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muss Wahrscheinlichkeit besitzen und auf Thatsachen basiren, die nur durch sie erklärbar werden; ist dies nicht der Fall, dann ist sie ohne Werth und bleibt unberücksichtigt. DARWIN hat begriffen, dass auch seine Theorie vom moralischen Sinn und vom Gewissen diesen Anforderungen genügen müsse; deshalb beschäftigte er sich mit dem Studium des moralischen Zustandes der Wilden und fand, was er suchte, eine thatsächliche Bestätigung seiner Theorie. Er versucht die Beobachtungen, welche man zu oft im bunten Durcheinander macht, methodisch zu ordnen, und er findet drei Hauptursachen für die moralische Inferiorität der Wilden, die eng unter einander zusammenhängen.

Erstens hat der Wilde wenig oder gar kein Vermögen der Selbstbeherrschung, er handelt fast immer nur instinctiv, die Begierde reisst ihn mit unwiderstehlicher Gewalt fort und die Heftigkeit seiner Leidenschaft ist fast ebenso gross als ihr ewiger Wechsel, er unterliegt ganz und gar den verschiedensten Gemüthsbewegungen. SPENCER hat diesen Charakterzug der Wilden am besten gekennzeichnet, er bezeichnet sie als grosse Kinder mit den Leidenschaften der Erwachsenen. Ich will nur ein Beispiel von den Tausenden, die zur Wahl stehen, anführen.

Kosmos, VII, Jahrgang (Bd, XIII).

Die bejammernswerthen Bewohner des Feuerlandes leben hauptsächlich von Muscheln, sie sind gute Taucher und erlangen auf diese Weise das gesuchte Material. Ein Feuerländer kam mit Frau und Kind von der Fischerei zurück, er trug die Muscheln in einem Korb, der ihm zu schwer wurde, er stolperte, der Korb entfiel seinen Händen, und die Muscheln lagen zerstreut im Wasser. Durch dieses Missgeschick wüthend gemacht, ergriff der Feuerländer sein Kind und schleuderte es gegen einen Felsen, wo es sich den Kopf zerschmetterte *. Es ist sehr zweifelhaft, ob dieser Wilde, der allerdings einem der uncultivirtesten Völkerstämme angehört, wirklich von Gewissensbissen geplagt worden ist. Ein Hottentotte misshandelt seine Frau auf das Brutalste, ohne sich sonderlich darum zu kümmern, dass er etwas Unrechtes thut; denn die öffentliche Meinung unter seinen Stammesgenossen verdammt solche Handlungsweise nicht (Sir JOHN LUBBOCK). Der Wilde ist eben nur für das Urtheil seiner Stammesgenossen empfindlich, weil er keine Selbstbeherrschung besitzt; dieses bewies uns auch der schon angeführte Bericht über den Australier.

Eine zweite Ursache der moralischen Inferiorität der Wilden ist ihre geringe Intelligenz. Viele können nicht bis zehn zählen, manche sogar nicht einmal bis vier. Manche Australier sind nicht im Stande zu erkennen, ob eine Zeichnung einen Menschen, ein Pferd, ein Haus vorstellt, sie verwechseln alles mit einander. Wie sollten sie also die Folgen ihrer Handlungen berechnen können, wie sollten sie begreifen können, dass Schwelgerei, Unmässigkeit Laster sind, die am meisten ihnen selbst und ihren Genossen schaden? Sie vermögen absolut nicht ein gegenwärtiges Vergnügen gegen einen zukünftigen Schmerz abzuwägen, darum

*Citirt von Dr. Letourneau in seiner Sociologie.

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können sie sich auch nicht von dem einen fern halten, weil der andere droht. Hieraus erklärt sich auch ihre Unbekanntschaft mit allen denjenigen Tugenden, welche nicht unumgänglich für das gesellige Leben erforderlich sind.

Ihr Mitgefühl endlich beschränkt sich auf den Kreis derjenigen, die mit ihnen derselben Gruppe angehören, genau wie es auch bei den gesellig lebenden Thieren der Fall ist; sie unterstützen sich gegenseitig und beschützen einander, sie zeigen hingebende Treue, wenn es sich um gemeinsame Interessen handelt, wie es das Verhalten jener drei Patagonier beweist, die, wie DARWIN berichtet, sich lieber erschiessen liessen, um nicht ihre Genossen zu verrathen.

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Sobald ein Stamm einen bekannten Häuptling hat, dessen Ansehen fest begründet ist, betrachten sie den Gehorsam gegen ihn als Tugend, auch Diebstahl und Mord werden streng bestraft. Aber gegen die Fremden ist alles erlaubt; sie empfinden nicht den geringsten Scrupel, dieselben Verbrechen gegen Fremde zu begehen. Ein Indianer aus Nordamerika, sagt DARWIN, ist mit sich selbst zufrieden und von den andern geachtet, wenn er ein einem andern Stamme angehörendes Individuum scalpirt hat. Ein indianischer Thug beklagte sich, noch nicht ebensoviel gestohlen und auch noch nicht ebensoviele Reisende erdrosselt zu haben als sein Vater.<

Humanität ist eine dem grössten Theil der Wilden unbekannte Tugend, sie betrachten es daher auch als nichts Schlechtes, ihre Thiere und selbst ihre Frauen auf die brutalste Art zu misshandeln. Doch es gibt natürlich auch Ausnahmen einige Reisende wie MUNGO PARK haben Wilde kennen gelernt, die einen hohen Grad von Mitgefühl und Erbarmen für jede Art von Unglück besassen aber diese sind selten. Der Kindesmord war allgemein eine als erlaubt betrachtete Handlung,

weil die Tödtung der Kinder, besonders der Mädchen, für den Stamm vortheilhaft zu sein schien.

Wie, wird man nun fragen, konnte sich aus solchen Barbareien die wahre Humanität entwickeln? Die Antwort ist jetzt leicht, nachdem wir erkannt haben, dass die Entwicklung der sympathischen und socialen Instincte mit derjenigen der Intelligenz gleichen Schritt hält. Jene Menschen, welche die grösste Selbstbeherrschung besassen, haben aus dem Kampfe um das Dasein siegreich hervorgehen müssen, weil sie eben cultivirter und berechneter waren als die andern. In der Folgezeit lernten sie dann, in dem Maasse als ihre Fähigkeit zu überlegen wuchs, sich von denjenigen Genüssen, welche nothwendigerweise Schmerzen im Gefolge haben, fern zu halten, und sie befreiten sich von den verkehrtesten abergläubischen Meinungen. Ihr Mitgefühl endlich durchbrach den engen Kreis der Stammesgenossen, für die es bisher nur vorhanden war; allmählig erstreckte es sich auf alle Menschen derselben Rasse und erst in unserer Zeit auf alle Menschen ohne Unterschied. Noch für ARISTOTELES ist nur der Grieche ein Mensch, nicht aber der Barbar. Erst die stoische Philosophie erwarb sieh das ehrenvolle Verdienst, alle Menschen als Brüder zu bezeichnen und die definitive Verurtheilung der Sklaverei auszusprechen. Doch noch vor weniger als hundert Jahren bemühte man sich, die Berechtigung der Sklaverei zu erweisen, indem man sich auf die Verschiedenheiten der Rasse und Farbe stützte. Wie kurze Zeit ist es her, dass das menschliche Mitgefühl auch den von der Natur stiefmütterlich bedachten Individuen zu Theil ward, dass man anfing, der Idioten sich zu erbarmen, die Geisteskranken nicht zu misshandeln? Ein Blick auf unsere jetzigen Zustände genügt, um uns zu überzeugen, dass wir, um das treffende Wort FENÉLON's zu gebrauchen, unsere Herzen

dem Mitgefühle noch zugänglicher machen müssen.

Jedoch die socialen Triebe allein, wenn sie sich auch so entwickelt hätten, wie wir es annehmen, würden niemals genügen, um die höchste Stufe der Moralität zu erreichen. Die Vernunft allein, welche unsere Augen auf ein Vollkommenheitsideal beständig gerichtet hält, das sie bemüht ist zu erreichen, die Vernunft, welche einen Gott der Liebe und des Erbarmens verehrt, sie allein vermag uns zu lehren, Böses mit Gutem zu vergelten und selbst die Feinde zu lieben. Liebevolles Mitgefühl und Vernunft sind nach DARWIN das letzte Ziel unserer Entwicklung, sie sind die reifsten und herrlichsten Früchte, welche die schwachen, sich entwickelnden Fähigkeiten der gesellig lebenden Thiere gezeitigt haben.

Wir können somit eine ununterbrochene Reihe von Entwicklungsstadien annehmen, von dem Geisteszustande eines vollkommenen Idioten bis zu den intellectuellen Fähigkeiten eines NEWTON, wir können alle Stadien durchlaufen, die sich zwischen der moralischen Verworfenheit eines Feuerländers und der erhabenen Milde eines SAINT VINCENT DE PAUL befinden. Jedoch dieser Feuerländer steht nach DARWIN'S Ansicht in moralischer Beziehung noch unter denjenigen Thieren, die der Treue und des Heroismus fähig sind.

Der moralische Sinn begründet daher, trotzdem er ein ausschliessliches Privileg des Menschen ist, keine unüberwindbare Differenz zwischen Mensch und Thier. Die Verschiedenheit zwischen beiden ist allerdings eine ungeheure, aber dieser Unterschied ist ein gradueller, kein specifischer. Jedes mit socialen Trieben ausgerüstete Wesen, dessen Intelligenz dieselbe hohe Stufe der Vollkommenheit erreichen würde, als dies beim Menschen der Fall ist, würde zweifellos auch dahin gelangen, sich moralischen Sinn und Gewissen zu er

werben. Freilich brauchte dieses Gewissen nicht nothwendig mit dem unserigen übereinzustimmen, es würde sich vielmehr entsprechend der Constitution dieses Wesens und entsprechend auch den Verkehrs- und Lebensbedingungen, die für das betreffende Wesen maassgebend sind, gestalten: Um also einen äussersten Fall zu setzen: > wenn die Fortpflanzung des Menschengeschlechts unter Verhältnissen sich vollziehen würde, die den für die Bienen bestehenden ähnlich wären, so würden ohne Zweifel die nicht verheiratheten weiblichen Individuen, wie die Arbeiterbienen, es als eine heilige Pflicht betrachten, ihre Brüder zu tödten, und die fruchtbaren Mütter würden in gleicher Weise ihre geschlechtsreifen Töchter zu vernichten suchen. < Nehmen wir aber an, die Biene würde sich ein Verständniss für Gut und Böse erwerben, sie würde Gewissen besitzen: »dann würde sie wie der Mensch über ihre bisherige Lebensund Handlungsweise nachdenken und würde, wie er, durch die Gewissensbisse dahin kommen, zu verstehen, dass es ihre Pflicht sei, den beständig wachen socialen Antrieben zu gehorchen, selbst wenn die anderen darüber vernachlässigt werden müssen.<

Unsere Unterschiede zwischen » Gut< und Böse besitzen also nicht jenen absoluten Werth, den wir ihnen so gern zuertheilen möchten. Unsere Moral ist eine rein menschliche; sie wäre nur eine als möglich denkbare Weise moralischen Lebens unter einer Unzahl anderer, wenn es eine ganze Menge von Arten intelligenter Wesen gäbe, deren Existenzbedingungen von den unserigen abwichen.

Jetzt, glaube ich, kann man deutlich das Neue und Originelle in der DARWIN'schen Theorie der Moral erkennen. Sie ist nicht ein System der Moral, welches sich auf ein neues Princip gründet, sie ist auch nicht eine glückliche Ueberarbeitung eines schon existirenden Systems, z. B. der christlichen

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oder der utilitaristischen Moral, sondern sie ist das Werk eines Naturforschers, und ihre Originalität gründet sich auf die eigenthümliche Betrachtungsweise, welche in ihr Anwendung gefunden hat. Es war ein kühnes Unternehmen, die Bildung des Gewissens als ein naturwissenschaftliches Problem zu betrachten und die Bearbeitung desselben mit jener Methode zu versuchen, welche bei den Problemen von dem Ursprung der Arten und von der Abstammung des Menschen Verwendung gefunden hat.

Mehr als ein Philosoph hat vor ihm versucht, die Entstehung der moralischen Ideen in der menschlichen Seele zu erklären, und auch sie haben schon angeborene Triebe oder die Nothwendigkeit des geselligen Lebens oder endlich die unaufhörliche Einwirkung der Gewohnheit als Erklärungsgründe benutzt. Keiner aber von ihnen hat daran gedacht, die Frage als eine biologische, nicht nur als eine anthropologische aufzufassen. Alle Betrachtungen gingen von dem abstracten Begriff des Menschen, der im Laufe der Jahrhunderte sich immer gleich blieb, aus.

Die hier erläuterte Idee ist DARWIN'S Eigenthum. Seine Methode führte ganz nothwendig zu dieser Betrachtungsweise und seine vorhergehenden Arbeiten hatten ihn zur Lösung dieses Problems befähigt und vorbereitet. Das Studium der Geologie und der Geschichte der Arten hatte ihn daran gewöhnt, unermessliche Zeiträume ohne Verwirrung zu überblicken und zu begreifen, wie selbst die beträchtlichsten Veränderungen auf eine unmerkliche Weise im Laufe der Zeiten sich vollziehen. Dann hatte er während seiner Reise um die Welt und besonders während seines Aufenthaltes im Feuerland Gelegenheit gehabt, den Zustand der moralischen Inferiorität, in welchem sich der Urmensch befand, an den Wilden zu studiren. Der Anblick dieser Men

schen hatte auf ihn den lebhaftesten Eindruck gemacht, und es ist daher auch nicht unwahrscheinlich, wenn wir annehmen, dass er seitdem versucht hat, die Uebergangsstufen aufzudecken, welche den unermesslichen Abstand erklärlich machen, der zwischen thierischem Instinct und menschlichem Gewissen zu bestehen scheint. DARWIN hat, kann man sagen, das ContinuitätsPrincip des LEIBNIZ auf originelle Weise in der Moral zur Anwendung gebracht; er hat den moralischen Menschen in die Natur zurückversetzt, er hat nachgewiesen, dass die moralische Welt nicht eine besondere Welt für sich sei, nicht, wie SPINOZA sich ausdrückte, ein Reich gelegen in einem andern, sondern dass diese Welt denselben Ursachen ihre Entstehung verdankt, welche für die Entstehung und Entwicklung der Natur bestimmend waren und noch sind.

Wie gross ist der Contrast zwischen seinen Anschauungen und den Ideen eines PASCAL oder KANT! Der letztere will das Gewissen herleiten aus der Bestimmung des Menschen. Der Mensch allein ist nach der Ansicht KANT's ein vernünftiges und freies Wesen; unendlich ist der Abstand zwischen ihm und der übrigen Natur, er allein hat einen absoluten Werth. Seine Vernunft gibt seiner Freiheit ein Gesetz und dieses moralische Gesetz ist für alle vernünftigen und freien Wesen gültig. Kein Wort verliert KANT über die sensibele Natur des Menschen, über die Instincte, wenn er nicht gerade genöthigt ist, sie zu besprechen, um jede Einwirkung derselben auf die moralische Welt, jede positive Bedeutung derselben für das Zustandekommen der moralischen Phänomene zu leugnen; die Moral ist nach seiner Ansicht das alleinige Werk der reinen Vernunft.

Wie ganz anders verfährt DARWIN! Er studirt die Neigungen und Triebe des Menschen, er beobachtet die Thiere, welche unter denselben Bedingungen

leben wie er; er vergleicht, er verallgemeinert, er nimmt seine Zuflucht zur Ethnographie, zur Anthropologie, zur Geschichte, er versucht seine Theorie zu stützen auf die unumstössliche Evidenz der Thatsachen; indem er den Ursprung der Moral-Begriffe herzuleiten

sucht aus denselben Principien und dieselbe Methode hiebei anwendet, gewinnt er durch die Lösung des Problems einen neuen Beweis für die Wahrheit seiner Theorie von der Abstammung des Menschen«.

(Revue politique et littéraire, No. 6.)

Angebissene Flügel von Acraea Thalia.

Nachtrag zu dem Aufsatze über die Aehnlichkeit durch Ungeniessbarkeit geschützter Schmetterlingsarten.*

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Von

Dr. Fritz Müller.
(Mit 1 Holzschnitt.)

Die Aehnlichkeit durch Ungeniessbarkeit geschützter Schmetterlingsarten habe ich in diesen Blättern, in dem Aufsatze über Ituna und Thyridia** als einen Fall schützender Aehnlichkeit nachzuweisen versucht und bin später noch einmal auf denselben Gegenstand zurückgekommen, hauptsächlich um die abweichende Auffassung von WALLACE ZU widerlegen, der diese Aehnlichkeit unbekannten örtlichen Ursachen zuschrieb. Zu meiner grossen Freude hat nun WALLACE*** nicht nur die Berechtigung der gegen seine Auffassung erhobenen Bedenken eingeräumt, sondern er selbst hat es übernommen, seinen Landsleuten die von mir gegebene Erklärung in der ihm eigenen klaren und eindringlichen Weise darzulegen. Dabei hat er meinem Erklärungsversuche eine wesentliche und

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wichtige Vervollständigung gegeben durch den Hinweis auf die unbedenklich anzunehmende sehr verschiedene Abstufung der Widrigkeit und Ungeniessbarkeit bei verschiedenen Schmetterlingsarten.

Dieser Aufsatz von WALLACE hat den Widerspruch eines anderen namhaften Schmetterlingskenners, Mr. W. L. DISTANT, hervorgerufent. Er wendet sich gegen die der Erklärung zu Grunde liegende Annahme, dass insektenfressende Vögel die Kenntniss geniessbarer und ungeniessbarer Schmetterlinge nicht ererben, sondern durch eigene Erfahrung erwerben, und dass somit der Unkenntniss junger Vögel auch von den durch Widrigkeit geschützten Arten eine gewisse Anzahl zum Opfer fällt, und beruft sich dabei auf Versuche von SPALDING, denen zu Folge ein junger, eine Woche alter

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