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hat. Denn nachdem sich inzwischen drei Generationen abgelöst, grassirt dieses falsche Faustideal ganz allgemein nicht nur auf

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unseren Universitätskathedern und in unserer Litteratur, nein, es hat sich in den Köpfen der „Gebildeten" und wer ist heutzutage kein solcher? festgesetzt, es herrscht in Schule und Haus, auf unseren Schaubühnen, in unseren Bildersälen, in den Faustdarstellungen und Faustillustrationen. Dagegen ist die in Goethes Tragödie verwirklichte Idee, obwohl ein Jahrhundert verflossen, seitdem das Werk zum ersten Mal erschienen, und obwohl es unzählige Male commentirt worden, noch immer nicht klar erkannt und im Zusammenhange der dramatischen Handlung nachgewiesen. Diese Idee ist freilich nicht in der Einkleidung zu suchen, die der Dichter dem ihm entfremdeten Jugendwerke nachmals gegeben, geschweige denn in der Arbeit seines Greisenalters, dem zweiten Theile der Tragödie, mit dem wir uns deshalb auch nur beiläufig und hilfsweise beschäftigen; sondern in der Gesammtheit jener als "Fragment" bezeichneten, im Jahre 1790 übrigens keineswegs vollständig herausgegebenen Bestandtheile des Gedichts sammt einigen wichtigen, in Sinn und Geist der ursprünglichen Conception nachgedichteten, bei der Veröffent

lichung der Tragödie im Jahre 1808 theilweise ausgelassenen Scenen, deren Unvollständigkeit jedoch nicht hindert, das einheitliche Bild der ursprünglichen Conception bestimmt und deutlich genug zur Anschauung zu bringen.

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Dass erst hierdurch ein wahrhafter, nicht bloss eingebildeter Genuss der grössten, eigenthümlichsten Dichtung der Deutschen möglich wird, rechtfertigt die Ausführlichkeit meiner Darstellung nach so vielen und ermüdenden Versuchen, die Tragödie dem Verständnisse aufzuschliessen. Dabei müssen freilich Dinge zur Sprache kommen, die unser superkluges modernes Geschlecht längst ins Fabelbuch geschrieben", und deren Wiederauferweckung, auch nur in der Dichtung, instinktivem Widerwillen begegnet. In Sachen der,strebenden" Menschheit nämlich versteht man heutzutage keinen Spass, und jenes Faustische Virtuosen- und Heldenthum ist trotz der Teufelspossen, die man ihm nachsieht, dem selbstgewissen Arbeiter an unserer grossen Culturmaschine so wahlverwandt, dass er darin das Palladium seiner Freiheit erblickt, an das ihm Niemand ungestraft rühren darf. Ja er wittert bereits geradezu Gotteslästerung gegen seinen Nationalheros Faust, der gleich ihm das Heiligste mit dem Heillosesten zu

sammenwirft, sobald nur daran gedacht wird, dass diesen der Teufel geholt haben könne. So erklärt neuestens ein Berichterstatter der „Allgemeinen Zeitung" vom 10. Mai 1891 bei Besprechung der „dramatischen Legende" von Hektor Berlioz, La Damnation de Faust", diese stehe dem Goethischen Faust nicht etwa wie eine Verballhornung, sondern „genau besehen wie eine Blasphemie gegenüber: dem französischen Esprit hat das tolle Zauberwesen nicht widerstanden" wie Goethes Faust nach dessen höchsteigener Deklaration in der Hexenküche „er hat es zur Hauptsache gemacht, ohne Goethes erhabene Idee, aus dem sagenhaften Nekromanten einen mit Schmerzen nach Erkenntniss ringenden Menschen zu machen, auch nur zu ahnen.“

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Nun denn auch ich mache dieses Zauberwesen gewissermaassen zur Hauptsache und verweise jene erhabene Idee aus der wirklichen Handlung der Tragödie hinaus in den „Prolog im Himmel". Die Zuversicht moderner Wissenden, mit ihren Kunststücken den Jahrtausende alten Besitzstand der Menschheit im Reiche des Uebersinnlichen auf das reine Nichts zurückgeführt zu haben, bleibe dabei unerschüttert; nur der Vorwitz des Zauberlehrlings werde, an der Hand ihres Altmeisters selbst, in die gebührenden Schranken

gewiesen. Sei die supernaturalistische Weltanschauung, in der das ganze Mittelalter und die neuere Zeit, bis tief ins achtzehnte Jahrhundert hinein wurzelte, schon zu Goethes Jugendzeit im Absterben begriffen gewesen und im neunzehnten Jahrhundert vollends abgestorben, sei insbesondere jener Vorstellungskreis, der der Faustsage und damit der eigentlichen Faustidee zu Grunde liegt, dem Dichter selbst wie seinen Zeitgenossen und Nachkommen nicht nur fremd, sondern zuwider geworden - ich halte mich einzig und allein an sein Werk selbst und ziehe nur aus diesem meine Schlüsse.

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Mit der recipirten Deutung dagegen steht es noch weit schlimmer als mit jener durch Börnes Humor verewigten französischen Paraphrase des Erlkönig", wonach die Schuld am Tode des Knaben einzig und allein dessen Amme trifft, die ihm das alberne Märchen in den Kopf gesetzt hat; denn obgleich uns der Dichter im Faust mit derselben zwingenden Gewalt wie in jener Ballade in den Vorstellungskreis des Uebernatürlichen einrückt, so leugnet die landläufige Auffassung standhaft nicht etwa nur, dass hinter diesem Vorstellungskreise irgend eine tiefere Bedeutung stecke, sondern dass es dem Dichter auch nur mit dessen poetischer Vergegen

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