderen öffnet.

Das Leben der Seele verhält sich also in diesem Vorstellungskreise zum Blute wie das Gewächs zum Mutterboden, das Blut ist die solidarische Matrix und deshalb zur Ueberleitung des Lebens, zur heilsamen wie zur verderblichen Transfusion der „Samenkraft" (Tinktur), somit zur realen Vermittlung einer neuen Lebensgemeinschaft ausschliesslich geeignet. Denn von der wahren Transfusion ist eine Neuzeugung, zum Heile wie zum Verderben, unzertrennlich, worauf das Mysterium aller Blutopfer und damit auch das Grundgeheimniss des Christenthums beruht. Es ist demnach auch eine ungenügende unreale Auslegung, wenn man in der Verschreibung Fausts mit seinem Blute gewissermaassen die Parodie des Satzes Non sacramentum sine sanguine" finden will, weil „der Teufel der Affe Gottes" sei (v. Löper nach Düntzers Vorgang).

Ob der Dichter, ob wir, seine Leser an diesen geheimen Zusammenhang des materiellen Lebens mit dem immateriellen Leben glauben oder nicht glauben, berührt die Frage, ob und in welcher besonderen Beziehung ein solcher Glaube zur Fausthandlung gehöre, offenbar nicht. Soll diese Handlung zu einer wirklichen Tragödie sich eignen, wie diess schon Lessing behauptet und der von ähnlichem Seelenzustande wie sein Held beherrschte junge Goethe mit den Fühlfäden des Genies ahndungsvoll ertastet hat so stellt sich die moderne Auslegung nur ein Armuthszeugniss aus, wenn sie diese Blutverschreibung eine „abgesckmackte Forderung" des Mephistopheles, eine „ekelhafte Förmlichkeit“ nennt, einen „Zug der Sage, welchen Goethe in humoristischer spottender Weise darzustellen nicht unterlasse"; und dagegen, als eigene Weisheit, einstreut: als ob die Seelen

durch einen förmlichen Pakt gebunden würden"! (Düntzer.) Mit einem so unglaublich dummen Teufel sich einzulassen, dafür ist denn doch auch der Humor zu gut. Von gleicher Höhe herab sagt Fr. Vischer: Wir werden doch am Ende nicht gar an den Teufel glauben sollen"!

Mit meinem und meiner Leser Glauben hat dieser ganze Versuch, endlich einmal Licht in Goethes ursprüngliche Conception zu bringen, nichts zu thun; desto mehr freilich mit dem wahren Sinne der Faustsage und Fausthandlung, die mit dem Glauben an Hölle und Teufel, an die Unsterblichkeit der Seele, an die Möglichkeit und Wirklichkeit magischer Einwirkung dergestalt zusammenhängt, dass unser Dichter, auch wenn er es ursprünglich gewollt hätte, sich dieser Motive nicht zu entschlagen vermochte. Sie zum unpassenden Aufputz heterogener moderner Motive zu verwenden, war der Missgriff seiner späteren Jahre, der zwar auch bereits in den Nacharbeiten am ersten Theil vielfach störend und die Wirkung seines jugendlichen Meisterwerks abschwächend eingewirkt, dessen Kern jedoch, zur wenigstens theilweisen Entfaltung, unversehrt gelassen hat. Demgemäss sehen wir ihn alle Hauptmotive der Fausthandlung: Beschwörung, Verschreibung, Verjüngung und Infernalisirung bis zum Abschlusse der „Tragödie" instinktiv festhalten, und in dieser Thatsache liegt zugleich die Berechtigung und Möglichkeit der Aufdeckung seiner ursprünglichen Conception.

Indem also Faust das verhängnissvolle „Bündniss" mit seinem Blute bekräftigt, übergibt er bereits, durch reale Ueberleitung und Einpflanzung seines Willens, seine unsterbliche Seele in den Willen des

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