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Büdinger zu misstrauisch: XVIII 8, 12 erzählt Ammian, er habe unter steter Lebensgefahr vor den Toren von Amida mitten unter den Persern und zwischen Leichenhaufen stehen müssen. Und die Enge dort war so gross, ut miles ante me quidam, discriminato capite quod in aequas partes ictus gladii fiderat validissimus, in stipitis modum undique coartatus haereret. Büdinger meint, in diesem Zustande der Aufregung" habe Ammian diesen Soldaten und seine Umgebung überhaupt nicht so genau betrachten können. Aber wohl jeder hat schon selber die Beobachtung machen können, dass gerade in der höchsten Erregung der Sinne sogar Dinge im Gedächtnis bleiben, die nicht über das Alltägliche hinausgehen und denen man sonst keine Beachtung geschenkt hätte. Wieviel mehr musste sich Ammian jener grauenhafte Anblick in der Erinnerung einprägen, besonders da er ja längere Zeit an derselben Stelle stehen musste. Mag denn auch die ganze Erzählung der Flucht Ammians nach Amida und der folgenden Belagerung hie und da ausgeschmückt sein, die Tatsachen an sich sind unzweifelhaft wahr.

Auf den rhetorischen Charakter der Erzählung von der Belagerung Amidas einzugehen, ist hier nicht der Ort; vielmehr soll hier eine andere Frage beantwortet werden. Ammian hat selbst im Jahre 359 an der Verteidigung der Feste Amida teilgenommen und muss darum der beste Gewährsmann für den Verlauf der Belagerung sein. Er gibt im 19. Buche nicht etwa nur einen summarischen Ueberblick, sondern mit grosser Gewissenhaftigkeit berichtet er fast Tag für Tag, was sich ereignete:

1. Tag: Kap. 1, 2-6: bei Tagesanbruch kommt das Perserheer vor Amida an. Sapor reitet persönlich an die Tore heran, wird aber von der Stadt aus beschossen und entkommt nur unter grosser Gefahr. Voll Grimm beschliesst er, die Stadt vom Erdboden zu vertilgen, aber auf die Bitten seiner Würdenträger will er sie vorher noch zur freiwilligen Uebergabe auffordern.

2. Tag: Kap. 1, 7-10 sepultis: hierzu kommt es aber nicht, da der König der Chioniten Grumbates auf eigene Faust gegen die Festung vorgeht. Dabei fällt sein junger Sohn; die Kämpfe um seinen Leichnam ziehen sich bis zum Abend hin.

3. bis 9. Tag: Kap. 1, 10 ac per 2, 1: Waffenruhe wegen der Trauer im persischen Lager. Bestattung des Königssohnes. Kriegsrat: neuer Beschluss, die Stadt zu zerstören.

10.-11. Tag: Kap. 2, 2 cingitur civitas: nach Beendigung der Leichenfeier erhält das persische Heer zwei Tage Ruhe zur Vorbereitung auf einen Sturm. Die Felder werden verwüstet. Die Stadt wird eng umklammert.

12. Tag: Kap. 2, 2 ac tertiae 2, 5: die Perser rücken in ihre Stellungen ein, die ihnen bei dem Sturme zugewiesen sind, greifen aber noch nicht an.

13. Tag: Kap. 2, 6-2, 11: grosser Sturmangriff der Perser; ohne Erfolg. Bis zum Abend wird gekämpft.

14. Tag: Kap. 2, 12-2, 15: neuer Angriff und neue Niederlage der Perser.

15.-24. Tag: Kap. 4, 1; 8: offenbar sehen die Perser die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen ein und beschränken sich auf die Zernierung von Amida (5, 1: grössere Kämpfe finden nicht statt). In der Festung bricht die Pest aus.

Die Nacht vom 24. zum 25. Tag: Kap. 4, 8: Regen erquickt die Verteidiger.

Von hier an wird die Chronologie unsicher, und nicht minder unklar werden häufig der Zusammenhang und die Verknüpfung der einzelnen Teile der Darstellung. Ammian erwähnt 5, 2 ff. die zwei gallischen Legionen, von deren Heldentaten er später noch berichten will. Warum Ammian schon hier von ihnen spricht, ist vorläufig nicht recht verständlich, da sie in keiner Weise handelnd hervortreten, sondern nur ihre Gegenwart festgestellt wird. 5, 4 ff. erzählt er unvermittelt von dem kühnen, nächtlichen Handstreich einer auserlesenen Schar von Persern und dem folgenden neuen Sturm, der sich bis zum Mittag hinzieht. Die Perser werden von neuem geschlagen (5, 8). Am wievielten Tage der Belagerung dies geschehen ist, lässt sich nicht bestimmen. Im Anschluss an die oben aufgezählten 24-25 Tage weiter zu zählen, verbieten der Zusammenhang und die 9, 9 angegebene Summe von 73 Tagen für die Dauer der Belagerung. Andererseits aber bildet der 5, 4 ff. geschilderte Tag mit dem folgenden in 6, 1 eine gesonderte, neue Gruppe. Wo dieser zweite Tag endigt, ist unsicher; denn 6, 2 wird von anderen Kastellen gesprochen, die isdem diebus erobert wurden und aus denen die Gefangenen in das Lager vor Amida geschleppt werden. Bei ihrem Anblick bricht die lange verhaltene Unzufriedenheit unter den Galliern aus, und sie verlangen, gegen den Feind geführt zu werden (6, 3-5). Aber Ammian bricht wieder ab und schildert 6, 6 die Anstrengungen der Perser und die Gegenmassregeln der Belagerten; an das Vorhergehende wird mit quae dum parantur angeknüpft. 6, 7 erst folgt, mit dem üblichen nichtssagenden inter haec angeschlossen, der nächtliche Ausfall der Gallier, observata nocte squalida et inluni. Die Geschichte der Gallier ist also in drei Teile zerrissen, ohne dass man einen innern Grund dafür erkennen könnte. Wann dieser Ausfall gewesen ist, sagt Ammian wiederum nicht; prope confinia lucis (6, 11) kehren die Gallier zurück. 6, 13 schildert den Tag, der dem nächtlichen Ausfall folgt. Im Perserheer herrscht grosse Trauer über die schweren Verluste; adsensu communi kommt ein dreitägiger Waffenstillstand zustande. Ob hierbei der jener Nacht folgende Tag mitzurechnen sei oder nicht, ist belanglos. Beide Parteien benutzen die Ruhe zu neuen Rü

W. Klein, Studien zu Ammianus Marcellinus.

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stungen (7, 1). 7, 2 beginnt der Kampf um die Mauern von neuem, nachdem der Waffenstillstand abgelaufen ist; das ist der den 3 Tagen folgende Tag. Die Perser haben aus den früheren Kämpfen gelernt und ändern zum Teil ihre Aufstellung (7, 4). Erst die Nacht macht dem Ringen ein Ende (7, 5). Am folgenden Tage gehen die Perser sogar mit ihren Elefanten vor; diese werden aber durch Feuerbrände verscheucht. Der König selbst greift jetzt in den Kampf ein: ad extremum diei wird gekämpft (7, 8). Am folgenden Tage erfüllt sich das Schicksal der Festung: die Perser dringen in die Stadt ein und richten ein grosses Blutbad an (8, 1 ff.). Ammian gelingt es, obscurae praesidio noctis zu entkommen (8, 5 ff.); Antiochiam revisimus insperati (8, 12).

Für die Disposition und Chronologie der oben behandelten Kapitel ergibt sich:

1. drei chronologisch fixierte Gruppen von Tagen lassen sich unterscheiden:

a) 1.-25. Tag der Belagerung: die Hauptgruppe, Kap. 1, 2-4, 8. b) eine kleinere mittlere Gruppe, deren Umrisse verschwommen sind, Kap. 5, 4-6, 1.

c) etwa die letzten 6-7 Tage der Belagerung bis zur Einnahme der Stadt, Kap. 6, 7-8, 5.

2. In den Gruppen 1a und 1c läuft die Erzählung ohne Unterbrechung weiter, nirgends ist der innere und äussere Zusammenhang gestört; denn der Exkurs 4, 2-7 lässt sich ohne weiteres herausnehmen. In der Gruppe 1b dagegen treffen wir auf die bei Ammian so häufige Schachtelung und Undeutlichkeit der Verknüpfung.

Auf diesen Grundlagen wird sich nun weiter bauen lassen. Dass Ammian hier keine schriftliche Quelle benutzt hat, ist sicher. Ausserdem spricht gegen eine Vorlage der Umstand, dass sich von chronologischen Einschnitten nach der Art des Thukydideers oder des Annalisten keine Spuren finden. Daher nimmt man an, Ammian habe hier aus eigenen Erinnerungen geschöpft (Seeck S. 507), eine Annahme, die in ihrem Kern richtig ist, sich aber in dieser Form kaum wird halten lassen. Wenn wir oben den Inhalt der einzelnen Kapitel in seinen Grundzügen wiedergegeben haben, so geschah dies, weil wir zeigen wollten, dass ein jeder Tag wenn man von dem üblichen Aufputz absieht sein eigenes Gepräge hat und jeder folgende Tag neue Ereignisse bringt, an deren Richtigkeit und Reihenfolge kein Zweifel erlaubt ist. Ferner wissen wir, dass Ammian etwa 25-30 Jahre nach diesen. Ereignissen sein Werk geschrieben hat (Seeck RE. 1847, 21 ff.). Welch' ungeheures Gedächtnis muss dieser Mann gehabt haben, wenn man ihn Dinge, die so lange zurückliegen, jetzt mit einer solchen Genauigkeit und Bestimmtheit vortragen lässt, wenn man ihm zutraut, er habe wäh

rend eines Menschenalters im Gedächtnis behalten, dass in der Nacht vom 24. zum 25. Tage Regen gefallen sei, dass in der soundsovielten 1) Nacht vor dem Ende der Belagerung die Gallier ihren Ausfall gemacht hätten! Wenn man Oribasius ein derartiges, geradezu wunderbares Gedächtnis nicht zubilligen kann (Seeck S. 531), warum soll denn gerade Ammian ein solches gehabt haben, der doch häufig nichts weniger als Bewunderung erregt, besonders was die Chronologie anbelangt. Mag es sich auch um Dinge handeln, die sich Ammian mit besonderer Schärfe im Gedächtnis einprägen mussten, eine so genaue chronologische Fixierung aller Ereignisse nach mindestens 25 Jahren ist ein Ding der Unmöglichkeit 2). Unsere Meinung geht daher dahin, dass sich Ammian Aufzeichnungen seiner persönlichen Erlebnisse gemacht und, als er später sein Werk schrieb, seiner Darstellung eingereiht hat 3). Sehr interessant wäre nun zu erfahren, ob Ammian ein Tagebuch im eigentlichen Sinne geführt d. h. gleichzeitig mit den Ereignissen geschrieben habe. Aber eine Antwort auf diese Frage zu geben ist ein gewagtes Ding. Würde doch die Sicherheit erschüttert werden durch die Chronologie und Disposition der Erzählung von dem Aufstande des Silvanus und seiner Niederwerfung (XV 5, 17 bis 34); hier ist von Tageseinschnitten nichts zu bemerken. Hier wird sich Ammian wohl an seine Vorlage angeschlossen haben. Auf der andern Seite aber spräche für die Annahme eines Tagebuches die bereits oben erörterte zusammengeflickte Darstellung in dem Teile 1 b (s. S. 34). Es sieht hier so aus, als habe Ammian nur das in sein Werk aufgenommen, was er für wissenswert auch für den fernerstehenden Leser hielt. Die drei Teile in der Erzählung von den Galliern waren unter verschiedenen Tagen verzeichnet, und Ammian hat sich nicht die Mühe gemacht, sie zusammenzulegen, obgleich er hier den mittleren Teil der Belagerung als Ganzes vorführen will. Wenn demnach mehr für als gegen ein Tagebuch Ammians spricht, so ist doch wenig wahrscheinlich, dass Ammian etwa während der Belagerung seine Aufzeichnungen gemacht habe. Vielmehr scheint er in der Zeit der Ruhe in Antiochial seine Kriegserlebnisse niedergeschrieben zu haben. Eine Stelle, die un

1) Dass man keine Zahl angeben kann, liegt an dem unklaren Ausdruck Ammians. Für ihn war es nicht zweifelhaft, die wievielte Nacht es gewesen war.

2) Denn wie ein Werk aussieht, dessen Verfasser nur aus dem Gedächtnis geschrieben hat, zeigen des Dietrich von Niem De scismate libri tres. Auch Dietrich hat etwa 30 Jahre nach den Ereignissen geschrieben, die er fast alle als Augenzeuge (!) erlebt hatte, aber wieviel Fehler sind ihm untergelaufen; doch nur darum, weil er sich keine Aufzeichnungen gemacht hatte (s. G. Erler, Dietrich von Nicheim S. 322 ff. bes. 324).

3) Seeck hat diese Frage in seinem Aufsatz (Herm. 41) nur berührt. Was er hier sagt, lässt seine Ansicht nicht deutlich erkennen (vgl. o. S. 5). Daher schien es uns angebracht zu sein, dieses Problem hier genauer zu erörtern.

zweifelhaft auf Ammians Aufzeichnungen zurückgeht, findet sich XXXI 7, 16: Ammian hat auf seiner Reise nach Rom die Schlachtfelder des Gotenkrieges besucht. Von dem Kampfplatz Ad Salices berichtet er, die nicht bestatteten Leichen seien von den Vögeln verzehrt worden, ut indicant nuncusque albentes ossibus campi. Ammian aber schrieb diesen Teil seines Werkes am Ende der 90er Jahre des vierten Jahrhunderts (Seeck REI 1848, 4 ff.), d. h. etwa 20 Jahre nach der Schlacht. Jenes nuncusque entspricht daher nur der Zeit nicht lange nach der Schlacht, als Ammian Thracien bereiste. Die Form dieser Notiz freilich ist an seinem Schreibtisch in Rom entstanden, da Ammians Phrasensammlung noch ihre Spuren hinterlassen hat (s. Wagners Anm. zu der Stelle). Aus dieser Zeit der Ueberarbeitung der Aufzeichnungen stammt auch der Zusatz: (volucres) . . . . adsuetae illo tempore cadaveribus pasci. Dieser Zusatz sollte den Leser und noch mehr den Hörer erschauern machen. vor jener schrecklichen Zeit.

§ 2. Neben diesen Ammian allein angehenden Teilen seiner Aufzeichnungen standen auch solche, die Ereignisse erzählten, an denen er oft nur mittelbar interessiert war: das sind die Teile, die sich mit Ursicinus, seinen Schicksalen und Taten beschäftigen (vgl. Seeck RE I 1845 f.). Offenbar aber hat sich Ammian in der Darstellung der Niederwerfung des Silvanus ganz eng an seine Vorlagen angelehnt, was ja auch seiner unselbständigen Art entspricht. Nur eines stammt von ihm selbst: das ist die Schilderung der Wirksamkeit des Ursicinus. Denn kein anderer Schriftsteller berichtet, dass Ursicinus die Leitung des Unternehmens gehabt habe1), ausser Zonaras (XIII c. IX D), und der hat sein Material zum grossen Teil aus Ammian 2). Diese Dinge hatte Ammian. selbst miterlebt als Augenzeuge und konnte daher ohne weitere Nachforschungen seine Notizen machen 3). Wie steht es aber z. B. mit XVIII 5, 4 ff.? Ammian erzählt hier von den hinterlistigen Treibereien der palatina cohors gegen Ursicinus, die bei Konstantius durchsetzt, dass dem Ursicinus in Sabinianus ein Vorgesetzter gegeben wird. Woher weiss Ammian, dass diese Kränkung seines von ihm bewunderten Kommandeurs von der palatina colors ausgeht, wo doch nachweislich nur er über Ursicinus berichtet? Darauf lässt sich freilich keine sichere Antwort geben, man kann nur vermuten. In erster Linie kommen die Begleiter des Sabinianus in Betracht. Von ihnen allein kann Ammian z. B. den geheimen Befehl des Kaisers an Sabinianus erfahren haben, gegen Ursicinus zu intrigieren und ihn lahm zu legen (XIX 3, 2). Auch die Boten, die Ursicinus Befehle und Instruktionen überbrachten (z. B.

1) Wie überhaupt Ursicinus der Nachwelt nur durch A. bekannt geworden ist. 2) E. Patzig, Ueber einige Quellen des Zonaras. Byz. Ztschr. 5, 24 ff.

3) Dahin gehört auch die Erzählung von den Hochverratsprozessen in Antiochia 354 (XIV 9); denn sein Vorgesetzter Ursicinus hatte die Leitung der Untersuchung (9, 1).

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