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1.

Einleitung und Fassung des Problems.

Sobald bei uns von Goethes Faust die Rede ist, wird der Mund voll genommen. Wenn ich mit der Behauptung beginne: kein anderes Volk besitze eine Dichtung von gleichem Einflusse, so muss ich mich deshalb gegen den Verdacht verwahren von vornherein auf einen Gemeinplatz führen zu wollen; denn ich meine nicht: von gleich grossem, sondern von gleichartigem Einflusse. Es gibt Dichtungen von weit umfänglicherer Wirkung, keine von gleichartiger oder auch nur ähnlicher. Imgleichen will ich Goethes Faust weder mit Schelling (schon 1802) für „die innerste reinste Essenz unseres Zeitalters," noch weniger mit Hegel für „die absolute philosophische Tragödie," am wenigsten aber mit Niebuhr (1808) für „meinen Katechismus, den Inbegriff meiner Ueberzeugungen und Gefühle" angesehen wissen; nein, ich halte eher mit Gervinus dafür dass die Dichtung, insofern ihr unvergleichlicher Zauber eine Vermählung von Geist und Natur vorspiegelt, in Verbindung mit ihrem ganz eigenthümlichen „poetischen Grundton" oder „stilistischen Charakter", der nach Ch. H. Weisse sogar durchaus nicht der des tragischen Pathos, des

sittlichen Ernstes, sondern der des leichten kecken Humors" wäre, mehr aufreizend und verwirrend als ausgleichend und versöhnend gewirkt hat und noch wirkt, wo angesehene Universitätslehrer, die alte Vergleichung auf die Spitze treibend, noch immer behaupten: Goethes Faust sei unsere Divina Commedia. Des Contrastes wegen sei mir gestattet eine Stelle aus Gervinus „Geschichte der deutschen Dichtung," diesem in ästhetischer Hinsicht oft einseitigen, aber wo es sich um die pragmatische Beurtheilung handelt klassischen Werk anzuführen. Die reizenden Bruchstücke," heisst es vom ersten Theil der „Tragödie“

der zweite wird von Gervinus mit Recht ganz abseits behandelt,spielen um einen Grundgedanken episodisch her, ohne ihn vollendend auszuführen, und wie sie nicht ästhetisch befriedigen und daher trotz ihrer hohen Vollendung noch keine Nachahmer haben abschrecken können, so ist die Befriedigung des moralischen und philosophischen Interesses, das sie anregen, noch viel geringer. Das Gedicht, wie es nach Goethes eigenen Worten aus einem dunklen Zustande des Individuums hervorgegangen ist, nimmt im grössesten Umfange die dunklen Zustände des Zeitalters zu seinem Gegenstand, in dem es empfangen ist, und überlässt den trüben Stoff vorzugsweise der Jugend, die sich in ähnlichen dunklen Zuständen umtreibt, die ihr eigenes Bild darin sucht und hineinträgt und den angesponnenen Ideengang willkürlich weiterspinnt."

Mit diesem freilich unzulänglichen, den Kern der Sache nicht treffenden Urtheile vergleiche man die alles ästhetische wie ethische Maas verlierende Faust-Verherrlichung neuesten Stils, welche gleich mit der Hegelschen Hyperbel einsetzt: „Faust ist

für uns das poetische Werk an sich."*) Der Einfluss der Goethischen Faustdichtung auf die Entwicklung des deutschen Geistes soll jedoch hier, wo uns nur die Faustidee Goethes beschäftigt, nicht erörtert werden; er leitet uns aber am besten auf unser Thema hin. Denn wenn wir trotz des Urtheils unseres berühmten Litterarhistorikers bekennen müssen dass nicht allein an poetischer Fülle und Kraft, sondern auch an intellectueller und moralischer Bedeutung Goethes Faust die oberste Stelle deutscher Dichtung einnimmt, dass das seinem Grundstocke nach über ein Jahrhundert alte Gedicht, nachdem es, wie noch 1820 von Zelter gesagt werden konnte, lange „im dichtesten Schatten verborgen gewesen und als eine Nachtblume nur für Wenige geblüht" hatte, nun schon in der dritten und vierten Generation die Geister bewegt, Alt und Jung in seinen Zauberkreis bannend - dann, sage ich, liegt doch gewiss die Voraussetzung nahe diese ausserordentliche Wirkung des Gedichts müsse mit dessen Idee" im Zusammenhang stehen.

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Und wenn die Erklärung oder Deutung des Faust zu unseren grossen wissenschaftlichen Problemen gehört" (H. Grimm), wenn gerade „in jüngster Zeit die Faust-Litteratur bewegter und rühriger als je und die Einsicht in Goethes unerschöpfliche Dichtung eine Aufgabe geworden ist, an der die Freunde der Poesie aus allen Culturvölkern theilnehmen" (Kuno Fischer), so sollte man vor allem erwarten dürfen mindestens den Stoff, das Thema, die sogenannte Fabel des Gedichts, die sich zur Idee desselben wie

* H. Grimm: Goethe, Vorlesungen gehalten an der kgl. Universität zu Berlin. Berlin, 1877. Seitdem in drei weiteren Auflagen erschienen.

der Leib zur Seele verhält, einer gründlichen Beleuchtung unterzogen zu sehen. Dem ist aber nicht. so; nein, wenn wir von der „Tragödie" reden, wie sie Goethe 1808 der Nation vorgelegt und wie sie die anderen Culturvölker bis in die neueste Zeit fast allein kennen gelernt haben, so sehen wir merkwürdigerweise unsere meisten modernen Faust-Ausleger diesen höchst concreten Stoff des Gedichts bei der Erörterung der Idee desselben stillschweigend, ja ausdrücklich beiseite schieben.

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Diess geht so weit, dass sogar das tragische Motiv des Dramas bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt wird. Während die alten Kritiker, wie A. W. v. Schlegel, J. J. Wagner u. A. „das eigentliche Thema" desselben, auch nach der Ergänzung des „Fragments,“ in der rettungslosen „Zerrissenheit von Fausts innerer Menschheit" erblickten, während noch ein Kritiker von dem Range Konrad Schwencks (1845) Faust einen „zerrissenen und gesunkenen Mann" nennt, der keinen Weg des Lebens sicher zu wandeln weiss" und „die ganze Nichtigkeit des Lebens darstellt, das sich von der Begeisterung, und allem Hohen was es kennt und empfindet, aus kranker Uebersättigung an das Gemeine wendet" so erscheint derselbe Faust dem modernen Interpreten als „der allein ganz gesund männliche unter Goethes dramatischen Helden," ja als der volle und ganze Mensch, als Repräsentant des „echt und rein Menschlichen" (Köstlin), dessen Name uns „heute mit heiligem Schauer erfüllt“ (W. Creizenach), als eine Heroengestalt, neben der unsere historischen Ideale, wie Karl der Grosse, Otto der Grosse, Friedrich der Hohenstaufe, Friedrich der Grosse," imgleichen unsere Geistesheroen Schiller, Lessing und Goethe selbst" verblassen (H. Grimm)!

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