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tiochia nie das bieten, was er zu seinem Werke brauchte: den Umgang mit den führenden Männern seiner Zeit, zumal mit denen, die er als die Verkörperung des alten Römergeistes ansah, wie Symmachus und Praetextatus. In Rom fand er ausserdem Gelegenheit, seine Kenntnisse zu vertiefen.

Dass Ammian überhaupt den Gedanken fasste, ein Werk zu schreiben, das in Form und Inhalt die grössten Schwierigkeiten machen musste, rechtfertigt an sich schon die Vermutung, dass er ein für seine Zeit sehr begabter und vielseitig interessierter Mensch gewesen ist. Um seinen Horizont zu erweitern, liest er Bücher aller Art und unternimmt Reisen z. B. nach Aegypten. Um nach Rom zu reisen, wählt er den Landweg, während der Weg zur See viel bequemer gewesen wäre, nur weil er zu Lande viel besser Material zu seinem Werke sammeln und in engere Fühlung mit den Menschen treten konnte, deren Berichte er zu seinem Werke brauchte, nicht zum wenigsten, weil er die Schlachtfelder des Gotenkrieges von 378 besuchen wollte. Durch die Lektüre von Ciceros Schriften sucht er in den Geist der lateinischen Sprache einzudringen, aber in ungeschickter und geradezu aufdringlicher Art tischt er seinen Lesern seine Lesefrüchte und sonstigen Kenntnisse auf, um damit zu prunken. Er benutzt jede Gelegenheit, Zitate und Exkurse anzubringen, ja er verschmäht nicht, eine Gelegenheit an den Haaren herbeizuziehen, ohne Rücksicht darauf, ob der Zusammenhang leide oder nicht. Aber dieses Verfahren erscheint in viel milderem Lichte, wenn man von dem ausgeht, was bereits oben gesagt ist (S. 6/7): Ammian überragte an Belesenheit und Aufnahmefähigkeit weit die sogenannten gebildeten Kreise, zu einer Zeit, in der die meisten Leser fürchteten, ihren Geist zu überladen und zu überanstrengen. Leute wie Eutrop und Festus waren daher ängstlich darauf bedacht, ihren Lesern nur das Allernotwendigste zu bieten. Wie hätte ein Eutrop oder ein Festus gewagt, eine Beschreibung des ganzen Reiches und eine so ausführliche Darstellung zu geben, selbst wenn ihm nicht Valens den Auftrag gegeben hätte, brevi narratione die römische Geschichte zu schreiben. Valens hatte damit nur die geistige Strömung seiner Zeit durch sein kaiserliches Machtwort sanktioniert. Ammian dagegen wollte so ausgiebig wie möglich seine Quellen für seine Leser ausschöpfen. Darin unterscheidet er sich rein äusserlich von den Historiographen seiner Zeit (vgl. XV 1, 1). Diese Ueberlegenheit fühlt Ammian sehr wohl, und bei jeder Gelegenheit sucht er seinen Lesern zu zeigen, wie hoch er über ihnen steht, indem er seine Zitate und langen Exkurse anbringt. Auf der andern Seite aber bewirkte dieses Bewusstsein seiner Ueberlegenheit, dass er seine Fähigkeiten überschätzte und sich nun an Dinge heranwagte, denen nos dicimus). Anders ist XIV 11, 18: visa nocturna, quas qavraoías nos appellamus. Hier hat er vergessen, dass er gar kein Grieche sein will.

er nicht gewachsen war. So erklären sich viele Fehler und Missverständnisse in den Exkursen. Aber es gab zu jener Zeit um von Ammian ganz zu schweigen kaum jemand, der unternommen hätte, z. B. die Theorien des Erdbebens zu prüfen oder gar weiterzuführen. Dazu fehlte allen die nötige wissenschaftliche Grundlage. Man begnügte sich damit, die einzelnen Theorien nebeneinander zu stellen und den Leser nach Belieben wählen zu lassen (vgl. z. B. XVII 7, 9: adesse - conlegerunt). Das lag in dem Charakter der Zeit, von dem auch Ammian ein gut Stück in sich trägt, mag er sich auch sonst über ihn erheben. Er konnte wagen 1), seine Unkenntnis in vielen Dingen durch nichtssagende Phrasen zu verdecken, weil er kaum zu fürchten hatte, es werde jemand seine Darstellung an Hand der Quellen nachprüfen oder gar schon auf den ersten Blick seine Lücken entdecken. Der Erfolg, den sein Werk bei der ersten Vorlesung im Kreise seiner Freunde gehabt hat, ist wohl zum guten Teil seiner umfassenden Belesenheit zu verdanken, die seinen Zuhörern imponieren musste. Für seine Zeit war es in der Tat eine erstaunliche Leistung. Dieses hohe Maß an Belesenheit und Wissen hat denn auch wohl das Seine dazu beigetragen, dass Ammian in der folgenden Zeit wenig gelesen wurde, von den ihn bewundernden Freunden. abgesehen; denn anders lässt sich kaum erklären, dass er nur einmal mit Namen in der späteren Zeit zitiert und in Anbetracht seines historischen Wertes so wenig benutzt wird (s. RE I 1852, 27).

Ammian wollte ein monumentales Werk schaffen, mag er auch am Schluss des ganzen ein bescheidenes Urteil fällen über das, was er getan hat: scribant reliqua potiores aetate doctrinisque florentes. quos id, si libuerit, adgressuros procudere linguas ad maiores monco stilos (XXXI 16, 9). Das ist nicht ernst gemeint, sondern nur Maske: das von dem stilus maior hatte er bei Eutrop gelesen (X 18, 3: nam reliqua stilo maiore dicenda sunt. s. Büdinger S. 6 Anm. 4), und offenbar hatte es ihm so gut gefallen, dass er es in sein eigenes Werk übernahm; vielleicht sollte das zugleich ein literarisches Kompliment für Eutrop sein. Ammian wollte vielmehr, dass dem monumentalen Inhalt seines Werkes eine ebensolche Form entspräche; als Grieche aber konnte er die lateinische Sprache nicht so meistern, dass er das ersehnte Ziel erreicht. hätte. Denn das Latein, das er als Soldat gesprochen hatte, konnte. er unmöglich auch schreiben. Darum machte er Anleihen bei den von ihm als Muster angesehenen lateinischen Autoren, wobei ihm seine grosse Belesenheit sehr zu statten kam. Wenn er dann mitunter seine erborgten Floskeln über mehrere, weit auseinander liegende Stellen verteilt, so macht es oft weniger den Eindruck, als suche er vor seinen

1) Hat er doch nicht verschmäht, Eutrop und Festus zu benutzen, deren Werkchen selber nur Kompilationen waren, Musterbeispiele für die geistige Kost jener Zeit.

Lesern eine Schwäche 1) zu verbergen, sondern es sieht ganz so aus, als wolle er sie zum besten haben, indem er den weniger belesenen wieder seine Ueberlegenheit fühlbar machte, mit denen aber, die den verschlungenen Wegen seines Stiles folgen konnten, Versteck spielte 2). Dass er z. B. Livius nicht nennt, obwohl er ihn oft benutzt hat, ist unzweifelhaft auf diese Schrulle zurückzuführen. Dem Kreise des Symmachus war Livius so vertraut, wie uns etwa Schiller und Goethe; seine Hörer wussten also genau, wenn Livius aus seinem Munde sprach. Bei ihnen wird er grosse Freude und Bewunderung erregt haben, besonders wenn sie selber schriftstellerten; denn dann huldigten sie einer ähnlichen Arbeitsweise wie Ammian, nur daß sie bei diesem zur Manie geworden ist. Er bildet den Höhepunkt einer Entwickelung, die so alt ist wie die römische Literatur überhaupt. Man lehnte sich in Poesie und Prosa an ein Vorbild an und schrieb in dessen „Ton". Zuerst waren es griechische Vorbilder; als die lateinische Literatur an Umfang und Bedeutung zugenommen hatte, auch lateinische (vgl. Thukydides - Sallust Tacitus). Bei Ammian freilich erscheint diese Entwickelung auf den Kopf gestellt, insofern als hier der Grieche von den Lateinern lernt. Das innere Wesen der Entwickelung aber bleibt davon unberührt, es zeigt sich nur in einer andern Form (vgl. auch Norden in der Einleitung i. d. Altertumswissenschaft I2 S. 446). Auf seinen raffinierten Stil ist er sehr stolz gewesen, das zeigt sein Werk überall und straft die Schlussworte Lügen. Auf der andern Seite will er sich den Anstrich des alten, rauhen Soldaten geben, dem es nur auf den Inhalt seines Werkes ankommt, der aber die Form vernachlässigt (XXXI 16, 9). Auch das ist nicht so ernst zu nehmen; denn so lange war er gar nicht Soldat, dass ihm das Militärische zur zweiten Natur geworden wäre: als ganz junger Mann war er eingetreten und hatte bis 360 die Waffe getragen. Dann war er Privatmann geworden und geblieben, von der einen Unterbrechung abgesehen, als er an dem Perserfeldzug Julians 363 teilnahm. Ob er hierbei militärische Aufgaben erfüllt habe, ist recht zweifelhaft, da er nie von irgendwelcher Tätigkeit berichtet. Vielleicht ging er überhaupt nur aus Bewunderung für Julian mit, vielleicht in der Umgebung eines der kaiserlichen Generale. Als späterhin schwere Verwickelungen z. B. mit Persien drohten und jeder als Mitkämpfer willkommen sein musste, scheint er nicht im geringsten.

1) Ammian wird etwa so gearbeitet haben: er schrieb sein Werk in dem Latein, das ihm ohne weiteres in die Feder floss. Dann aber, wenn er einen Teil herausgeben wollte, arbeitete er das ganze stilistisch auf, indem er seine Lesefrüchte, die er in seinem Zettelkasten verwahrte, an den geeigneten Stellen anbrachte. Dass ihm vorher bei der Niederschrift schon manche Phrase einfiel, ist natürlich, und er wird nicht versäumt haben, sie sofort aufzunehmen.

2) Recht bezeichnend hierfür ist das Beispiel, das Hertz am Schlusse seines Aufsatzes anführt (S. 300).

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357

daran gedacht zu haben, wieder einzutreten. Denn nichts deutet darauf hin, dass er später noch einmal tätig gewesen sei; vielmehr scheint er sich ganz seiner literarischen Tätigkeit hingegeben zu haben. Im Jahre 357, als er Adjutant des Ursicinus war, war er noch adulescens (XVI 10, 21); das ist freilich ein weiter Begriff. Nimmt man an, dass er damals schon gegen 30 gewesen sei, und rechnet man die 3 Jahre bis 360 mit, wo er ins Privatleben zurücktrat, so ergibt sich, dass er höchstens 15 Jahre Soldat gewesen ist 1). Dieser Zeitraum reicht aber nicht aus, einen jungen Menschen durch und durch zum Soldaten zu machen; das ist nur möglich, wenn er im Dienst ergraut. Ausserdem scheint er nicht sonderlich von seiner militärischen Laufbahn berührt worden zu sein; denn die Schlachtbeschreibungen und Kriegsoperationen in seinem Werke lassen häufig die nötige Klarheit vermissen, die man bei einem altgedienten Soldaten voraussetzen müsste. Wenn er sich also als alten Soldaten bezeichnet, tut er sich auf seine militärische Laufbahn mehr zugute als er berechtigt ist. Wenn er aber von sich sagt: haec.... explicavi . . . . . . opus veritatem professum numquam, ut arbitror, sciens silentio ausus corrumpere vel mendacio, so darf man ihm das aufs Wort glauben. Doch davon später mehr.

Ueber Ammians Lebensauffassung und Stellung zur Religion haben die Untersuchungen von Büdinger und Dautremer aufgeklärt. Dieser freilich betont zu stark die Neigung Ammians, aus den Tatsachen die Nutzanwendung zu ziehen, und macht ihn zu einem Moralprediger. Man hat den Eindruck, als wolle Dautremer dies zu einer besonderen Eigenart Ammians machen. Das ist aber ein Zug, der der antiken Geschichtschreibung eigen ist, allerdings bei dem einen mehr, bei dem andern weniger hervortritt (s. Peter, gesch. Lit. II 218 ff.); zumal die Biographie ist geeignet, moralische Betrachtungen anzustellen und Lehren zu geben, da sie mit besonderer Liebe die einzelne Persönlichkeit studieren kann. Hierin hat denn auch bei Ammian die Biographie ihren Einfluss geltend gemacht. Ferner wissen wir z. B. von Theopomp, dass er Exkurse liebte und „philosophische Erörterungen über Gerechtigkeit und Frömmigkeit und andere Tugenden" einflocht (Peter a. a. O. 219). Dergleichen moralisierende Themata wurden in den Rhetorenschulen behandelt und waren Gegenstand literarischer Versuche. Dasselbe gilt für Ammian: in seinen Exkursen kommt es ihm vor allem auf den rhetorischen Schwung an; sein inneres Empfinden braucht bei philosophischen Erörterungen z. B. gar nicht beteiligt zu sein. Ausserdem sucht er mit seinen Kenntnissen aller Art zu prahlen. Beides hat sich bei ihm zu einer Einheit verschmolzen. Ein geradezu klassisches Beispiel hierfür findet sich XIV 11, 24 ff.: Gallus ist hingerichtet zur Sühne

1) Je niedriger man Ammians Alter für 357 ansetzt, um so stärker wird unsere Ansicht gestützt.

für seine Schandtaten. Dann heisst es: sed vigilavit utrubique superni numinis aequitas: nam et Gallum actus oppressere crudeles, et non diu postea ambo cruciabili morte absumpti sunt, qui eum licet nocentem blandius palpantes periuriis ad usque plagas perduxere letales. In Kürze berichtet Ammian jetzt die Todesarten des Scudilo und des Barbatio, der Mörder des Gallus. Dass Ammian hierin vorgegriffen hat, ist nicht zu tadeln. Die ganze Darstellung ist ohne sonderlichen Aufwand von Rhetorik und moralischen Betrachtungen. Dabei kann es aber Ammian nicht bewenden lassen und legt darum mit § 25 einen Exkurs ein, der dazu noch ungeschickt angeknüpft wird. Er soll nur ausführen, was Ammian oben gesagt hat: „Die Bösewichte entgehen selten ihrer wohlverdienten Strafe." Das hätte durch Beispiele bewiesen werden müssen; denn aus ihnen erst hat man den Satz abgeleitet. Aber was setzt Ammian seinen Lesern vor? Eine Abhandlung über die Adrastia, quam vocabulo duplici etiam Nemesim appellamus! Die hier gebotenen Anschauungen, wohl aus einer stoisches Material verwendenden Quelle, hatten Ammian offenbar so imponiert, dass er meinte, sie seinen Hörern und Lesern nicht vorenthalten zu dürfen; seine eigentliche Absicht vergisst er dabei fast ganz. Sein Gedankengang ist also: Behauptung: jede Schuld findet ihre Sühne. Beweis" die Adrastia steht hinter allen Dingen. So beweist" er eine Behauptung durch eine andere. Selbst wo ihm seine Quelle einen Fingerzeig zum richtigen gibt 1), sieht er nicht, wie schief der Gedankengang ist. Als Kuriosum sei erwähnt, dass Ammian, wo er diese Adrastia noch einmal einführt, fast dieselben Worte über ihr Wirken sagt:

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XIV 11, 26: bonos ab imo suscitans ad bene vivendum extollit.

....

XXII 3, 12: (Eusebium). ab ima sorte ad usque iubendum imperatoria paene elatum.

Hier musste er den Gedanken ändern, die Worte behielt er nach Möglichkeit bei. Das zeigt, wie rein äusserlich solche Dinge bei Ammian sind.

Unsere Meinung fassen wir dahin zusammen: Ammian hat, wie die meisten antiken Historiker, die Neigung, aus den geschichtlichen Tatsachen moralische Lehren zu ziehen. Diese Neigung aber wird bei Ammian durch die Rhetorik und seine Sucht, mit seinen Lesefrüchten Eindruck zu machen, zu einer rein äusserlichen Effekthascherei, an der sein Herz und seine Gesinnung nur insofern Anteil haben, als er niemals unmoralische Anschauungen wiedergegeben hätte.

Seeck (S. 515) hat in dem 22. Buche Spuren der beiden Quellen Ammians darin zu finden geglaubt, dass „Julian bald in heidnischem Sinne gepriesen, bald in christlichem verurteilt wird". Die in Betracht kommenden Stellen sind a. a. O. in den Anmerkungen 1-2 zusammen1) § 26: urnam sortium temperat.

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